tödliche Polizeigewalt in Dessau und Bonn

egal 18.03.2005 22:49 Themen: Repression
Anlässlich des Internationalen Protesttages gegen Polizeigewalt, der jährlich am 15. März stattfindet, dokumentiert der Artikel Beispiele für die lebensbedrohliche Gewalt im Polizeigewahrsam
Tod durch Polizeigewalt in Dessau und Bonn

Am 15. März fand zum neunten Mal der "Internationale Protesttag gegen Polizeibrutalität". Er war zum ersten Mal am 15. März 1997 in der Schweiz ausgerufen worden, nachdem Einsatzbeamte zwei Kinder verprügelt hatten. In den folgenden Jahren wurden die Solidaritätsaktionen auf Anregung des Schweizer Kollektivs "Drapeau Noir" (Schwarze Fahne) und mit Hilfe der kanadischen Gruppe ?BürgerInnen gegen Polizeibrutalität? aus Montreal weltweit dezentral durchgeführt. Auch in Deutschland gibt es genügend Anlässe gegen die Gewalt des Staates zu protestieren. Immer wieder werden einige Polizeiübergriffe bekannt, aber die Dunkelziffer ist hoch. Denn in vielen Fällen haben die Opfer Angst vor einer Anzeige, und die offene Gewalt der Staatsbeamten ist nicht selten politisch und rassistisch motiviert.

Zum Beispiel starb Anfang des Jahres der Asylbewerber Oury Jalloh im Polizeigewahrsam im ostdeutschen Dessau. Wie die Flüchtlingsorganisation "The Voice" mitteilte, befand sich der Afrikaner in Gewahrsam, weil ihm vorgeworfen wurde mehrere Frauen belästigt und Widerstand gegen die Polizei geleistet zu haben. In der Arrestzelle sei dann aus ungeklärter Ursache Feuer ausgebrochen. Ein Beamter habe versucht, die Flammen zu löschen, sei aber wegen der starken Rauchentwicklung nicht mehr in die Zelle gelangt. Für den Mann sei dann jede Hilfe zu spät gekommen.

Aber nach dem Tod des Asylbewerbers ist festgestellt worden, dass Oury Jalloh gefesselt war als in der Zelle das Feuer ausbrach. Zunächst war vermutet worden, der 21jährige aus Sierra Leone habe sich am 7. Januar 2005 in Selbstmordabsicht selbst angezündet. Aber mittlerweile sind Zweifel an der offiziellen Darstellung aufgekommen. Die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtete, der 21jährige sei während des Zellenbrandes an ausgestreckten Händen und Beinen fest angebunden gewesen. Ausserdem habe eine Obduktion der Leiche festgestellt, dass seine beiden Handgelenke gebrochen waren. Bei den folgenden Untersuchungen entdeckten die Spezialisten des Landeskriminalamtes Magdeburg die Reste eines Feuerzeuges. Wie der Afrikaner trotz Fesseln an Händen und Füßen mit einem Feuerzeug die Matratze in seiner Arrestzelle anzünden konnte, kann die Polizei nicht erklären. Auch ist noch ungeklärt, woher das Feuerzeug stammt, denn sowohl die Zelle als auch der Gefangene waren zuvor durchsucht worden. Nach dem Brand wurden daher zwei diensthabende Beamte vorübergehend versetzt. Die Gegensprechanlage zwischen der Zelle und dem Polizeirevier war nämlich bei Ausbruch des Feuers ausgeschaltet gewesen, so dass er keine Hilfe rufen konnte. Ein Gutachten der Staatsanwaltschaft besagt ausserdem, dass der Rauchmelder einwandfrei funktioniert hat. Die Beamten hätten also bereits nach zwei Minuten in der Zelle nachschauen müssen. Weil sie aber den Feueralarm zweimal wieder ausgeschaltet hatten, wurden gegen drei Polizisten wegen fahrlässiger Tötung Ermittellungen aufgenommen.

Nur sechs Wochen nach dem mysteriösen Todesfall kam im Dessauer Polizeigefängnis erneut ein Mensch ums Leben. Ein 51jähriger Obdachloser starb unter ungeklärten Umständen nachdem er vom Rettungsdienst auf einem Spielplatz betrunken aufgegriffen und der Polizei übergeben wurde.

