Aktivitäten rund um den Horst-Wessel-Todestag

Antifa Friedrichshain 21.02.2005 22:31 Themen: Antifa
Am 23.02.2005 jährt sich der Todestag des faschistischen SA-Mannes Horst Wessel zum 75. mal. Neonazis versuchen mit bundesweiter Mobilisierung den nationalsozialistischen Helden-Mythos wieder zu beleben. Antifaschistische Gruppen und Initiativen sind ihrerseits nicht untätig gewesen und mobilisieren zu einer Kundgebung vor dem Friedhof...
Am 23. Februar 2005 ist der 75. Todestag des SA-Sturmführers Horst Wessel. Dieser war am Ende der Weimarer Republik eine der zentralen Figuren der NationalsozialistInnen im Kampf um den „roten“ Friedrichshain in Berlin und wurde am 14. Januar 1930 bei einer Milieustreitigkeit vom Rotfrontkämpfer Albecht Höhler (KPD) in seiner damaligen Wohnung in der Großen Frankfurter Straße 63 (heute Karl-Marx-Allee) mit den Worten „Du weißt ja wofür“ angeschossen. Ein paar Wochen später starb er dann im St.-Joseph-Krankenhaus (heute Krankenhaus Friedrichshain) an einer Blutvergiftung, da er nach dem Schuss nicht sofort von dem jüdischen Arzt Dr. Selo behandelt werden wollte. Grund genug für heutige Neonazis, Wessel als „glühenden Idealisten“ zu stilisieren...

ein ausführlicher Hintergrundartikel zu dem Thema ist auf der Seite der Antifa Friedrichshain zu finden.
 http://freeweb.dnet.it/antifhain/#fenster_wessel05.htm

Die Neonazis mobilisieren seit Dezember 2004 aus ganz Deutschland mit Plakaten für den 23.2.2005 nach Berlin, um am Friedhof Prenzlauer Allee/ Mollstraße dem dort begrabenen SA-Führer Horst Wessel zu gedenken. Bisher liegt aber ihrerseits keine polizeiliche Anmeldung vor.

In den letzten zwei Wochen haben Berliner Neonazis aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften ihre Propagandaaktionen in den Bezirken Treptow/Köpenick, Lichtenberg und Prenzlauer Berg/Pankow verstärkt. Vermehrt wurden dabei Parolen, die Wessel glorifizieren zusammen mit Hakenkreuzen an Wände gesprüht. Außerdem tauchten massig selbstproduzierte Plakate und Aufkleber mit unterschiedlichen Inhalten auf (z.B. „Am 23.02.30 verstarb unser geliebter Sturmführer. Ermordet durch rote Hand. Sein Vermächtnis, ist unser Auftrag. KS-TOR“).

Dies ist keine neue Entwicklung. Seit den 90er Jahren versuchten Neonazis immer wieder Horst Wessel zu gedenken, was aber was immer erfolgreich, teils unter Beteiligung der Berliner Grünen, verhindert werden konnte.

An diese erfolgreichen Interventionen wollen diverse antifaschistische Initativen dieses Jahr anknüpfen. So haben verschiedene Antifagruppen ( http://www.antifa-fh.de.vu/) gemeinsam mit dem VVN-BdA ( http://berlin.vvn-bda.org/veranstaltungen.php3?id=89) eine Kundgebung vor dem Friedhof angemeldet um kein ungestörtes Heldengedenken der Neonazis zuzulassen. Vermutlich sind sie diesmal auch mit ihrer frühen Anmeldung den Neonazis zuvor gekommen. Sie werden wie in den letzten Jahren, ihrem Idol nur in aller Heimlichkeit gedenken können.
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Ergänzungen

Heraus zum Zuhälter-Gedenktag!

trata_de_blancas 22.02.2005 - 06:20
Wessel war in Berlin vor seinem Tod in Folge von "Milieustreitigkeiten" im Wesentlichen als eines bekannt; nämlich als Frauenhändler und Zuhälter. Da sind ihm ja vor Kurzem - Stichwort Sonntag - auch seine Epigonen würdig in die Fußstapfen getreten.

