Fehlerhafte Meldung zum Fall Sgrena unterwegs

rf 06.03.2005 18:47 Themen: 3. Golfkrieg Medien Weltweit
In den Medien wird berichtet, dass die italienische Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit der Schießerei unweit des Baghdader Flughafens "jetzt" wegen Totschlag ermittelt. Beides trifft so nicht zu.
Offenbar verbreiten deutsche Medien derzeit die falsche Information, dass "jetzt" in Zusammenhang mit dem Kugelhagel auf Giuliana Sgrena und deren Begleiter wegen "Totschlags" ermittelt wird. Das trifft nicht zu. Die römische Staatsanwaltschaft ermittelt tatsächlich wegen Mord und versuchtem Mord in einem besonders schweren Fall und das entsprechende Rechtshilfeersuchen ist bereits abgesendet worden. Die Nachricht über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft wurde in Italien zudem bereits gestern Abend bekannt.

Die deutschen Medien haben heute irgendwann wie auf Kommando angefangen, etwas eingehender über zahlreiche Ungereimtheiten in der Affäre zu berichten, die in Italien relativ früh schon kursierten. Der überwiegende Teil der Berichterstattung in Deutschland ist ziemlich genau aus der italienischen Berichterstattung übernommen. Deshalb ist ein Missverständnis über die genauen Eckdaten zur staatsanwaltlichen Initiative auszuschließen. Wird wider besseres Wissen verniedlicht? Der Rest wurde schließlich ganz richtig verstanden. Mitunter wurde wörtlich aus der italienischen Presse übernommen. Schwer zu glauben, dass der Straftatverdacht der römischen Staatsanwaltschaft "nur" falsch verstanden wurde.

Der Informationskonsument sollte erfahren dürfen, wie die Sache wirklich aussieht. Mord und versuchter Mord in einem besonders schweren Fall - das ist etwas ganz anderes as Totschlag. Es bleibt zu hoffen, dass die nötige Berichtigung in der zuküftigen Berichterstattung vorgenommen wird. Dass die Sache schwer wiegt, lässt sich auch daran ablesen, dass George Bush, der bisher nur vage Versprechungen über Aufklärung gab und normalerweise eher vertraute Mitarbeiter zwischenschaltet, so ziemlich genau nachdem die staatsanwaltlichen Depeschen raus waren über seinen Sprecher wissen ließ, dass er einen ausführlichen Rapport sehen und diesen "mit Berlusconi teilen" will.

Die Staatsanwaltschaft hat u.a. offenbar schon eine Abfuhr wegen der Übergabe des Autos in dem Sgrena mit ihren Begleitern unterwegs war an Italien erfahren. Das hatte sie so erbeten. Zuvor war in Baghdad eine Inaugenscheinnahme des scheinbar hundertfach zerschossenen Wagens durch Reporter von AP durch Angehörige des amerikanischen Militärs mit der Begründung verunmöglicht worden, dass man nich wisse, wo sich der Wagen befindet. Soviel für' s Erste. Eventuell wird später in den Ergänzungen noch Eingehenderes nachgetragen.
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Ergänzungen

datum

tagmata 06.03.2005 - 20:39
"Die deutschen Medien haben heute irgendwann wie auf Kommando angefangen, etwas eingehender über zahlreiche Ungereimtheiten in der Affäre zu berichten,"

schau mal hier:
 http://de.search.yahoo.com/search/news?ei=ISO-8859-1&fr=newsbox&p=sgrena&source=yahoo

und klick dich durch die vergangenen tage zurück. da kam schon eine ganze menge. was heute groß rauskam, war vor allem die sache mit dem lösegeld. daher vielleicht auch keine eskorte? die befreiung (bzw tatsächlich wohl eher auslösung) scheint ohne großes wissen der usa erfolgt zu sein, deren explizite position immer noch ist: lösegeld wird nicht gezahlt. letzteres macht insofern sinn, als daß sich einige der guerillagruppen vornehmlich über entführungen finanzieren. meist sind allerdings irakische zivilistInnen die opfer, und hierzulande ist nur ab und zu durch zufall etwas davon zu hören.

