Nobelhotels und kriminelle Vereinigungen

jgm 16.03.2005 22:47 Themen: Repression
Der geplante Hotelneubau im Wasserturm des Hamburg Schanzenparks beschäftigt die Sicherheitsbehörde stärker als erwartet:
Bei Baubeginn unter Polizeischutz hieß es noch es seih nur eine kleine Anzahl von Gegnern, die schnell einsehen müßten, dass sie keinen Erfolg haben werden, bzw. dass das Hotel gar nicht so schlimm sei. Doch nach etlichen Demos, der Pleite des Generalbauunternehmens, einer Baustelle unter ständiger Bewachung, eines umgekippten Bauzaunes und weiterer Aktionen müssen inzwischen Bauherren und Sicherheitskräfte einsehen, dass die Proteste intensiver sind als erwartet.
In den Nächten auf den 3. auf den 4. März kam es zu mehreren Anschlägen. Nach den Anschlägen mußte das LKA Versäumnisse einräumen, weil es ein Vorstandsmitglied der Patrizia AG nicht gewarnt hatte, dass er Opfer von Anschlägen werden könnte. In den frühen Morgenstunden des 16. März spielte die unter Erfolgsdruck stehende Polizei die Gummiparagraphenkarte aus und führte insgesamt zehn Hausdurchsuchungen auf der Suche nach einer angeblichen kriminellen Vereinigung durch.
Am Abend demonstrierten im Schanzenviertel über 300 Menschen gegen die Durchsuchungen.
Am Samstag soll um 15 Uhr am U-Bahnhof Schlump die nächste Demonstration stattfinden.
Um 7 Uhr am Mittwoch Morgen suchten Beamte von Polizei und LKA acht Wohnungen auf. Die Wohnungen waren weiträumig über ganz Hamburg verteilt. Bereits vorher wurden die Beschuldigten observiert und ihre Telefone abgehört. Die Beamten waren ausgestattet mit Durchsuchungsbeschlüssen: Gefunden werden sollten Beweise für eine kriminelle Vereinigung, die für die Anschläge Anfang März verantwortlich sein soll. Insbesondere sollten Mineralwasserflaschen einer bestimmten Marke gefunden werden. Diese Marke diente wohl bei den Anschlägen als Farbbehälter, die an Hauswänden zersplitterten. Im Anschluß wurden nach den angeblich gewonnenen Erkenntnissen der ersten Durchsuchungen zwei weitere Wohnungen ohne richterlichen Beschluß wegen "Gefahr im Verzug" durchsucht. Die sieben bzw. acht Beschuldigten wurden festgenommen, auf dem Polizeipräsidium verhört, erkennungsdienstlich behandelt und anschließend wieder frei gelassen. Haftgründe lagen nicht vor.
Die Beschuldigten sollen in der Nacht auf den 04. März mehrere Anschläge verübt haben. In einer Nacht wurde das Carport inkl. Golfwägelchen eines Nobelhotels abgebrannt sowie Farbflaschen auf das Haus eines CDU- und Vorstandsmitglieds der Patrizia AG, die das Hotel als Joint-Venture für Mövnpick baut, und das Bezirksamt Eimsbüttel geworfen. Bereits in der Nacht zuvor wurde das Mövenpickhotel in Lübeck mit neuer Farbe versehen. Dort wurden jedoch bereits zwei verdächtige Angetrunkene gefaßt. Außerdem soll ein weiterer Anschlag gegen ein 5-Sterne Hotel in Blankenese geplant gewesen sein.

Die §§ 129, 129a und b werden schon lange als Ermittlungsparagraphen bezeichnet. Sie sollen das bilden, unterstützen und bewerben von kriminellen (§129), terroristischen (§129a) und ausländischen terroristischen (§129b) Vereinigungen bestrafen. Der §129 wurde im Kaiserreich ins Strafgesetzbuch aufgenommen und richtete sich u.a. gegen SozialdemokratInnen und KommunistInnen. Der §129a fand in den 70er Jahren des letzen Jahrhunderts große Verwendung gegen die RAF und ihre (vermeintlichen) UnterstützerInnen. In den mit Abstand meisten Fällen richteten sich Ermittlungen nach dem §129a gegen politisch links stehende Menschen. Der Gesetzestext ermöglicht es ohne handfeste Beweise mit großem Aufwand einen Personkreis auszuspionieren. Jedoch führten die Ermittlungen nur in weniger als 5% der Fälle zu Verurteilungen. Inzwischen wird der §129a oft als reiner Ermittlungsparagraph bezeichnet mit dem Behörden linke politische Zusammenhänge ausspionieren ohne ihnen konkrete Straftaten vorzuwerfen. Der §129b wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt. Mit dem §129a konnten nur Organisationen verfolgt werden, die auch in Deutschland tätig sind. Der §129b macht Ermittlungen gegen jede Organisation möglich. Sie muß nur als terroristisch definiert sein. Daran scheiden sich ja bekanntlich die Geister.