In Bonn hingegen wurde der Fall des jungen Italieners Antonio G. bekannt. Am 16. November war der 30jährige wegen einer Schlägerei in einem Call-Shop in Gewahrsam genommen worden. Angeblich widersetzte sich der Betrunkene der Festnahme und griff die Beamten an. Drei Polizisten haben ihn dann in der Gewahrsamszelle auf den Bauch gelegt und einer hat sich auf seinen Rücken gekniet. Er wurde an Händen und Füßen gefesselt und am Kopf festgehalten, damit ihm trotz seiner heftigen Gegenwehr ein Arzt eine Blutprobe entnehmen konnte. Dabei musste der Polizeimediziner auffällige Atemprobleme bei dem Gefesselten feststellen. Antonio G. hatte einen Panikanfall, der kurze Zeit später zur Bewusstlosigkeit und dann zum Herzstillstand führte. Bis ein Notarztwagen im Polizeipräsidium eintraf, musste der Gefangene mit Wiederbelebungsversuchen vor dem Tod gerettet werden. Im Krankenhaus wurde er in ein künstliches Koma versetzt, aus dem er wohl nie wieder (und wenn, dann nur mit schweren Hirnschäden) aufwachen wird. Die vier Polizisten wurden mittlerweile versetzt und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie und gegen den Polizeiarzt wegen "Verdacht auf Körperverletzung im Amt". Ein Überwachungsvideo aus der Zelle belegt, dass der Betrunkene falsch gefesselt und auf dem Bauch liegend fast eine halbe Stunde lang ohne Aufsicht liegen gelassen wurde.

Diese aktuellen Fälle von Staatsgewalt, haben zwar in den bürgerlichen Medien für ein wenig Aufsehen gesorgt. Aber Oury Jalloh und Antonio G. sind nicht die einzigen Opfer, sie sind keine Einzelfälle. Erinnert sei hier der Tod des Kölners Stefan Neisius, der im Polizeigewahrsam verprügelt und im lebensbedrohlichen Zustand auf dem Bauch gefesselt liegengelassen wurde.

Ein weiteres Opfer der lebensgefährlichen Polizeimethoden wurde im Juli 2004 der Umweltaktivist Wolfgang K. der Mitglied im Vorstand des "Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz" ist. Er wurde von zwei Bonner Polizisten bei einer Personalienfeststellung brutal zusammengeschlagen. Als er bewusstlos wurde, sperrten sie ihn ein und fesselten ihn. Beinahe wäre der Bewusstlose an seiner eigenen Kotze erstickt. Genau diese Arrestzelle im Bonner Polizeipräsidium ist nun durch den Hirntod von Antonio G. bekannt geworden. Wolfgang K. hatte Glück und hat das Bewusstsein nicht verloren.

Gegen den Polizisten hat der Umweltaktivist bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Anzeige erstattet wegen versuchtem Totschlag, Folter und schwerer Menschenrechtsverletzung. Die Staatsanwaltschaft Bonn versucht im Gegenzug Wolfgang anzulasten, er habe "vorsätzlich falsche Anschuldigungen" gegen die Polizei erhoben.

Solange die Opfer von Polizeigewalt immer wieder Angst haben müssen mit Gegenanzeigen und Verleumdungsklagen unter Druck gesetzt zu werden, solange müssen wir eine kritische Öffentlichkeit schaffen und gegen die tägliche Polizeiwillkür protestieren. Der Staat hat das Monopol auf Gewalt und das nutzt er auch aus.
Vertrauen wir nicht auf parlamentarische Untersuchungen und richterliche Urteile - vertrauen wir auf unsere Solidarität und wagen wir gemeinsam den Versuch diese tödliche Maschinerie, diese Verhältnisse wieder zum Tanzen zu bringen...!
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Ergänzungen

der tod im gewahrsam

füll ich aus 19.03.2005 - 13:39
es ist toll, dass du hier son feinen artikel geschrieben hast, aber ein paar bemerkungen und richtigstellungen muss ich hier doch machen.

1. woher weißt du, dass die polizeigewalt politisch und rassisch motivert ist? weil es nur vorfälle mit ausländern gibt? falsch. aber die werden von den medien zerissen. und von objektiver berichterstattung kann man dann hier auch nicht mehr sprechen, da mit hinweis auf ein laufendes verfahren nicht alle infos preisgegeben werden und auch viel erfunden oder erwägt wird. und dass indy nicht objektiv berichtet, wenn es um polizei, staat und gewalt geht, wissen wir alle.

2. warum betonst du, dass dessau im osten der republik liegt? hat das hintergründe?

3. es ist zwar richtig, dass oury an der liege fixiert wurde, aber er hatte immernoch genug bewegungsfreiheit um sich selbst anzuzünden. desweiteren waren seine handgelenke nicht gebrochen.
richtig ist, dass oury durchsucht wurde, aber es geschieht immer wieder, dass dinge bei einer durchsuchung übersehen werden. also werden die umstände wohl nie geklärt werden.

4. der obdachlose, den du hier ansprichst, ist im magdeburger zpg (zentraler polizeigewahrsam) verstorben. nicht in dessau. da liegen ca 60 km dazwischen. die "misteriösen umstände", die du hier ansprichst sind unterkühlung. es war wirklich kalt die nächte mit minusgraden und so.

aber alles in allem ein guter artikel.

