Stadtparlaments-Aktion in GI und Prozess-News
- Bericht von der Stadtverordnetenversammlung
- Weitere Berichte von Aktionen
- News zum Prozess
17.3.2003: Stadtverordnetenversammlung
Kurz vor Beginn der Versammlung tauchten auf den Publikumsrängen einige Leute aus dem Umfeld der Projektwerkstatt auf. Sie trugen T-Shirt mit Aufdrucken wie „Sicherheitsrisiko“ oder „Lust und Laune statt Law and Order“ (erinnerte an eine Pressemeldung des Gießener Bürgermeisters vor ca. 2 Jahren, die mit „Law and Order statt Lust und Laune“ überschrieben war. Die Aktivistis waren gleich von Sicherheitskräften beschattet. Diesmal hatte das Ordnungsamt der Stadt die Organisierung der Sicherheit übernommen und schickte ca. 8 Personen auf Tribünen, Treppen usw., um Störungen zu verhindern. Wobei der Unterschied zu den skandalumwitterten Polizeieinsätzen vom 12.12.2002 (http://www.projektwerkstatt.de/12_12_02) und 27.3.2003 (http://www.projektwerkstatt.de/27_3_03) nicht besonders auffällig war. Am 12.12.2002 hatte ein martialisches Polizeiaufgebot das ganze Rathaus abgeriegelt, am 27.3.2003 waren zivile Polizeikräfte im Saal postiert. Die ParlamentarierInnen waren darüber damals nicht informiert worden, worüber sich einige aufregten und der Lügen-Skandal um Stadtverordnetenvorsteher Gail seinen Lauf nahm (http://www.luegen-gail.de.vu). Die Ordnungskräfte vom Ordnungsamt waren nun zwar innerstädtische Angelegenheit, aber bekannt gegeben wurde das Ganze wieder nicht. Zudem waren mindestens zwei der Aktiven im Nebenberuf wiederum Polizisten, nämlich beim Freiwilligen Polizeidienst. Will heißen: Deren Leben besteht aus Ordnungsschaffen, denn neben Ordnungsdienst der Stadt und freiwilliger Bullerei treten sie auch noch als Bewacher von CDU-Veranstaltungen in Erscheinung – und durchaus gewalttätig.
Zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung stellte PDS-Mensch Janitzki einen Dringlichkeitsantrag, über die Polizeieinsätze der Vergangenheit informiert zu werden. Immerhin ist im Zuge des Skandals um Lügen-Gail auch deutlich geworden, dass dessen Lügen durch die Polizeiführung lange Zeit gedeckt wurden. Sprich: Die Polizei die Lüge als wahr dargestellt hat.
CDU bis Grüne unterstützten den Antrag nicht. Das war wenig überraschend, hatten doch auch Grüne und SPD deutlich gemacht im Vorfeld, dass sie lieber von einem CDUler belogen werden als irgendetwas tun werden, was den verhassten Projektwerkstättlern nutzt. Danach ging es ungemein spannende Fragestunden, wo über die Zusammensetzung von Teerschichten bei Straßen und ähnliches geredet wurde. Bei den weiteren Tagesordnungspunkten wurde dann einfach durch Aufruf ohne Debatte entschieden – eh alles vorgekaspert. Währenddessen ließen auf beiden Seiten der Tribüne Aktivistis Transparente herunter. Auf denen stand aber genau nichts drauf. Das war auch so überlegt. Sie hingen stellvertretend für das Transparent, was am 27.3.2003 dort heruntergelassen wurde und einer der Angeklagepunkte gegen Projektwerkstättis ist (http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag3transpi.html). Diesmal regten sich nur einige aus der konservativen Koalition auf, während Stadtverordnetenvorsteher Gail gelernt hatte und cool sagte: „Da steht ja noch nichts drauf“ und deshalb keine Ordnungsmassnahmen anordnete. In einer Pause inszenierten die Transpi-Ausroller dann noch ein kleines Gespräch über Parlamentarismus von Tribüne zu Tribüne quer über den Saal, um dann das Haus zu verlassen. Kurze Zeit später war der gesamte Eingangsbereich mit Kreidesprüchen übersät, die sowohl auf die konkreten Vorgänge der letzten Wochen hinwiesen wie auch grundsätzliche Kritik an Parlamentarismus und Demokratie äußerten.