Gute Berichte: bei taz und telepolis

Name 06.03.2005 - 22:21
Feuer frei auf die befreite Geisel
Nach den US-Schüssen auf Giulina Sgrena ist Italien empört. Sogar Berlusconi ist wütend auf die Amerikaner. Deren Erklärungen glaubt niemand
 http://www.taz.de/pt/2005/03/07/a0159.nf/text.ges,1

Das befreite Opfer wird zum Opfer der Befreier
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19599/1.html

"Es war keine Straßensperre"
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19606/1.html

Und zur Mainstreampresse: Normalerweise läuft das heute so: Es gibt eine Erklärung einer Behörde, Regierung o.a. Organisation. Die Presseagenturen schreiben einen kurzen Bericht, der i.d.R. eine inhaltich genaue Wiedergabe der Pressemitteilung ist. Daher werden oft die falschen Berichte der Polizei nach Demonstrationen 1:1 übernommen und die Agenturen zum Propagandaorgan der Behörden. Agenturen wie Dpa schlampen dabei schon mal rum und packen noch ein paar zusätzliche Fehler rein (Zahlendreher, falsche Übersetzungen, etc.). Die einzelnen Zeitungen übernehmen wiederum ungeprüft 1:1 die Agenturmeldungen. In einigen wenigen Blättern werden die Berichte noch ausgeschmückt. Und so wirkt das Ganze dann oft wie eine gleichgeschaltete Presse, was sie im Grunde ja auch ist. Nur ist diese Gleichschaltung freiwillig und nur halbbewusst.

@ Tagmata: schön vorsichtig, bitte!

rf 06.03.2005 - 22:39
Mensch, gehst du hoch. Woher nimmst du deinen sauertöpfischen und lehrerhaften Ton? Ich glaube ich habe nicht verbrochen. Und: ich brauche nicht unbedingt zu blättern. Selbstverständlich habe ich die ganze Zeit die Entwicklung der Berichterstattung mitverfolgt - in fünf Sprachen und darunter natürlich auch in Deutsch. Ich habe jetzt auch mal deinen Yahoo-link aufgemacht und nochmal kontrolliert. Nee. Ich glaube, das Problem ist, du weißt gar nicht, was alles verschwiegen bzw. verzögert transportiert wurde und checkst gar nicht, dass AP (Beispiel aus deiner Yahoo-Liste: Ap 7:11 Stichwort Vorwürfe und auch nicht die anderen Agenturen, die fast als einzige halbwegs noch in der Zeit Infos transportiert haben, nicht gerade deutsche Presse oder Rundfunk oder TV sind).

Sofern überhaupt news agencies etwas verbreitet haben, ist ja immer noch zu gucken, WAS denn die MEDIEN davon dann übernommen haben und WIE und ich bleibe dabei, hier wird heruntergespielt, wasdas zeug hält. Zaghafte Hinweise durch die Blume über "Verstimmungen" zwischen Italien und USA geben gar nicht wieder, wie gespannt die Situation ist. Das Umfunktionieren der gar nicht so heftigen Sgrena-Aussagen zu "schweren Vorwürfen" ist auch nicht das Gelbe vom Ei der Information und schon gar nicht, wenn man sich anguckt, wie die staatsanwaltlichen Ansätze umgedichtet werden. So. Und hier noch zwei Zitate aus einem Artikel, an dem ich schreibe, so ich dafür Zeit finde.Der erste lautet: "Die Meinung der Millionen, die ansatzweise bis schwer bezweifeln, dass es ein Unfall war ist hingegen, mit ganz wenigen Ausnahmen, ist den Medien fast 36 Stunden lang keine Erwähnung wert"

Das zweite Zitat ist länger und passt gut zu deiner Belehrung über die alltäglichen Opfer. Damit du siehst, dass vielleicht auch andere außer dir denken und das auch respektiert werden sollte, was sie schreiben. Ich habe schließlich ein klar eingegrenztes Thema angesprochen. In einem anderen Rahmen bin ich auf das Thema sehr wohl eingegangen: "... Laut “Le Monde“ gibt es jede Woche ein halbes Dutzend Opfer, die auf amerikanischen Beschuss zurück gehen, über die kein Mensch redet, es sei denn, eine ganze Familie wurde kalt gemacht. Weiterhin Le Monde berichtet darüber, dass verschiedene Stützpunke ’mehr oder weniger offizielle ’Entschädigungsbüros’“ eingerichtet haben und dass die New York Times im Frühling 2004 festgestellt habe, dass die Summe, die im Tausch gegen das Versprechen der Angehörigen von Todesopfern und sonst Betroffenen, auf rechtliche Schritte zu verzichten als “Entschädigung“ gezahlt wird, bis zu höchstens 1000 Dollar bei Verwundung und 2500 $ für Todesfälle beträgt. Diese grausige Feststellung erscheint am Rande eines Artikels, der einige der Ungereimtheiten in der amerikanischen Version des Ereignisses am Freitag Abend thematisiert, wobei durchaus der friendly-fire-These Raum gegeben wird – eben aufgrund der Häufigkeit von Zwischenfällen zu Schaden von Zivilisten, die wiederum mit der schlechten nervlichen Verfassung der US-Soldaten erklärt wird" Soviel dazu.

