16. April 2005 Befreiung von Wuppertal

Autonome AntifaschistInnen aus Wuppertal 17.04.2005 22:15 Themen: Antifa
16. April Befreiung in Wuppertal
Bericht von antifaschistischen Gedenk- und Stadtrundgang

"Wir wurden am 16. April in der Fabrik erobert, wie wir uns über die
Befreiung gefreut haben, das können Sie sich nicht vorstellen. Alle
Franzosen, Italiener, Ukrainer, Russen, alle küssten sich, umarmten sich,
weil wir frei waren. Dann brachten uns die Amerikaner in allgemeine Kasernen, sie begannen uns aufzupäppeln, sie verteilten uns auf Dörfer, um uns leichter abzufüttern,
dann schickten sie uns in die Heimat."
16. April Befreiung in Wuppertal Bericht von antifaschistischen Gedenk- und Stadtrundgang

"Wir wurden am 16. April in der Fabrik erobert, wie wir uns über die
Befreiung gefreut haben, das können Sie sich nicht vorstellen. Alle
Franzosen, Italiener, Ukrainer, Russen, alle küssten sich, umarmten sich,
weil wir frei waren. Dann brachten uns die Amerikaner in allgemeine Kasernen, sie begannen uns aufzupäppeln, sie verteilten uns auf Dörfer, um uns leichter abzufüttern,
dann schickten sie uns in die Heimat."

Ca. 100 Menschen folgten dem Aufruf, an diesem historischen Tag eine Gedenkveranstaltung für Wuppertal durchzuführen. Am 16. April 1945 befreiten Soldaten der 78. und 8. Infantry-Division der US-Army Wuppertal. Kurz nach der Befreiung strömten Sowjetische
Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen aller Nationen aus den Fabriken und Lagern in die Innenstädte, feierten ihre Befreiung und eigneten sich in den Kaufhäusern und Lebensmittelgeschäften Waren an. Höhepunkt der Feiern war sicherlich die Besetzung des Wuppertaler Polizeipräsidiums durch die ZwangsarbeiterInnen. Spontan besetzten sie die Büros der Gestapo und warfen Akten aus den Fenstern.

Das offizielle Wuppertal hat sich für den Wuppertaler liberation-Day leider nicht interessiert.
Start war am Döppersberg mit einem Umsonst-Frühstück und einem Sekt-Empfang auf der „Platte“ am Döppersberg.
Nach einleitenden Worten sprach der 79 jährige amerikanische Soldat Dudley Strassburg zu uns. Mit seinem beeindruckenden Beitrag wurde die Hoffnung der überlebenden KZ-Häftlinge im Buchenwald-Schwur „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg. Für den Aufbau einer neuen Welt“, sehr lebendig. Strassburg, Soldat der 94th Infantry Division, U.S. 3rd Army, kämpfte in der Kompanie, die im Februar 1945 als erste Einheit unter schrecklichen Verlusten die sogen. „Siegfried-Linie“ an der Saar überschreiten konnte. Seine Einheit befreite schließlich Solingen und sorgte für den Rücktransport der ZwangsarbeiterInnen in die Heimat. Mit Hilfe des kommunistischen Widerstandskämpfers Karl Bennert fand Strassburg das Massengrab der 71 Gefangenen in der Wenzelnbergschlucht. Diese Menschen, soziale und politische Gefangene aus dem Zuchthaus Lüttringhausen und russische Zwangsarbeiter wurden drei Tage vor der Befreiung von der Wuppertaler Gestapo und Ordnungspolizei per Genickschuss ermordet. Strassburg sorgte dafür, dass Solinger Nazis unter vorgehaltener MP die Exhumierung der ermordeten Gefangenen vornahmen.
Strassburg sprach sehr bewegend von der Notwendigkeit der militärischen Zerschlagung von Nazideutschland und gleichzeitig in der tiefen Überzeugung und - wie er selber sagte- mit der naiven Hoffnung, dass nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts des schrecklichen Leidens, der Zerstörung und der 55 Millionen Toten, Kriege nicht mehr geführt werden.
Und er erinnerte daran, dass seit dem Zweiten Weltkrieg über 230 Kriege stattgefunden haben und dass zum jetzigen Zeitpunkt 20 bewaffnete Auseinandersetzungen laufen.

