Prozeß in Aachen

UnterstützerInnen 20.04.2005 22:40 Themen: Repression
8. Tag im Prozeß gegen Jose, Bart, Gabriel und Begonia
8. Prozeßtag gegen Bart, Jose, Gabriel und Begoña
20.04.05 Aachen

Die Gefangenen wurden wie üblich einzeln in den Saal 339 des Aachener Landgerichts vorgeführt und es gab für jeden Einzelnen stehend Applaus. Als das Gericht den Saal betrat, setzten sich alle. Sieben UnterstützerInnen zogen sich aus und skandierten "Isohaft ist Mord!" Auf den nackten Körpern war zu lesen "Eure Justiz frisst Menschenfleisch!"
Der vorsitzende Richter Nohl wartete erst ab und zitierte die Ausgezogenen dann vor den Richtertisch, wo die Personalien aufgenommen wurden. Er forderte sie auf, sich anzuziehen, was bis auf einen alle taten. Der Verweigerer erklärte, dass solange sich nichts an den Haftbedingungen für die Angeklagten ändern würde und Gabriel gezwungen sei aus Protest nackt im Gerichtssaal zu sitzen werden auch die Proteste der UnterstützerInnen andauern. Als dazu applaudiert wurde, rügte Nohl die ZuschauerInnen.
Staatsanwalt Geimer nannte das eine "totale Entgleisung" die "in meiner 20jährigen Dienstzeit noch nicht vorgekommen ist". Er sprach von einer "gut durchorganisierten Aktion". Dies ging einher mit der Forderung den immer noch Nackten mit zwei Tagen und die SympathisantInnen mit einem Tag Ordnungshaft zu bestrafen. Wobei er auch die SympathisantInnen meinte, die lediglich applaudiert hatten, wogegen Barts Verteidiger Sven Lindemann protestierte, da Applaus nicht organisiert werden müsse.
Nohl fragte die Betroffenen nach einer Stellungnahme zu Geimers Ausführungen. Sie erklärten, dass sie "das nicht korrekt finden", sich solidarisch zeigten mit den Angeklagten und mit ihrer Aktion gegen die Vorführbedingungen, sowie gegen die Isolationshaft protestieren. Des Weiteren sprachen sie sich gegen die Sicherheitsmaßnahmen gegen die ZuschauerInnen aus. All das musste von Flämisch in Deutsch und umgekehrt übersetzt werden, da die AktivistInnen aus Belgien kamen.
Gabriel rief: "Kommt in meine Abteilung. Wir machen eine Asamblea (Versammlung)!".
Das Gericht zog sich zurück und verkündete nach seiner Wiederkehr, dass der Unterstützer, der nach wie vor nackt war, drei Tage Ordnungshaft wegen "schuldhaften Verhaltens vor Gericht "erhielte, wogegen er innerhalb einer Woche Beschwerde einlegen könne. Die anderen sechs müssen wegen "ungebührlichen Verhaltens" den Saal verlassen. Zeitgleich zu der Aktion in Gerichtssaal wurden vor dem Gericht Flugblätter verteilt, einige wenige davon zogen Zivilpolizisten ein, die gleich zu dritt kamen, sich auswiesen und ihrerseits die Personalien der UnterstützerInnen verlangten.
Ein Exemplar der Flugblätter wurde dem Gericht vorgelegt, was Nohl verlas und zu den Akten nahm. Gabriel sagte, er würde das Flugblatt unterschreiben.
Nohl verkündete und ließ protokollieren, dass bei weiteren Störungen, einschließlich Applaus der Saal geräumt werden würde.