Spaßig...

Ich 22.02.2005 - 10:03
.. ist nicht nur, wie die Nazis diesen Kleinkriminellen und Zuhälter zum Märtyrer hochstilisierten, sondern auch, wie gewisse Kreise der Linken jetzt scheinbar versuchen, den Mord an Wessel als bewußte politische Tat eines Antifaschisten zu werten (Zitat: "... bei einer Milieustreitigkeit vom Rotfrontkämpfer Albecht Höhler (KPD) ... erschossen ...".

Leute, mit solchen geschichtverfälschenden Statements macht Ihr Euch doch lächerlich. Es ist eine bewiesene Tatsache, daß es beim Tod von Wessel um Streitigkeiten im Zuhältermilieu ging (wobei sich dann die Frage aufdrängt, wie ein Linker, der sich doch eher dem Menschenrecht verpflichtet fühlen sollte als ein Nazi, in dieser Branche tätig sein konnte).

Wessel Geschichte

Günther Gegen 22.02.2005 - 13:25
Vorsicht bei den Quellen. der 2. Link ist ein Artikel von einem gewissen Wrath, der in seiner Postille gegen Andersdenkende und vor allem andersgekleidete gewaltsam vorgeht. Davon abgesehen strotzt sein Lügenblatt nur so von schizophrenen Attacken und Arroganz.

AE stoppen, hier und jetzt!!!!!!!!

Nazis Stoppen-deutsche Opfermythen angreifen

ii 22.02.2005 - 13:45
Am 23.02 Nazifackelmarsch in Pforzheim verhindern .
Kein friede mit Deutschland
17.00Uhr Pforzheim

Bundesweite Mobilisierung

Einer 22.02.2005 - 17:31
Auch in Torgau haben Nazis das im Interrnet angebotene Plakat geklebt und sind auf Widerstand der örtlichen Bullen gestoßen.

Bericht aus der TZ:"Provokante Plakat-Aktion
Schildau (TZ). Das Ortseingangsschild von Schildau wurde von Neonazis als Plakattafel zum "Gedenken" an Horst Wessel (Autor des späteren "Kampfliedes" der SA) verwendet. Nachdem TZ einen entsprechenden Hinweis an die Polizei gegeben hatte, gab es gestern Abend die Auskunft, dass es sich nicht um die einzigen Vorkommnisse dieser Art handele. Die Straßenmeisterei Torgau und die Stadtverwaltung seien informiert und hätten für die Entfernung zu sorgen. Außerdem seien Ermittlungen eingeleitet worden, da der Plakathersteller sich auf dem Plakat zu erkennen gibt."

Zu der Ergänzung von Ich: Lies dir doch erstmal den ganzen Aufruf durch bevor du behauptest Antifas würden einen weiteren Mythos verbreiten. "Milieustreitigkeiten" ist natürlich mehrdeutig und beschreibt das Problem nicht genau sagen zu können aus welchen Gründen Wessel nun wirklich angeschossen wurde - alles andere ist nicht bewiesen. Zu verschweigen dass Ali Höhler Rotfrontkämpfer war, wäre jedenfalls falsch, da er ohne diese Tatsache nicht in den Vorfall verwickelt geworden wäre. Dass Wessel Zuhälter war ist eben auch nicht klar und es gibt auch keine Beweise dafür. Aber das steht alles in dem unheimlich langen historischen Abriss der Berliner Antifas.

Wer zu faul ist auf die Seite zu gehen:

Den faschistischen Horst-Wessel-Mythos brechen!

