Goiania/Brasilien: Augenzeugenbericht Teil 3
Sinngemäße Übersetzung (Original von Brad Will/ IMC NYC)
Das Original ist im Telegramstil geschrieben, daher nicht über die stichpunktartige Form wundern.
(Original unter: http://nyc.indymedia.org/newswire/display/142247/index.php)
Bericht vom besetzten Landstrich in Goiania, in der Mitte von Brasilien.
Am 16. Februar wurde in Goiania mit Hilfe von 2.500 Polizisten ein Stück Land geräumt das seit9 Monaten von hunderten von Familien auf der Suche nach einem Platz zum Leben besetzt wurde.
Bei der Räumung wurden mehrere Menschen getötet, 800 festgenommen und es gab viele Verletzte.Vor Ort waren 2 Freiwillige von Indymedia. Hier Teil 3 des Berichts von Brad Will zu den Vorkommnissen.
Er durchsuchte dann jede Tasche von mir und tat jedes kleine Stück Papier das er fand mit Telefonnummernund Adressen von Leuten die absolut nichts hiermit zu tun hatten in eine Plastetüte, zusammen mit meinemAusweis und der Kamera -- ich fragte ihn ob er meine zu engen Handfesseln abnehmen, und mir neue(nicht so enge) anlegen könnte -- er aber stellte nur eine Wache an meine Seite und ging davon
Einige Hunde aus dem Camp rannten zwischen uns hin und her und als einer zu dicht an den Polizisten kam, versetzte dieser ihm ein Tritt -- die Militärpolizei schrie andauernd die Gefangenen an und trat auf amBoden sitzende Menschen ein -- meine Rückenschmerzen machten es mir schwer zu sitzen -- die brasilianischeSonne brannte auf uns herab und ich schwitzte stark
das teilweise zerstörte Camp
Als ich aufsah, erkannte ich jemandem von der lokalen Indymediagruppe der auf mich zeigte -- er war nichteinmal in Handschellen -- er kam herüber und erklärte der Wache das ich zu ihm gehörte -- was füreine unglaubliche Erleichterung -- ich war nicht mehr völlig allein -- bald entdeckten wir andere von Indymedia -- seine Videokamera war gestohlen worden -- meine Handfesseln wurden mir schließlich abgenommen und mein ganzer Körper atmete auf
Wir wurden vom Rest der Gefangenen getrennt und in "neutrales" Gebiet zwischen der Gefangenensammelstelle und einem Zelt wo Polizisten ihren "Erfolg" feierten -- sie sagen Lieder -- ich sah in ihre Augen und entdeckte nichts -- es war als ob sie keine Seele hatten, kalte Mörder -- ich sah ein Undercoverpolizistenmit einem Computer und einige sehr junge Leute in ein Auto steigen -- die Tage zuvor wurde viel überInfiltration gesprochen -- die Zeit verstrich
Schließlich wurden wir zusammen mit anderen Gefangenen in ein Bus gesetzt -- da anderen Leute von Indymediaum mich herum waren, war ich relativ ruhig geworden -- auf der Polizeistation war Chaos -- der Papierkram dauerte ewig -- wir wurden in eine Bereich geführt der in eine medizinische Versorgungsstation verwandeltwurde -- auf dem Boden sah man Blutlachen -- Menschen wurden ihre Kopfwunden genäht
Es war sehr hektisch dort und jeder verfügbare Platz wurde für die Gefangenen gebraucht -- trotzdem wardie Stimmung relativ gut -- dort war eine Journalistin die englisch sprach und ich erzählte ihr das ich geschlagen und meine Kamera gestohlen wurde, aber in den Nachrichten nichts dergleichen berichtet wurde --ich wurde medizinisch durchgecheckt und wir machten uns auf den Weg zur Bundespolizei -- ich warder einzigste Ausländer der festgenommen war
Auf dem Weg zur Bundespolizei sahen wir andere Leute von Indymedia die versuchten rauszubekommen was mit uns passiert war -- viele Gruppen von jungen Leuten, die tagsüber in der Schule waren, standen vor dem Polizeigebäude und warten auf ihre Eltern -- in ihren weißen, sauberen und ordentlichen Schuluniformenhätten sie aus jeder gesellschaftlichen Schicht und jedem anderem Land kommen können
