Neues Verbot im Baskenland!

Ralf Streck 26.03.2005 13:42 Themen: Repression Weltweit
Wie erwartet hat der Oberste Gerichtshof das von der spanischen Regierung beantragte Verbot der baskischen Wählervereinigung "Aukera Guztiak" (AG/Alle Optionen) bestätigt. Die neue Liste soll so von den Regionalwahlen im Baskenland am 17. April ausgeschlossen werden. Dessen Sonderkammer hatte über Ostern die Wählergemeinschaft über das 2002 neu geschaffene annulliert. Wieder einmal wird behauptet, die neue baskische Wahloption sei eine Fortführung der Partei Batasuna und gehöre damit zur ETA. Es grenzt schon an Absurdistan, wie das diesmal begründet wird. Nun mußten 32000 Unterstützungsunterschriften zur Begründung herhalten. Die wurden allesamt durchleuchtet und zudem massiv Menschen abgehört, denen Strafrechtlich nicht einmal was vorzuwerfen ist. AG legt heute Widerspruch vor dem Verfassungsgericht ein, Hoffnungen haben sie aber nicht, müssen den Rechtsweg aber für den Gang zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ausschöpfen.
Es hatte sich ja schnell abgezeichnet, dass auch die Sozialisten (PSOE) keine neue Politik im Baskenland machen werden. Sie führen die Politik der ultrarechten Franco-Nachfolger fort, die sie vor einem Jahr bei den Wahlen beerbt haben. Deshalb wurde schnell wieder über neue Verbote im Baskenland geredet wurde. Das fing bei den Wahlen im Mai zum Europaparlament an, zeichnete sich mit der Verhaftung von Mikel Antza  http://de.indymedia.org//2004/10/95776.shtml deutlicher ab und verfestigt sich nun weiter.  http://de.indymedia.org//2005/03/109326.shtml Das muss deshalb auch als allgemeine Linie gesehen werden.

Im Fall von Aukera Guztiak wurde das Verbot schon gefordert, bevor auch nur bekannt war, welche Kandidaten für die Liste antreten, und welche Prinzipien sie aufstellt. Trotzdem wurde sofort von der Generalstaatsanwaltschaft (als Ministerium Teil der Regierung) behauptet, es handele sich um die Fortführung der Partei Batasuna (Einheit), die mit ihren angeblichen Vorgänger über das neue Gesetz 2003 verboten wurden  http://de.indymedia.org//2005/03/109326.shtml. Der Verbotsantrag der Regierung behauptete, AG sei "ein Instrument im Komplex Batasuna". Damit sei AG "definitiver Teil der Terrororganisation ETA, die so ihren Bestand im politischen Leben sichern will", heißt es im Antrag. Dass sich der Oberste Gerichtshof nur darauf stützt, dass es "Indizien" gäbe die auf eine "Kontinuität" von Batasuna hinweisen, um eine Wahlplattform auszuschließen, ist eine der vielen Besonderheiten der "Demokratie" in Spanien.

Eine Verbindung von Batasuna zur ETA wurde aber ohnehin nie bewiesen, keiner ihrer Führer wurde wegen Mitgliedschaft inhaftiert und in Frankreich arbeitet diese angebliche ETA-Partei legal weiter. Der letzte Versuch die Führung des Vorgängers Herri Batasuna zu Unterstützern der ETA zu machen, scheiterte kläglich, auch wenn die 21 Parteichefs fast zwei Jahre dafür im Knast waren.  http://www.jungewelt.de/1999/07-22/017.shtml

Dass Batasuna selbst zu den Wahlen antreten wollte, stört da ebenso nicht.  http://de.indymedia.org//2005/02/107023.shtml Die hatte schließlauch erst im vergangen Herbst einen Friedensplan vorgelegt  http://de.indymedia.org//2004/11/99236.shtml und sich auf den Einsatz demokratischer Mittel zur Beilegung des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts verpflichtet.  http://de.indymedia.org//2004/11/99240.shtml Siehe auch:  http://de.indymedia.org//2004/11/99313.shtml

Weit ausgeholt werden musste nun, um eine angebliche Verbindung von AG zu Batasuna zu konstruieren. Denn für AG kandidiert niemand, der schon einmal für eine verbotene Partei oder Liste angetreten ist. Das ist nicht einfach, denn Tausende wurden schon darüber "kontaminiert", weil sie auf einer fast 300 Listen zu den letzten Gemeinderatswahlen kandidierten. Die sind verboten worden, wenn darauf nur eine Person war, die in 25 Jahren legal für Partei antraten die über das neue Parteiengesetz nachträglich verboten wurden.  http://de.indymedia.org//2003/03/44768.shtml Ein Unding, mit dem sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasst.  http://de.indymedia.org//2003/06/54704.shtml

