Totales Versagen der demokratischen Kontrolle

Igel 01.03.2005 21:44 Themen: Globalisierung Netactivism
Brüssel, 28.02.2005 - Das Thema Softwarepatente hat in den letzten Monaten in der EU zu einem bisher beispiellosen Machtkampf zwischen Demokratie und Lobby geführt. So beabsichtigte die EU-Kommission ursprünglich die Einführung einer totalen Patentierbarkeit für Software. Eine Vielzahl von Petitionen, Protesten und Demonstrationen machte das EU-Parlament und die nationalen Parlamente darauf aufmerksam, dass weite Kreise der Bevölkerung sowie der mittelständischen Software-Industrie in dieser Frage anders denken als die EU-Kommission.

So gibt es in Deutschland (http://www.heise.de/newsticker/meldung/56540), den Niederlanden (http://www.nosoftwarepatents.com/phpBB2/viewtopic.php?t=346), in Spanien (http://www.nosoftwarepatents.com/phpBB2/viewtopic.php?t=339) und Polen offizielle Stellungnahmen und Aufforderungen der Parlamente an ihre Regierungen, den Kurs der Kommission in Brüssel nicht länger zu unterstützen. Diese waren notwendig geworden, weil sich auch die nationalen Regierungen zuerst nicht an die Vorgaben des Souveräns, also ihres Parlaments gehalten hatten. In Deutschland kam auf diese Weise etwa Ministerin Künast unter heftige Kritik.

Nun ist es der Präsident der EU-Kommission, Barroso, persönlich, der den Auftrag der Volksvertreter ignoriert. Nach seiner Vorstellung soll die Richtlinie der EU-Kommission gegen jeden Widerstand durchgedrückt werden. Barroso ignoriert mit seinem Vorgehen, das ein Kommissionssprecher im Gespräch mit Heise Online schildert, auch die gesamte bisherige Entwicklung auf Ebene der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Rund 250 Aktivisten haben heute in Brüssel mit Transparenten und Bananen kritisiert, daß die EU zu einer Bananenrepublik verkommt, wenn die Interessen nationaler Mitgliedstaaten oder die Aufträge ihrer Parlamente den Interessen weniger, gut bezahlter Lobbyisten geopfert werden.
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Ergänzungen

Konzerne lassen Konkurrenz einfach verbieten

Ketzer 01.03.2005 - 22:08
Die neoliberale Globalisierung macht es möglich: Monopole und Großkonzerne lassen ihre Konkurrenz einfach gesetzlich verbieten (z.b. so:  http://www.techweb.com/wire/networking/60403862). Eine Möglichkeit ist die Patentierbarkeit von Ideen - auch wenn sie nicht von einem selbst stammen.
Die EU ist so strukturiert, daß die Gesetze nicht von Parlamenten, sondern von nichtwählbaren Kommissaren, Beratern und Lobbyvertretern gemacht werden. Das Parlament und die Räte sind nur dafür da, die Gesetze formell abzunicken. Kritik und Ablehnung ist unüblich und nicht gern gesehen. Die Software- und Logikpatente sollten beispielsweise im Argrar- und Fischereirat abgenickt werden. Mehrmals wurde die Prozedur verschoben, weil Ratsmitglieder "nicht richtig" (also dagegen) stimmen wollten.


Was bedeuten Software -und Logikpatente konkret? Software- und Logikpatente sind ja etwas völlig anderes als beispielsweise ein normales Copyrigt. Software- und Logikpatente erlauben es, reine IDEEN zu patentieren - auch wenn man diese Idee nicht selbst entwickelt hat. Auf dieselbe Weise ist es übrigens auch möglich (Stichwort Biopatente/Biopiraterie) Pflanzen&Tiere zu patentieren. So ziemlich jedes Gemüse, welches heute angebaut wird, ist bereits von großen Konzernen patentiert, alle Bauern müssen deswegen Lizenz-Geld an diese Konzerne zahlen. Das gilt auch für Pflanzen, die seit Jahrhunderten angebaut werden (Basmati-Reis, Golden Delicious, ...). Nichtpatentierte Pflanzen werden dagegen nach EU-Richtlinien vom Markt genommen oder ebefalls patentiert.