Die Ordnungskräfte hatten sich während der Sitzungsphase immer wieder getroffen und besprochen – ein Typ aus der ersten Reihe der CDU-Fraktion war auch immer dabei. Bei den Kreidemalaktionen kamen nun auch wieder die bekannten Nasen der OPE Gießen (Operative Einheit = Zivilpolizei) und einige Uniformierte dazu. Sie suchten lange nach irgendeinem Kreidespruch, der eine Straftat darstellen würde und entschieden sich nach längeren Diskutieren für „Lügen haben GAILE Beine“. So nahmen sie dann eine Anzeige auf und hatten einen Grund für die Beschlagnahme der Kreide. Währenddessen liefen die in Gießen üblichen Gespräche zwischen Aktivistis und Polizei zur Frage, wie mensch sich im Leben gut durchschlagen kann nach Kündigung des Polizeijobs, warum Gerichtsverfahren eine coole Sache sind (weil es der einzige Ort ist, wo Aktivistis die PolizistInnen vernehmen können und die nicht schweigen dürfen) usw. Das ist übrigens der zweite Fall, dass der Spruch „Lüge haben gaile Beine“ Polizeiaktionen nach sich zieht: Eine Person, die diesen Spruch vor dem ersten Prozesstag im „Mega“-Verfahren (http://de.indymedia.org/2005/03/109010.shtml) vor das Landgericht gemalt haben soll, wurde personalienkontrolliert und mit auf die Wache genommen ...
Bleibt noch zu erwähnen, dass auch die laufende Parlamentsdebatte viel Anlass zum Kopfschütteln gab. Die unfassbaren Führungsstrukturen in allen Fraktionen mit populistisch-rhetorischen Führungsfrauen und –männern fielen ebenso auf wie ein heißer Wettlauf um die widerlichsten neoliberalen Positionen gepaart mit stadtpatriotischen Ergüssen. Im Mittelpunkt der Sitzung stand der geplante Bau eines neuen Rathauses. Dieses solle „identitätsstiftend“ sein und die Bürgerschaft zusammenbringen und „für alle da sein“ (ich dachte da spontan an die Polizeiwache Gießen-Nord, die da auch wieder sein wird und somit für mich auch was da sein wird ...). Die SPD beantragte, die vorgesehenen Kulturräume (Konzertsaal, Bibliothek) zu streichen und das Geld lieber für ein Nanotechnologiezentrum in Gießen auszugeben. Die Grünen bildeten mit FDP und CDU eine breite Koalition.
16.03.05: Seltsame Begegnungen und „Polizeiparty“ nach Soli-Volxküche
Am 16.03.05 kommt es nach einer Soli-Volxküche gegen Repression zu seltsamen, amüsanten bis absurden Begegnungen mit zivilen und anderen PolizistInnen. Nichts gänzlich ungewöhnliches in Giessen, aber dennoch dürfte der Unterhaltungswert überdurchschnittlich sein – aus den Berichten der zwei Betroffenen:
Erster Akt: ZivilpolizistInnen als automobolie Rowdys „getarnt“
Ort: Alter Wetzlarer Weg / Frankfurter Straße
Zwei radfahrende Aktive aus dem „Umfeld der Projektwerkstatt“ – nach Ende einer leckeren Soli-Volxküche auf dem Weg nach irgendwo. An der Ecke Alter Wetzlarer Weg trifft auf Frankfurter Straße – der Film beginnt. Ein einbiegender Vectra fährt direkt auf uns zu – wir weichen aus. Der mackerig auftretende Fahrer macht uns an, wir hätten kein Licht gehabt. Nach der Beschwerde, dass das nicht stimme und es ein eigenartiger Fahrtstil sei, auf FahrradfahrerInnen zuzusteuern, deutet er an, dass mensch dass auch anders austragen könne. Während beide Vordertüren ziemlich zielstrebig geöffnet werden, düsen wir davon. „Scheisse, was sind das für Typen?“ Dass mulmige Gefühl steigerte sich: Das Auto wendet und verfolgt uns ... ohne Rücksicht auf rote Ampeln, über das Elefantenklo hinaus bis in die Innenstadt. Dort ruft die Beifahrerin „Halt, Polizei“ – was ich erst mal nicht ernst nahm, aber stehen bleibe. Die Rowdys steigen aus – jung, szenig gekleidet ... er im prolligen Hip Hop-Look, sie ganz cool mit „Kopfhörern“. Es folgt: Aufforderung zur Personalienkontrolle, gezückte Polizeiausweise – ja, das sind wirklich OrdnungshüterInnen. Alle Achtung: Diese Zivis sind wirklich unauffällig gekleidet. Debatte über den ungewöhnlichen Fahrtstil der ZivilpolizistInnen. Die Situation entspannt sich etwas, mensch habe nur so reagiert, weil FahrradfahrerInnen ohne Licht ja die schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen seien ... ja, ja, gute Story. Nach der Kontrolle eines Persos brechen die beiden die Diskussion ab und fahren rückwärts zurück zum Eklo und verschwinden auf dem Anlagenring. Gelächter und gegenseitiges Überbieten im „Was geht denn hier?“
