Berlin: Aktionstag gegen den Kongress der Saubermänner

Writer 07.04.2005 13:38 Themen: Freiräume Kultur Medien
Gestern fand auf Inititative von overkill (welche vor 2 Wochen auch das erste Graffiti-Filmfestival organisierten) vor dem Roten Rathaus ein Aktionstag gegen den "Anti-Graffiti-Kongress" statt. Zwischen 100 und 150 Sprüher und Unterstützer wollten Präsenz zeigen, den Dialog mit der Öffentlichkeit suchen und die selbsternannten "Experten" des Kongresses begrüßen. Während der Kundgebung wurden mehrere Leinwände besprüht, von denen gleich eine Handvoll verkauft wurde. Das Geld erhält die Jugendfreizeiteinrichtung Bö9, die geschlossen werden soll, da die Mittel in Senatsposten umgeleitet werden.
Das Medieninteresse war riesig und vielleicht gelang es auch, der Hetze in den letzten Tagen etwas entgegenzusetzen. Heute findet ab 14.00 noch eine Demonstration gegen den Kongress statt.
Weiterer Artikel: AntiGraffitiKongress - mediale Vorbereitung
Die Hetze gegen Graffiti-Sprüher in den Medien nahm in den letzten Tagen enorm zu. In der Berliner Abendschau wurde suggiert, daß Sprüher an der Arbeitslosogkeit schuld wären, in der Springerpresse wurden Überfälle von "schwerkriminellen" Sprühern erfunden. Der Bundesvorsitzende der "Gewerkschaft" GDP Konrad Freiberg belog die Öffentlichkeit, als er behauptete, es sei üblich, daß Sprüher Autos aufbrechen, um ihre Dosen zu finanzieren. Dpa übernahm loyal diese Behauptung. Ganz anders kommt in den Medien der Kongress weg: Obwohl die Graffiti-Gegner eher ideologisch argumentieren, bis heute das Phänomen nicht einmal im Ansatz erklären können und nicht einmal das Wort korrekt schreiben (der Verein nennt sich übrigens "nofitti"), werden sie in den Medien als "Experten" bezeichnet. Dennoch gelang es mehrmals, in einigen Zeitungen und Radiosendern auch die Standpunkte tatsächlicher Experten (Künstler, Akademiker, der Sprüher selbst) zu vertreten.
Der Verein nofitti, welcher den Kongress initiiert hat, wurde 1994 von CDU-Stadtbezirkspolitikern, die sich in der Landespolitik profilieren wollten und einem korrupten Geschäftsmann, der eine Reinungsfirma besitzt, gegründet. Lange Jahre war es um den Verein ruhig. Seit einem Jahr wird nun wieder die Öffentlichkeit gesucht. Die Behauptungen der Vereins- und Kongressprecher sind absurd und leicht zu wiederlegen. Ein Teil der Berliner Lokalpresse, welcher (wie auch nofitti) dem berühmten Berliner Filz angehört, war in den letzten Tagen einfach nur Sprachrohr des Vereins.
Zur Kundgebung: Die Teilnehmer des Kongresses versuchten die Kundgebung zu ignorieren und fotografierten uns höchstens heimlich aus "sicherer" Entfernung. Die anwesenden Journalisten und viele Passanten brachten den Sprühern dagegen positive Gefühle entgegen. Ein ZDF-Journalist kaufte sogar eine der besprühten Leinwände. Die Initiatoren der Kundgebung sind zufrieden, da das Medienfeedback relativ positiv ausgefallen ist. Selbst die Zeitungen des Berliner Filzes lassen nun auch Gegenstimmen zum Kongress zu Wort kommen.
Zur Demo werde ich es heute nicht schaffen, vielleicht kann ja wer anderes berichten. Leider wird die Demo erst dann am Alex ankommen, wenn der Kongress beendet ist.
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Ergänzungen

Noffiti ruft: "Haltet den Dieb"

.... 07.04.2005 - 13:47
In den letzten Tagen war immer wieder von jährlich 50 Mio Euro (*) von Kosten für Graffitbeseitiung(**) die Rede. Heute lässt Nofitti die Haus- und Hofpresse der CDU/SPD-Seilschaften die zehnfache Zahl verbreiten (dieses Anhängen von Nullen ist typisch für deren Rethorik).

(*) das sind übrigens 1 Hunderstel der Summe, die der Berliner Bankenskandal (übrigens dieselbe Szene aus auch Nofitti kommt) Berlin kostet.

(**) Interessant: nicht die Graffiti kosten Geld, sondern die Beseitigung. Dabei erhalten Typen wie der Nofitti-Neumann dank ihrer Kontakte enorm lukrative Aufträge. Für die Reinugung irgendwelcher Hinterhofbrandmauern oder Autobahnbrücken wird so unglaublich viel Geld verschwendet. Angelastet wird es den Sprühern.


