Schweinfurter IG-Metall nickt Tarifflucht ab

noch@gewerkschaft 27.02.2005 10:08 Themen: Soziale Kämpfe
Noch bei der jüngsten regelmäßigen Pressekonferenz des DGB in der Region Main Rhön erklärten der erste Bevollmächtigte der IG Metall, Klaus Ernst, und seine Kollegen der DGB-Schwestergewerkschaften von ver.di und der IG-Bau ehrsinnig, man werde jeden Angriff auf tarifliche Wertzuwächse mit entschiedenem Protest abwehren.
Beim Schweinfurter Automobilzulieferer ZF-Sachs soll unter Umständen noch im Frühjahr auf tariflich abgemachte Lohnzuwächse verzichtet werden. Um die „Wettbewerbsfähigkeit“ des Unternehmens am unterfränkischen Standort zu sichern, fordern die Unternehmensmanager seit dem Ende des vergangenen Jahres einen „Beitrag der Beschäftigten“ von etwa 20 Millionen Euro, um dieses Ziel zu erreichen. ZF-Sachs wandelt derzeit weder auf dem Zahnfleisch, noch ist die Lage auf dem Kupplungs- und Stossdämpfermarkt besonders heikel. Die gesamte Branche feiert hinter hervorgehaltener Pranke ordentliche Zuwachsraten, öffentliche Taktik freilich ist es Katzenjammer zu verbreiten.
Endzweck des Vorstoßes der ZF-Manager dürfte sein, auszuloten, wie es um die vorherrschende Kampfbereitschaft der Schweinfurter Gewerkschaften bestellt ist. Bisher war es gebräuchliche Praxis in der unterfränkischen Industriestadt, Unternehmerangriffe gegen gewerkschaftliche Errungenschaften mit gemeinsamer Solidarität bei FAG Kugelfischer, SKF und ZF-Sachs zu beantworten. Kapitalmacht konnte in Schweinfurt bislang mit einer disziplinierten Gegenmacht aus der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft rechnen und verhielt sich deswegen entsprechend.
Noch bei der jüngsten regelmäßigen Pressekonferenz des DGB in der Region Main Rhön erklärten der erste Bevollmächtigte der IG Metall, Klaus Ernst, und seine Kollegen der DGB-Schwestergewerkschaften von ver.di und der IG-Bau ehrsinnig, man werde jeden Angriff auf tarifliche Wertzuwächse mit entschiedenem Protest abwehren. Klaus Ernst kann zumindest auf dem Papier eine erstaunliche Mitgliederstatistik vorzeigen. Seine Zahlen laufen gegen den Trend, sie könnten die traditionelle Gewerkschaftsmacht am Standort quasi untermauern.
Trotzdem findet erkennbarer Widerspruch in Schweinfurt dummerweise nur noch durch Rhetorik hauptamtlicher Gewerkschafter statt. Bei den „Betriebsratsfürsten“ von ZF-Sachs beispielsweise scheinen erfolgreiche Schlachtenlenkungen aus der Vergangenheit in Vergessenheit zu geraten. Als Willy Dekant, Betriebsratsvorsitzender bei ZF-Sachs vor kurzem gut einhundert Vertrauensleute der IG-Metall aus „seinem“ Unternehmen versammelte, konnte er unwidersprochen über die Erfordernis von „Kostensenkungsvorhaben und dem Pflichtteil der Beschäftigten hierzu“ rezitieren, so als habe er nie ein gewerkschaftliches Betriebsratsseminar besucht und stattdessen Managementlehrgänge beim VBM, dem Verband der bayerischen Metallarbeitgeber absolviert:
Lohnverzicht wahre den ZF-Standort in Schweinfurt, nur dank Kompromissbereitschaft seien sichere Arbeitsplätze zu halten und eine öffentliche Debatte würde dem Unternehmen und damit den Arbeitern schaden. Ihm seien Schweinfurter Arbeitsplätze wichtiger als jene in Italien oder in Spanien. Internationale Solidarität ist ihm Fremdwörterei. Der Vorsitzende des Betriebsrates und seine Mitstreiter haben übersehen, dass die Umsätze in der Metallwirtschaft in den ersten elf Monaten des Jahres 2004 um 7,6 Prozent gestiegen sind und die Produktion ein Plus von 5,8 Prozent erreicht. Fast in gleicher Höhe, nämlich um 5,1 Prozent ist die Produktivität gestiegen. Für das Jahr 2005 prognostiziert die IG Metall eine Produktivitätssteigerung von drei bis fünf Prozent. Diese Zahlen machen fühlbar, dass die ausgemachte Tarifsteigerung im Volumen von 2,7 Prozent für die Metallwirtschaft ohne Probleme finanzierbar ist.
Dekant sabotiert nicht nur unter den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten planmäßig eine freie Debatte zu Fragen wie veränderten Arbeitszeiten, Lohnverzicht und weiteren Produktivitätszuwächsen mittels Beiträgen aus der Belegschaft. Er hemmte auch unter den rund 7.300 Beschäftigten eine autonome Aussprache zu diesen Problemen. Stattdessen wurde in den Vorzimmern der Chefetage mit der Unternehmensleitung im Komanagement ein Fahrplan zur „Standortsicherung“ bei ZF-Sachs entworfen, Ziel der Reise ist der Lohnverzicht: Die tariflich abgemachte Lohnerhöhung im Volumen von 2,7% in diesem Jahr soll abgesagt werden. Um die Vertrauensleute in dieser Sache auf Linie zu bringen wurden Kritiker im Vorfeld ausgeschaltet. Eine Probeabstimmung der IG-Metall Fraktion im Betriebsrat ergab immerhin noch zwei Stimmen gegen die Konzepte. Nach einigen „Aussprachen“ verabschiedete man die Pläne im Betriebsrat einmütig.
Lediglich der erste Bevollmächtigte der IG-Metall, Klaus Ernst, deutete vor den versammelten Metallerinnen und Metallern im Verlauf der erwähnten Veranstaltung vorsichtig Einspruch an, auf einen offenen Konflikt mit den „Betriebsratsfürsten“ ließ er sich dann trotzdem nicht ein. Wenn alle Verträge unter Dach und Fach sind, werden gewiss Sprachregelungen gefunden, die das Billigen der Tarifflucht als großen Triumph für den Standort und für sichere Arbeitsplätze rechtfertigen.
Klaus Ernst darf sich den Vorwurf gefallen lassen, nur eingeschränkt auf die Umsetzung des Tarifvertrages bestanden, und den Auszug der ZF-Sachs Metaller aus dem regionalen Zusammenhalt nicht emanzipiert bekämpft zu haben. Willy Dekant und Klaus Ernst schleppen die Hauptlast, wenn die Großindustrie in der Region Main Rhön die Nase hoch trägt und demnächst mit weiteren Dreistigkeiten in die Offensive geht. Beide werden im Tarifkampf 2006 bei den Arbeiterinnen und Arbeitern in der Produktion kaum Beifall ernten, wenn der Ruf nach Solidarität und Kampf laut wird. Warum auch, einmal verarscht reicht ja auch!
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Ergänzungen