 http://de.indymedia.org/2005/04/112076.shtml

Die weiteren eingeladenen Zeitzeugen, der anarchosyndikalistische Widerstandskämpfer Hans Schmitz und Marianne Hecht-Wieber, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen, die Tochter des Widerstandskämpfers Emil Löhde, mussten leider aus Gesundheitsgründen absagen.
Besonders schmerzlich war für uns das Fehlen von Paul Michalowicz, unserem Genossen und Freund aus Hagen. Er starb im Alter von 79 Jahre am 7.April 2005. Paul wird uns sehr fehlen.

 http://de.indymedia.org/2005/04/111308.shtml


2. Die zweite Station war das Wuppertaler Polizeipräsidium. Das Polizeipräsidium war für viele ZwangsarbeiterInnen und politische Gegner des Nationalsozialismus ein Ort
des Schreckens. Im Polizeipräsidium wurden zahllose Menschen festgehalten,
gedemütigt, gefoltert und totgeschlagen. Aus dem Polizeipräsidium wurden
noch kurz vor Kriegsende ZwangsarbeiterInnen und politische Gefangene zu den Hinrichtungsorten der Wuppertaler Gestapo geführt.
Auf den Stufen des Polizeipräsidiums haben wir den ermordeten WiderstandskämpferInnen und ZwangsarbeiterInnen gedacht und an die Verantwortung der Wuppertaler Gestapo für die Deportation der Wuppertaler Juden, für Folter und Hinrichtungen erinnert. Für die Wuppertaler NS-Opfer haben wir Blumen niedergelegt. Wir konnten anschließend die Zeitzeugin, die 90 jährige Edith Enz begrüßen, die wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und auf ihrer Hinrichtung im Polizeigefängnis wartete. Edith Enz wurde durch die amerikanischen Truppen befreit. Edith Enz war Zeugin für die Folterungen im Polizeipräsidium und hat die Ende Februar 1945 im Burgholz ermordeten sowjetischen ZwangsarbeiterInnen beim Abtransport zur Hinrichtung zum letzten Mal gesehen. In einem weiteren Beitrag ging es um das Wuppertaler Polizei-Bataillon, dass in Bialostok die jüdische Menschen in eine Synagoge einsperrte und die Synagoge in brand setzte. Die Mörder kamen nach dem Krieg zurück und kehrten zum Teil in den Wuppertaler Polizeidienst zurück, machten Karriere im Polizeiapparat und bildeten Bereitschaftsbullen aus usw.


3. Kundgebung beim NPD-Nazi Sascha Guderian. Er wagt es, zur Landtagswahl für die NPD zu kandidieren und hat auch schon mal ein Nazi-„Aufmärschchen“ in Wuppertal angemeldet. Der Nazi hat dem Wahlamt als Adresse Freiheitstrasse 36 angegeben. Leider war zu unserem Besuch auch schon die Polizeihundertschaft eingetroffen, die wegen aktiver Anti-Nazi Vermummung Stress machten, sodass es nur zur Flugblattverteilung und Redebeiträgen kam.


4. Inoffizielle Einweihung der Gedenkstätte „Wuppertaler Widerstand“ im ehemaligen Polizeigefängnis Bachstraße in Barmen.
Im jetzt leer stehenden Gebäude waren in der Nazizeit politische Gefangene und ZwangsarbeiterInnen eingesperrt. In der Bachstraße wurde geschlagen, gefoltert und gestorben. Im März 1945 starb hier Hedwig Igstaedter unter ungeklärten Umständen. Sie war Ehefrau des Widerstandskämpfers Karl Igstaedter, der zusammen mit sowjetischen ZwangsarbeiterInnen eine Widerstandsgruppe in Wuppertal-Wichlinghausen aufgebaut hatte. Die Gruppe, die sich im Zwangsarbeiterlager „Schützengilde“ und in der Wohnung der Igstaedters traf, gab einen eigenen Infodienst heraus und organisierte bewaffnete Überfälle auf Güterzüge, um illegal lebende Kameraden zu unterstützen. Bei einem versuchten Überfall auf den Bahnhof Wichlinghausen wurden bei einer Schiesserei Bahnbeamte und Zwangsarbeiter getötet. Bei anschließenden Razzien gelang es der Gestapo zahlreiche ZwangsarbeiterInnen festzunehmen. (Diese Festgenommenen wurden Ende Februar 1945 auf dem Polizeischiessstand im Burgholz ermordet.) In diesem Zusammenhang wurde auch die Verbindung zu Karl Igstaedter der Gestapo bekannt. Einer drohenden Verhaftung entzog sich Karl Igstaedter durch Selbstmord. Er wurde im Durchgangsweg zum Güterbahnhof erhängt aufgefunden. Hedwig Igstaedter wurde daraufhin festgenommen, in die Bachstraße verschleppt und einige Tage später tot in der Zelle gefunden.