Am 23. Februar 2005 ist der 75. Todestag des SA-Sturmführers Horst Wessel. Dieser war am Ende der Weimarer Republik eine der zentralen Figuren der NationalsozialistInnen im Kampf um den „roten“ Friedrichshain in Berlin und wurde am 14. Januar 1930 bei einer Milieustreitigkeit vom Rotfrontkämpfer Albecht Höhler (KPD) in seiner damaligen Wohnung in der Großen Frankfurter Straße 63 (heute Karl-Marx-Allee) mit den Worten „Du weißt ja wofür“ angeschossen. Ein paar Wochen später starb er dann im St.-Joseph-Krankenhaus (heute Krankenhaus Friedrichshain) an einer Blutvergiftung, da er nach dem Schuss nicht sofort von dem jüdischen Arzt Dr. Selo behandelt werden wollte. Grund genug für heutige Neonazis, Wessel als „glühenden Idealisten“ zu stilisieren und seit Mitte der neunziger Jahre durch Plakate und sog. „Horst-Wessel-Aktionswochen“ zu gedenken. In den letzten drei Jahren haben verschiedene linke Gruppen dieses Gedenken am Grab Wessels auf dem St.-Nicolai-Friedhof (Prenzlauer Allee/Mollstr.) unterbunden und werden es auch 2005 wieder tun.

Das kurze Leben des Horst W.

