Berlin: Ungebadet in den Knast?

FreischwimmerInnenkomitee 09.04.2005 23:31 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Im Juli 2002 wollten einige AktivistInnen umsonst im Berliner Prinzenbad Baden gehen um ihrer Forderung "Schwimmbad für alle" den angemessenen Nachdruck zu verleihen. Nun hat das Berliner Amtsgericht Tiergarten einen Haftbefehl beantragt. Demnächst entscheidet eine Moabiter Gerichtskammer...
Die Verhältnisse auf der ganzen Welt im allgemeinen und in Berlin im besonderen sind ungerecht. Wer wüsste das nicht besser als wir und die Moabiter Staatsanwaltschaft. Allerdings ziehen beide Parteien aus dieser unbestreitbaren Tatsache ganz unterschiedliche Schlüsse. Während wir auch in Zukunft gegen Demütigung und Ausschluss so unnachgiebig wie gewitzt kämpfen werden, arbeitet die Moabiter Staatsanwaltschaft mit allen Mitteln daran, das es so beschissen wie es ist, auch noch bleiben soll.

Beweis: Nachdem wir den Saal des Amtsgerichtes Tiergarten Nr. 455 während des ersten Hauptverhandlungstages im Prinzenbadprozess gegen unseren Genossen Markus am Mittwoch, den 2. März geflutet haben, hat sie bei der nächst höheren Instanz einen Haftbefehl gegen ihn beantragt. Nach Auskunft seines Anwaltes soll dieser unter den gegebenen konkreten Umständen nicht völlig aussichtslos sein. "Das kann doch wohl nicht wahr sein. Unser Genosse ungebadet in den Knast!" schießt es uns da spontan durch den Kopf und nicht auf den Staatsanwalt. Einerseits. Anderseits liegt das Vorgehen der Staatsanwaltschaft durchaus in der Logik ihrer Anklage eines schweren Landfriedensruches. Und der eröffnet bekanntlich im Endergebnis Knast.

Nun warten wir alle ganz gespannt auf die Entscheidung einer Moabiter Gerichtskammer in dieser Angelegenheit. Sie soll noch vor der offiziellen Eröffnung der Badesaison in der Stadt gefällt werden. Wir sind dabei zuversichtlich dass die Kammer in ihrer Entscheidung ganz sicher nicht das Gerechtigkeitsempfinden der Berliner Bevölkerung aus den Augen verlieren wird.

Zur Erinnerung: Zusammen mit vielen anderen hat unser Genosse am 6 Juli 2002 das Prinzenbad in einer exemplarischen ordnungswidrigen Aktion auch deshalb kostenfrei gestürmt, weil die Eintrittspreise viel zu hoch sind. Das können die Menschen in der Stadt auch deshalb nicht vergessen, weil sie auch in dieser Badesaison volle 4 Euro Eintritt in die Freibäder latzen sollen. Aber auch das wird für uns dieses Jahr Ansporn im Kampf für ein besseres und glücklicheres Leben sein. In diesem Sinne haben wir gemeinsam mit unseren Genossen die Hauptverhandlung gegen die aktuell herrschenden ungerechten Verhältnisse schon lange eröffnet.

Bislang zugelassene Parolen:
Die Badepreise sind in Berlin noch immer viel zu hoch!
Freischwimmen statt mitschwimmen!
Die sozialen Kämpfe lassen sich nicht verhaften!
Auch wenn einer sitzt in der Falle: Angeklagt wir alle!
Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Schwimmbadsolidarität! Schwimmbadsolidarität!