Wir haben deswegen diese Gedenktafel am Gebäude angebracht und Blumen niedergelegt.

In Erinnerung an die Widerstandskämpfer Hedwig und Karl Igstaedter

Karl und Hedwig Igstaedter organisierten zusammen mit sowjetischen ZwangsarbeiterInnen den Überlebenskampf gegen die Faschisten in Wichlinghausen.
Karl wurde erhängt an der Schwarzbach aufgefunden,
Hedwig starb im Polizeigefängnis Bachstrasse.

Von der Gestapo gejagt
im März 1945 in den Tod getrieben

Nichts und niemand ist Vergessen!

Erinnerungsstätte Wuppertaler Widerstand - 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus

Wir fordern von der Stadt, dieses Gebäude nicht abzureißen, sondern in eine würdige Gedenkstätte für NS-Opfer und Widerstandsgruppen umzuwandeln. In Inneren des Gebäudes sind die Zellen des alten Gefängnisses noch gut zuerkennen. Wenn das kein Fall für die Untere Denkmalschutzbehörde ist, die wir umgehend benachrichtigen werden...


5. Ganz ohne Polizei gelang uns der Abschluss dieses Stadtrundganges. Schlusspunkt war der kollektive Besuch der einzigen öffentlich ausgestellten Skulptur des Nazi-Bildhauers Arno Brekers. Die Statue von Breker, von der Bevölkerung auch Brekers Kriegsgöttin genannt, steht (wieder) als Wahrzeichen des Wilhelm Dörpfeld Gymnasiums vor der Schule. Zu Beginn des Irak-Kriegs war sie noch vom Sockel gefallen.

www.az-wuppertal.de/aktuelles/aktuelles-lang.php?id=17

Nach kontroverser Debatte in der Schule entschied die Schulkonferenz mehrheitlich, die Skulptur von Hitlers Lieblingsbildhauers wiederaufzustellen. Man distanziere sich zwar von Brekers politischer Nähe zum Nationalsozialismus, dürfe aber keinesfalls „Bilderstürmern“ nachgeben.
Frecherweise wurde dieser Beschluss kurz vor dem Befreiungstag von Wuppertal klammheimlich und unter strengster Geheimhaltung umgesetzt. Die Kriegsgöttin steht seit einigen Tagen wieder auf dem Sockel.
www.wz-newsline.de/seschat4/200/sro.php?redid=80098

Aus diesem Grunde sahen wir uns gezwungen, Brekers Kriegsgöttin ganz nach der Christo –Methode mit einem Tuch zu verhüllen (Siehe die Fotos). Statt dieser „feingliedrigen Skulptur“ des Nazibildhauers, der sich bekanntlich auch nach der Befreiung vom Faschismus in Nazikreisen bewegte und dessen späte „Kunstwerke“ auch Verwendung und begeisterte Aufnahme in militaristischen Nazigedenkstätten wie auf dem Ulrichsberg in Kärnten fanden, haben wir an den Sockel eine Gedenktafel angebracht, die auf das Schicksal der jüdischen Mitschüler hinweist.

Wir erinnern an die jüdischen Mitschüler des WDG

Ausgegrenzt und vertrieben von den Nazis,
Nichts und niemand ist Vergessen 


Rudolf Ballheimer , geb. 27.9.1923, bis Oktober 1938 WDG, 1938 Flucht nach England

Stefan K.E. Bauer-Mengelberg, bis Nov. 1938 WDG, 1939 Emigration in die USA

Arnold Ostwald, geb. 30.11.1923, musste im Nov. 1938 das WDG verlassen, 1939 Jugendtransport nach England, Emigration 1940 USA

Wuppertal - 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus.