Nach einer kurzen Pause gab Gabriel eine Erklärung ab. Er sagte, dass man nur schwer die Vorfälle in Aachen verstehen könne, wenn man die Zusammenhänge aus der Vergangenheit nicht sehen würde. Um die Dinge zu beurteilen muß man die Ursprünge kennen. Das Gericht interessiere sich jedoch nicht für die Ursprünge, es möchte lediglich die Angelegenheit schnell abschließen. Die Interessen des Gerichts und die Wahrheit würden frontal gegeneinander prallen. Wer glaube, dass Gericht und Justiz Wahrheit bedeuten würden, glaube auch daran, dass es humanitäre Kriege, Resozialisierung in Knästen und die Gleichheit der Menschen gäbe.
Das Gericht wäre weder unverfänglich noch objektiv, sonst hätte es unter anderem die Zeugen der Verteidigung nicht abgewiesen. Das Gericht sei wahrscheinlich nicht an der Wahrheit. interessiert
Wenn der deutsche Konsul in Spanien nichts zu verschweigen hätte, warum wird er dann nicht vorgeladen, was hätte das Gericht zu verlieren. Stattdessen werden die Angeklagten wie Terroristen behandelt. Er sprach auf Joses schlechten Gesundheitszustand an, wofür das Gericht sich nicht interessiert, stattdessen wären die Vorführbedingungen nach wie vor unverändert. Er lehne die Autorität des Gerichts ab.
Er habe die Verantwortung für seine Taten übernommen, sie können ihn verurteilen, aber sie hätten nicht die Macht ihn ethisch, moralisch und politisch zu beurteilen.
Er fragte nach den Sicherheitsbedingungen, weshalb seine Mutter sich auskleiden müsse, wenn sie ihn im Gericht sehen will.
Nohl sagte darauf, dass das Oberlandesgericht (OLG) jetzt über die Sicherheitsbedingungen entscheiden würde und Gabriels Mutter mit der Durchsuchung einverstanden gewesen wäre, da sie ihn hätte umarmen wollen, es also zu Körperkontakt gekommen sei. Worauf Gabriel fragte, was dieses ganze Theater bei der Anwesenheit einer solchen Menge an Polizei solle.
(Gabriels Rede, als auch das Flugblatt werden auf www.escapeintorebellion.info zu lesen sein.)
Es gab Applaus und eine Unterstützerin wurde vor den Richter zitiert, was Nohl wiederum protokollieren ließ. Er sprach davon wie sehr er sich bemühen würde die Wahrheit herauszukriegen, es ihn sehr wohl interessiere, was in den spanischen Knästen für Jose und Gabriel abgelaufen wäre und er das zu würdigen wisse. Er wollte wissen, weshalb trotz seiner klaren Ermahnung wiederum applaudiert wurde, worauf Gabriel sagte, dass es dafür ein einfaches Wort gäbe "Solidarität!" Da Gabriel gerade etwas kaute, sagte Nohl "Mit vollem Mund spricht man nicht!"
Nohl erklärte der vorzitierten Unterstützerin, dass er nicht aus Boshaftigkeit die Post für die Angeklagten so schnell bearbeiten würde oder so unverzüglich eine Besuchserlaubnis geben würde. Er wies "ein letztes Mal eindringlich darauf hin", das bei nochmaligem Applaus mit Ordnungsgeld oder Rausschmiß zu rechnen wäre, was für alle gelte, die "anfällig" dafür seien.
Als die Unterstützerin zurück in die ZuschauerInnenreihen entlassen wurde, wobei sie auf dem Weg dorthin ihren Freund Bart küsste, empörte sich Nohl, sprach von "einem Schuß in den Ofen" und meinte, sie hätte schließlich fragen können ob sie ihn küssen dürfe. Es gab einige Unruhe und Zwischenrufe.

