Viel Lärm um Nichts im "Amt für Armut"

F. B. Krauße 06.04.2005 00:45 Themen: Soziale Kämpfe
Impressionen von einem Tag, den ich so nicht benötigte.
Oder: Im Westen nichts Neues.
Ein halber Tag auf dem Arbeitsamt (Arbeitsagentur/Jobcenter/Arbeitslosenverwaltungseinheit), oder besser gesagt: Anstalt zur Verunsicherung der Bürger? Freundlicheres ließ sich nicht finden. Leider war der Besuch nicht mehr zu verhindern noch hinauszuzögern. Meine Existenz hängt davon ab. Üb immer Treu und Redlichkeit, gehe, wenn du gehen musst, verharre, wenn keiner dich ruft...aber tu, was die "Obrigkeit" verlangt.
Wenn ich mich nicht daran halte, kommen Schlaumeier auf die Idee, mich abzustrafen. Zuerst mit dreißig Prozent weniger Existenzgeld, dann noch einmal soviel bei einer weiteren "Verfehlung" und letztendlich wird die Existenz gestrichen. Was mache ich dann? Hilft mir jemand? Existenz gestrichen - was bedeutet das? Gibt es eine Einrichtung, die solche Menschen auffängt? Das Bestattungsunternehmen oder wer?
In einem der zu durchlaufenden, noch recht leeren Korridore fiel mir ein gelbbedruckter Hinweis auf: "Leider ist es vorübergehend notwendig, dass sich Mitarbeiter/innen im Kundenbereich zu Zweit ein Büroraum teilen müssen." (Der Fehler ist nicht von mir, ich mache meine eigenen Schreibfehler.) Befinde ich mich noch in dem Gebäude, bei dessen Einweihung der Direktor verlauten ließ, die Arbeitslosen sollen sich darin wohlfühlen?
Ganz offensichtlich.
Am Ziel angelangt, war ich schnell eins mit ihm, aufgesogen von der wartenden und wogenden Menschenmenge. Es standen vielfach soviele Bürger, wie einige auf den vorhandenen Stühlen einen Sitzplatz gefunden hatten. In den Ecken, an den Wänden saßen vor allem jüngere Menschen auf der Erde (Was machen diese denn hier?). Ich erinnerte mich an überfüllte Hörsäle und diese Art des Sitzens auf Treppen und in Gängen. Schlagartig verstand ich, warum unermüdlich viele Menschen früh am Morgen aus dem Gebäude herausströmten, allerdings strömten bedeutend mehr hinein. Ein Taubenschlag, ein Bienenstock? Der einzige Lichtblick in dem jetzt eng erscheinenden Raum waren nicht die Fenster, nicht die unermüdlich tätigen zwei Mitarbeiterinnen des Amtes, nein, die zu ziehende Nummer war es. Sie zeigte das Licht am Ende des Tunnels, die Chance, igendwann sein Anliegen vortragen zu dürfen. Nun denn, Geduld, Toleranz und Menschenliebe harret der Ereignisse, die euch auf die Probe stellen werden. Die zwei Bearbeiterinnen taten mir leid.
Erstmals kamen Gedanken auf, dass diese Institution nicht nur manche Besucher, sondern auch dort Beschäftigte verrückt machen kann. Trotz des Nummernsystems, besser gesagt: Wartenummernzieh- und -aufrufsystems; noch einhundertzehn Ziffern vor meiner gezogenen, musste ich abwarten. Die Aufrufe erfolgten schleichend, in der ersten halben Stunde ganze Vier. Plötzlich, ein weiterer Lichtblick: aus einem benachbarten Büro kam eine Dame und forderte Inhaber von zwölf genannten Ziffern ihr zu folgen. Weniger als zwölf nahmen das ernst.Der Warteraum füllte sich weiter, bedrohlich. Ungeduld und Unruhe wurden laut. Wartende riefen den Bearbeiterinnen Ziffern zu, die sie aufzurufen hätten, manchmal zu recht. Besonders Clevere drängelten an den Tresen und kamen verschiedentlich gleich an die Reihe. Ständig wiederholte Namensaufrufe tönten aus den Gängen, ob nun Hinz oder Kunz oder Besondermann, mancher war nicht mehr da. Der nächste Lichtblick überflutete uns, die Wartenden. Zwölf Ziffern wurden zu einem extra Raum beordert. Begeistert folgten einige Bürger dieser Aufforderung. Uff, das große Chaos war abgewendet. Der Wartesaal füllte sich erneut. Eine Bearbeiterin war von einem männlichen Kollegen ersetzt worden.
Hoffnungsgeladen warteten wir weiter. Nummernaufrufe, tobende Kinder, Wartegemeinschaftsschwatzrunden, Namenaufrufe... eine weitere Ziffernfolge, mehr als zwanzig wurden weggelockt. Es herrschte freie Sicht im Wartesaal. Bald, bald ist meine Nummer zu nennen.
Ich bin an der Reihe und erfahre, dass ich fast drei Stunden im falschen Saal gewartet habe. Die sehr freundliche Mitarbeiterin der Arbeitsagentur tröstet mich mit Stempel und Unterschrift. Danke!
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