Leider ist dieser Schule bei der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte im 425 jährigen Jubiläumsjahr die Nazizeit entgangen. In der voluminösen Festschrift wird zwar das Schicksal von Brekers Kriegsgöttin beklagt, zum Schicksal der jüdischen SchülerInnen findet sich, bis auf die Bemerkung, das sie diskriminiert wurden und ausgewandert sind, nichts. Das kann jetzt nachgeholt werden. Die Auslandsauskunft kann sicherlich die nötigen Telefonnummern zur Kontaktaufnahme mit den jüdischen WDGlern ermöglichen. Wir freuen uns schon auf ein öffentliches Besuchsprogramm des WDG im 426 Jahr.


Nichts und Niemand ist vergessen!


Autonome AntifaschistInnen aus Wuppertal 16.April 2005 zum 60. Jahrestag der Befreiung


Weitere Hinweise zu Breker:


www.pds-wuppertal.de/html/ ratsgruppe/28_02_05_PallasAthene.pdf

www.museum-arno-breker.org

www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/breker

www.jung-in-dinslaken.de/gegenrechts/arnobreker/hauptteil_arnobreker.html

www.welt.de/data/2004/07/08/302156.html

www2.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Schrifte/AGEU/Breker.html




Westdeutsche Zeitung 9.4.2005
Brekers Pallas Athene wieder am alten Platz


Vor gut zwei Jahren wurde die Skulptur vom Sockel gestürzt. Jetzt steht sie wieder am Eingang der Dörpfeld-Gymnasiums mit einer erklärenden Tafel.

Wuppertal. Es gab keine Ansprachen, keine Präsenz von Stadtseite, nur der Schulleiter schaute zu. Ganz unspektakulär wurde gestern die restaurierte "Athene" wieder auf den Sockel am Eingangsbereich des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums am Johannisberg gehoben. "Wir stellen ja auch nur den Status quo wieder her", kommentierte Direktor Karl-Wilhelm Weeber lakonisch.
Doch die Vorgeschichte ist lang und spricht für den sorgsamen Umgang der Schule mit einem schwierigen Thema. Denn die feingliedrige Bronzestatue stammt von dem Wuppertaler Bildhauer Arno Breker: Bis heute international anerkannter Künstler, im 3. Reich Vorzeige-Bildhauer der Nazis, der zahllose heroische Monumentalstatuen schuf.
Für den Neubau des WDG schuf Arno Breker 1957 die Skulptur der Göttin der Weisheit, der Wissenschaft und der Künste, die in nichts mehr an die Kolossalfiguren der braunen Jahre erinnerte. Eine politische oder ethische Diskussion fand nicht statt. Die Pallas Athene wurde zum Wahrzeichen der Schule, von den Schülern im besten Sinne als "ihre" Athene vereinnahmt.
Der Beginn des Irak-Kriegs, die umstrittene Person Arno Breker und die Interpretation der mit Speer bewehrten Verteidigerin der Demokratie als Kriegsgöttin reichten im März 2003 Unbekannten als Motiv. Sie stürzten die Statue vom Sockel. Die beschädigte Athene verschwand daraufhin in einer Holzkiste auf dem Schulhof. Fast schien es, als sei die heikle Angelegenheit vergessen.
Doch in der Schule begann eine intensive Auseinandersetzung. Sollte die Athene wieder auf den Sockel gehoben werden? Die Statue eines Nazi-Künstlers? Sollte man andererseits den anonymen Bilderstürmern recht geben? Lehrer, Schüler und Ehemalige machten es sich nicht leicht. Nach Monaten aber kam die Schulkonferenz mit klarer Mehrheit zu dem Entschluss, die Statue möge im Zustand vom März 2003 wieder aufgestellt werden, ergänzt aber um eine Tafel, auf der Entstehungsgeschichte ebenso wie Distanzierung von der Rolle Brekers im NS-Staat nachzulesen sind.
Diesem Votum entzogen sich auch die Kommunalpolitiker, die sich bis dahin mit Äußerungen jeder Art zurückgehalten hatten, in der Mehrheit nicht. Ein Spender, der anonym bleiben möchte, übernimmt die sich auf etwa 3000 Euro belaufenden Kosten für Restaurierung und Aufstellung.
Gestern nach Schulschluss nun, gut zwei Jahre nach dem Sturz, hoben Restaurator Martin Möbus und sein Team die Göttin der Weisheit wieder auf den alten Platz. Die neue Tafel steht daneben. Schön, elegant blickt sie wieder denen entgegen, die das Schulgelände betreten.
Dort wird, so betont Schuldirektor Weeber, das Wirken Arno Brekers nun Unterrichtsthema werden. Kontroversen will man nicht ausweichen. So heißt es auf der Tafel, die Skulptur sei auch ein Zeitdokument. Eines, das öffentlich zum Nachdenken über das Verhältnis von Kunst, Moral und Politik auffordere.
09.04.05
Von Ulla Dahmen