Zweiter Akt: 12 Beamte wegen einer Fahrradklingel
Ort: Auf dem Gelände des Amtsgericht
Bester Spruch: „Wenn sie den Ausweis nicht zeigen, kann ich ihnen auch ´nen Widerstand aufschreiben.“
Wir überqueren das Gerichtsgelände. Bei der Durchfahrt fällt ein Streifenwagen im Innenhof zwischen altem und neuen Amtsgericht auf. Als Gag fahren wir noch mal zurück, eine Schleife an der Streife vorbei plus Fahrradklingeln. Zwei Angehörige der Wachpolizei steigen aus und fordern uns auf, stehen zu bleiben. Dann das übliche Spiel: Personalausweis. Nachdem auf diese Aufforderung keine sinnvollen Reaktionen kommen, meint die eine Person: „Wenn sie den Ausweis nicht zeigen, kann ich ihnen auch ´nen Widerstand aufschreiben.“ Ein Satz für den Titel der Polizeidoku. Der Rest verläuft eher langweilig: Mit erheblichen Zeitabständen treffen weitere Streifen ein, darunter 8 uniformierte BereitschaftspolizistInnen und die zwei automobilen Rowdys, die ebenfalls zu den „Lichern“ gehören. Durchsuchung von Fahrradtaschen und FahrradfahrerInnen gehören natürlich zum Programm. 12 PolizistInnen – yeah, welche Fahrradklingel bekommt so viel Aufmerksamkeit. Am Ende heißt es: Platzverweis für das Gerichtgelände. Nachdem die wie versteinert wirkenden OrdnungshüterInnen nicht auf die angebotenen Süßigkeiten aus dem Container anspringen, düsen wir davon. Lautes Gelächter, die laut gesummte Titelmelodie von Pippi Langstrumpf ... mindestens zwei Personen fahren gut gelaunt ins Off des Films, der keiner ist.
Ergänzungen der anderen Person:
Was hier noch fehlt: Das Ganze hat beachtlich lange gedauert ... ich stand ganz schön lange mit zwei sehr primitiven Licher Klopperbullen mit Beine breit und jeweils einem Bullenbein um meines gewickelt und Hände an der Wand mit jeweils zwei Bullenhänden, die auf Hand und Unterarm drücken, damit ich mich nicht rühren konnte. 30min könnten das gewesen sein, wie ich so stand. Das Ganze hat sicherlich über eine Stunde gedauert.
Es war wohl so, dass uns die ersten Streifen (die in der FuZo, die auf dem Gerichtsgelände stehende und dann das erste weitere Auto mit den zwei primitiven Licherbullen) nicht recht kannten. Amüsant waren ihre Gespräche per Telefon, weil die darauf hindeuteten, dass ihnen erzählt wurde, wie so die Schlimmen aus Saasen drauf sind ... sie beschrieben das jedenfalls so, dass sie hier Leute an die Wand gestellt hätten, die würden sich so benehmen wie geschildert, könnten also die und die sein.
Nach den beschriebenen 6, die uns nicht sofort erkannten, aber auch nach Personalienfeststellung nicht aufhörten mit dem Blödsinn, obwohl sie schon verschwommen bemerkten, dass das Ganze wohl so das Ziel vonuns war, kamen dann erstmal vier weitere Licher in einem Auto. Die hatte ich schon öfters gesehen, aber nun störte wohl die Hierarchie. Jedenfalls sagten die gar nichts, sondern stellten sicher eher als Sicherungsreihe auf. Das sah dann schon gut aus. Erst zum Schluss kam eine weitere streife mit einem gegenüber den anderen wiederum höherrangigen Polizisten. Der sagte den beiden Stumpf-Rambos an meiner Seite dann nur: „Lassen Sie ihn los“ und dann zu mir: „Sie kennen das Spiel ja“ und ließ uns wie beschrieben gehen. Ich stand dann dieser Kette aus den 12 Bullen gegenüber, packte meine Sachen ein und bot allen ein containertes Hanuta an. Es war ziemlich deutlich erkennbar, dass alle klar hatten, eine Scheißpartie gespielt zu haben. Ich find dasinteressant, weil sehr, sehr deutlich wurde, wie die Bullen ihren Film selbst produzierten und dann auch als einzige selbst fahren. Die sind richtig drin in ihrer Story von bösen dunklen Gestalten, die das Gutebesiegen wollen ...