Der erste Zeuge van Hasselt wurde aufgerufen. Er ist Beamter des Bundesgrenzschutzes (BGS) Aachen und erzählte von der Verfolgungsjagd hinter dem roten BMW, dem Fluchtauto in dem auch die Geiseln saßen. Er beschrieb die Strecke, führte die hohe Geschwindigkeit auf, die rücksichtslose Fahrweise. Er war mit seinem Kollegen Doktor im Einsatz, als sie über Funk ziemlich abgehackt von der "Schießerei" an der Tankstelle und der anschließenden Flucht erfuhren. Van Hasselt fuhr den BGS-Wagen, sein Kollege dirigierte und hielt die Kommunikation nach außen aufrecht, so gut es ging. Er habe sehen können, dass hinten links ein Mann die Waffe an den Kopf einer Frau in der Mitte der Rückbank hielt und schloß daraus, dass die Täter Geiseln genommen hatten. Als sie das Fluchtauto entdeckt haben, hätten sie versucht es zu stoppen, was aber nicht gelang, da das Fluchtauto auf den Bürgersteig auswich. Es hätte die ganze Zeit über die Warnblinkanlage angehabt und mitunter den Eindruck gemacht, nicht so recht zu wissen, wohin es wolle. Er sprach von drei Schüssen aus dem Auto, die er als "Abschreckung" gegen sie beschrieb. Der Schütze hätte eine "Stuntvorlage" geliefert, als er aus dem Fenster hinten links rausschoß. Nach dem zweiten Schuß hätten sie die Beamten abgebremst und einen "Respektabstand" gehalten. Es wäre fast zum Stillstand gekommen und sie hätten dann langsam die Verfolgung wieder aufgenommen. Auf der Strecke wäre die Geschwindigkeit so hoch gewesen, dass er glaubte, die Flüchtigen würden in den REAL- Markt rasen, bekamen dann aber doch die Kurve.
Das Täterfahrzeug machte dann den Eindruck als wäre etwas defekt und tatsächlich hätte es gestoppt. Fünf Personen wären aus dem Auto gesprungen und eine Peron, wäre mit vorgehaltener Pistole zügig auf sie zugelaufen, hätte mehrere Schüsse gezielt abgegeben. Ein Reifen wäre geplatzt und die Elektronik hätte "verrückt gespielt". In seiner Panik hätte er den Rückwärtsgang nicht rein bekommen und auch kein Gas gekriegt. Er dachte schon "Oh Gott, Ende!" und "der Tag war gelaufen". Dann hätte er den Rückwärtsgang doch gefunden und wäre mit Platten zurück. Als sie rückwärts fuhren hätte der Schütze von ihnen "abgelassen" und wäre zu den anderen zurückgegangen. Sie selbst sind dann aus dem Wagen raus, in Deckung gegangen und hätten sich "langsam vorgetastet". Die Täter hätten sich ein anderes Auto, einen Mercedes S-Klasse, "gekapert". Er hätte nur gesehen, wie sie wegfuhren und wusste auf Nachfrage nicht, ob sie mit oder ohne Geiseln weitergeflüchtet waren. Er hätte nur gesehen wie zwei der Männer und aus der Entfernung sah es so aus, als stünden sie beide dicht bei dem Mercedes. Es wurde gegen das Auto geschlagen, er konnte aber keine Person benennen. Der Schütze hätte Glatze gehabt, ebenso einer der Männer die zuerst am Mercedes standen, der andere hätte "normalen Haarwuchs" gehabt.
Auf Fotos die Nohl ihm vorlegte, identifizierte er Jose als Schützen. Er sprach davon, dass der eine Brille aufgehabt hätte.
Auf Nachfrage von Sven, ob er wüsste, warum der Mercedes gehalten hätte, konnte er nichts sagen. Meinte auch, dass er nicht viel wahrgenommen hätte, da er konzentriert auf Rückwärtsfahren und Deckung suchen gewesen wäre und einfach nur weg wollte.
Sein Kollege Herr Doktor war der nächste Zeuge. Er wäre gerade dabei gewesen Kontrollen durchzuführen, als van Hasselt zu ihm kam und von dem Funkspruch sprach, der sehr emotional abgegeben wurde. Er bestätigte insoweit die Aussagen seines Kollegen. Er hätte nachdem das Fluchtauto, der BMW, zum Stehen gekommen ist und in den Mercedes gewechselt wurde, im Uhrzeigersinn mit "Waffe im Anschlag" den Platz gesichert, da sie nicht wussten, ob alle Täter weg waren. Er wäre auch erst "grob" zu den Geiseln gewesen, da er dachte, es wären einfach Passanten. Sie hätten dann aber erste Hilfe geleistet, der Mercedesfahrer hätte eine leichte Verletzung an der Stirn gehabt. Er hätte auch eine schlagende Handbewegung einer der Täter gegen den Mercedes gesehen aber weder was gehört, noch gesehen, welcher der Männer es gewesen war und wusste auch nicht, ob mit der Waffe gegen den Mercedes geschlagen wurde.
Dann hätten sie den Tatort und die Spuren gesichert.
Beide waren nach dem "Vorfall" betreut worden "aber nur psychologisch".

Der dritte und letzte Zeuge für diesen Tag war der Aachener Polizeibeamte Mouhlen gewesen. Er hatte, als er den Funkspruch hörte und sich mit seinem Motorrad langsam in Bewegung setzte, "ohne Hoffnung" dem Fluchtfahrzeug zu begegnen, auf der Fahrbahn (mittig des rechten Fahrstreifens) auf der Fluchtstrecke zufälligerweise eine Patronenhülse gefunden.

Zum Ende nahm Geimer zum Beweisantrag des letzten Prozesstages von Rechtsanwalt Pusch, Begoñas Anwalt, Stellung. In dem Beweisantrag war es darum gegangen, die Regierungssprecherin Schneider anzuhören, die bestätigen könnte, dass Begoña sich nach deren Zusage ihre Tochter kontaktieren zu können, bei der ED-Behandlung kooperativ gezeigt hätte. Geimer hielt das für unnötig. Nohl wird sie für nächsten Mittwoch vorladen.
Es gab noch einige Absprachen über ZeugInnenvorladungen, auf die eventuell verzichtet werden könnte. Gegen 15.30 Uhr war die Verhandlung beendet.