Opfer des Krieges - Bildersturm in Wuppertal: Statue von Arno Breker umgestürzt
Saturday - 03.05.2003

Sueddeutsche Zeitung

Auf den ersten Blick sah alles aus wie eine der zahlreichen Aktionen, mit denen weltweit gegen den Irak-Krieg protestiert wurde.
Unbekannte hatten ein Seil um die Statue der griechischen Göttin geschlungen und die lebensgroße Figur der Pallas Athene vom Sockel gerissen - offenbar mit Hilfe eines Autos. Am Wuppertaler Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium hatte die griechische Schutzgöttin der Wissenschaften und Künste, der Städte und der Krieger 45 Jahre lang gestanden. "Weg mit Brekers Kriegsgöttin" hatten die Bilderstürmer auf den Sockel der Statue gesprüht.

Proteste dagegen, dass ausgerechnet vor dem humanistischen Gymnasium eine Statue von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker (1900-1991) aufgestellt worden war, gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder.
Abgesehen von Reliefs an Bank- und Versicherungsgebäuden war es dem im
heutigen Wuppertaler Stadtteil Elberfeld geborenen Breker an keinem anderen Ort in Deutschland gelungen, seine Kunst nach dem zweiten Weltkrieg im öffentlichen Raum zu platzieren. Noch 1981 lehnten Düsseldorf und Norderney die Aufstellung seines Heinrich-Heine-Denkmals unter Hinweis auf Brekers NS-Vergangenheit ab. Als vor wenigen Jahren die Wuppertaler Museumsdirektorin gar eine Breker-Ausstellung plante, verhinderte breiter
öffentlicher Protest das fragwürdige Projekt.

Wie kein zweiter Künstler seiner Zeit hatte Breker Hitler und sein Regime in überlebensgroßen heroischen Skulpturen verherrlicht und so vom Nationalsozialismus profitiert: Hitler schenkte ihm ein Landschloss, und in Brekers zahlreichen Ateliers wurden von dessen Assistenten Staatsaufträge
umgesetzt, die den gelernten Steinmetz zu einem der bestbezahlten Künstler der vierziger Jahre werden ließen. Klare Distanzierungen vom Nationalsozialismus vermisste man bei Breker nach dem Krieg, ähnlich wie bei Leni Riefenstahl. Millionär Breker wurde als "Mitläufer" zu einer Geldstrafe von 100 Mark verurteilt. Die Porträtbüsten, die er in den Folgejahren unter anderem für die Industriellen Oetker, Quandt, Bayer und Girardet in Bronze
goss, brachten ihm jeweils 150000 Mark ein. Die Kunst brachten sie eben so wenig weiter wie Brekers handwerklich zwar perfekte, künstlerisch aber durch ihre platte Abschilderei vollkommen langweiligen und unwichtigen früheren Arbeiten.

Die Festgemeinde, die sich am 3. Mai 1957 zur Einweihung der Statue am Eingangstor der 1578 gegründeten Schule versammelt hatte, schien Brekers NS- Nähe nicht zu stören. Die glatte Unverbindlichkeit der Statue, die so gar nichts mehr mit Brekers zehn Jahre zuvor seriell entstandenen Rassekult- Skulpturen gemein hatte, passte in den opportunistischen
Zeitgeist jener Jahre, in denen die jüngste deutsche Geschichte kein Thema sein sollte. Über die politische Vergangenheit ihres Schöpfers, der lächelnd in der ersten Reihe saß, verlor Schulleiter Heyn kein Wort. Regelmäßige Protestaktionen vor allem aus der Schülerschaft gegen die Breker-Skulptur
vor dem Schultor führten auch in den vergangenen Jahrzehnten nie zu Konsequenzen.