Weil die neue Liste "sauber" ist, musste ein anderer Weg gefunden werden, um bis zu 20 % der Basken auszuschließen und damit der nationalistischen spanischen Front die Möglichkeit zu schaffen, die Mehrheiten im Baskenland zu kipppen, damit zum Beispiel nicht einmal der Plan Ibarretxe durchkommen kann.  http://de.indymedia.org//2005/01/103196.shtml

Auch die geforderte Verurteilung des Terrorismus konnte nicht angeführt werden, weil sich AG in ihren Prinzipien gegen "jede Verletzung der Menschenrechte" richtet. Deshalb muss auf deren Ideologie verwiesen werden und dass sie sich an die selbe Wählerschaft wendet, mit der auch schon die Liste zur letzten Europaparlamentswahl verboten wurde, die dann im französischen Baskenland allerdings angetreten ist.  http://de.indymedia.org//2004/06/85594.shtml

Besonders wird bei AG auf ihre Unterstützer verwiesen. Die fast 32.000 Unterstützerunterschriften wurden durchleuchtet sämtlich durchleuchtet. Behauptet wird, darunter befänden sich 1000 Personen aus dem "ETA-Umfeld" und 6000 hätten Kontakt zur linken Unabhängigkeitsbewegung.

Wer also im spanischen Staat zu der Kontakt hat, darf nicht einmal mehr eine Wählervereinigung unterstützen, wenn es den beiden großen spanischen Parteien nicht gefällt. Denn die treten im Baskenland offen als nationalistische Front auf und hatten das in ihrem Anti-Terror Pakt ja schon vor vier Jahren vereinbart. Sie sind sich einig bei der Verabschiedunge höchst undemokratischer Gesetze, bei Gesetzesverschärfungen, bei der Tolerierung von Folter und Misshandlungen, dem Verbot baskischer Parteien oder auch nur gegen zaghafte Pläne das umzusetzen, was die den Basken über die spanische Verfassung schon vor 25 Jahren zugesichert wurde.  http://de.indymedia.org//2003/09/62691.shtml

Die übrigen baskischen Parteien, die spanische Vereinte Linke oder Parteien aus Galizien oder Katalonien erklären deshalb zu Recht, an diesen Hürden würden auch die beiden großen spanischen Parteien scheitern. Die Sozialisten (PSOE) haben sogar frühere ETA-Mitglieder auf den Listen und verurteilen ihren Staatsterrorismus in den 80er Jahren nicht. Die große Volkspartei hat sich nie vom Terror der Franco-Diktatur distanziert, deren Verbot wird aber nicht beantragt.

Auch kann nicht überprüft werden, was das "ETA-Umfeld" sein soll und wer dazu gehören soll. Die Namen werden aus Gründen des "Datenschutzes" nicht genannt. Seit 1998 wurden zwar etliche Organisationen und Kommunikationsmedien als "ETA-Umfeld" verboten, der Beweis wurde aber bisher in keinem Verfahren erbracht.  http://de.indymedia.org//2005/02/106270.shtml Wie absurd sich nach sieben Jahren eiligst anberaumte Verfahren gestaltet, dazu hier eine Interview.  http://de.indymedia.org//2005/03/108228.shtml Inzwischen mussten die ersten Jugendlichen auch frei gelassen werden.

Offen wurde im Fall von AG eine weitreichende Spionage, zu der auch das Anzapfen vieler Telefone, auch von Parlamentariern und Journalisten gehörte. So werden als "Beweise" für Verbindungen von AG zu Batasuna zum Beispiel angeführt, der Chef der Gewerkschaft LAB habe mit einem AG-Kandidaten häufig telefoniert. Doch LAB ist legal und Rafa Diez dürfte mit dem Chef der Verbraucherschutzorganisation einiges zu besprechen haben, zumal beide Organisationen im Sozialforum aktiv sind.