Neonazis suchen sich meist die ungeeignetsten NationalsozialistInnen für ihre Mythenbildung aus. Opfermythen halten sich „ungeachtet aller Transformationen durch die Jahrhunderte“, schrieb der Historiker Reinhart Koselleck einmal. So auch bei Horst Wessel, der gerade mal 22 Jahre alt wurde und dessen Wirken sich darauf beschränkte, das Lied „Fahne hoch“, die Melodie eines damaligen Gassenhauers, mit neuem Text zu unterlegen und mit seinem SA-Sturm 34 Friedrichshain zwischen 1929 und ´30 durch Gewaltexzesse unsicher zu machen. Er galt zu Lebzeiten als ideologisch gefestigt, war ein Ziehkind Goebbels und durfte schon früh als Ausbilder fungieren.
Als Sohn eines hoch angesehen Kriegspfarrers war er im jüdischen Ghetto im heutigen Mitte aufgewachsen und als fundamentalistisch-christlicher Nationalist erzogen worden. Wer Wessel verstehen will, muss zunächst versuchen seinen fanatischen Vater, Pfarrer Ludwig Wessel zu verstehen, der ebenfalls jung, mit 42 Jahren, an einem alten Kriegsleiden starb und auch auf dem St.-Nicolai-Friedhof begraben liegt. Dieser war im 1. Weltkrieg als Kriegspfarrer tätig und ein geübter Massenredner, der die Soldaten mit einem rassisch grundierten, aggressiven Pangermanismus, einer besonderen Sendung der Deutschen zur Rettung der verderbten Welt, auf den „Heiligen Krieg“ einschwor. Nach dem Krieg war Ludwig Wessel Vorsitzender des Reichsbürgerrats, der sich als scharfer Gegner der Versailler Verträge profilierte und die „Gewalt germanischen Christusglaubens“ propagierte. Bei solch einem Elternhaus ist die politische Karriere des geltungsbedürftigen Horst durchaus nachzuvollziehen und für die damalige Zeit nicht unüblich. Er durchlief in seiner Jugend die Wehrsportverbände Bismarckjugend und Wiking Bund (später Stahlhelm), mit denen die organisierte Rechte nach dem 1. Weltkrieg auf die Organisationsverbote reagierte, und endete 1926 bei der 1925 wieder erlaubten NSDAP.
Die Ortsgruppen der Sturm-Abteilung (SA) wurden zunächst wie Sportabteilungen organisiert und hatten durch ihr derbes Auftreten als Ordner bei Aufmärschen, durch Flugblattaktionen und Straßenschlachten eine hohe Anziehungskraft für Polit-Hooligans wie Horst Wessel. Joseph Goebbels, der 1926 Gauleiter der NSDAP für Berlin-Brandenburg wurde, erkannte schnell Wessels propagandistische Fähigkeiten und ließ ihn innerhalb des „permanenten Wahlkampfs“ der NSDAP Seminare geben, auf Diskussionsveranstaltungen Reden schwingen und von ihm neu interpretierte Hits singen (Wessels SA-Sturm war der einzige mit einer Schalmeienkapelle, die sonst eigentlich nur bei den KommunistInnen üblich waren). Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass die NSDAP keine Lehrmittel bereit hielt und jede RednerIn ihre Seminare selber zusammenstottern musste. Das Niveau solcher Veranstaltungen muss daher noch unter dem heutiger „Kameradschaftsabende“ gelegen haben. Die ideologische Ambivalenz und die mangelnde Festigung der Mitglieder war dafür verantwortlich, dass politische AktivistInnen damals öfters die Lager wechselten. Gleichwohl schaffte es Wessel durch seine Überredungskünste, seinen SA-Sturm innerhalb eines halben Jahres von 30 auf knapp 250 Mitgliedern auszubauen. Doch die Früchte seines kurzen, aber nicht minder erfolgreichen Schaffens sollte er nicht mehr miterleben.
Als sein drei Jahre jüngerer Bruder Werner Wessel, ebenfalls Mitglied der NSDAP und SA, im Dezember 1929 mit einer „Schneeschuhgruppe der Berliner Nationalsozialisten“ im Riesengebirge im Schneesturm erfror, stürzte Horst Wessel in eine seelische Krise, zog mit der Prostituierten Erna Jänichen zusammen und entwickelte sich zu einem Draufgänger, dessen politische Abenteuer mit seinen 250 AnhängerInnen immer mehr ins kriminelle Milieu abdrifteten. Seiner Vermieterin Elisabeth Salm war seine Freundin ein Dorn im Auge und so suchte sie am 14. Januar 1930 Hilfe in „Bärs Kneipe“ (in der heutigen Max-Beer-Straße), einem Sturmlokal der 2. Bereitschaft des Rotfrontkämpferbundes (RFB) der KPD. Salm unterbreitete den RFBlerInnen, dass Wessel, mit dem fast alle Anwesenden eine Rechnung offen hatten, Waffen und belastende Dokumente gegen den RFB in der Wohnung hätte und ihr außerdem die Miete schuldig sei. Der Beschluss, ihm eine „proletarische Abreibung“ zu verpassen, war schnell gefasst. Albrecht Höhler und Erwin Rückert wurden aus dem Lokal „Galsk“ in der Mulackstraße geholt, da sie Waffen besaßen und als erstklassige Schläger und Gelegenheitskriminelle mit eher geringem politischen Anspruch im RFB aktiv und im Kiez bekannt waren. Vor Gericht gab Rückert später zu Protokoll, man habe der Vermieterin „nach dem schönen Brauch der armen Leute“ beistehen wollen.
Über den Ablauf des folgenden Geschehens gibt es verschiedene Versionen. Nach einer schoss Höhler - in Wessels Wohnung angekommen - dem Anführer des SA-Sturms ohne viel Gerede ins Gesicht. Anschließend wurde das Zimmer nach den Dokumenten durchsucht und ohne Erfolg wieder verlassen. Nach einer anderen Version erschoss Höhler Wessel mehr aus Versehen und aus Schreck darüber verließen die RFBlerInnen fluchtartig die Wohnung. Wieder in einer anderen Version griff Wessel zu seiner Pistole und Ali Höhler schoss aus Notwehr. Wie es auch war: der RFB hatte Horst Wessel schon länger als SA-Kader geoutet und war sich dessen Position in der Durchsetzung der Politik der NSDAP in Friedrichshain sehr bewusst. Was aber genau, aus welcher Motivation geschah, kann wahrscheinlich nie mehr hundert pro klargestellt werden. Eindeutig ist nur, dass Wessels Vermieterin Salm die RFBlerInnen in die Wohnung gelassen hat und es kein von langer Hand geplanter Anschlag war, wofür die völlig dilettantische Vorgehensweise spricht. Auch muss das Geschehnis mit einer Auseinandersetzung vor dem KPD-Lokal „Frey“ (Linien-/Joachimstraße) vorher am gleichen Abend bewertet werden: Dort war dem 17jährigen Kommunisten Camillo Roß von Nazis in den Rücken geschossen worden, was die Stimmung der RFBlerInnen noch zusätzlich angeheizt haben dürfte.