Polizeiwillkür einzelnerBeamter+Gruppeneffekt

Benzing, Adelheid 10.06.2005 - 19:46
Im September 2004 wurde ich (Single, weiblich, Deutsche, Europäerin)gegen Mitternacht in eine "Ausweiskontrolle" in einem Hotel in Hamburg von sichtlich angetrunkenen Personen in Polizeiuniform, die sich nicht ausgewiesen haben, verwickelt, die damit endete, dass die Beamten, die mich hierzu weckten, mit lautem Rufen und Drohungen, denen ich keinen Zutritt zu meinem Zimmer gab, nach 1 1/2 Stunden wieder kamen. Dieses Mal unter ständigem Gekicher wie Personen unter Drogeneinfluss, zu viert, schraubten das Schloss meiner Zimmertür auf. Um dem entgegenzutreten, inzwischen angezogen, um das Hotel zu wechseln, unter diesen Umständen, entriegelte ich die Tür, drückte auf die Klinke und bekam die Tür mit einem Knall gegen Kopf, Schläfe, Schulter Arm und Handgelenk geknallt, dass ich 1,5 m zurückflog, gegen den Badezimmertürrahmen und dabei eine Prellung an der linken Kopfseite bekam. Die Tür war so stark aufgebrochen worden, dass die Sicherheitskette verbogen war, und von der Feuerwehr mit einer Metallschere aufgeschnitten werden musste.
Die Verletzungen an Kopf, Schulter und Hand wurden in der Notaufnahme, in die ich bat gebracht zu werden, als unbedeutend abgetan und die Polizei nahm mich von dort in Gewahrsam, ohne Angabe von Gründen.
Ich wurde wie ein Schwerverbrecher durchsucht, sämtlicher persönlicher Gegenstände entledigt, und wie ein Drogenabhängiger, oder Verrückter behandelt. Durchsuchung des Körpers, Hohn und Gelächter, Verweigerung eines Anwaltes, Verweigerung mich sofort wieder auf freien Fuss zu setzen, endete mit einer unfreiwilligen 'Peepshow' meiner Person, die von ca 02h30 morgens bis 06h00 morgens dauerte, in der ich mit meinen frischen Verletzungen ohne einen Schluck Wasser, oder Kühlung der Prellungen in einem hell erleuchteten Raum, den abfälligen Bemerkungen, Gelächter und ständiger Beobachtung von bis zu elf Personen in Zivil und Uniform, Männer und Frauen, ausgesetzt war.
Dann wurde zu mir in diesen 'sicheren Raum' ein Herr geführt, der sehr verschlafen aussah, der deutschen Sprache nur sehr mangelhaft fähig und der mir Fragen zum Hergang stellte, meine Antworten nicht verstand und nach einer 1/4 Stunde wieder ging.
Kurze Zeit danach, wurde ich von zwei Männern, die angeblich vom Ordnungsamt waren, in eine psychiatrische Anstalt gebracht.
Vor und auf dem Weg dorthin versuchte ich die Beamten von dem Fehlverhalten der Polizisten zu überzeugen, das zu keinem Ergebnis kam.
Der übernächtigte Psychiater in der Klinik konnte kaum seinen Ohren trauen, als er den Hergang erfuhr und meinte, dass es nun leider den Amtsweg ginge, er mir aber versichern könnte, dass ich in der Klinik zumindest noch meine Ruhe hätte, insbesondere vor Belästigungen von Polizisten.
Gegen 14h00 erschien ein Richter mit Beisitzerin, Sekretärin und einem Pflichtanwalt, diskutierte mit dem inzwischen eingetroffenen leicht gestressten 2,Psychiater genau 10 Minuten, 5 Minuten mit mir und gab seiner Sekretärin zu Protokoll, dass ich selbstverständlich zu Unrecht hier festgehalten worden sei, zu Unrecht eingeliefert und er empfahl mir gegen die Polizisten Klage zu erheben.
Die Körperverletzungen habe ich noch am gleichen Tag beim Gerichtsmedizinischen Institut in Hamburg feststellen lassen.
Eine Klage habe ich bisher nicht eingereicht, da ich einerseits noch meinen Hauptwohnsitz in Frankreich habe, andererseits die Anwaltschaft in Deutschland nicht gegen einzelne Polizeibeamte vorgehen möchte (Anwalt Originalzitat: 'Das müssen Sie doch geträumt haben'), und weil ich die Namen der Polizeibeamten nicht habe, da sie keine Dienstmarke, oder Ausweis vorgezeigt haben.

Wenn mein Fall mit den vielen anderen, die anscheinend in der Mehrzahl, systematisch an Singles ohne direkten Familienbeistand, oder anderen Zeugen begangen werden, helfen könnte, eine Kollektivklage einzureichen, eventuell vor dem Bundesverfassungsgericht (Grundgesetzverletzung), bitte ich Sie es mich wissen zu lassen.


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