noch mehr 1€-Job Spaziergänge in Berlin

arbeitslose Sozialschmarotzer 24.02.2005 18:15 Themen: Soziale Kämpfe
Auch diesmal haben wir in der Berliner Trägerlandschaft 1€Jobber und solche die es werden wollen aufgespürt. Viele sind unzufrieden, aber besser n Euro mehr in der Tasche als nix.
noch ein Berliner 1€-Job Spaziergang

Zusammengefunden hat sich diesmal eine Gruppe von 10-12 Leuten, dabei einige neue Gesichter und ein Kleinkind.
Erste Station war ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger und dessen Geschäftsführung. Ziel war eine Adressenliste der konkreten Einsatzorte zu bekommen. Die wollten oder konnten sie uns nicht geben und haben uns auf andere Filialen verwiesen. Von dort aus werden die 1€ Jobber vermittelt, d.h. dort sind die Einsatzorte bekannt. Die Einsatzbereiche erstrecken sich laut deren Flugblatt auf eigentlich alles: von technischen und handwerklichen Tätigkeiten über Obdachlosenhilfe bis zur Herstellung von Behindertenhilfsmitteln.
Einer der Mitarbeiter verabschiedete sich mit den Worte, er findet es gut, wenn Leute sich wehren...bla bla.
Weiter gings in die unteren Stockwerke. Dort finden Aus- und Weiterbildungskurse, d.h. auch die sog. Qualifizierungsmaßnahmen für 1€ Jobber, ABM,... statt. Die Klassenräume in der 1. und 2. Etage waren leider fast alle leer. Die Schüler, die wir noch antrafen, nahmen an Sprach- und Berufsvorbereitenden Kursen statt. Einige Lehrkräfte verwiesen uns nach Anfrage in welchen Räumen und wann Kurse für 1€ Jobber stattfänden auf die Geschäftsführung.
Eher zufällig stiessen wir vor der Tür auf 4 Menschen in ABM und 1€ Massnahmen, die gerade an einer sechswöchigen Schulung teilnehmen im Bereich Pflege. Die beiden 1€ Jobber waren eingesetzt in der Altenpflege/ Seniorenfreizeitstätte, wo sie seit 5 Jahren über ABM, GZA und zuletzt ehrenamtlich tätig waren. Fahrkarten werden nicht bezahlt. OK fanden es die beiden, weil der Job Geld bringt und die Arbeit mit den Alten eigentlich auch ganz nett sei. Hoffnung auf einen regulären Arbeitsplatz hatten beide nicht. Die 1,50 die sie verdienen finden sie auf jeden Fall wenig und reguläre Arbeitsplätze verdrängen tuts wohl auch.
Die ABMlerin war eingesetzt in einer Obdachlosenpension, wo sie im Sekretariat arbeitet, als Vertretung für die z.Zt. nicht anwesende Hauptamtliche. Auch sie hat keine Hoffnung auf eine reguläre Arbeitsstelle. Ihre Arbeit sei zusätzlich und im allgemeinen handele es sich sowieso um zusätzliche Arbeit und die Träger kämen auch ohne 1€Jobber aus. Die Unterrichtspause ist immer von 11:30 bis 12:00 und alle würden sich freuen wenn wir nochmal wiederkämen und nahmen unsere Flugblätter interessiert entgegen.

Letzte Station war ein sogenannter linksalternativer Träger, der Projekte im soziokulturellen Bereich anschiebt und betreut. Dort sind ca. 30 Stellen beantragt, von Seiten des Senats jedoch noch nicht bewilligt. Einsatzgebiete sind Hof+ Gelände, Kultur und Büro. Der Verein hat bisher auch GZA Stellen betreut, was jetzt weggefallen ist.
Die Überraschung war gross, als wir dort mit unserem „Trupp der öffentlichen Kontrolle“ reinkamen (wie immer halt). Die Anwesenden liessen sich jedoch bereitwillig auf eine Diskussion mit uns ein. Eine Frage unsererseits war, warum sich gerade viele alternative Projekte regelrecht auf die 1€ Jobs stürzen, wo sich andere Projekte noch in Zurückhaltung üben.
Sie hätten über die politische Dimension der MAE’s diskutiert und wissen eigentlich auch, dass es scheisse ist. Es seien jedoch mehrfach Leute auf sie zugetreten und hätten gefragt, ob sie nicht im Rahmen einer solchen Maßnahme im Verein tätig werden können und zwar die Leute, die eh schon seit langem ehrenamtlich dort arbeiten.
Der Frage, was sie denn bei Leuten machen die vom Amt zwangszugewiesen werden (zB stempel für geleistete Arbeit geben und wieder wegschicken) und ob die Leute die wöchentlichen 30 Stunden ableisten müssten, wichen sie aus.
Die Gelder, die vom Amt für Betreuung und Qualifizierungsmassnahmen an die Träger gezahlt werden (ca. 300€ monatlich) will der Verein in die Projekte investieren, in denen die 1€ Jobber dann tätig sind (z.B. Fahrradwerkstatt, Gelder für Werkzeuge nutzen), damit sich die Leute ein Standbein aufbauen können und auch nach Ende der Massnahme weiterhin arbeiten können (-ehrenamtlich?). Unsere Frage, warum nicht der gesamte Betrag (500€) direkt an die Leute ausgezahlt werden kann und diese das für welche Zwecke auch immer ausgeben, wurde nicht beantwortet.

Dann gab es ne längere Diskussion mit einem zukünftigen 1€ Jobber, der ein Musikprojekt hochziehen will und der eigentlich nur nochmal das bestätigte, was die Frau aus dem Büro schon erzählt hatte. Er sei froh wenn er endlich mal Geld bekäme für seine Arbeit hier. Seit einigen Jahren engagiert er sich im Verein schon und nur einmal für wenige Monate sei er über GZA finanziert worden. Er sei interessiert daran was andere Leute gegen diese Art der Arbeitsmarktpolitik machen und hätte auch Lust sich zu beteiligen.
Er stellte uns noch einen weiteren Zukünftigen vor, der ein Cafe/ Bar auf dem Gelände des Vereins zZt ehrenamtlich betreibt und über die 1€ Stelle und später mit dem Existenzgründerzuschuss auf Selbständigkeit hofft und davon leben zu können. Auch er sieht das Problem, das wenn man sowas beantragt, diese Art der Zwangsarbeit legitimiert wird.
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