Über den Wasserturm im Schanzenpark (aka Schanzenturm) wird schon lange geredet. Nach vielen Jahren voller Ideen, Planungen und Nichtstun wurde beschlossen Europas größten und ältesten Wasserturm zu einem 4-Sterne Hotel auszubauen. Gäste sind durch den Ausbau der Messehallen genug zu erwarten. Von Anfang an gab es Protest gegen die Hotelpläne. Der Turm war vor den Hotelplänen als Stadteilzentrum im Gespräch gewesen. Außerdem wird befürchtet, dass die Anwohner den Park nicht mehr in dem Umfang nutzen können, wie bisher.
Bisher fanden etliche Demonstrationen, Infotische, Happenings und weitere kleine Aktionen gegen das Hotelprojekt statt. Ab Baubeginn wurde die Baustelle von einem großen Polizeiaufgebot bewacht. Als die Polizeistärke abnahm, und irgendwann ganz verschwunden war, nutzten 50 Menschen die Gelegenheit in einer frühen Morgenstunde den Bauzaun einzureißen. Die Folge waren mehrere Festnahmen. Die Demonstrationen gegen das Hotel werden von dem in Hamburg seit der Räumung des Bauwagenplatzes Bambule üblichen überdimensionierten Polizeiaufgeboten begleiten ("Deeskalation durch Übermacht"). Zuletzt bewachten am 05. März über 2000 Polizisten weniger als 1000 DemonstrantInnen.
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Ergänzungen

taz hamburg zum Thema

17.3. 16.03.2005 - 23:30
"Ein Schlag ins Wasser"
Staatsschutz durchsucht in Hamburg elf Wohnungen im Zusammenhang mit militantem Protest gegen das Wasserturmhotel im Schanzenpark. Vorwurf: "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Polizei sichert bei Beschuldigten DNA-Material
Von Kai von Appen

Im Zusammenhang mit den anschlagartigen Sachbeschädigungen von GegnerInnen des Mövenpick-Hotels im Schanzenpark-Wasserturm hat der Staatsschutz zum Gegenschlag ausgeholt: In den gestrigen frühen Morgenstunden filzten Fahnder des Landeskriminalamts (LKA) elf Wohnungen und Fahrzeuge von vermeintlichen Hotelgegnern wegen des Vorwurfs der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" (Paragraph 129 StGB). Im Verlauf der Staatsschutzaktion kam es bis zum Abend zu mindestens zwei "Anschlussdurchsuchungen" mit der Begründung "Gefahr in Verzug" - also ohne richterlichen Beschluss.

Die richterlichen Durchsuchungsbeschlüsse richten sich gegen sieben Beschuldigte und eine so genannte Zeugin und bezogen sich vor allem auf das "Auffinden von Beweismaterial", das Rückschlüsse auf militante Aktionen gegen Gebäude, Institutionen oder Repräsentanten der Investoren und Betreiber zulassen. Da vier Beschuldigte Jugendliche sind, wurden auch die elterlichen Wohnungen durchsucht. Besonderes Augenmerk richteten die LKA-Fahnder auf das Auffinden einer bestimmten Sorte von Mineralwasserflaschen, die angeblich bei den Sachbeschädigungen verwendet worden seien.

Die Betroffenen der Razzia - soweit sie angetroffen worden sind - wurden zur erkennungsdienstlichen Behandlung ins Präsidium gebracht und zur Abgabe von DNA-Material gezwungen. "Nach Abschluss der Maßnahmen erfolgt ihre Entlassung, da keine Haftgründe vorliegen", sagte Polizeisprecherin Ulrike Sweden. "Das sichergestellte Beweismaterial muss noch ausgewertet werden."