Hier noch 2 Artikel, die verdeutlichen, was auf uns zukommen wird:

Das weitverbreiteste Textverarbeitungsprogramm Japans wird vom Konkurrenten Mircosoft verboten, da Microsoft ein Patent für "Anklicken von Icons zeigt Informationen zu anderen Progammeigenschaften an" hat, obwohl die Idee nicht von Microsoft stammt:
 http://www.heise.de/newsticker/meldung/56108

Trickreiche Patentjäger pressen amerikanischen Unternehmen Millionensummen ab. Jetzt kommen sie nach Europa
 http://www.zeit.de/2005/09/Patentj_8ager_neu

Barroso - M$-Mitarbeiter

Ergänzung 03.03.2005 - 18:08
Kommissionspräsident Barroso, der in einigen Kreisen auch als "die M$-Marionette" genannt wird, sorgt auch für solche Schlagzeilen:
"Vom Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) kommt derweil die Information, dass sich Kommissionspräsident Barroso am 31. Januar mit Microsoft-Gründer Bill Gates für ein privates Abendessen getroffen habe"
 http://www.heise.de/newsticker/meldung/57050

Nicht nur Software...

.... 06.03.2005 - 22:25
Ideen und Melodien und Lebewesen und so weiter sind nach den neuen Gesetzen auch patentierbar. Hier mal ein besonders krasses Beispiel aus den USA:

Nicht nur in den USA hört beim Copyright der Spaß auf. Und dennoch hat wohl fast jeder schon einmal gegen die Copyright-Bestimmungen verstoßen. Beispielsweise während einer Geburtstagsfeier in einem Restaurant, bei der das Lied "Happy Birthday to you" laut und vernehmlich angestimmt wurde. Dieser Song, dessen Melodie aus dem 19. Jahrhundert und dessen Text aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen, ist nämlich über Umwege in den Besitz des Medienunternehmens "Time Warner" geraten und daher tatsächlich bis 2030 Copyright geschützt. Das heißt: Im privaten Rahmen darf man die bekannten Zeilen singen, aber nicht in aller Öffentlichkeit. Dann muss man dafür eigentlich zahlen.

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19609/1.html

hoffnung für demokratie aus dänemark?

b 07.03.2005 - 00:04
golem.de berichtet heute über eine Entscheidung im dänischen Parlament,
die Hoffnung macht.
(  http://golem.de/0503/36703.html )

Interessant sind auch die Kommentare, die neben Idiologiegelaber auch ein
wenig zur Sache beitragen.

Heise.de hat übrigens eine ganze sammlung zu (heise)Meldungen zum Thema.

@b

mein_name 07.03.2005 - 16:01
"golem.de berichtet heute über eine Entscheidung im dänischen Parlament,
die Hoffnung macht."

Und nun? Wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirb zuletzt..
(  http://www.golem.de/0503/36725.html )
Ein Meisterstück in Sachen "Demokratie", was sich die Herren Minister da geleistet haben.

Softwarepatente abgesegnet !

alex 07.03.2005 - 18:41
EU-Rat segnet umstrittene Richtlinie zu Softwarepatenten ohne neue Debatte ab

Lustiges Bildchen

Gerd 09.03.2005 - 13:04
Der Kommissar wischt nach Gutsherrenart den Beschluss des Europäischen Parlamentes vom Tisch. Und er verteidigt auch noch die unsägliche Servicerichtlinie, eine Provokation von Bolkestein als letzte Amsthandlung.

Was sich Luxemburg im Ministerrat geleistet hat, ist eine Bedrohung für die Europäische Demokratie. Die Doktrin, ein A-Item könne nicht in einen B-Item umgewandelt werden ist ein Präzedenzfall der Sorte, dass die europäischen Parlamente der Mitgliedsstaaten ihrer Rechte aus dem Amsterdamer Vertrag beraubt werden. Geldwaschstrasse Letzeburg und der Kommissar McCreevy, der mit seiner Steueroase Irland sein Land auf Kosten der anderen Mitgliedsstaaten sanierte zeigen den Weg. Und McCreevy ist erst am Anfang. Statt die Stuerparadeiser und Kanalinselbriefkastenfirmen im zuge des Kampfes gegen den Terrorismus an die Kette zu legen, will er seine Finanzpolitik in ganz Europa durchsetzen. Wenn er dabei mit der gleichen Gutsherrenart verfährt wie jetzt bei der Softwarepatentrichtlinie, dann haben wir in Europa eine Kommissionsdiktatur. Beamte der Exekutive spielen in Europa gesetzgeber und hebeln die Parlamente aus. Darum jetzt nicht auf die Parlamente oder "Europa" schimpfen, sondern die institutionelle Schieflage endlich beseitigen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Kannst du mal... — Rainer

@ Rainer-Troll — Frager

Schlimm — ist es,

no hope in europe — anna und arthur haltens maul!!