Zum Lösegeld: ja, klar, da gibt es einiges zu zu sagen. Aber wie du das zusammenanalysierst ist auch sehr kurz: die Maschine des italienischen Ministerpräsidenten war schon viele Stunden in Bereitschaft, und ohne Autorisierung der Amis fliegt da keine Mücke, bei der Übergabe hörte Sgrena einen Hubschrauber (wurde die Übergabe verfolgt?) der Konvoi hatte vorher US Checkpoints auf dem Weg problemlos und selbstverständlich nicht unbemerkt passiert und gelogen haben die Amis allemal, weil die Sache mit dem Checkpoint am Ort des Beschusses einfach nicht stimmt und schon gar nicht die mit der erhöhten Geschwindigkeit.

Wie auch immer. Warum immer wieder mit so einem Ton Leute angefahren werden, ist mir schleierhaft. Man kann sich auch anders verständigen. Ich bin ehrlich verärgert, weil ich mir nicht anmaße, es besser zu wissen. Ich versuche nur ein wenig des Privilegs meiner Kenntnis der italienischen Sprache (und Kultur) zur Verfügung zu stellen und das kostet Arbeit, die ich nicht gerne so behandelt sehe. Eine korrekte Auswertung deiner Nachrichtenpalette aus Yahoo - an sich so wie und erst recht im Vergleich zum Nachrichtenfluss in Italien relativiert deine so nett und konstruktiv mir um die Ohren gehauene Behauptung, bis auf das Lösegeld sei alles schon bekannt gewesen jedenfalls ziemlich sicher. Nur wenige greifen auf Agenturmeldungen zurück. Mich interessiert von der Wirkung her die ganze Medienlandschaft, ausgewähltes Werkzeug zum zwischen den Zeilen lesen taugt da wenig. Besser abgeschnitten hat am Anfang nur das Radio und das auch nur teilweise. Die Masse aber guckt TV, liest Bild oder bessere Mainstreamblätter wenn sie etwas gebildeter ist. Und bei diesen Medien wendete sich das Blatt ganz klar erst gut 30 Stunden und mehr nach dem Zwischenfall.

Anklagen in Italien

Punker 06.03.2005 - 23:01
Frage mich was eine Anklage in Italien bringen soll? Im Extremfall müßte Bush nur ein Gesetz erlassen was Anzeigen von Italienern in diesem Fall ungültig macht. Da kann er ja mal Berlusconi fragen wie das geht.

Ähm, my two cents

mMuss ausgefüllt werden 06.03.2005 - 23:07
Der Artikel bezieht sich echt nur auf die Umdichtung von Mord zu Totschlag. In mehreren Nachrichten redeten die Sprecher wirklich von Totschlag. Vielleicht sollte das wer sich ergänzend äußern will mehr ernst nehmen. TP und Taz sind echt nicht die Infoquellen der meisten. Da hat der Autor schon recht.

na geht doch!

hj 07.03.2005 - 02:12
es heißt jetzt immerhin schon vorsätzliche tötung ;)

beispielsweise hier:  http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=642940.

auch wenn aus dem verdacht nichts werden wird ist das gut.

schön weiter den meinungsmachern auf die finger schauen.




Verdeckung des Kernproblems

Pogi 07.03.2005 - 14:50
Abseits der in diesem Bericht durchschimmernden Hysterie um die Begriffe Mord und Totschlag wird ganz vergessen, dass es nur um ERMITTLUNGEN geht. D.h. Ermittlungen sind kein Urteil und Ermittlungen sind ergebnisoffen.

Ob nun Mord oder Totschlag ... ich frage mich eher, wie die Ermittlungen durchgeführt werden sollen. Es ist jemand ums Leben gekommen in einem Land, in dem quasi Bürgerkrieg herrscht, und in dem Terroristen fast jeden Tag Dutzende Menschen (Landsleute und Ausländer, Zivilisten wie Militärpersonal) umbringen.

Bisher gibt es nur Aussagen der Italiener, darunter einer Frau, die für eine extrem antiamerikanische Zeitung arbeitet, und die sich inzwischen - so ihre Aussagen - schon fast mit ihren Kidnappern angefreundet hat (Helsinki-Syndrom??). Zudem natürlich die Amerikaner, die vermutlich prinzipiell mal genau das Gegenteil behaupten werden.

Insofern sind die Ermittlungen auf widersprüchliche Zeugenaussagen gestützt. Die einen behaupten, das Auto sei auf eine Patroullie zuge"rast", die anderen verneinen dies. Mit welcher Geschwindigkeit fahren denn z.B. Selbstmordattentäter? Ich glaube nicht, dass man bei diesen Begriffen die Massstäbe eines Landes zu Grunde legen sollte, in denen es keinen Krieg und keinen Terror gibt.

Summa summarum bin ich mal gespannt, WIE die Ermittlungen in diesem Umfeld durchgeführt werden sollen. Ob nun Mord oder Totschlag, es glaubt doch keiner ernsthaft, dass demnächst die US-Army-Angehörigen Cpt. X und Sgt. Y vor einem italienischen Gericht stehen werden ....



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