Bei der Bundespolizei ging es im Schneckentempo weiter, als sie mit mir über mein Visum diskutierten -- ich hatte ein Touristenvisa aber sie sagten das ich als Journalist arbeite -- wir erklärten ihnen das ichfür Indymedia arbeite und diese Arbeit komplett unbezahlt ist -- schließlich wurde ich entlassen, aber miteinem Gerichtstermin im Juni -- ok -- dann wollten sie Kopien von all meinen Fotos in der Kamera -- das dauerte 3 Stunden und ich war kurz davor zusammenzuklappen
Polizisten zielen aus wenigen Metern Entfernung auf Menschen - Polizist tritt eine Frau
Es ist soviel zu erzählen -- ich hab bis jetzt nur geschrieben was ich alles gesehen habe, aber nun muss ich auch erwähnen was mir anderen Augenzeugen mitgeteilt hatten -- die Leute sagten das leblose Körperin Wasserschächte geschleppt wurden, sie sahen das Leichen in brennende Häuser geworfen wurden -- keiner weiß genau wieviele Menschen noch vermisst werden -- die ganze Nacht fuhren Militärkrankenwagen aus demCamp -- alle Freiwilligen von Indymedia waren an den Krankenhäusern, aber diese Ambulanzen kamen dort nie an -- eine große Vertuschungsaktion war unterwegs, als ich in dieser Nacht schließlich zusammenbrach
Das Krankenhauspersonal war zu verängstigt um mit uns zu reden -- im Camp wurden derweil die ersten Häuservon Bulldozern niedergerissen -- im Gefängnis waren die vermeintlichen Anführer des Camps in spezielleVerhörräume gebracht worden -- Kinder warteten noch immer auf ihre Eltern -- Ströme von Flüchtlingen -- esgab kein Plan der Regierung was mit den nun obdachlosen Menschen zu tun sei
Am nächsten Morgen gab es eine Versammlung bei der katholischen Kirche -- ich fragte einen Freund ob dort Polizei zu erwarten sei und er meinte: niemals, nachdem was gestern passiert war -- an der Kirche gab es ein Soundsystem und die Leute waren überall in und um der Kirche verstreut und schliefen auf dem Boden --viele hatten nicht einmal Kleidung zum wechseln -- ich sprach mit vielen deren ihr Geld, Ausweise und Telefone gestohlen worden war
Jeder war in Eile -- ich machte ein paar Fotos -- in der Kirche, neben dem Altar, waren 2 offenen Särge --das alles war mehr als ich verkraften konnte -- die Särge waren umgeben von weinenden Menschen -- kleineKinder schienen nicht zu verstehen was vor sich ging -- ein Toter hatte ein Bild in der Hand von ihm und seiner Frau in ihrem neuen zu Hause im Camp -- so stolz und voller Leben -- der andere tote hatte merkwürdige Zeichen an der Hand und man sagte mir das dies die Initialen des Polizisten waren der ihn getötet hatte -- irgendeine merkwürdige Art von Trophäenmarkierung -- ich stolperte versört hinaus und weinte -- es hätte jeden treffen können, es hätte auch mich treffen können
Die Polizei behauptete das die Toten sich gegenseitig (bzw. andere aus dem Camp) im allgemeinen Chaoserschossen hatten und die Presse wiederholte dies ohne zu hinterfragen -- die 2 offiziellen Toten -- draußen war eine große Schlange von Menschen die auf Vermißte warteten -- ihre Gesichter -- ich konnte nicht hinsehen
Es wurden ein paar Kleidungsstücke verteilt, sowie Seife und Brot, aber es war ein Tollhaus, jeder schubsteden anderen um die Sachen zu ergattern -- ich ging in das Haus eines Freundes und ruhte mich dort eineWeile aus als Leute zu mir kamen und von einem Angriff bei der Kirche berichteten -- Zivilpolizei hattedie Kundgebung/Beerdigung infiltiert und versucht ein vermeintlichen Anführer der Menschen dort festzunehmen -- die Leute ließen dies aber nicht zu und begannen sich zu wehren -- die Polizisten in zivilschossen daraufhin in die Luft und konnten sich gerade noch hinter eine Polizeikette in der Nähe retten
Die Gemeinde war auf einer Beerdigung -- trotz des Polizeiangriffs, trugen sie die Särge in einen Park, vonwo alle zusammen zum Friedhof fuhren -- nach dem Begräbnis fuhr man zurück zum Haus des Bürgermeisters undcampierte dort für einige Stunden -- ein Sturm zog auf -- die Menschen entschieden sich dann Unterkunft inzwei Turnhallen zu suchen -- was für eine dunkle Nacht
Fortsetzung folgt....
