4. Prozesstag Aachen

UnterstuetzerInnen 31.03.2005 19:21 Themen: Repression
4.Tag im Prozess gegen Bart, Jose, Gabriel und Begona
4. Prozeßtag in Aachen, 31.03.05

Heute begann der Prozess gegen 9.30 Uhr.
Die Angeklagten wurden wieder einzeln nacheinander in den Saal 339 geführt. Gabriel betrat den Raum nur mit Unterhose bekleidet. Aus Protest gegen die Vorführbedingungen, hatte er in der Wartezelle im Gericht die Nähte seiner Sachen aufgetrennt.
Die UnterstützerInnen protestierten ihrerseits gegen die bestehende Fesselung, das mehrmals nackt Auskleiden, Verschließen der Augen und Ohren. Sie hielten A4 Papiere in die Höhe auf denen "Brille ab!", "Ohren auf!", "Ketten weg!" "Hosen hoch!" und "Stop Tortura!" zu lesen waren. Begleitet wurde das mit gleichlautenden Sprechchören.

Martin Poell, Gabriel´s Anwalt beanstandete, dass trotz der Anordnungen des Richters, Gabriel wiederum seine Prozessnotizen weggenommen wurden.
Ulf Israel, Jose´s Anwalt mahnte den Vorsitzenden Nohl, er solle seine mündliche Sitzungsgewalt endlich durchsetzen.
Im Anschluss gab es eine kurze Pause in der Gabriel nach einigem Hin und Her seinen Block mit den Prozessnotizen wieder bekam.

Ulf Israel erhob eine Gegenvorstellung wegen des Beschlusses der Kammer zur Aufrechterhaltung der angeordneten Sicherungsmaßnahmen gegen seinen Mandanten Jose Fernandez Delgado. In dieser Gegenvorstellung verwahrte sich die Verteidigung gegen die gestrige Stellungnahme der Staatsanwaltschaft "...wonach die Angeklagten schon deshalb hätten kein Recht auf eine andere Behandlung hätten, weil Sie über die Nebenkläger besonderes Leid gebracht hätten." Das die Kammer sich davon nicht deutlich distanziert hatte, wurde mit "Verwunderung zur Kenntnis genommen". Um sich nicht dem Anschein der Befangegenheit auszusetzen, sollte das Gericht "dringend auf den Grundsatz des fair trail achten (...) Dies ganz besonders vor dem Hintergrund, daß der Vorsitzende Solidaritätsbekundungen zugunsten der Angeklagten sehr wohl für Fragen an Zeugen nutzt." Rechtlich verstießen die Sicherheitsaanordnungen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das Gericht verkenne seine fachliche Kompetenz, wenn es meine, aus dem Auftreten von Jose auf die gesundheitliche Beeinflussung durch die Transportbedingungen schließen zu können. Weiterhin fragte die Verteidigung an, woher das Gericht neben "medizinischem Sachverstand auch solchen über spanische Haft- und Verhörmethoden besitzt.", wenn es meint die Erfahrungen von Gabriel und Jose nicht beachten zu müssen.
Es wurde beantragt :
1. Jose während der nächsten Fahrt durch einen Psychiater oder Neurologen begleiten und untersuchen zu lassen
2. den deutschen Botschafter in Spanien oder einen durch diesen zu benennenden Beamten zu laden und über Behandlungsmethoden in spanischen Knästen zu vernehmen
3. den Prozess bis zur Einholung dieser Informationen zu unterbrechen
4. hilfsweise Jose von der Hauptverhandlung zu beurlauben.
(die Gegenvorstellung ist auf der Seite www.escapeintorebellion.info nachzulesen)
Jose habe Herzbeschwerden, das Verschließen von Augen und Ohren in dem Sarkophag, so empfindet er das Transportfahrzeug, in dem er auch in einer enormen Geschwindigkeit transportiert wird, verursache Angstzustände. Ihm gehe dabei jegliches Gefühl für Oben und Unten verloren.
RA´in Pusch, Jose´s zweite Verteidigerin schloss sich diesem Antrag an, Martin Poell ebenfalls.
Jose wurde übersetzt, als er sagte, daß er die Situation so nicht mehr aushält. Seit 8 Monaten wäre er isoliert. Er will nicht mehr zur Verhandlung kommen.

Nach der folgenden Pause in der Jose von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Herrn Hinüber in der Wartezelle des Gerichts untersucht und befragt wurde, wurde Herr Hinüber als unabhängiger Sachverständiger vom Vorsitzenden vernommen. Jose hatte den Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden.
Er sagte, daß Jose über seine Haftbedingungen gesprochen hätte und auch über den Transport JVA-Gericht-JVA. Er beschrieb noch einmal die Angst-und Panikzustände. Der Puls von Jose während dieses Gespräches wäre 106 gewesen, also viel zu hoch.
Herr Hinüber konnte keine suizidalen Gedanken bei Jose raushören, Jose hätte lediglich gemeint, daß er irgendwann so entkräftet wäre, daß er aufhören würde zu leben. Eine akute Psychose konnte er nicht feststellen.
Der Arzt meinte, daß es gut wäre, so die Situation es zuließe "Modifizierungen zur Erleichterung des Transportes" vorzunehmen. Zumindestens könnte die Geschwindigkeit auf dem Transportweg verringert werden. Jose wäre verhandlungsfähig. Auf Nachfragen von Ulf Israel sagte er aber, daß eine Sitzungsdauer von über 4 Stunden problematisch wäre und die Bedingungen in der Wartezelle bei dieser Belüftung mangelhaft. Auf weitere Nachfragen, ob sich die Isolationsbedingungen über die vielen Monate auf Jose´s Gesundheitszustand auswirken könnten, meinte der Arzt dies sei von Person zu Person unterschiedlich und die Vorgeschichte spiele sicherlich eine Rolle. Auf alle Fälle könne er sich vorstellen, daß das "seelisch belastend" ist.