Bei den Durchsuchungen ist laut Rechtsanwalt Andreas Beuth zwar umfangreiches Material wie Computer oder Zeitungsartikel sichergestellt worden - dieses habe jedoch nur "subjektive" Bedeutung. "Es ist überhaupt nichts Beweiserhebliches gefunden worden", sagt Beuth weiter. "Es ist ein Schlag ins Wasser."

Auslöser der Polizeiermittlungen ist offensichtlich ein Anschlag auf das Lübecker Mövenpick-Hotel am 3. März. Damals hatten zwei Jugendliche mit Steinen zwei Fenster eingeworfen sowie zwei Farbbeutel gegen die Fassade geschleudert und waren anschließend festgenommen worden. Während abends auf dasselbe Hotel erneut eine Sachbeschädigung verübt worden ist, kam es in Hamburg gleich zu drei Sachbeschädigungen. So wurde der Carport des Golfhotels in Lemsahl in Brand gesteckt, in dem Caddys abgestellt waren. Auf das Haus des CDU-Schatzmeisters und Warburg-Bank-Chefs, Harald Boberg, der im Herbst 2003 zum Aufsichtsrats-Vorsitzenden des Wasserturm-Investors "Patrizia" berufen worden ist, wurden Farbbeutel geworfen. Zudem schleuderten Personen mit Farbe gefüllte Flaschen gegen die Fassade des Bezirksamts Eimsbüttel, das für die Genehmigung des Wasserturm-Hotels zuständig ist. Zu einer wohl ebenfalls geplanten Sachbeschädigung auf das Luxus-Hotel Jacobs an der Elbchaussee ist es nicht mehr gekommen.

Obwohl eine Verbindung zwischen den Lübecker und den Hamburger Aktionen nicht erwiesen ist, nahm der Staatsschutz die Lübecker Festnahmen zum Anlass, eine kriminelle Vereinigung zu vermuten, die für alle Sachbeschädigungen verantwortlich zeichnet. Aufgrund dieses Verdachts konnte der Staatsschutz umfangreiche Observationen, eine Handy-Anschluss-Auswertung sowie die richterliche Anordnung zur Entnahme einer DNA-Probe durchsetzen.

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Zum Paragraphen 129 gegriffen

Wenn es um die Durchsetzung von Prestigeobjekten gegen den Widerstand der Szene geht, lässt sich die Staatsschutzjustiz einiges einfallen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Hamburger Aktionen koordiniert waren, was ein Bekennerschreiben an die Mopo nahe legt, handelt es sich nur um Sachbeschädigungen. "Eine kriminelle Vereinigung nach § 129 muss auf Dauer angelegt sein", sagt Anwalt Andreas Beuth. Es sei jedoch "lebensfremd", dass die beiden Personen, die in Lübeck bei einer Sachbeschädigung festgenommen worden sind, am Abend in Hamburg an den anderen Aktionen beteiligt gewesen sein könnten. Habe es sich nur um einfache Beschädigungen gehandelt, seien operative Maßnahmen wie Observationen, Handy-Auswertungen und die Entnahme einer DNA-Probe unzulässig gewesen. KVA

.. und die Welt Hamburg

springers[ch]erben 16.03.2005 - 23:36
Staatsschutz klärt Serie von Anschlägen auf

Sieben militante Gegner des Hotelbaus im Schanzenpark festgenommen - Verdächtige aus linksautonomer Szene

von André Zand-Vakili

Dem Hamburger Staatsschutz ist es gelungen, die Anschläge gegen den Hamburger Banker und CDU-Schatzmeister Harald Boberg, das Treudelberg-Hotel und das Bezirksamt Eimsbüttel aufzuklären. Die Taten waren im Zusammenhang mit dem Neubau des Wasserturmhotels im Schanzenpark verübt worden.

Im Rahmen der Ermittlungen wurden sieben mutmaßlich militante Gegner des Wasserturmprojekts namhaft gemacht. Gegen sie wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Die beiden Anfang März in Lübeck festgenommenen Täter, ein Bauwagenbewohner vom Rondenbarg und eine bislang polizeilich unauffällige Frau (23), die einen Anschlag auf das dortige Mövenpick-Hotel verübt hatten, waren der Schlüssel zum Erfolg.

