Batasuna erstmals ausgeschlossen

Ralf Streck 15.04.2005 21:02 Themen: Repression Weltweit
Seit 25 Jahren wird die Partei der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung Batasuna oder ihr Vorgänger in Spanien kriminalisiert. Vom Mord an einfachen Militanten bis Führern über die Sperrung von Konten bis zum Verbot durch extra geschaffene Gesetze ist alles dabei. Anbei mal eine unvollständige Zusammenstellung der Verfolgung seit dem Ende der Diktatur und ein Interview mit einem der Batasuna - Führer, dass die Partei erstmals nicht mehr im baskischen Parlament vertreten sein wird.
Kandidatur von EHAK ein Zeichen der Entspannung?

Nach dem Ende der Franco-Diktatur wird erstmals ihre Partei oder ihr Vorgänger ab Sonntag nicht mehr im Regionalparlament der drei baskischen Provinzen vertreten sein. Wie bewerten Sie das?

Es zeigt, dass die spanischen Sozialisten (PSOE) die repressive Politik fortsetzen, die von der Volkspartei (PP) entwickelt wurde. Zuvor wurden wir und die linke Unabhängigkeitsbewegung gesamt aus den Gemeinde- und Provinzräten verbannt, aus dem Parlament von Navarra und aus dem Europaparlament. Erneut wurde mit „Alle Optionen“ (AG) eine Wählerliste verboten. Die baskische Linke hat nach unserem Verbot stets weiter versucht, ihr Projekt auch in den Institutionen voranzubringen. Doch alle ihre Listen wurden verboten. Diese politischen Entscheidungen werden mit immer abstruseren Hinweisen begründet. AG hatte sich minutiös an die Vorgaben gehalten. 32.000 Unterschriften zur Unterstützung mussten durchleuchtet werden, um angebliche Verbindungen zu uns konstruieren. Das geht, weil es keine unabhängige Justiz im spanischen Staat gibt.

Plötzlich ist die „Kommunistische Partei der Baskischen Territorien“ (EHAK) aufgetaucht. Deren Verbot beantragt die Regierung nicht, obwohl sie der baskischen Linken näher steht als AG.

Diese Partei wurde noch von der PP legalisiert, als das neue Parteiengesetz 2002 schon in Kraft war, mit dem wir verboten wurden. EHAK bietet nun denen eine Option, die bei all den Wahlen ausgeschlossen wurden und übernimmt das Minimalprogramm von AG. Wir werben für sie, weil sie sich auch für eine definitive Lösung des Konflikts einsetzt. Viele glaubten, wir würden niemals für Kommunisten eintreten.

Wurde die PSOE überrascht?

Nein. Die PP hatte sie über die Kandidatur informiert, als noch ein Verbotsverfahren möglich war. Einen dieser Hinweise hat die Zeitung ABC publiziert.

Ist das nur Wahltaktik, um die moderaten Nationalisten zu schwächen?

Das werden wir ab Montag sehen. Wenn die eine absolute Mehrheit erhalten hätten, wären sie gestärkt in Verhandlungen um ihr neues Autonomiestatut nach ihren Vorstellungen gegangen. Sind sie aber auf fünf bis zehn Abgeordnete angewiesen, die eine definitive Konfliktlösung suchen, die unter allen Beteiligten ausgehandelt wird, sieht das anders aus.

Ist das ein Zeichen an die linke Unabhängigkeitsbewegung? Müssen sich die schwachen Sozialisten zu nutze machen, dass die PP einst EHAK legalisierte, um nun deren massiven Angriffen ausweichen zu können?

Klar ist: Die PSOE hat diese Partei durchlaufen lassen. Sie hätte sie wie andere zuvor verbieten können. Diese Wahlen werden als Angelegenheit des Staates behandelt, es ist also mehr als Wahltaktik einer Regierungspartei. Die PSOE weiß, dass der Druck im Kessel steigt, und er explodiert, wenn sie alle Löcher schließt. Sie will sich eine Option offen halten, obwohl wir trotz allem weiter nach einer friedlichen Lösung gesucht hätten.

Was bedeutet die Kandidatur von EHAK?

Damit werden die Wahlen nicht demokratischer, denn wir und AG sind ausgeschlossen. EHAK ersetzt Batasuna nicht. Deren Wahlkampfmöglichkeiten, wie der Zugang zu den Medien, sind zudem gering. Es entseht vielleicht ein Übergangsparlament. In einem Prozess zur Konfliktlösung müssten all diese Ausnahmewahlen wiederholt werden.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 13.04.2005

25 Jahre Verbot und Verfolgung

1978 schlossen sich die vier Parteien ANV, ESB, HASI und LAIA zur linksnationalistischen Koalition Herri Batasuna (HB/Volkseinheit) zusammen. Die erste Demonstration von HB wird zusammen geprügelt und gibt am 28 Oktober 1978 fünf schwer verletzte Demonstranten.

79 wird ein Teil der Führung wird nach starken Mobilisierungen für die politischen Gefangenen inhaftiert. Tomás Alba, HB-Stadtrat in Donostia wird in Astigarraga erschossen. Mikel Arregi, Gemeinderat in Etxarri﷓Aranatz wird von der Guardia Civil niedergestreckt. Juanjo Uria, Bürgermeister von Hernani überlebt einen Anschlag.