Berichte bei indymedia:
Prozeß geht baden:  http://de.indymedia.org/2005/03/108276.shtml
Bilder:  http://de.indymedia.org/2005/03/108268.shtml
Aktion im Juli 2002:  http://de.indymedia.org//2002/07/25641.shtml

Literaturempfehlungen:
Taz-Berlin vom 3.3.2005, Ins Wasser gefallen
Tagesspiegel vom 3.3.2005, Wie im Freibad, so im Gericht / Prozess um Sturm auf Prinzenbad begann mit Krawall
Junge Welt vom 4.3.2005, "Freischwimmer" vor Gericht
Neues Deutschland vom 04.03.2005, Protest soll nicht umsonst sein
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Ergänzungen

Anklage

B.B. Rodriguez 10.04.2005 - 15:25
Kenne jetzt die Anklageschrift nicht, würde aber doch mal annehmen, dass sie auf "Hausfriedensbruch" möglicherweise sogar "Landfriedensbruch" und "Erschleichen von Leistungen" lautet. Hat mich direkt gewundert, dass das nicht schon früher gekommen ist, wo dieses zu stituierende Exempel dem Staat doch quasi auf dem Silbertablett serviert wurde. Und das Ganze, ohne eine zutreffende Kapitalismus- oder Herrschaftskritik jenseits von "Sachen kosten Geld" und "Wer das Gesetz bricht, wird bestraft" damit vermittelt zu haben. Schade, besonders für die Betroffenen.

Berlin geht baden

Eckart Hachfeld 10.04.2005 - 22:20
Neben den bislang zugelassenen Parolen gibt es auch einen zugelassenen Song für die anstehenden Proteste. Das Berliner Grips-Theater hat sich in einem Stück gegen die überhöhten Badepreise ausgesprochen und sich mit den Aktivisten von "Berlin umsonst" solidarisiert. Ein Lied des Stücks gibt es als mp3-File

Paar Ergänzungen

tlc 11.04.2005 - 12:29
- Der erste Prozess-Termin am 2.3.05 platzte, nachdem auf der Anklagebank plötzlich eine ganz andere Person saß und alle ZuschauerInnen verkündeten, ebenfalls Angeklagte zu sein, woraufhin der Richter den Saal räumen ließ, sicherheitshalber gleich bis auf die Straße raus, und das Gericht vorübergehend seine Pforten ganz schloß. Weil die Justiz den Verdacht hegt, der von ihr Angeklagte sei gar nicht vor Ort gewesen, wollen sie nun offenbar im zweiten Anlauf seine Anwesenheit ganz sicher machen...

- Die Umsonst-Kampagne gründet selbstverständlich auf einer umfassenden Kapitalismus-Kritik, was in den Veröffentlichungen zum Thema auch für jedeN nachzulesen ist. Es gibt nun mal Leute, die der Meinung sind, Herrschaftskritik sei besser am praktischen Beispiel zu vermitteln als durch akademische Texte (die niemand ausser den VerfasserInnen selbst liest) oder durch Aufforderungen an unwissende Passanten "wenn du aufgeklärt werden willst, mußt du halt Kant lesen".

- Danke an B.B. Rodriguez für die schöne Wortschöpfung "stituieren" (eine Genmanipulation von statuieren und situieren, das Exempel bevorzugt "statuieren")

solidemo mit der yorck59 und waldekiez am 1.

unterstützerInnen der y59 13.04.2005 - 11:34
Rücke vor bis zur Schlossallee...
Keine Räumung der Yorck59!
Gegen die Prekarisierung in allen Lebensbereichen!