Tarifverträge nur durch IG Metall Vorstand

IGM-Gewerkschaftler 28.02.2005 - 21:43
Sofern bei ZF vom Flächentarifvertrag abgewichen werden soll oder sonstwie ein neuer Tarifvertrag geschlossen wird, muss das gemäß Satzung vom Vorstand der IG Metall abgesegnet werden (nicht vom 1. Bevollmächtigten!). Der IGM Vorstand müsste sich dann überlegen, ob er diese Abweichung will, weil damit ja auch andere Konkurrenzbetriebe unter Druck gesetzt würden. Mit einer Verweigerung sind die politischen Probleme jedoch nicht gelöst. Gibt es nämlich keinen sonstigen Widerstand, der z.B. von Dir organisiert wird, droht, dass ZF ins Ausland verlagert, outsourct oder sogar den Arbeitgeberverband verlässt, um die Löhne zu drücken. Dieses Ergebnis könnte ebenso wie eine Abweichung vom Tarifvertrag dazu führen, dass sich die Belegschaft enttäuscht von der IG Metall abwendet (was ganz schlecht ist). Schwierige Sache ist das also. Sicher ist nur, dass es in solchen Kämpfen auf engagierte GewerkschaftlerInnen ankommt, die mit Mut, Gelassenheit und Geschick versuchen, in der Belegschaft Rabbatz zu machen - bis ihn die Geschäftsleitung, der Betriebsrat und die IG Metall hört. Einzelne verlorene Kämpfe sind dabei nicht so schlimm wie wenn es keine solchen Widerspruch gibt, finde ich. Insofern: Glück auf!

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Bleib drin und nimms in die eigene Hand

Friederike 27.02.2005 - 22:33
Danke für den ausführlichen Bericht. Jetzt zieh die richtige Konsequenz, und nimms in die eigene Hand. Es geht doch nicht um 2006, es geht jetzt darum unsere Interessen zu vertreten. Rede mit den Kollegen in deiner Abteilung und steuert dagegen. Wir haben keinen Grund uns auf die profitlogik einzulassen. Es gibt auch genügend Metaller, die das erkannt haben. Sucht die Verbindung mit ihnen. Man kann dem ganzen Dreck nur von unten aber auch nur gemeinsam entgegentreten. Vergeßt Führungen, die euch bescheißen!
Gruß Friederike

Zu Gast im Stadion eines Nazis

x 02.02.2008 - 03:52
Schweinfurt
Zu Gast im Stadion eines Nazis
sags willy 04.06.2006 14:59
 http://de.indymedia.org/2006/06/149004.shtml