Neuigkeiten zum „Mega“-Verfahren: Anträge, Antworten und Aktenauszüge per Fax
Der erste Prozesstag endete überraschend: Aufgrund des erneut abgelehnten Beiordnungsantrag, der die beiden Verteidiger, hatten die beiden AnwältInnen aus Frankfurt ihr Mandat nieder gelegt und waren aus dem Saal entschwunden. Die Angeklagten bestanden darauf, anwaltlich unterstützt zu werden beantragten dazu eine Pause – das Gericht bot an, den Prozesstag an dieser Stelle zu beenden .. was dann auch geschah.
Da die Suche nach neuen VerteidigerInnen erfolglos bliebt, beantragten die Angeklagten unabhängig voneinander in einem Brief ans Gericht Akteneinsicht und Überlassung der Kopien. Per Fax bestätigte das Landgericht, dass dieser Antrag „durchgeht“ und fragt an, ob Akten durch die VerteidigerInnen überlassen wurden. Gleichzeitig trudelte Landgerichts-Post ein, die erste Verschiebungen andeutete: Der Zeuge Gail ist für Montag (ist der zwote Verhandlungstag, der 21.03.05) bereits abgeladen worden, die Grünberger Polizisten zu den Wahlplakaten sind auch in der Schwebe (sollen sich bereit halten, bekommen am Verhandlungstag die Nachricht, ob sie gehört werden). Damit deutet sich an, dass es möglicherweise zu erheblichen Prozessverschiebungen kommt.
Der nächste Antrag der Angeklagten: Kopien der gesamten Akten. Die Reaktion der Vorsitzenden des Verfahrens darauf ist mindestens sehr ungewöhnlich: Am Freitag trudeln im Fax-Eingang in der Projektwerkstatt Auszüge aus den Akten ein – allerdings nur zum Punkt „Sachbeschädigung an Wahlplakaten.“ Ob das für die Prozessvorbereitung reicht? Mensch darf gespannt sein auf den nächsten Verhandlungstag
Termine
- Samstag, 19. März, 22 Uhr: Politisches Hip Hop Soli-Konzert für den Prozess. Ort: AK44. Mit MC Albino, Chaoze One (www.chaoze-one.com), Mammut Freshest und Pilotem
- Montag, 21. März, 8.30 Uhr Party, Malen und mehr vor dem Landgerichtseingang. 9 Uhr: 2. Prozess-Tag: Veränderte Wahlplakate. Ort: Landgericht, Raum E 15 (EG)
- Anschließend im Cafe Ö: Kochen, Klönen, Essen, Berichte vom Prozess für alle, die nicht da waren, und Planen für weitere Tage.
- Montag, 21. März, 18 Uhr: Montagsdemo meets Prozessbeteiligte. Ort: Gießen, Drei Schwätzer
- Montag, 21. März, 20 Uhr: Vortrag und Diskussion "Wir verwahr'n uns gegen Sicherheit!" Ort: Alte UB, Raum 3. Vortrag von und Diskussion mit ehemaligen Gefangenen zur sogenannten Sicherungsverwahrung und zu Perspektiven abolutionistischer Theorie
- Dienstag, 22. März, 20 Uhr: Soli-Vokü und Filmnacht zu Knast und Strafe. Ort: Gießen, Infoladen, Alter Wetzlarer Weg 44. Nach lecker Essen (Vokü) gibt es eine Filme bis alle schlafen
- Mittwoch, 23. März, 20 Uhr: Fishbowl "Fischer im Politmeer?" – Diskussion zu Wahlen und Parlamentarismus. Ort: Gießen, Infoladen, Alter Wetzlarer Weg 44- Donnerstag, 24. März, 9 Uhr: 3. Prozess-Tag
Kontaktadresse zu den Angeklagten, für weitere Infos, auch für MedienvertreterInnen:
Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen
Tel. 06401/90328-3, Fax –5, saasen@projektwerkstatt.de
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
naja
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
tolle aktion!