Heute sieht Schulleiter Karl-Wilhelm Weeber das anders. Doch er fürchtet eine "Ideologisierung der Debatte". Deshalb liegt die Athene-Skulptur nun gut verpackt in der halb offenen Pausenhalle der Schule, zu deren prominentesten Schülern einst Friedrich Engels gehörte. Was künftig mit ihr geschehen solle, ob es überhaupt eine öffentliche Debatte über Wiederaufstellung oder Einlagerung geben werde, so Weeber, wisse er noch nicht: "Der Meinungsbildungsprozess darüber, ob wir dieser Gewaltaktion folgen oder ob wir den ursprünglichen Status quo wieder herstellen, ist noch nicht abgeschlossen". Viele Mitglieder der Schulgemeinde, sagt Weeber
später, sähen die Athene längst als Wahrzeichen der Schule an. Wie vorher kann es in Wuppertal jedoch nicht mehr werden: Schon seit vielen Jahren fehlte der griechischen Göttin der Schild, den sie einst in ihrer linken Hand hielt. Bei ihrem Sturz zerbrach nun auch noch der Speer in der rechten.

STEFAN KOLDEHOFF

Brekers Athene
Glosse
von Peter Dittmar
Es gilt als Gipfel des Banausentums, wenn Kunstwerke im öffentlichen Raum beschmiert, beschädigt, gestürzt werden. Selbst das "Marx-Engels-Denkmal" in Berlin oder "Ernst Thälmann" in Weimar darf deshalb mit Respekt und Pflege rechnen. Weil sie über Jahre am selben Platz stehen, wird ihnen eine eigene Geschichte zugesprochen.

Für eine Statue der Athene als Göttin der Wissenschaft, Weisheit und Künste gilt das allerdings alles nicht, obwohl sie seit 1957 auf ihren Sockel vor dem Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal stand. Im April 2003 haben sie Unbekannte als Protest gegen den Irakkrieg vom Sockel gestürzt. Und nachdem sie zuvor bereits ihren Schild verloren hatte, ging dabei nun noch ihr Speer in die Brüche. Seitdem ruhte sie in der Pausenhalle der Schule. Nicht um sie als Beweisstück für einen Prozess gegen die Bilderstürmer zu bewahren - die wurden nicht ermittelt. Auch nicht weil es an Geld fehlte, sie zu rehabilitieren (und zu restaurieren) oder ihr vollends den Garaus zu machen, sondern weil es an Entschlusskraft mangelte. Diese Athene stammt nämlich von Arno Breker (der unweit des Gymnasiums in Elberfeld geboren wurde).

Hitlers Lieblingsbildhauer, der von der Naziherrschaft zu profitierten verstand, wird nicht jener Kunstvorbehalt zugebilligt, der selbstverständlich für Lew Kerbel, E. Wutschetisch, Ludwig Engelhardt, Fritz Cremer usw. gilt, obwohl ihre Denkmäler den Glanz der Sonne kommunistischer Herrscher, die ihnen das Herz erwärmte, spiegeln.

Brekers Athene mangelt es an solcher Eindeutigkeit. Auf den Sockel hatte jemand gesprayt: "Weg mit Brekers Kriegsgöttin." Das Gymnasium, das den Namen des bedeutenden Ausgräbers griechischer Kultstätten trägt, vermochte anscheinend nicht, seinen Schülern Grundkenntnisse antiker Symbolik zu vermitteln. Aber wahrscheinlich ist das auch zuviel verlangt, wenn sogar ein veritabler Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München, Walter Grasskamp, gegen Brekers Athene ins Feld führt: "Diese Frau trägt einen Helm und einen Speer, damit geht man nicht in die Bibliothek."

Der Grund der Erregung ist, dass diese Athene auf ihren Sockel zurückkehren soll - natürlich mit politisch korrekter belehrender Tafel-Zutat. Trotzdem wäre damit das Lehrstück, dass anonyme Gewalt gegen Kunst im öffentlichen Raum, wenn sie vom "richtigen Bewusstsein" getragen wird, löblich sei, in Wuppertal gescheitert. Bleibt nur: Helm ab zum Lesen.

Artikel erschienen am 8. Juli 2004




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Ergänzungen

Fotos vom Stadtrundgang

Wuppi 17.04.2005 - 22:27

jetzt kommen die Fotos

Fotos

Wuppi 17.04.2005 - 22:34
hoffentlich klappt es

Foto 2

Wuppi 2 18.04.2005 - 00:44
Foto

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immer diese militarismusverherrlichung — antifaschismus sieht anders aus