Der Staatsschutz hatte erstmals einen guten Ansatzpunkt für die folgenden Ermittlungen. Am Mittwoch morgen durchsuchten Beamte Wohnungen in Eimsbüttel, Bergedorf, Niendorf, Klostertor und Harburg. Vier weitere Männer und eine Frau (18), wurden festgenommen. Sie sollen laut einer selbstgewählten Bezeichnung in einem Bekennerschreiben die "Arbeitsgruppe für einen Kolbenfresser im Motor der wachsenden Stadt" sein. Die ihnen zugerechneten Taten hatten für erhebliche Unruhe gesorgt. Zumal die Täter Anschläge auf Hotels begangenen hatten, die nichts mit dem zukünftigen Betreiber des Wasserturmhotels, der Mövenpick-Gruppe, zu tun haben. Die Täter hatten weitere Anschläge angekündigt, die wahllos Luxushotels treffen sollten. Damit wollten sie gezielt den Ruf der Hansestadt zertrümmern und Investoren abschrecken.

Bis auf den Bauwagenbewohner waren die Verdächtigen bislang eher als Randfiguren der linken Szene bekannt. Mehrere wohnen bei ihren Eltern oder in Wohngemeinschaften. Bei Bambule- und Wasserturmdemonstrationen waren sie zwar dabei. Durch besondere Aktionen fielen sie aber nicht auf. "Sie sind nicht die klassischen Linksautonomen", sagt ein Ermittler. Damit untermauert er die Einschätzung, die die Polizei von Anfang an hatte.

Allerdings gehen die Ermittler intern davon aus, daß es noch weitere Täter gibt. Zwei der sieben wurden in Lübeck festgenommen. Zwei weitere konnten dort entkommen. Bei den zeitgleichen Anschlägen gegen das Wohnhaus von Boberg in Groß-Flottbek sahen Zeugen vier Täter weglaufen, am Hotel Treudelberg wurden drei Täter gesehen. Wie viele Täter an dem Anschlag auf das Bezirksamt Eimsbüttel beteiligt waren, ist nicht bekannt.

Die Ermittlungen dauern an. Die sieben Festgenommenen werden allesamt von Rechtsanwalt Andreas Beuth vertreten, der seit Jahren Mandanten aus der Szene der Linksautonomen hat. Alle Verdächtigen verweigerten gegenüber der Polizei die Aussage. Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe wurden sie nach Abschluß der Vernehmungen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Für den Mittwoch abend wurde innerhalb der linksautonomen Szene zu einer Versammlung in der Roten Flora aufgerufen. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, daß es in den kommenden Tagen Demonstrationen geben wird.

"Durchsuchungen waren rechtswidrig"

Baugenehmigung auch 17.03.2005 - 00:46
Mopo 17.03.2005
S. 8
von Stefanie Lamprecht

"Durchsuchungen waren rechtswidrig"
Anwalt Beuth kritisiert Polizei, sieht keine kriminelle Vereinigung

Andreas Beuth, Anwalt der beiden Mövenpick-Angreifer, hält den Vorwurf "Bildung einer kriminellen Vereinigung" (§129) gegen seine Mandanten für rechtlich nicht haltbar: "Der Paragraf gilt für Gruppen, die mehrfach, fortgesetzt und auf Dauer Straftaten begehen". Drei Anschläge in einer Nacht reichten dafür nicht aus.
Für den Juristen ist der "129" ein Vorwand der Polizei, um Durchsuchungen, Handy-Abhören, Überwachungen und DNA-Untersuchungen zu rechtfertigen:
"Sachbeschädigunng wie beim Mövenpick-Hotel in Lübeck würde als Grund für solche Maßnahmen grundsätzlich nicht auusreichen." Das Vorgehen der Polizei sei rechtswidrig.
Andreas Beuth geht davon aus, dass die Farbbeutel-Attacken auf das Lübecker Mövenpick-Hotel sowie die Angriffe in Hamburg in der selben Nacht von zwei verschiedenen Gruppen begangen wurden: "Die wussten nichts voneinander." Die Polizei jedoch werfe ohne Unterscheidung
"allen alles vor". Die polizeilichen Maßnahmen nennt der Anwalt "einen Schlag ins Wasser": "Die haben einen Mann und eine Frau in Lübeck festgenommen und dann blind in deren Bekanntenkreis herumgestochert." Wenigstens zwei der Betroffenen, deren Wohnungen durchsucht wurden, hätten mit den Anschlägen nicht das Geringste zu tun, außer dass sie "mit den Beschuldigten telefoniert haben".
Nach Akteneinsicht behält Beuth sich Widerspruch gegen die DNA-Untersuchungen sowie die Hausdurchsuchungen vor.
Mopo - ohne link -

Mopo - TitelSeite 1 17.03.2005
WASSERTURM
POLIZEI FASST ATTENTÄTER
Die militanten Gegner des Luxushotels im Schanzenpark hatten die Stadt in Angst und Schrecken versetzt:
Brandanschläge, Farbattentate, Proteste. Jetzt schulg der Staatsschutz zu, nahm sieben Verdächtige fest.

