Faschistische Altlasten in spanischer Politik

Ralf Streck 06.03.2005 14:05 Themen: Antifa Weltweit
Sehr gewählt hat sich Manuel Fraga Iribarne noch nie ausgedrückt. Doch diesmal zieht der greise Regierungschef der spanischen Region Galicien richtig vom Leder: "Das ist einfach scheiße", erklärte der 82jährige am Dienstag in Uruguay. Die Vertreter der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) würden "allgemein nur Dreck" absondern. Denn die hatte Fragas Volkspartei (PP) erneut auf ihre Verwicklungen in die Verbrechen der Franco-Diktatur hingewiesen.
Auf die Palme gebracht hat Fraga eine Sitzung im Madrider Parlament in der letzten Woche. Dabei wurde 69 Jahre nach dem Putsch Francos den noch lebenden 543 Kriegskinder eine Rente als kleine Geste der Wiedergutmachung durch die sozialistische Regierung zuerkannt. Nach dem Putsch waren etwa 40.000 Kinder im Ausland in Sicherheit gebracht worden, um ihr Leben vor den faschistischen Truppen zu schützen.

Die PP hat sich nie von dem Putsch distanziert und in acht Regierungsjahren nichts zur Wiedergutmachung der Opfer getan. Der ERC-Parlamentarier Joan Tardá bezeichnete die PP als „politische Nachfolger" des Franquismus und den Parteigründer Fraga wies er auf seine Verantwortung für "staatliche Morde und eine wilde Repression" hin.

Dabei muß man nicht in die Zeit der Diktatur zurückgehen, als Fraga in ihr als Minister mit regierte. Am Donnerstag sind im baskischen Gasteiz (span. Vitoria) zum 29. mal Tausende auf die Straße gegangen, um Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers vom 3. März 1976 zu fordern. Denn noch im "Übergang zur Demokratie" war Fraga Chef der Sicherheitskräfte. Allen hier ist sein Befehl von damals noch in Erinnerung: "Es muß euch egal sein, ob ihr tötet" wies er die Truppen zum Sturm einer Kirche an, in der sich streikende Arbeiter versammelt hatten. Fünf Menschen wurden getötet und mehr als 100 verletzt.

Die PP wird wohl lange von der ERC die Rücknahme der Vorwürfe fordern können. Obwohl die Verbrecher nie zur Verantwortung gezogen wurden, besteht an der historischen Wahrheit besteht kein Zweifel. Erst eine Aufarbeitung der Diktatur könnte der zum Durchbruch verhelfen. Statt dessen läßt man den umstrittenen Ermittlungsrichter Baltasar Garzón lieber gegen Diktatoren in Südamerika vorgehen und läßt die Mörder zu Hause hinter dieser Fassade unangetastet. Es ist aber kein gutes Zeichen, wenn Uruguays neuer Regierungschef Tabaré Vázquez zur Amtseinführung Fraga eingeladen hat und gleichzeitig eine Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur in Uruguay verspricht.

Die Einladung hätte sich für einen Linkspolitiker verboten, denn bis heute liegen in Spanien Zehntausende Opfer der Diktatur noch in Massengräbern. Auch dafür ist Fraga mitverantwortlich, auch wenn er heute „Ehrenpräsident" einer "demokratischen Partei" ist und für sie erneut Regierungschef in Galicien werden will. In dieser Partei tummeln sich Altfaschisten bis heute. So hatten neben dem Ex-Ministerpräsident José María Aznar noch andere einst das blaue Hemd der faschistischen Falange an. Wie wäre es, wenn in Deutschland ein Führungsmitglied der NS-Diktatur heute als NPD-Mitglied Bayern regieren würde? Oder dessen politischer Ziehsohn es zum Beispiel als Ex-SSler zum Kanzler schaffen würde? In Spanien ist das bis heute normal.

Eine kleine Hoffnung haben die Opfer des 3. März noch. Nachdem der Rechtsweg in Spanien erfolglos ausgeschöpft wurde, hat das Menschenrechtskomitee der UNO sich dem Fall angenommen. Vielleicht bekommen die baskischen Arbeiter eine moralische Anerkennung aus Genf, daß es sich um bisher nie gesühnte Staatsverbrechen gehandelt hat.



© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 06.03.2005
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Ergänzungen

mal

ne| 06.03.2005 - 21:53
frage: die massengräber auf den beiden foto's: von wo und wann sind denn die?? würde mich mal interessieren.....
ansonsten danke für den artikel, ganz interessant!!

Elgeta

Ralf 07.03.2005 - 08:44
Die Bilder stammen aus dem baskischen Dorf Elgeta (steht ja auch drunter) und wurden im letzten Sommer freigelegt. Ich möchte mich jetzt nicht ausbreiten. Nur kurz. Elgeta lag an der Frontlinie. Die Gegend wurde von der Legion Condor bombardiert, kurz bevor Gernika dran war. Ein Bild von einer bombardierten republikanischen Stellung in den Bergen um Elgeta hänge ich mal mit dran. Dann wurde Elgeta gestürmt und alle die nach Gudaris (baskische Freiheitskämpfer) aussahen, wurden erschossen. In dem Massengrab lag der Bruder dessen, der 60 Jahre später von der Existenz berichtet hat. Den Körper des erschossenen Vaters, hat die Familie von den Faschisten im Tausch gegen Milch erhalten. Auf dem Gelände war noch ein zweites Grab.

@ ralf s.

danke 08.03.2005 - 03:26
für die info - kurz und knapp zusammen gefasst, jetzt weiss ich mehr und mein wissensdurst ist erstmal befriedigt. danke!!

noch ein artikel

egal 24.04.2005 - 17:09
telepolis schreibt auch was zur aufarbeitung des faschismus in spanien:

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19948/1.html

noch was über Fraga und die galizische Wahlen

alba 31.05.2005 - 15:48
Freue mich, dass du von bestimmten Geschehen in "Spanien" berichtest, denn es auf Deutsch nicht so einfach ist, so was zu finden. Ich vermisse aber, genauere Informationen über der galizische Ministerpräsident, J.M. Fraga Iribarne. (Es wird nächstens Wahlkämpfe in Galizien geben)Ich weiss gar nicht, ob es irgendwelche Informationen darüber auf Deutsch zu finden sind...


Letztens sind mehrere politisch-orientierte Kurzfilme unter den gemeinsamen Titel "Hai que botalos" (Man soll die wegwerfen) präsentiert, und in der seite www.arredemo.info zu finden.