Lafonaines Saarbrücker Resolution

Wal Buchenberg 15.04.2005 09:41 Themen: Soziale Kämpfe
Oskar Lafontaine zelebriert seinen Austritt aus der SPD und den Übertritt zur WASG und fordert anhand folgender Resolution die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf, das Gesetz für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt, auch Hartz-IV genannt, sofort zurückzunehmen,...
Weil:
1. wir nicht zulassen können, daß ein Bürger, der Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, im Falle der Arbeitslosigkeit nur noch einen Bruchteil seiner eingezahlten Beiträge zurückbekommt. Dies ist eine staatliche Enteignung von Eigentum;
Dem Kapitalismus wird vorgeworfen, dass er "Eigentum" nicht respektiert. Ebenso kann man dem Raubtier vorwerfen, dass es Beute macht.
Nebenbei wird unterstellt, das Vermögen der Sozialversicherungen sei Eigentum der Lohnarbeiterklasse. Tatsächlich haben Lohnarbeiter darüber keine Verfügungsgewalt – weder über Höhe der Beiträge und noch über Verwendung ihrer Beiträge. Es wäre eine Revolution, die Sozialversicherungen den Staats- und Politikbeamten wieder zu entreißen und in die volle Selbstverwaltung der Versicherten zu nehmen.


2. wir der festen Überzeugung sind, daß dieses Gesetz massiv gegen das Grundgesetz verstößt. Hier sei nur als ein Beispiel unter vielen hervorgehoben, daß auch in nichtehelichen Partnerschaften das Einkommen des arbeitenden Partners dem arbeitslosen Partner in voller Höhe angerechnet wird, was zur Folge haben kann, daß dem arbeitslosen Partner kein Arbeitslosengeld II mehr bewilligt wird, obwohl keinesfalls sichergestellt ist, daß der arbeitende Partner bereit ist, den anderen finanziell zu unterstützen;
Das Grundgesetz ist der politische Sittenkodex, den sich die Politikerklasse in Deutschland aus Misstrauen gegen eigenen Korruptheit und Machtgier gegeben hat. Wer einen Verstoß gegen das Grundgesetz behauptet, der behauptet nur einen Verstoß gegen die ureigenen Interessen der Herrschenden. Dass 1-Euro-Jobs, ALG II, Anti-Terrorgesetze und totale Überwachung der Untertanen staatliche Verbrechen gegen Bedürfnisse und Interessen des lohnabhängigen Volkes sind, wagt Lafontaine & Co. nicht zu sagen.

3. wir nicht akzeptieren können, daß ein Langzeitarbeitsloser, der seit Jahren eine private Vorsorge betreibt, gezwungen ist, sein erspartes Vermögen aufzubrauchen, bevor er Arbeitslosengeld II beziehen kann, während jemand, der keinerlei private Vorsorge getroffen hat, sofort diese Leistung erhält;
Leistung und Sparen soll sich lohnen! Mit diesem frommen Wunsch ging seit Jahren die F.D.P. auf Stimmenfang. Lafontaine blinkt links, und biegt nach rechts ab.

4. es eine Schande ist, daß Menschen die durch ihre jahrelange Arbeit zum Wohlstand unseres Landes und zum Wohlstand ihrer bisherigen Arbeitgeber beigetragen haben, durch Hartz-IV zu Sozialhilfeempfängern degradiert werden;
Ja, es ist eine Schande, Lohnarbeiter zu sein. Als Lohnarbeiter schaffen wir fremden Reichtum "zum Wohlstand unseres Landes" und "zum Wohlstand unserer Arbeitgeber" – aber selber bleiben wir potentielle Arme und fallen unweigerlich durch Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit in Armut. Erst recht ist es in unserer Gesellschaft eine Schande, SozialhilfempfängerIn zu sein. Schließlich tragen die ja nicht zum "Wohlstand unseres Landes und unserer Arbeitgeber" bei.
Dass alle Staats- und Politikbeamte erst recht "unnütze Fresser" sind, wird vornehm verschwiegen. Im Jahr 2002 wurden mit 21 Mrd. Euro ganz 2 Prozent der Staatsausgaben für Sozialhilfe verwendet, während, der Unterhalt unserer Staats- und Politikdiener 25 Prozent aller Staatsausgaben verschlingt. Wir könnten 20 Prozent Staatsausgaben sparen, wenn Beamte und Politiker produktiver Arbeit nachgingen und die Sozialhilfeempfänger den Staat verwalteten. ;-)


5. es beschämend ist, daß Arbeitslose unter Androhung des Entzuges jeglicher Sozialleistungen gezwungen sind, jede Tätigkeit auch noch so gering qualifizierte anzunehmen und dies zum Teil auf der Basis von sogenannten Ein-Euro-Jobs.
Dass die Kapitalisten für ihren Profit "gering qualifizierte Tätigkeiten" für einen Bettellohn anbieten, das empfindet Lafontaine nicht beschämend. Beschämend findet er nur die Dequalifizierung und Proletarisierung höher qualifizierter Lohnarbeit. Das eine kommt aber notwendig mit dem anderen – auch ohne staatliche Gesetze.