Mopo Seiten 8/9
STÄDTEBAU | 17.03.2005

Schlag gegen den Hotel-Terror
THOMAS HIRSCHBIEGEL

Nach Anschlägen wegen Wasserturm 7 Festnahmen, Wohnungen durchsucht / »Kriminelle Vereinigung«



Punkt 7 Uhr schlug der Staatsschutz zu: Nur 13 Tage nach den vier Brand- und Farbanschlägen auf zwei Luxushotel, das Bezirksamt Eimsbüttel und den Hamburger CDU-Schatzmeister Harald Boberg, wurden sieben Verdächtige festgenommen. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung!

Bereits nach dem ersten Anschlag konnte die Kripo die Spur der Täter aufnehmen. Vermutlich vier Personen hatten am 3. März das Mövenpick-Hotel in Lübeck angegriffen, Scheiben zertrümmert und Farbe verschüttet. In einer Bekennung an die MOPO hieß es: "Kein Hotel im Schanzenpark. Mövenpick verpiss dich."

Ein Mövenpick-Mitarbeiter sprang nach der Attacke aus dem Fenster, verfolgte zwei Täter und hielt die Polizei über Handy auf dem Laufenden. Als die 22 Jahre alte Frau und der Mann (23) in einem Lokal verschwanden, griffen Beamte zu.

Bei dem Mann handelt es sich um einen Bewohner des Bauwagenplatzes Rondenbarg (Bahrenfeld). Er war laut Polizei auch an einer Attacke auf den Bauzaun an der Hotelbaustelle im Schanzenpark im Februar beteiligt. Beide Festgenommenen wurden nach Vernehmung entlassen.

Doch die Kripo blieb ihnen auf den Fersen. Über das Pärchen kam der Staatsschutz auf die weiteren Verdächtigen. Es handelt sich um zwei Frauen (18/23) und fünf Männer (19-31). Drei der Leute wohnen in einer Wohngemeinschaft an der Bundesstraße (Ro-therbaum). Andere Durchsuchungsorte waren Wohnungen an der Hochallee (Harvestehude), der Straße Beim Strohhause oder der Beerentaltrift (Eißendorf) und der Bauwagenplatz Rondenbarg. Die Kripo nahm DNA-Proben, stellte Beweismaterial sicher. Alle Festgenommenen wurden später wieder frei gelassen - keine Fluchtgefahr!

Bei den Verdächtigen handelt es sich um Leute aus der linken Szene, die bisher aber kaum als Gewalttäter aufgefallen waren. Einige lebten noch bei den Eltern, andere waren Studenten mit eigener Wohnung. In ihren Bekennerschreiben nannten sie sich "Die Kolbenfresser". Andreas Croll, stellvertretender Chef des Staatsschutzes: "Das waren keine zufälligen Einzelaktionen, sondern abgestimmte Taten. Hier hat sich eine Gruppe getroffen, um gezielt schwere Straftaten zu begehen. Die Täter haben dabei in Kauf genommen, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen".

Die Hotel-Baustelle am Wasserturm im Schanzenpark steht seit Monaten unter starkem Polizeischutz

Spurensicherung nach dem Anschlag in Lübeck am 3.3.

Demo gegen Mövenpick am 5. März an der Feldstraße


Info:
WASSERTURM-CHRONIK

Der Wasserturm im Schanzenpark wurde 1910 fertiggestellt, war bis 1956 in Betrieb. Endgültige Stilllegung war 1961. Nach fast 30 Jahren Leerstand kaufte 1990 der Münchener Architekt Ernest Storr den Turm, wollte schon 1996 ein Hotel rein haben. Er fand keinen Betreiber, tat sich 2002 mit der "Patrizia Immobilien AG" aus Augsburg zusammen. 2003 wurden die Pläne und Mövenpick als Betreiber vorgestellt (Foto die neue Empfangshalle). Wenig später gab es erste Demos gegen Mövenpick. Im November 2004 folgte der ersten Anschlag gegen die Baustelle. Mit den Anschlägen auf Hotels in den vergangenen Wochen haben militante Hotel-Gegner seitdem insgesamt zehn Mal zugeschlagen.