80-81 explodiert eine Bombe in einem Kindergarten, der von der Freundin des HB-Gemeinderats in Antton Artiñano in Zeberio geführt wird. Drei Personen werden getötet unter ihnen eine junge schwangere Frau. Das HB-Mitglied Angel Etxaniz wird in Ondarroa erschossen und 73 HB-Mitglieder werden verhaftet.

84 wird der beliebte Arzt und HB-Führer Santi Brouard in seiner Praxis in Bilbao erschossen.

88 entführt ein parapolizeiliches Kommando den Stadtrat von Hondarribia Fermin Urtizberea.

89 ein HB-Parlamentarier Patxi Erdozain überlebt einen Anschlag mit einer Paketbombe. Der Briefträger von Orereta José Antonio Cardoso stirbt als ihm eine Paketbombe explodiert, die an das HB-Mitglied Ildefonso Salazar adressiert ist. Der HB-Kongressabgeordnete Josu Muguruza wird im Madrider Hotel Alcalá erschossen, sein Kollege Iñaki Esnaola überlebt schwer verletzt den Anschlag.

92 stellt der Führer der Baskisch-Nationalistischen Partei Juan María Atutxa eine Verbindung der HB-Führung, der Zeitungen Egin, Egunkaria, und der Gewerkschaft LAB zur ETA her und fordert das Verbot der Koordination für eine Sozialistischen Alternative (KAS).

97 wird die gesamte HB-Führung wegen Unterstützung der ETA inhaftiert. Sie hatte versucht einen Video mit einem Friedensvorschlag der ETA publizieren. Urteil sieben Jahre Haft für 23 Personen der kollektiven Führung. Der 24, Eugenio Aranburu, wird erhängt auf seinem Bauernhof aufgefunden.

98 fliegt ein Spionagenetz des Militärgeheimdienstes Cesid fliegt, das HB-Büros überwachte, abhörte und filmte. Die Zeitung und das Radio Egin wird vom Ermittlungsrichter Baltasar Garzón „provisorische“ verboten. Das Wahlbündnis Euskal Herritarrok (EH) entsteht und 23 baskische Parteien, Gewerkschaften und soziale Organisationen unterzeichnen einen Friedensplan, der auch von der ETA mit einer Waffenruhe unterstützt wird.

99 kippt das Verfassungsgericht das Urteil gegen die HB-Führung und lässt sie wieder frei, weil es keine Unterstützung der ETA erkennen kann.

2000 die regierende Volkspartei (PP) und die oppositionellen Sozialisten unterzeichen ihren sogenannten Anti-Terrorpakt.

Bis 2001 verbietet Garzón etliche Organisationen aus dem HB-Umfeld. Einige, wie die Anti-Repressionsorganisation erst nachdem die aufgelöst und sich mit dem Pendant im französischen Teil zu gesamtbaskischen Organisationen vereinigt hatten. Jeweils werden zahlreiche Personen verhaftet. Die Koalition HB wird in die neue Partei Batasuna (Einheit) überführt, die in alle sieben Provinzen des Baskenlands in Frankreich und Spanien operiert.

02 die Konten der Kneipen von Herri Batasuna werden gesperrt und die Güter „provisorisch“ beschlagnahmt. Weitere Verbote von Organisationen und etliche Verhaftungen. Garzón behauptet nun Batasuna sei „organischer Teil“ der ETA. Ein neues Parteiengesetz wird verabschiedet, um Batasuna verbieten zu können. Wenige Stunden vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes werden die Aktivitäten der Partei „provisorisch“ von Garzón ausgesetzt und die Parteibüros im Anschluss geräumt. Die baskische Polizei verletzt viele Menschen schwer, als etwa 80.000 Menschen in Bilbao trotz Verbots der Demonstration gegen die Repression gegen Batasuna demonstrieren wollen.

03 Verbot von Batasuna und rückwirkend wird auch HB und EH durch ein mit dem neuen Parteiengesetz geschaffenen Sondergericht verboten. 224 Listen auf Provinz- oder Gemeindeebene werden als Batasuna-Nachfolger verboten, wenn nur eine Person jemals für eine der drei Organisationen kandidiert hat. Die Zeitung Egunkaria wird verboten und die verhafteten angeblichen ETA-Journalisten gefoltert und zum Teil nach wenigen Tagen wieder frei gelassen.

04 –lässt auch die neue sozialistische Regierung eine Liste für die Europaparlamentswahlen verbieten, weil sie sich an die Batasuna-Wählerschaft wendet. Wie alle in Spanien illegalisierten Organisationen und Parteien arbeitet die Liste in Frankreich legal weiter und tritt zur Wahl an.

05 – Der erste Prozess gegen die verbotenen Organisationen und Parteien beginnt. Die Wählervereinigung „Alle Optionen“ (AG) wird verboten, obwohl sie die Gewalt der ETA verurteilt, wie es das Parteiengesetz fordert. Angeführt werden unter anderem Kontakte zur legalen Gewerkschaft LAB.

Die baskischen Kommunisten (EHAK), schon 2002 gegründet, dürfen antreten, obwohl sie das Projekt von AG übernehmen und sogar LAB-Mitglieder bei ihr kandidieren.

© Ralf Streck den 15.04.2005
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

muss ausgefüllt werden — muss ausgefüllt werden

@muss ausgefüllt werden — jemandine