Fakes, Pressehetze, Aktionen ... in Gießen

AbwehrspielerIn der Ordnung 05.03.2005 20:42 Themen: Repression
Am 5.3.2005 berichtete der Gießener Anzeiger über gefälschte Schreiben in der Stadt. Offenbar hatte sich der als Lügner überführte Gail an die Bevölkerung gewandt und seine KritikerInnen nochmals derbe angegriffen. Inzwischen liegen Fotos von dem Schreiben vor, zudem hatte die CDU noch Plakate aufgehängt "Glaubt nicht den Lügnern!". Zu ersterem hat Gail wohl erklärt, das stamme gar nicht von ihm, obwohl es schon seine Position ist, was da steht. Zum Plakat liegen keine Erkenntnisse vor. Einige konnten in der Stadt noch gefunden und fotografiert werden.
Die Tage zuvor waren durch heftige Auseinandersetzungen geprägt, in denen sich die etablierten Parteien (CDU, FWG, einige SPDlerInnen, Grüne) gegen Kritik von unabhängigen Personen wehrten.
Der Hintergrund: Projektwerkstättler konnten den CDU-Stadtverordneten einer Lüge und einer Falschaussage vor Gericht überführen bzw. sie kündigten das für den 21.3. an, denn dort vernehmen sie als Angeklagte den Lügner. Bis dahin dürfen sie ihre Belege nicht vorlegen, denn es sind Gerichtsakten. Dann aber sitzt der CDUler vor ihnen und sie dürfen ihn mit der Aussage eines Polizeibeamten konfrontieren, der in einem Aktenvermerk von einer Besprechung mit Gail berichtet, die es nach Gails Aussage nie gegeben hat. Gail hatte das gegenüber der Presse und den Stadtverordneten von Gießen, aber auch vor Gericht gesagt. Ersteres ist unverschämt, aber in diesem Land üblich. Zweiteres ist sicherlich ein guter Grund zum Rücktritt. Drittes ist schlicht strafbar.
Als Gail das Ganze witterte, ging er in die Offensive und startete einen derben Angriff auf die Projektwerkstatt (siehe  http://www.de.indymedia.org/2005/02/108124.shtml). Der Ablauf der Enthüllungen im Detail (Auszug aus der am 14.3.2005 neu erscheinenden Dokumentation zu Polizei, Justiz, Politik und Presse in Gießen, siehe  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu):