Staatsanwalt Geimer beantragte für den morgigen Tag nach einer eingehenden psychiatrischen Untersuchung die Ergebnisse zu hören.
Bevor die Verhandlung dann gegen 14.25 beendet wurde, sprach Martin Poell an, daß ihm von ZuschauerInnen, deren Ausweise kopiert wurden, mitgeteilt wurde, daß sich auf den Kopien Notizen befinden würden und er die sehen möchte. Der Richter, der nicht von einem Missbrauch der Kopien ausgeht, konnte sich das nicht erklären.
Nach der Sitzung sahen die Verteidiger die Kopien ein. Die Notizen beziehen sich auf polizeiliche Erkenntnisse (Verurteilungen, Ermittlungsverfahren, Beziehungen zu den Angeklagten), sowie in einem Fall die Mitteilung das die entsprechende Person in der "bewachenden Fahndung" (BeFa) ist. Das heißt, sobald der Ausweis dieser Person (wo und warum auch immer) kontrolliert wird, wird dem für die Meldeadresse zuständigen Staatsschutz Bericht erstattet.

Morgen 9.00 Uhr geht es an der 1.Schwurgerichtskammer des Landgerichtes Aachen im Saal 339 weiter.
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Ergänzungen

BeFa

x 31.03.2005 - 20:30
BeFa heißt "beobachtende Fahndung", dieser Begriff wird allerdings seit einigen Jahren von der Polizei nicht mehr verwendet, weil er zu Mißverständnissen führt (z.B. versehentliche Festnahmen, wenn ein Dorfbüttel nur "Fahndung" liest und deshalb zuschnappt...). Deshalb heißt das inzwischen "PB" (Polizeiliche Beobachtung), gefolgt von einer Nummer für den Themenbereich (Drogen, Terrorismus, Gewalttäter etc.).

Ergänzung

UnterstützerInnen 31.03.2005 - 20:52
Wir vergaßen zu erwähnen, daß STA Geimer beantragte, Gabriel von der Verhandlung auszuschließen, da er die Würde des Gerichts nicht respektiere durch seine "Kleiderordnung".

Rechtssicherheit

@narchie 01.04.2005 - 11:11
Für leute die sich hier über rechtssicherheit
auslassen und für Alle REALISTiNNen
auf escapeintirebellion.info
unter HINTERGRÜNDE
aus Xose Tarrios Buch das übersetzte Kapitel
Einführung FIES - Folterregime, Spanien 1991

wie oben so unten

@narquia 02.04.2005 - 00:16
Xose Tarrio im Buch " Flieh,Mann flieh " ( Tagebuch eines FIES-Gefangenen ) :

Nein, die Inspektoren des Justiz - und Strafvollzugswesens haben niemals eine Veränderung herbeigeführt ( Armkg.: bis dato nicht ) - sie füllten Papier und nochmald Papier um vor der Gesellschaft ihre Wechselbürgschaft einzulösen und den Anschein von Humanität und Resozialisierung zu erwecken. Und auch die hunderte von Anklagen führten ins Leere.
Innerhalb der Müllahlden der Gefänginsse, war der bewaffnete Kampf unumgänglich - genauso wie eine öffentlich Erhebung von Forderungen vor den allgemeinen Medien der Kommunikation, einhergehend mit dem Schrei der Henker die zu Geißeln geworden waren Die Gefangenenorganisation APRE ( siehe unter: www.escapeintorebellion.info / Hintergünde / Tagebuch eines FIES-Gefangenen: Teil - 1 reorganisierte sich in den verheerenden Bunkern von Herrera de la Mancha .... Niemand konnte sich vorstellen was für eine Antwort der spanische Staat daruf folgen lassen würde ....

APRE ( r ) , Spanien 1991 - kurz vor der Einführung von FIES: " Weder befürworten wir gewaltsame Methoden zur Durchsetzung von Forderungen, noch rechfertigen wir diese. Aber - solange sie uns unter Bedingungen finsterster Geheimhaltung FOLTERN und UMBRINGEN , ist es der pure Instinkt und der Wille zum Überleben die das Recht auf Selbstverteidigung legitimieren - das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit ...



Ich will

Ich will, dass die Nacht
verslibert sein soll
und dass Margerieten lächeln auf den Feldern

Ich will das Konzert
der Grillen ( in spanisch auch
Wort für Fußfesseln )hören
während das Netz der Spinne
Seufzer einfängt, Farben und Mitteilungen

und ein Kuß sein der Gischt
der die Klippen zermürbt ...
die Möwe die fliegt
durch die Bläue des Horizonts.


Ich will sein wer ich bin:
Sehend mit den Augen des Kindes,
während ich mit meinen bloßen
Händen das Leben entdecke
Ich will

( Gabriel, Aachen 04.04.2005 )

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