Die nächste Sitzung ist am 22.04.05, um 10.00Uhr im Saal 339, Landgericht Aachen.
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Infoveranstaltung

in Aachen 20.04.2005 - 22:53
Morgen 21.04.05, 19.00Uhr ist im Autonomen Zentrum, Vereinstraße (Nähe Bahnhof) eine VerAnstaltung zum Prozeß in aachen und zum 129a Verfahren in Magdeburg

FREIHEIT FÜR ALLE

SOLIDARITÄT 21.04.2005 - 09:07
SOLIDARITÄTSERKLÄRUNG MIT DER AKTION UND ALLEN IN AACHEN


Am 16.Nov.2004 wurde der Bericht regierungsunabhäniger Organisationen über Folter in Spanien, dem Büro der Höchsten Komission der Vereinten Nationen für Menschenrechte vorgelegt. Eine Dokumentaion desselben, sowie der brieflichen Antwort der spanischen Regierung mit Datum 25.Nov.2004, zeigt die Widersprüche zwischen selbstgefälliger Regierung und den Vorwürfen der Verschleierung, Nichterfüllung der Anti-Folter Empfehlungen und Forderungen der Opfer ... auf.


Ein Detaill dieser dokumentierten "Kontroverse", welches in vergleichsweisen Bezug gesetzt werden muß, mit den sogenannten "Sicherheitsmaßnahmen", denen die Angeklagten im Aachener Prozeß unterworfen werden siehe unter:
www.escapeintorebellion.info

enthält die Empfehlung der UN-Komission für Menschenrechte, e) :
Diese ( auf Verhöre bezogene ) Empfehlung sagt u.a. - Die Maßnahme von Videoaufnahmen muß ausdrücklich dazu führen, daß das Verbinden der Augen und das Bedecken des Kopfes mit Kapuzen VERBOTEN werden ....

Angsichts dieser Empfehlung der UN-Hochkomission für Menschenrechte gegen Folter verdeutlicht sich von selbst, daß die Staatsanwaltschaft und die Kammer des Landesgerichtes Aachen gegen diese Empfehlung verstoßen - indem sie genau diese und außerdem noch weitere degradierende "Sicherheitsmaßnahmen" aufrechterhalten.
Wo schon alleine die Anwendung von Kapuzen etc. und das Verbinden der Augen dem Kriterium der Folter entspricht - ist , was die Aachener Justiz betreibt, um so kritisierungswürdiger und doppelgewichtig, als ihr bekannt ist, das beide spanischen Angeklagten jahrelang Mißhandlungen in spanischen Gefängnissen ausgesetzt waren und daß diese irrationellen da unverhältnismäßigen "Sicherheitsvorkehrungen", zu einer zwangsweise, im Sinne des Wortes, Retraumatisierung der betreffenden Personen führt.
Eine derartige Skrupellosigkeit muß schon fast von selbst den Zweifel daran erwecken, ob die gerichtliche Beurteilung der Symptome dieser Retraumatisierung tatsächlich als fachlich neutral akzeptiert werden kann.
Da es auch bereits im Punkt Isolierung einen höchst fragwürdigen Umgang mit den Angeklagten gab, mögen die Verantwortlichen der Aachener Justiz sich fragen lassen, ob sie ihre Konkruenz mit der von der Hochkomission der Vereinten Nationen für Menschenrechte als Folter definierten Vorgehensweise, mit ihren Prinzipien von Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz vereinbaren kann.

 Tierra@gmx.net


www.escapeintorebellion.info ( HINTERGRÜNDE )

FIES - das spanische Foltersystem
 http://de.indymedia.org/2004/09/92520.shtml
 http://de.indymedia.org/2004/09/92518.shtml

Das regierungsdeutsche Verhältniss zur Folter am Beispiel Asylrecht
 http://de.indymedia.org/2004/10/96350.shtml

Folterstrukturen " demokratischer Rechtsstaaten
 http://de.indymedia.org/2004/10/96351.shtml

AUSLIEFERUNG AN FOLTERSTAATEN
 http://www.bverfg.de/entscheidungen

Das Geschäft mit dem Schmerz
 http://de.indymedia.org/2003/12/69302.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an