Enthüllung der Lügen
Am 3. Januar rief Staatsanwalt Vaupel bei der Polizei an, weil er offenbar noch Belastungsmaterial brauchte für den Prozess am 10.3.2005. Der Polizist am anderen Ende der Leitung notierte die Anfragen von Vaupel und sorgte für Antworten. Die aber nützten Vaupel wenig, denn die angefragten Polizisten wurden offenbar nicht richtig informiert - nur ein Teil von ihnen log, wie wohl erwünscht. Einer von ihnen notierte in seinem Vermerk, dass er den Auftrag hatte, Störer bei der Stadtverordnetenversammlung zu beobachten. Der Polizeipräsident Meise, der sich laut Aktenvermerk im Flur vor dem Sitzungssaal aufgehalten haben soll, stellte den Einsatzleiter dem Stadtverordnetenvorsteher persönlich vor. Dann erklärte dieser Herrn Gail, dass 4 zivile Beamte in der ganzen Zeit der Sitzung im Saal anwesend sein werden. Zudem berichtete er Herrn Gail, dass bereits im Vorfeld eine dann eingreifende Gruppe der Polizei in der naheliegenden Polizeistation in Bereitschaft stehen würde. Mit diesem Papier wußten die Angeklagten vom 10.3.2005 also, dass nachweisbar ist, dass Gail gelogen hatte. Nur - der autoritäre Staat ist ja nicht dumm - solche Akten dürfen nicht herausgegeben werden. Also berichteten die Angeklagten verschiedenen Personen von ihrem Wissen. Niemand von diesen erhielt die Akte, aber der brisante Inhalt sickerte offenbar auch in Richtung Stadtverordnetenvorsteher Gail durch. Und der reagierte prompt und erwünscht. Ihm war sicher klar, dass seine Aussage vor Gericht eine strafbare Falschaussage war, dass ihn seine offensichtliche Lüge vor dem Parlament sein Amt kosten könnte und dass seine Lügen an die Presse auch nicht gut ankommen würden. Eine Chance in der Sache hatte er nicht mehr, also startete er von sich aus mit einer Kampagne in der Öffentlichkeit. Sein Ziel: Die Projektwerkstatt als nicht ernstzunehmende Chaotenstätte zu diffamieren und alle Menschen, die mit ProjektwerkstättlerInnen überhaupt reden, als charakterlose Leute darzustellen. In der dafür einberufenen Pressekonferenz wiederholte Gail seine Lügen sogar erneut. Einen Tag später sprang ihm FWG﷓Chef Zippel offenbar nach dem Elitengesetz „Eine Hand wäscht die andere“ blindlings beiseite und griff ebenfalls die Projektwerkstatt und alle an, die von dort Informationen hätten. Doch die Zweifel verstummten nicht - und so trat die Gießener Polizeiführung, die am 28.3.2003 noch die Lügen gedeckt und wiederholt hatte, den Rückzug an. Offensichtlich wurde dort messerscharf erkannt, dass weiteres Leugnen alles schlimmer machen würde, denn am 21.3.2005 würden die Angeklagten bei der Vernehmung des Zeugen Gail im Gericht den Aktenvermerk zitieren dürfen - öffentlich! Mit rechtsstaatlichen Mitteln wäre das nicht zu verhindern gewesen, nur mit weiteren Rechtsbrüchen. Das ist zwar in Gießen seitens der Obrigkeit üblich, aber offenbar hatten diesmal Führungskräfte Bedenken, dass das zu durchsichtig sein würde. Also erklärte der Polizeipräsident Meise am 2.3. gegenüber der Presse, dass die Informationen aus der Projektwerkstatt stimmen würden - auch wenn er diese nicht namentlich nannte. Die Staatsanwaltschaft, die bisher gegen Gail in der Sache trotz schon lange vorliegender Anzeige nicht ermitteln wollte, nahm nun die Ermittlungen auf. In einem Einzelfall ist es gelungen, die Lügen und Intrigen der Herrschenden aufzudecken. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes war Stadtverordnetenvorsteher Gail und FWG﷓Chef Zippel noch im Amt. Es besteht die Gefahr, dass er geopfert wird und alle anderen aus dem Skandal herauskommen, um weiterzumachen wie bisher.


Abgefahrene Dramaturgie: Der bevorstehende Prozess
Wahrscheinlich am 21.3.2003 steht CDU-Mann Gail vor Gericht - als Zeuge. Angeklagt sind die Personen, die er mit rabiater Hausrechtsauslegung und Polizeieinsatz attackiert hat, während Lügner Gail die Anzeige gegen sie gestellt hat und als Zeuge vernommen wird. In der ersten Instanz hat er seine Lügen auch vor Gericht wiederholt, was ihm jetzt mit zwei Jahren Verspätung und nur auf äußeren Druck eine Verfahren einbringen kann. Wird er diese Lüge wiederholen? Werden die Angeklagten im Prozess die gesamten Beweismaterialien gegen Gail und zu ihrer Entlastung vorbringen können - und damit Gail eindeutig überführen??? Mehr zum Prozess unter  http://www.projektwerkstatt.de/prozess.