Es scheint also alles so weiter zu gehen, als sei insgesamt nichts geschehen. Vielleicht brauchen aber die Sozialisten das Baskenland auch wieder, um von anderen Problemen abzulenken. Nicht zuletzt wird ihre Rolle in den Anschlägen vom 11. März in Madrid immer merkwürdiger.  http://de.indymedia.org/2005/03/110211.shtml Mit der Illegalisierung von AG fällt heute eine Vorentscheidung dafür, dass die PSOE kein Interesse an einer friedlichen Lösung hat. Deshalb wird sich vor den Wahlen die Situation extrem zuspitzen, denn dann wird es auch für viele der 719 Gefangenen kritisch, die sich derzeit im Hungerstreik befinden.  http://de.indymedia.org//2005/03/109379.shtml. Dann muss wohl auch wieder mit verstärkter Aktivität der ETA gerechnet werden, sie sich seit langem sehr zurückhält, um einen möglichen Friedensprozess nicht zu gefährden.  http://de.indymedia.org//2004/12/101776.shtml. Grundsätzlich hatte sie sich den Vorstellungen von Batasuna angeschlossen.  http://de.indymedia.org//2005/01/104711.shtml

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 26.03.2005
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Ergänzungen

Aukera Guztiak ?

qualle 28.03.2005 - 21:01
Hier steht jetzt zwar, was AG alles nicht ist, aber es steht nirgends, was das für eine Partei ist. Wo ist die Partei einzuordnen, welche Grundsätze und Forderungen stellt sie, wie sieht das Parteiprogramm aus, was für Personen sind da beteiligt...? Kurz: Worum geht's eigentlich?

Link lesen

Paul 28.03.2005 - 21:57
Dazu sind Links da und zudem ist das keine Partei, sondern eine Wählervereinigung.

 http://de.indymedia.org//2005/03/109326.shtml

Weitere Hintergründe zum Verbot

RAlf 29.03.2005 - 11:32

Interview und Ergänzung

Ralf 30.03.2005 - 11:18
Hier ein Interview mit einem Mitglied von AG zum neuen Verbot.
 http://de.indymedia.org/2005/03/110503.shtml

Hier ein aktualisierter Text mit dem direkten Draht zu den Zirkel um die Verantwortlichen der Anschläge vom 11. März
 http://de.indymedia.org/2005/03/110504.shtml

Doch ne Partei der bask. Linken dabei

Ralf 05.04.2005 - 12:09
 http://de.indymedia.org/2005/04/111093.shtml
Die baskischen Kommunisten EHAK mischen nun die Politik auf. Euskal Lurraldeetako Alderdi Komunista bedeutet auf Deutsch „Kommunistische Partei der Baskischen Territorien“. Es handelt sich um eine neue und alte Partei. EHAK ist zwar bei Wahlen nie angetreten, wurde aber schon vor fast drei Jahren legalisiert, als gerade ein neues Parteiengesetz geschaffen wurde, um die linksnationalistische Partei Batasuna (Einheit) zu verbieten. Jetzt tut sich die spanische Regierung schwer mit einem neuen Verbot. Es wäre offensichtlich, dass man letzte Woche die falsche Liste verboten hat und sie kann der PP die Schuld zuschieben, dass diese Partei antreten kann.

Neues zu baskischen Kommunisten und Wahlkampf

RAlf 11.04.2005 - 11:02

Wer sind die baskischen Kommunisten

Ralf 12.04.2005 - 10:30
Hier ein Interview mit einem der Kandidaten.

 http://de.indymedia.org/2005/04/111655.shtml

Hier noch ein Text zur Entwicklung im Wahlkampf.

 http://de.indymedia.org/2005/04/111549.shtml

Teil der PCE unterstützt baskische Kommuniste

Ralf 14.04.2005 - 13:40

Entscheidung über Friedenspross vertagt

Ralf 15.04.2005 - 21:15
Zapatero hat das Verbot der baskischen Kommunisten abgelehnt und hält die Tür für einen möglichen Friedensprozess im Baskenland mit den Wahlen am Sonntag offen Es war klar, dass sich an den Wahlen zum baskischen Regionalparlament am Sonntag zeigt, ob die neue spanische Regierung an einem Friedensprozess interessiert ist. Der erneute Ausschluss der linken Unabhängigkeitsbewegung hätte es schwer gemacht, auf deren Angebote zur friedlichen Belegung des seit Jahrzehnten schwelenden bewaffneten Konflikts noch glaubhaft einzugehen. So hat der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) die Frage vertagt, um sich diese Tür offen zu halten. Text dazu
 http://de.indymedia.org/2005/04/111929.shtml darunter eine Zusammenstellung wer gewählt wird und unter welchen Vorraussetzung.

Seit 25 Jahren wird die Partei der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung Batasuna oder ihr Vorgänger in Spanien kriminalisiert. Vom Mord an einfachen Militanten bis Führern über die Sperrung von Konten bis zum Verbot durch extra geschaffene Gesetze ist alles dabei. Anbei mal eine unvollständige Zusammenstellung der Verfolgung seit dem Ende der Diktatur und ein Interview mit einem der Batasuna - Führer, dass die Partei erstmals nicht mehr im baskischen Parlament vertreten sein wird.
 http://de.indymedia.org/2005/04/111933.shtml