6. es nicht zu erkennen ist, daß dieses Gesetz neue Arbeitsplätze schafft, sondern eher zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, zumindest von solchen, die nach Tarif bezahlt werden, beiträgt. Im Bereich Sozial- und Gesundheitswesen arbeiten jetzt schon Menschen zu einem Euro die Stunde in bisher nach Tarif bezahlten Tätigkeiten.
Dass die Arbeitsmarktgesetze keine Arbeitsplätze schaffen, weiß jeder, der bei Verstand ist. Dass die Arbeitsgesetze das Lohnniveau in Deutschland tiefer drücken, weiß jeder, der was von Ökonomie versteht. Volker Hansen von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) rechnet mit 6 bis 7 Milliarden, die die Kapitalisten an Lohnkosten durch diese Gesetze einsparen, wie die Financial Times berichtete. Aus dem Gesundheitsministerium war sogar zu hören, dass den Kapitalisten durch die Reformen der Bundesregierung 9 Milliarden Euro pro Jahr geschenkt würden.

Dieses Gesetz stürzt besonders viele ältere Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende und Familien in eine dauerhafte Armut. In der weiteren Folge reduziert es unausweichlich die Kaufkraft in den Ländern und Kommunen, so daß die sowieso schon geschwächten Strukturen des Binnenmarktes weiteren Schaden davontragen werden. Dieses Gesetz ist ein Motor für sozialen Unfrieden in unserem Land. Das können wir nicht zulassen.
Die Arbeitsmarktgesetze beschleunigen nur, was im Kapitalismus unausweichlich ist: Die einen bereichern sich durch die Armut der anderen. Daran will Herr Lafontaine nichts ändern, er will Lohnarbeit und Kapital bestehen lassen. Er macht sich aber Sorgen, dass den kleinen Kapitalisten die "Binnen"-Käufer abhanden kommen – die großen Kapitalisten blicken auf den Weltmarkt nicht auf den Binnenmarkt - und dass "sozialer Unfriede in unserem Land" wächst. "Sozialer Unfriede" ist im Kapitalismus unvermeidlich. Der "Unfriede" ist berechtigt und er wird weiter zunehmen – das ändert ein Oskar Lafontaine nicht.

(Resolutionstext kursiv)
Wal Buchenberg für Indymedia, 15.04.05
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Ergänzungen

Zynisch

c3 15.04.2005 - 14:33
Natürlich ist Lafontaines Kritik nicht das Kommunistische manifest, baer ist sie deshalb falsch? Meine Mutter hat jahrelang gearbeitet und eingezahlt. Sie ist Demenzkrank und wird künstlich ernährt - das soll sie demnächst alles selbst bezahlen, fordern marktradikale Kräfte.

Marxistische Analyse hin und her. Manche Leute können vor Angst und Kummer nicht mehr schlafen. Deine Kritik mag berechtigt sein, aber sie ist ebenso sektiererisch, da sie den Betroffenen nicht hilft, wogegen die Menschen sich eher von Lafontaine angesprochen fühlen.

Wenn die Leute deine Kritik befürworten würden, wäre die DKP oder die MLPD oder eine andere Kommunistische Partei längst im Bundestag, oder wir befänden uns in einer revolutionären Phase.

Mir hilft deine Kritik nicht weiter. Einen Sinn würde sie nur dann machen, wenn Lafontaine versuchen würde eine machtvolle radikale Bewegung gegen Sozialabbau mit Hilfe seiner Person und der WASG zu kanalisieren, zu zähmen und zu integrieren.

Bloß, es gibt eine solche Bewegung nicht! Es sei denn du erklärst die MLPD-MontagsMinidemos und autome Rückzugsgeplänkel, wie die Aktion Agenturschluss zu einer Massenbewegung.

Leider haben wir im Moment nur Lafontaine. Man muß ihn eben benutzen: als eine Art letzte Möglichkeit, als Quasi-"Massenvernichtungswaffe" oder "Arbeiterrakete" gegen Schröder.

Richtigstellung

Beno Klee 15.04.2005 - 23:38
Es handelt sich hier nicht um eine Resolution Lafontaines, sondern um eine überparteiliche Initiative, die ausging von Markus Lein der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, und die von Oskar Lafontaine mit unterschrieben wurde, nebst einige Gewerkschaftler, noch ein MdB, usw. Mehr Informationen hierzu findet Ihr auf  http://www.asg-wahlalternative.de/28+M51cca35a3b3.0.html.

Abgesehen davon ist es bekannt dass Lafontaine kein Kommunist ist. In sein Buch "Das Herz schlägt Links" plädierte er für einen dritten Weg zwischen der angelsachsischen Form des Neo-Liberalismus und der zentralen Wirtschaftsplanung der ehemaligen "kommunistischen" Staaten. Von meiner Betrachtung her ist dieser Mann aufrichtig, sein Rücktritt vom Ministerambt im März 1999 war die einzige richtige Entscheidung, und er versteht was von Wirtschaftspolitik innerhalb einer Marktwirtschaft. So war er einer der ersten innerhalb der politischen Führungsriege der öffentlich die desaströse Geldpolitik der europäischen Zentralbank, die jeden wirtschaflichen Aufschwung erstikt, kritisierte, und hatte er auch keine Angst sich an zu legen mit Deutschlands grössten Unternehmen. Eine Amnestie für Schwarzgeld wäre mit Lafontaine nicht möglich gewesen, und mann kann so noch einiges sagen über diesen Mann.

