Hintergrund zum "Aukera Guztiak" Verbot

Ralf Streck 29.03.2005 11:07 Themen: Repression
Wie erwartet hat der Oberste Gerichtshof das beantragte Verbot der baskischen Wählervereinigung „Aukera Guztiak“ (AG/Alle Optionen) bestätigt. Die Liste soll ein Nachfolger der verbotenen Partei Batasuna (Einheit) sein und damit Teil der Untergrundorganisation ETA. Gestern (heute) legte AG Widerspruch gegen die Entscheidung vom Samstag beim Verfassungsgericht ein. Hoffnung auf eine Teilnahme an den Regionalwahlen am 17. April hat sie nicht.
Mit dem vor drei Jahren neu geschaffenen Parteiengesetz wurde nun auch „Alle Optionen“ verboten, die den 10 bis 20 Prozent der Basken eine Wahlplattform bieten wollte, die seit 2003 ausgeschlossen werden. Mit dem Gesetz können alle Parteien auf Antrag der Regierung verboten werden, die den „Terrorismus nicht verurteilen“. Das zielte auf Batasuna (Einheit), welche die Gewalt der ETA nicht verurteilt, sondern nur bedauert. Die geschaffene Sonderkammer am Obersten Gerichtshof verbot die Partei 2003 und erklärte nun die Liste zu deren Nachfolger. Dafür existierten ausreichende Hinweise, zitieren diverse Medien das Urteil. Der Wählervereinigung lag es auch gestern nicht vor, obwohl die Frist für eine Verfassungsklage ablief.

Das ist nur eine der Besonderheiten in dem „enorm delikaten“ Vorgang, wie ihn es die spanische Vereinigung „Richter für die Demokratie“ nennt. Deren Sprecher Edmundo Rodríguez sagte, das Sondergericht habe sich nur „auf Indizien gestützt, um eine Kandidatur von den Wahlen auszuschließen“. Dass sei „außerordentlich für eine Demokratie“, bezweifelt er die Legitimität des Urteils.

Die seit einem Jahr in Madrid regierenden Sozialisten (PSOE) folgen dem Kurs ihrer konservativen Vorgänger. Sie gehen in der Anwendung des Gesetzes sogar noch über die hinaus. Bisher waren Verbote von Kandidaturen durchgeführt worden, wenn auf ihr nur ein Kandidat zu finden war, die früher für Batasuna oder die rückwirkend verbotenen Vorgänger kandidierten. Doch das nun nicht der Fall.

Die Generalstaatsanwaltschaft, als Ministerium Teil der Regierung, war sogar schon für ein Verbot eingetreten, als weder deren Prinzipien noch die Kandidaten bekannt waren. Da AG Gewalt ablehnt und sich für die Wahrung aller Menschenrechte einsetzt, konnte sie darüber nicht verboten werden. Das Recht auf Leben und Unversehrtheit hat sie als oberstes Prinzip aufgestellt und wollte dafür sorgen, dass 10 bis 20 Prozent der Basken ihr Wahlrecht ausüben können, die seit Jahren ausgeschlossen werden.

In der Not erklärte das Sondergericht nun, die definitive Verurteilung der ETA fehle. Doch das Gesetz fordert die Ablehnung von Gewalt und nicht die Verurteilung bestimmter Organisationen. Zudem hat sich weder die PP von der Franco Diktatur oder die Sozialisten (PSOE) von den Todesschwadronen distanziert, die unter ihrer Ägide in den 80er Jahren agierten. Höchste PSOE-Mitglieder wurden für schwerste Verbrechen rechtskräftig verurteilt. Eine Ausrede nennt der AG-Kandidat Koldo Navascues diese Forderung, um manipulierte Wahlen durchführen zu können. AG sei er nicht einmal gefragt worden. Dem Neuen Deutschland erklärte er: „Der Kampf der ETA schadet nicht nur den Basken, sondern verstößt gegen meine Prinzipien, weshalb ich von ihr fordere, sie soll die Waffen nieder legen“. Der Gerichtshof habe das nicht hören wollen und AG keine Möglichkeit zur Verteidigung gegeben, erklärte der überzeugte Pazifist.

Es sei falsch, er habe Telefonkontakte zu Batasuna unterhalten. Als Präsident einer Organisation für Verbraucherschutz habe er aber Kontakt zu allen Parteien und Gewerkschaften. Dass seine Gespräche mit dem Chef der Gewerkschaft LAB angeführt wurden, zeige nur, dass es hier sogar Telefonate derer abgehört würden, gegen die nicht einmal Strafverfahren laufe.

Eine Verbindung von Batasuna zur ETA konnte schon nicht bewiesen werden. Um eine Verbindung von AG zu Batasuna zu konstruieren, wurde noch weiter ausgeholt. So wurden die fast 32.000 Unterstützerunterschriften der Liste durchleuchtet. Die Regierung behauptete, darunter befänden sich 1000 Personen aus dem „ETA-Umfeld“ und 6000 hätten Kontakt zur linken Unabhängigkeitsbewegung.

Wie das definiert wird, kann nicht geprüft werden. Aus Gründen des „Datenschutzes“ werden die Namen nicht genannt. Klar ist, dass seit 1998 wurden etliche Parteien, Organisationen und Kommunikationsmedien als „ETA-Umfeld“ verboten wurden. Ein Beweis wurde bisher in keinem Verfahren erbracht. Im spanischen Staat dürfen also die nicht einmal die eine Wählerliste unterstützen, wenn sie jemals mit einem Batasuna Mitglied auf einer Liste zur Gemeinderatswahl standen. Unschuldsvermutungen gibt es nicht und wenigsten wurde je angeklagt. Dass das Verfassungsgericht den Spruch kippt, daran glaubt AG nicht. Die Liste hofft vielmehr, dass man in Europa davon Notiz nimmt, wie alle die illegalisiert werden, die für andere Beziehungen zum spanischen Staat oder für die Unabhängigkeit des Baskenlandes eintreten.

© Ralf Streck, Donostia - San Sebastián den 28.03.2005
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Ergänzungen

demonstration brutal aufgelöst

xxx 29.03.2005 - 17:09
Welche Politik die spanischen Sozialisten verfolgen, konnte man am Sonnabend in Iruna-Pamplona verfolgen. Eine Demonstration von mehreren tausend Menschen unter dem Motto "jetzt die Menschen-Frieden jetzt" wurde mit brutalster Gewalt auseinander geschossen und genüppelt. Augenzeugen berichten das ohne Unterschied auf alles eingedroschen wurde, egal ob jung oder alt.
Auch Verhaftungswellen dauern unvermindert an.
Einige wenige Fotos auf Indymedia Barcelona: http://barcelona.indymedia.org/newswire/display/166834/index.php
 http://euskalherria.indymedia.org/eu/2005/03/20113.shtml

Danke für die Ergänzung

Ralf 29.03.2005 - 20:23
Jemand der da war, ich konnte leider nicht, sollte doch mal einen Bericht schreiben. Waren doch genug Deutsche dort, wenn ich richtig informiert bin.