STAATSSCHUTZ

Der Staatsschutz ist entgegen weitverbreiteter Meinung kein Geheimdienst, sondern eine Abteilung des Landeskriminalamts (LKA). Dort arbeiten 160 Kripoleute, beschäftigen sich überwiegend mit politisch motivierter Kriminalität. Die Ermittler sind tätig in den Bereichen Linksextremismus, Rechtsextremismus und radikale Ausländer.

Großen Raum nimmt seit 2001 die Terrorismusbekämpfung ein. Ebenfalls zum Staatsschutz gehören die "Entschärfer", die sich um alle Sprengstoffdelikte kümmern.

Chef des Hamburger Staatsschutzes ist der Kriminaldirektor Bodo Franz.
 http://www.mopo.de/nachrichten/102_panorama_76487.html

Zusammenfassung vom Hamburger Abendblatt

Anna und Arthur..... 17.03.2005 - 10:25
Verfahren gegen Hotel-Gegner
Anschläge: Sieben Verdächtige festgenommen

"Hunt the Rich" ("Jagt die Reichen"), schrieb die bislang unbekannte Gruppe in einem Bekennerschreiben. Sie unterzeichnete mit dem Titel: "Arbeitsgruppe für einen Kolbenfresser im Motor der wachsenden Stadt". Gegen sieben Mitglieder der "Arbeitsgruppe" - ein bislang offenbar loses Kollektiv von Gegnern des Hotelbaus im Schanzenturm - laufen seit gestern Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Sie sollen verantwortlich sein für vier Anschläge in der Nacht vom 3. auf den 4. März. In Lübeck waren Scheiben des Mövenpick-Hotels zerstört worden, in Lemsahl brannte das Carport des Golfhotels Treudelberg, in Groß Flottbek wurde die Tür des Hauses eines Aufsichtsrates der Schanzenturm-Investorenfirma eingeworfen und in Eimsbüttel flogen Farbbeutel gegen das Bezirksamt (wir berichteten).

Die vorläufig festgenommenen fünf Männer und zwei Frauen (18 bis 31 Jahre) wurden nach erkennungsdienstlicher Behandlung auf freien Fuß gesetzt. Insgesamt durchsuchten die Staatsschützer der Kripo gestern früh zehn Wohnungen in Hamburg und das Elternhaus eines der Verdächtigen in Mecklenburg-Vorpommern. Einer der Verdächtigen wurde auf dem Bauwagenplatz Rondenbarg angetroffen. Nach Ansicht der Polizei handelt es sich bei den Verdächtigen um eine "Randgruppe der linken Szene". Eine Sprecherin: "Mehrere der Beschuldigten sind vorher zum Beispiel bei Demos aufgefallen." Eine Brandstiftung wie am Treudelberg-Hotel sei eine neue Qualität des linken Protestes, so die Sprecherin. "Da wurden Menschen in erhebliche Gefahr gebracht. Wir ermitteln trotz der Festnahmen weiter." Heino Vahldieck, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, mißt dem Schanzenturm "erhebliches Gewicht" zu: "Mit dem Thema kann die extrem-linke Szene viele Menschen mobilisieren, auf die Straße zu gehen. Seit den Zeiten von Bambule hatte die Szene kein so starkes verbindendes Element. Der Protest nach der Räumung des Bauwagenplatzes war aber doch deutlich militanter und offensiver." Anschläge, wie die Brand- und Farbattacken in der Nacht auf den 4. März, seien, so Vahldieck, allerdings außerordentlich alarmierend. "Daß feste Gebäude von Mitgliedern der linken Szene angezündet wurden, gab es lange nicht. Die Tat in Lemsahl gibt ebenso Anlaß zur Sorge wie der Anschlag auf das Haus in Groß Flottbek."

Gegner des Schanzenturms verabredeten sich gestern via Internet für ein Treffen am Abend in der Roten Flora und kündigten weitere Proteste an. jel

erschienen am 17. März 2005 in Hamburg

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