Bericht von 29. Montagsdemo in Bremen

Jobst Roselius 08.03.2005 23:38 Themen: Soziale Kämpfe
Am Vorabend des internationalen Frauentages hatten wir uns vorgenommen, dass Frauen die Kundgebung gestalten. So trafen wir uns am 7.3.2005 zu unserer 29. Montagsdemo um 17.30 Uhr auf dem Marktplatz in Bremen und bauten uns vor dem Roland auf.
Ein schönes buntes Transparent „Große Freiheit Nr. IV - Frau war nie so frei - frei von Arbeit, frei von Ausbildung, frei von Wohnung, frei von Zukunft - Clement, Schröder, Hartz wir „danken“ Euch“ zog den Augenmerk auf uns. Die ausschließlich von Frauen vorbereiteten Beiträge zur Geschichte des Internationalen Frauentages, der besonderen Betroffenheit der Frauen von Hartz IV, Gedichten und einem sehr nahegehenden Interview mit einer alleinerziehenden Mutter, wurden im Wechsel mit Liedern von Milva (“Freiheit in meiner Sprache”, “Ich hab’ keine Angst”, “Hurra wir leben noch”) und Gitte Hänning (“Ich will alles”, “Aufwärts”) lebendig vorgetragen. Die interviewte Mutter berichtete, dass sie mit ihren heranwachsenden Kindern in einer sehr kleinen Wohnung leben muss, dass alles was die Kinder an kleinen Jobs bisher beigetragen haben ihnen vom ALG II nun abgezogen wird und so für den älteren Sohn keine Chance besteht, wenn er in einem Jahr 18 wird, den Führerschein zu machen. Schlimmer noch: Dass durch Hartz IV die Familie auseinander gerissen wird, um nicht als “Bedarfsgemeinschaft” eingestuft zu werden. Zu dem Zeitpunkt hatten sich etwa 50 bis 60 Teilnehmer, trotz des kalten Wetters versammelt.

Die anschließende Demonstration mit dem großen Fronttransparent führte zum Hauptbahnhof.
Im Gewerkschaftshaus hatte verdi zu einer sehr gut besuchten Diskussionsveranstaltung zum Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer geladen, an der wir mit über zwanzig Mitstreitern teilnehmen wollten. Der Vortrag von Klaus Jakubowski zeigte schonungslos auf, wie die Lage im Land Bremen wirklich ist. 89 von 1000 Bremern waren 2004 Sozialhilfeempfänger. (Bund: 33). 40 % der Kinder leben von Sozialhilfe. 25 % aller Bremer unter der Armutsgrenze von 735.- Euro im Monat. 43 % der Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose. Die Verschuldung des Landes Bremen hat mit 12 Mrd. Euro einen Höchststand erreicht. All das zeigt, dass das „Sanierungsprogramm“ der Großen Koalition komplett gescheitert ist.
In der Diskussion wurde die Frage gestellt, was wir denn tun können. Auf große Ablehnung stieß, dass der Verdi-Vorstand im neuen Tarifvertrag Niedriglöhne abgeschlossen hat, so dass etwa eine neu eingestellte Erzieherin, weniger Gehalt bekommt als zur Überschreiten der europäischen Armutsgrenze notwendig wäre.

Am nächsten Montag findet um 13.00 Uhr ein Warnstreik im Öffentlichen Dienst mit Kundgebung auf dem Marktplatz statt. Denn der Bremer Senat will noch nichtmal diesen miesen Tarifvertrag bezahlen, sondern noch weniger. Wir Montagsdemonstrierer versprachen, nach Möglichkleit diesen Kampf zu unterstützen. In mehreren Beiträgen machten wir deutlich, welche Bedeutung die Montagsdemos für das Neuentstehen einer großen sozialen Bewegung gegen Hartz IV, Agenda 2010 und die Angriffe der Monopole haben. Das wurde von vielen im Saal gut aufgenommen und einige drückten auch ihre Hochachtung davor aus, dass wir so lange schon durchhalten.
Abschließend wurde der seit 6 Wochen anhaltende Streik der Beschäftigten der Klinik Dr. Heines angesprochen und aufgefordert, die Streikposten vorm Tor zu besuchen und mit unserer Solidarität zu stärken.

Am 7.3.2005 fand nach längerer Zeit wieder eine Montagsdemo in Bremerhaven statt. Mitstreiter der Bremer Montagsdemonstration waren zur Unterstützung nach Bremerhaven gefahren. Ca. 30 Personen nahmen daran teil. Die Demo führte vom Ernst-Reuter-Platz zur Großen Kirche an der Bürgermeister-Smidt-Str. Noch waren die technischen Möglichkeiten für ein offenes Mikrofon nur mit einem Megaphon sehr schlecht, aber nach erfolgreichem Bau einer kleinen Anlage in Bremen, werden wir die Baupläne weitergeben. Wir wollen auch unsere Hompage: www.bremer-montagsdemo.de den Mitstreitern in Bremerhaven zur Mitbenutzung zur Verfügung stellen.

Heute am 8.3.2005 sind einige Mitstreiter mit unserem großen Transparent: „Große Freiheit Nr. IV“ auf die Kundgebung am Internationalen Frauentag in Bremen auf den Marktplatz gegangen. Wir verteilten einen speziell an die Frauen gerichteten Flyer und erregten mit unserem Transparent sehr viel Aufsehen. Fast alle jüngeren und älteren Männer und Frauen blieben zum Lesen stehen und einige Gespräche konnten geführt werden, mit der Aufforderung zur nächsten Montagsdemo zu kommen.
Weitere Informationen unter: www.bremer-montagsdemo.de
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Ergänzungen

Weiter so!

Bremer on Tour 09.03.2005 - 15:01
Ich hatte leider keine Zeit dies mal dabei zu sein, finde es aber sehr beachtenswert wie die Montags Demos in den Städten durchhalten. Auch die Vernetzung und Solidarität mit den Studenten Protesten in Bremen zeigt das die Montagsdemos ein gutes Potenzial haben Grundlage für weitere Proteste gegen den Sozialen Kahlschlag zu sein.

Lasst euch nicht vereinnahmen, bleibt Unabhängig, Offen und Stark!

Alles gute und solidarischen Gruss von einem Anarchisten!

HartzIV-Desaster wird Pressethema

flopserver 10.03.2005 - 00:01