Von der Yorck59 zum Waldekiez - Demonstration am 1. Mai
13.00 Uhr Yorckstraße 59

In Zeiten der extremen Minimierung der sozialen Sicherungssysteme, Prekarisierung der Lebens- und Arbeitssituationen und steigender Armut wächst die Frage nach verbleibenden Alternativen.
Vor allem, aber nicht nur MigrantInnen wird EU-weit Stück für Stück die Möglichkeit der Selbstbestimmung entzogen. Gesundheitswesen, Altersvorsorge, Bildung, städtische Betriebe, Wohnungsbaugenossenschaften etc. werden privatisiert, gleichzeitig alternativen Projekten das Wasser abgegraben. In diesem Zusammenhang sehen wir auch die drohende Räumung der Yorckstr. 59 oder der Offenen Uni Berlin [und z.B. des EKH in Wien oder bundesweiter Wagenplätze wie in Hamburg und Kassel], die bis jetzt andere Lebens- und Arbeitskonzepte ermöglichen. Die BewohnerInnen des Waldekiez versuchen der Privatisierung und damit verbundenen Mietsteigerung durch den Kauf ihrer Häuser als Genossenschaft zu begegnen.
In der Yorck 59 finden sich Initiativen wie die ARI (Antirassistische Initiative), in der MigrantInnen und Biodeutsche gemeinsam für die Durchsetzung der Rechte von MigrantInnen kämpfen und arbeiten, aber auch das Radioprojekt Onda, der Infopool Lateinamerika Poonal, das Anti-Hartz-Bündnis und die Veranstaltungsräume der Druzbar.
Wir wollen am 1.Mai gegen den stetig wachsenden Arbeitsfetisch und die Prekarisierung in allen Lebensbereichen demonstrieren.
Die Häuser denen die drin wohnen, Grenzen auf für alle und natürlich alles für alle und zwar umsonst!

Verhaftung hat stattgefunden!

N.N. 04.05.2005 - 00:07
Kriminalisierung von Protest gegen die Berliner Schwimmbadpreise!

Lang ist`s her, dennoch ist das Ereignis um das es hier geht, keineswegs unaktuell: Im Rahmen einer Kundgebung gegen die exorbitant angehobenen Eintrittspreise in Berliner Schwimmbädern am 6. Juli 2002 stürmten einige Leute kollektiv und umsonst in das Prinzenbad in Kreuzberg. Nicht einfach individuell untergehen, sondern gemeinsam baden gehen und dagegen schwimmen war das Motto. Alles in allem also eine exemplarische wie ordnungswidrige Aktion gegen den anhaltenden Sozialkahlschlag des rot-roten Bankenskandalsenats.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nun gegen einen Aktivisten für diese schöne Aktion eine Anklage wegen "schweren Landfriedensbruches erhoben. Die Staatsanwaltschaft steigt mit dem Vorwurf gegen diese unkonventionelle Form des legitimen wie energischen Sozialprotestes hoch ein. Wir erinnern uns: Bei dem richtigen Versuch im Rahmen der überregionalen Aktion Agenturschluss kollektiv in die Arbeitsagentur in der Weddinger Müllerstraße zu gehen, wurden 17 Leute von der Polizei abgegriffen und festgenommen. Die gegen die Leute erhobenen Vorwürfe beinhalten – man ahnt es bereits – natürlich auch "schweren Landfriedensbruch." Wir fordern natürlich in dem einen wie auch in allen anderen hier beschriebenen Fällen die sofortige Einstellung der Strafverfahren.

Unser kriminalisierter Genosse hat erklärt, sich nicht einschüchtern zu lassen, und will sich gegen den gravierenden, immerhin mit einer Knaststrafe verbundenen Vorwurf tapfer und gewieft zur Verteidigung setzen. Dabei drücken wir ihm natürlich die Daumen und wünschen ihm alles Gute und viel Glück und werden ihn natürlich vor Gericht nicht alleine lassen. Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir uns durch diese Anklage selbst gemeint und direkt angesprochen fühlen. Angeklagt ist erst mal einer, gemeint sind wir alle!
In diesem Sinne muss sich nun der von uns bewusst angezettelte Konflikt durch die Institution der Moabiter Justiz durchbuchstabieren.

Übrigens: Der Sommer kommt gewiß und die Berliner Schwimmbadpreise sind noch immer viel zu hoch. Kurz: Nicht untergehen, baden gehen und dagegen schwimmen!

Prozeßtermin:
Am Mittwoch, den 2. März 2005 um 10.15 Uhr in der Turmstraße 91, Saal I / A 455

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