Deine Kritik auf der Resolution stützt sich auf der marxistischen dialektischen Spannung zwischen Lohnarbeit und Kapital, wobei Du Dich des Feindbilds des bösen “Kapitalisten” betätigst. Obwohl ich Karl Marx einer der grössten sozial-wissenschaftler aller Zeiten finde, ist die Sozialwissenschaft nicht stehen geblieben, und hat sich verfeinert. Die Absicht Lafontaines, den dritten Weg des Nach-Kriegs Europas, mit seinen einmaligen sozialen Absicherungssystemen, weiter zu setzen, und wo möglich zu verbessern, ist durchaus realistisch, realistischer auf jeden Fall wie die Abschaffung der Lohnarbeit und des Kapitals, und daher viel revolutionärer. Mann kann hierzu noch einiges sagen, aber es wird zu spät.

Schönen Gruss aus Belgien, Antwerpen,

Beno Klee

quelle?

shnoop 17.04.2005 - 22:52
Gibt es irgendwo eine quelle, die belegt, dass " der Unterhalt unserer Staats- und Politikdiener 25 Prozent aller Staatsausgaben verschlingt"? Interessiert mich sehr und ich würde gerne mehr darüber erfahren, deshalb würde ich mich über eine quellenangabe freuen"

Differenzen

Kommunist 18.04.2005 - 00:04
Wal Buchenberg versucht Differenzen aufzumachen:

Lafontaine: "Dies ist eine staatliche Enteignung von Eigentum;"

Buchenberg: "Dem Kapitalismus wird vorgeworfen, dass er "Eigentum" nicht respektiert. Ebenso kann man dem Raubtier vorwerfen, dass es Beute macht."

Wie war das noch mit dem Eigentum? Mein Marx hat mir verraten das die Garantie des Eigentums der Kern der kapitalistischen Ordnung ist. Enteignung, dass war, nur so als Erinnerung, kommunistische Forderung.

Übersetzen wir also, damit erkenntlich wird, warum Buchenberg verschiedene Schriften benutzen muss um zu verhindern, dass er mit Lafontaine verwechselt wird:

Lafontaine: "Dies ist Enteignung, d.h. kollektivistischer Sozialismus"

Buchenberg: "So ist der Weltlauf nunmal. Das kapitalistische Prinzip führt automatisch in den Sozialismus."

Verkehrte Welt.

Lafonaines Saarbrücker Resolution

DD01259 18.04.2005 - 21:57
Wie Wahr dieser Artikel doch ist!

Jeder der von Hartz IV betroffen ist, kann ein Lied davon singen.
Das bedeutet, von der Hand in den Mund leben. Was sich ausweitet in einer Kluft zwischen arm und reich, die Mittelschicht wird als nächstes betroffen sein.
 http://www.kn-online.de/news/archiv/?id=1626044

Die Sache wird nur die sein, dass man zuwenig Bürger oder Betroffene für diese Sache mobilisieren kann. Genauso ein Verpuffen der Montagsdemos, gegen Hartz IV.

Denn das Volk der Deutschen ist ein Volk der "Ja" und "Amen" sager, geworden.

Kein Wunder, bei den Wahltäuschungen unserer jetzigen Regierung.

500 Millionen für Flutopfer, wo hier im eigenen Lande viele Menschen vor finanziellen Nöten nicht mehr schlafen können!

Schröder, Clement & Co sind nur noch für ein schlechtes Comic-Heft geeignet. Eine Politik, die mittlerweile in ganz Euro belächelt wird.

Also Leute, wählt die CDU, die garantiert eine Koalition mit der SPD eingeht. Wir schaffen das Arbeitsrecht ab, samt Kündigungsschutz, zum Wohle der Arbeitsnehmer? Jeder der von uns mal Arbeitsrecht in Anspruch nehmen muss, wird zu spüren bekommen, dieses existiert nur noch auf Papier!

Wenn ich nicht fähig bin einen Staat zu regieren, dann muss ich gehen und nicht erst solange weiter machen bis die ganze Bevölkerung am Boden liegt!!

etikettenschwindel

redharlekin 20.04.2005 - 01:12
Diese unter dem Namen "Saarbrücker Erklärung" herumgeisternde Resolution wurde von Lafontaine nicht verfasst, sondern lediglich unterschrieben. Der Verfasser íst einer der Saarbrücker WASG-Aktivisten. Das Ding sorgt im Saarland für ne ziemlich peinliche Scheindebatte, da einige Politiker, Gewerkschafter das Ding unterstützen und andere dies als parteischädigendes Verhalten ansehen.
Meine Meinung dazu: Typisch WASG: grottenschlecht und deutschtümelnd

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

@C3 — selten

Mensch, Wal...! — kein Luxusrentner

mitmacher — einer der wo´s weiss

Hallo Beno Klee — Frager