Verbot trotz Verurteilung von Gewalt

Ralf Streck 30.03.2005 11:05 Themen: Weltweit
Wie erwartet hat der Oberste Gerichtshof das beantragte Verbot der baskischen Wählervereinigung „Aukera Guztiak“ (AG/Alle Optionen) bestätigt. Die Liste wurde mit einem extra geschaffenen Parteiengesetz verboten, mit dem die linke baskische Batasuna (Einheit) vor zwei Jahren verboten wurde. AG soll Nachfolger von Batasuna sein und damit Teil der Untergrundorganisation ETA. Ein Gespräch über das Verbot mit dem AG-Kandidaten Koldo Navascues.
Der Oberste Gerichtshof in Madrid hat dem Verbotsantrag der spanischen Regierung bestätigt. Warum wurde Aukera Guztiak (AG/Alle Optionen) verboten?

Hier gehören wohl offenbar alle zur Untergrundorganisation ETA, die nicht so denken wie die beiden großen spanischen Parteien. Dabei ist meine Distanz zur ETA so groß wie die zum US-Präsidenten Bush. Wir haben jedoch als oberstes Prinzip, die Wahrung aller Menschenrechte aufgestellt. Das man uns in Verbindung zur ETA bringt, ist absurd.

Behauptet wurde doch ohnehin nur, AG sei Nachfolger der Partei Batasuna (Einheit), die wurde vor zwei Jahren in Spanien verboten wurde und damit zu einem angeblichen Teil der ETA gemacht wurde?

So ist es, und es fällt auf, dass keines dieser ETA-Mitglieder im Gefängnis sitzt und die Partei in Frankreich auch weiter legal ist. Wir haben ohnehin keinen Kontakt zu Batasuna. So ist es falsch, ich hätte telefonischen Kontakt zu ihr unterhalten. Als Präsident einer Organisation für Verbraucherschutz stehe ich aber ständig in Kontakt mit allen Parteien, Gewerkschaften und vielen Gruppen. Falsch ist auch, ich sei Mitglied in einer Gruppe gegen den Hochgeschwindigkeitszug (TAV), die mit Batasuna und damit wieder mit der ETA in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich bin ich Sprecher eines Bündnisses aus 19 Gewerkschaften und Organisationen, die für einen sozialen Nahverkehr“ eintreten. Wir wurden auf Basis von Informationen zu ETA-Mitgliedern gestempelt, deren Quelle niemand kennt und ohne auch nur gehört worden zu sein.

Angeführt werden ihre Telefonate mit dem Chef der Gewerkschaft LAB.

Das zeigt, dass Leute abgehört und verfolgt werden, gegen die nicht einmal ein Strafverfahren läuft, die alle zivilen und politischen Rechte genießen. Wer ordnet an, dass sie keinerlei Privatsphäre mehr haben. Mit dem Rechtsstaat, der angeblich verteidigt werden soll, hat das nichts zu tun.

Was halten sie von der Bewertung der Vereinigung der „Richter für Demokratie“? Die sagt, das Urteil stehe außerhalb des Rechtsstaats. Der Oberste Gerichthof habe ein Verbot verfügt, obwohl er zugebe nur „Indizien“ zu sehen.

In einer Demokratie braucht man Beweise, muss sie darlegen und den Beschuldigten das Recht auf Verteidigung einräumen. Mit irgendwelchen Hinweisen werden wir zum Teil der ETA gemacht.

Bisher wurden als Indizien für die Verbote Hunderter Listen angeführt, dass dort jemand kandidierte, der schon zuvor für illegalisierte Liste oder Partei kandidierte. War das bei AG der Fall?

Nein, deshalb wurden auf die 32.000 Unterstützungsunterschriften zurück gegriffen, auf der Kandidaten verbotener Listen gefunden wurden. Das an sich ist antidemokratisch. Ich betone: Niemandem, nicht einmal den Batasuna-Mitgliedern, wurden die zivilen Rechte entzogen. Sie könnten in jeder Demokratie gewählt werden, dürfen wählen oder unterstützen wen sie wollen. Schon wenn einer von ihnen bisher auf einer Liste kandidierte, machte er die ungültig und zudem ging der Makel auf alle anderen Kandidaten über. Auch sie dürfen dann nicht einmal mehr für eine andere Liste unterschreiben, weil sie auch Batasuna zugerechnet werden. Dass der Generalstaatsanwalt das Verbot schon ankündigte, bevor er die Kandidaten, die Prinzipien oder die Unterstützer von AG kannte, zeigt dass die Regierung über das Ministerium für Staatsanwaltschaft eine politische Entscheidung gefällt hat.

Das Gericht sagt, AG hätte die ETA nicht verurteilt?

Die Verteidigung der Menschenrechte verurteilt explizit den Einsatz jeglicher Gewalt, auch die der ETA. Das Recht auf Leben und Unversehrtheit steht über allem. Wir können doch nicht eine Gruppe nach der anderen durchgehen, was auch das Parteiengesetz nicht fordert. Fängt man bei der Verurteilung vom Putsch Francos an oder bei der Diktatur? Beides hat die Volkspartei (PP) bis heute nicht verurteilt. Bezieht man die Todesschwadrone GAL unter der sozialistischen Regierung in den 80er Jahren ein? Von denen haben die sich nie distanziert. Ich bin Pazifist und verteidige alle Menschenrechte und deshalb trete ich für AG an. Der Kampf der ETA schadet nicht nur den Basken, sondern verstößt gegen alle meine Prinzipien, weshalb ich von ihr fordere, sie soll die Waffen nieder legen.

Haben Sie Hoffnung auf den Widerspruch beim Verfassungsgericht, den Sie heute einlegen?

Nein, der hat bisher alle Verbote bestätigt und so wird es keine demokratischen Wahlen geben. Aber wir müssen die Rechtsmittel aber auszuschöpfen, um vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen zu können. Dort müssen wir uns gegen die Verletzung elementarer Rechte genauso verteidigen, wie gegen die Tatsache, als ich als ETA-Mitglied bezeichnet zu werden. Europa sollte sich mit dem auseinander setzen, was hier geschieht. Alle werden hier über einen Vorwand illegalisiert, weil sie für andere Beziehungen zum spanischen Staat oder für die Unabhängigkeit des Baskenlands eintreten.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 28.03.2005
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Ergänzungen