Weitere Aspekte
Es sind etliche weitere Fragen offen, d.h. während der Elitenfilz aus CDU-FWG-SPD-Grünen-Presse-usw. zusammenhält und blockt, geht es um weitere Recherchen. Zentral ist die Frage, warum die Polizei damals gegenüber der Zeitung die erlogene Version von CDU-Mann Gail bestätigte, obwohl sie es ja besser wusste, denn u.a. der Polizeipräsident selbst hatte ja mit Gail gesprochen. Hier kommt der Verdacht aus, dass Polizei der Freund und Helfer der Mächtigen ist. Sicherlich keine neue Erkenntnis, aber vielleicht einmal exemplarisch beweisbar. Die Frage hat aber noch eine andere Dimension: Wenn die Polizei offiziell zugunsten von Gail gelogen hat, dann hat sie ebenso zuungunsten von Projektwerkstättlern Lügen verbreitet. Und das bei einem der Anklagepunkte im bevorstehenden Prozess, der am 10.3. beginnt ( http://www.projektwerkstatt.de/prozess). Der baut auch in den meisten anderen Anklagepunkten auf absurdeste Märchen von Polizeibeamten auf. Wenn aber die Polizeiführung schon absichtlich zuungunsten der Projektwerkstättler lügt, warum sollen dann die einzelnen Polizisten nicht das gleiche tun? Vielleicht sogar in Absprache oder auf Anweisung der Polizeiführung? Die Projektwerkstättler jedenfalls behaupten das von Beginn an – ihr Prozess sei nichts als die Aneinanderreihung von Erfindungen. Und seit der Verurteilung in erster Instanz haben sie recherchiert und in einer ersten Dokumentation, die im März 2004 vorgelegt wurde, über 50 Fälle von Erfindungen, Fälschungen und Hetze nachgewiesen. Demnächst erscheint die nächste Doku mit neuen Fällen – und auch der Fall „Gail“ ist dort genau beschrieben ( http://www.polizeidoku-giessen.de.vu).

Insofern heizt die Affäre „Gail“ die Auseinandersetzung zu einem interessanten Zeitpunkt an. Kurz vor der von den Eliten erhofften endgültigen Aburteilung der Projektwerkstättler, verbunden mit den zu erwartenden Hasstexten in Zeitungen und der Begleitmusik gewalttätiger Polizei- und Justiztruppen gelingt es, in einem Punkt eindeutig nachzuweisen: Polizei-, CDU- und Stadtregierungsspitze haben gelogen!


Weitere Links:
- Kreative Antirepression, Kritik an Strafe und Knast:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression
- Die Infoseite zu den Lügen von Gail:  http://www.luegen-gail.de.vu
- Infos zur Bombendrohungslüge von Bürgermeister Haumann:  http://www.bomben-haumann.de.vu
- Der Scharfmacher hinter allem – Innenminister Bouffier:  http://www.volker-bouffier.de.vu
- Was ist die Projektwerkstatt?  http://www.projektwerkstatt.de/saasen
- Informationen zum bevorstehenden Prozess und vielen begleitenden Veranstaltungen:  http://www.projektwerkstatt.de/prozess
- Direkter Download der Polizeidokumentation 2004:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/polizeidoku.pdf
- Seite zu den Dokumentationen:  http://www.polizeidoku-giessend.de.vu

Am 10.3. beginnt in Gießen der große Prozess. CDU-Mann Gail, mehrere Staatsschutz-Obere, weitere PolitikerInnen aus dem ganzen Spektrum der Parteien und viele Polizisten sind als Zeugen geladen, um die Lügen gegen die Projektwerkstatt vorzutragen. Das ist nicht nur ein Prozess, sondern eine Konfrontation von Apparaten der Macht gegen frechen Widerstand. Alle Gerichtssitzungen sind öffentlich. Termine und Hintergründe zu den einzelnen Verhandlungstagen (Termine bis Ende April sind bisher angesetzt) unter  http://www.projektwerkstatt.de/prozess. Zugucken oder Händchenhalten im Publikum sind schon mal was. Mehr bringt das Gericht meist gehörig durcheinander ...
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Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Gail! — einfach gail!

bundesweit bitte — hummel