PS: zuvor fand übrigens ein Polizeikongress statt, auf dem mit derselben Heuchelei und Lügerei die Anonymität des Internet verteufelt wurde. Es wurde behauptet, daß diese Anonymität für Kinderpornographie und Terrorismus verantwortlich sei. Dabei sind es doch gerade die konservativen Law&Order-Strukturen, aus denen immer wieder Kinderpornoskandale und illegaler Waffenhandel ans Licht kommt (ich erinnere an den aktuellen Kinderpornoskandal in der SH-CDU)

Hubschrauber-Einsatz und Co

Pressefutzi 07.04.2005 - 13:56
Hier noch heutige Presseberichte zum Kongress. Im wesentlich wird die Pressemittelung von nofitti übernommen. Im Fokus steht die Forderung eine "Gesetzeslücke"(sic!) zu schliessen und Graffit endlich härter als Körperverletzung zu bestrafen.


Berliner Morgenpost / Springerverlag:

Nach einer kritischen Einleitung wird 1:1 die Presseerklärung von nofitti übernommen:
"Im Vorfeld des Anti-Graffiti-Kongresses hat der Bundesgrenzschutz verstärkt Aktionen gegen Sprayer durchgeführt. Polizeihubschrauber und Wärmebildkameras kamen zum Einsatz..
Mit einem Hubschrauber hat der Bundesgrenzschutz bei einem stundenlangen nächtlichen Einsatz Jagd auf Sprayer in Berlin gemacht haben. Zahlreiche Bewohner hätten längere Zeit nicht schlafen können, hieß es. Zum Erfolg der Aktion habe sich der Bundesgrenzschutz nicht geäußert."
h**p://morgenpost.berlin1.de/desk/653164.html


Inforadio / RBB / Senatssprachrohr:
Inforadio als unkritisches Sprachrohr von nofitti:
www2.inforadio.de/radiotoread.do?subpage=null&command=detailview&dataid=28991

DPA ist ebenfalls Sprachrohr von nofitti:
www.freenet.de/freenet/nachrichten/kontrovers/200504/20050407_1556fe31ae2e8225c2ba37281204b157.html

..ebenso der RBB:
www.rbb-online.de/_/nachrichten/politik/beitrag_jsp/key=news2435059.html


Hubschraubär

nico 07.04.2005 - 14:14
Die Hubschrauber waren die letzten 2 Nächte unterwegs, Nach Aussagen der Bevölkerung von 22-3 (Di-Mi) und 22-24 (Mi-Do) und heute morgen ab 5.

Die BGS will in beiden Nächten zusammen 4 Sprayer durch den Einsatz gefasst haben, genausoviele noch durch normale kontrollen. 8 seien durch den hubschrauber von aktionen abgehalten worden.

Grund waren befürchtete "Sachbeschädigungen" im Vorfeld des nofitti kongresses.

Interessant auch: BGS darf eigentlich nur über Bahngelände flegen. Dazu gehören auch S-Bahn-Linien. aber die übergänge sind fließend, meint ein sprecher. heißt also, das die ganze stadt kontrolliert wird.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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bilder

mir 07.04.2005 - 16:28
ich kann man die Bildernicht sehen

schon mal richtig nachgedacht ?!?

Stefan 08.04.2005 - 22:32
Hallo? In welcher (geistigen) Welt lebt ihr eigentlich?
Was die Sprayer betrifft, gibts wohl keine Frage - wenn ich ein Haus hätte und es weiß/blau/grün oder sonst wie streiche oder es grau lasse ist das meine Sache, weil es ist mein Haus.
Wenn aber so ein gelangweilter Wohlstands-Teenager aus Langeweile oder total falsch verstandener "Rebellion" gegen das System denkt er müsse etwas gegen graue Wände tun oder seinen Protest gegen was weiß ich (er wirds selbst nicht genau wissen)los werden will oder weil er es "cool" findet - wenn er also dann mein Haus ohne mein Zustimmung "verschönert", dann gibts keine Frage - das kann nicht sein.
Und egal welche Argumente hier für das sprayen aufgeführt werden - keines davon hat eine Berechtigung (nein auch das nicht, was ihr jetzt aus dem Hut zaubern werdet!)

Noch eine Anmerkung zur Seite von "Indymedia" allgemein: schön, das ihr euch um Menschenrechte kümmert, gegen die Medienmacht eintretet und gegen deren Verzerrung der Wirklichkeit kämpft (usw.). Da steh ich voll dahinter!
Tatsache ist allerdings, daß eure Beiträge fast genauso einseitig sind wie die der vielzitierten "Springerpresse" - aber eben aus eurem Standpunkt heraus. Jeder der klar denken kann und nicht zur "Szene" gehört (was bedeuten kann, daß er nicht ganz offen für Argumente der Gegenseite ist - also befangen) kann über so viele abgedroschene Schlagworte und Vermutungen, die als Tatsachen hingestellt werden (ich bezweifle nicht das vieles davon stimmt - nur müsst ihr schon Beweise liefern ...) nur den Kopf schütteln.
He - wacht auf - es sind schon ein paar Jahre vergangen (z.B. seit 1968) und was habt ihr erreicht? Immer noch die selben Phrasen, die selben Aktionen. Wie wärs mal mit Dialog statt Protest, mit Kooperation statt Konfrontation?!
Und wundert es keinen, daß wenn die "Aktivisten" älter werden, sich keine Sau mehr um die Ideale aus seinen Jugendjahren kümmert. (z.B. Joschka Fischer). Haben "Erwachsene" kein Gewissen? Oder ist vielleicht eurer Ansatz irgendwo falsch?

Naja - es wird sich eh nix ändern. Schade das ihr euer Potential so verschwendet...