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
wahnsinn:-(
also das ist wirklich mord in meinen augen nichts anderes !
hier zeigt die polizei noch eine viel hemmungslosere fratze als bei uns in europa
kann mir jemand sagen der da bescheid weiss wie es sich derzeit mit der todesschwadronen problematik in brasil verhält das ging ja eine zeit lang auch hier durch die medien ,verebbte dann aber wieder ????
Zustände in Brasilien
In Brasilien wurde hierüber völlig verfälscht berichtet - und zwar in allen Medien (ausser IMC, das ist das dortige Indy). Es wurde so getan, als ob dies eine normale Räumung eines besetzten Geländes gewesen sei.
Tatsache ist, dass Hunderte von Geländen in Brasilien von Menschen ohne Wohnung benutzt werden, um eine Baracke dort zu errichten. Das ist der Beginn jeder Favela in Brasilien - und davon gibt es viele Tausende (allein in São Paulo 3000 Favelas).
Mir liegt keine Information darüber vor, wieso ausgerechnet dieses Gelände nach 9 Monaten plötzlich geräumt werden sollte. Wahrscheinlich gehörte es einer Person mit Einfluss in der Politik.
In brasilianischen Medien wurde nur die Räumung berichtet. Dann tauchten die zwei Toten auf. Es wurde die Polizeiversion wiedergegeben, dass im Gemenge die "Besetzer" eigene Leute erschossen hätten. Warum die angeblich bewaffneten "Besetzer" dann nicht auch Polizisten erschossen hätten, fragte niemand. Es wurden weder über Verletzte berichtet noch über die anderen Toten.
Das "Staatsfernsehen" von Brasilien, Globo, brachte über mehrere Tage hinweg in den 8-Uhr-Abendnachrichten, die von 60% der Fernsehbesitzer in Brasilien gesehen werden, Hetzsendungen gegen die Organisation der Wohnungslosen Brasiliens. Es wurden zwei Steinhäuser gezeigt, die auf dem "besetzten" Gelände gebaut worden seien und mit dem Argument, eines der Häuser habe 200 Quadratmeter gehabt, nahegelegt, dass es sich bei der Organisation von Wohnungslosen um Betrüger handelt, die in Wirklichkeit Mittel hätten, sich komfortable Häuser zu bauen.
Zweitens:
Das Vorgehen der Polizei ist absolut Standart in Brasilien. Wenn gegen "Favelados" (die Einwohner der Favelas) vorgegangen wird, wird immer gezielt geschossen. Die Toten werden dann in der Regel als Drogenhändler bezeichnet. In diesem Fall ging es offenbar darum, ein Exempel gegen die Organisation der Wohnungslosen (in Portugiesisch "sem teto" = ohne Dach)zu statuieren. Sie wird als gewalttätig und "terroristisch" dargestellt in den Medien.
Allein in Rio de Janeiro bringt die Polizei auf diese Art und Weise etwa 1000 Menschen pro Jahr um. In São Paulo sind es etwa 2000 pro Jahr. Dies sind die offiziell zugegebenen Zahlen.
Drittens:
Die Regierung Lula ist auf Tauchstation gegangen. Es wird nicht einmal versucht, irgendetwas zu tun in dieser Hinsicht. Vielmehr beteiligt man sich an der Verschleierung der Tatsachen.
Viertens:
Die Todeschwadrone der Vergangenheit sind heute nicht mehr nötig. Die Polzei fällt ein und tötet jetzt direkt, in Uniform und am hellichten Tag und mit Rückendeckung aller Medien und der Regierungen der Länder und des brasilianischen Bundes (Lula).
Protestfax
Gracias
Entwurf für Protestfax