Konstruktion eines Mythos

Die Motivation Albrecht Höhlers (im Rotlichtmilieu nur Ali genannt) wurde im nachhinein bis heute immer wieder runtergespielt, überbewertet, falsch interpretiert und vor allem politisch bewusst instrumentalisiert. Schon während Wessels Beerdigung am 6. März 1930 auf dem St.-Nicolai-Friedhof, bei der es zu Tumulten mit Schusswaffengebrauch zwischen den nicht-trauernden Massen und der Polizei kam, verklärte Joseph Goebbels den Toten als quasireligiöse Idealfigur des germanischen Siegfried-Motivs - des „unbekannten SA-Mannes“ - sein Leben zur Passionsgeschichte eines deutschen Messias, eines „Christussozialisten“ und Helden, der von seiner angeblich kommunistischen Zimmerwirtin heimtückisch verraten wurde. Horst Wessel entsprach weithin Goebbels imaginierten deutschen Heldenbildern und Erlösererwartungen und hatte auch für viele NationalsozialistInnen eine eher religiöse als politische Aussagekraft. Nach der Machtübergabe an die NationalsozialistInnen am 30. Januar 1933 bekamen der Bezirk Friedrichshain, das Krankenhaus in Friedrichshain, in dem Wessel gestorben war, der Rosa-Luxemburg-Platz, die Weydingerstraße, ein Schulschiff und sein ehemaliger SA-Sturm 34 den Namen Horst-Wessel und manche Straßen im heutigen Polen schimpfen sich bis heute immer noch so. Weiterhin wurde sein Lied „Fahne hoch“ zur zweiten Nationalhymne und hat bis heute nur wenig Bedeutung für die heutigen Nazis eingebüßt. In späteren NS-Propagandafilmen, Publikationen und einem Horst-Wessel-Bildband (Herausgeberin war seine Schwester, die den Mythos kommerzialisierte) wurde die These des politischen Attentats weiterverfolgt, der heute von Neonazis immer noch reproduziert und von einigen bürgerlichen Institutionen ebenfalls mangels historischer Recherche teilweise verwendet wird. Auch heute noch findet man letzte Spuren dieses Kultes. So steht in der 1935 geweihten Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf eine Kanzel, die mit zahlreichen geschnitzten Figuren verziert ist. Eine davon stellt unverkennbar Horst Wessel als SA-Mann dar.
Der MärtyrerInnenkult hatte für den Nationalsozialismus eine wichtige Bedeutung, so wie er auch für die extreme Rechte heute ein zentraler Punkt ihrer Ideologie ist. Bewusst christlich religiös aufgeladen, geht er damit auf die gnostischen Elemente im Christentum ein. Der Nationalsozialismus vertrat die Idee einer gnostischen Apokalypse, wobei die Söhne des Lichts, die Arier, in deren Adern das Blut Christi fließe, gegen die Söhne der Dunkelheit, den jüdischen Antichristen, kämpfen. Am Ende steht entweder das tausendjährige Reich als weltimmanente Erfüllung der Heilsgeschichte oder der Sieg des Antichristen und mit ihm der Untergang der Menschheit. Für viele ist Nationalsozialismus und Christentum ein Widerspruch, doch der NS hat sich nur scheinbar gegen die Religion gewannt und lehnte allenfalls die institutionalisierten Einrichtungen des Christentums ab. In diesem Bewusstsein stand auch Alfred Rosenbergs (NS-Ideologe) Ummagnetisierung des Christenkreuzes zum Hakenkreuz. Hitler selbst hielt sich für einen neuen Jesus, so sagte er 1926: „Christus war der größte Pionier im Kampf gegen den jüdischen Weltfeind. [...] größte Kämpfernatur, die es auf Erden gegeben hat [...] Die Aufgabe, mit der Jesus begann, die er aber nicht zu Ende führte, werde ich vollenden.“. Er baute in seine Reden aber auch Christus-Zitate aus der Johannes-Offenbarung ein, wie 1926 bei einer Rede vor SA-Männern: „Ihr seid in mir und ich bin in euch.“.
Horst Wessel wurde zum Märtyrer für den Nationalsozialismus, da er perfekt die Rolle des arischen Lichtsohns ausfüllte, der im apokalyptischen Kampf mit dem Antichristen fiel. Er reihte sich damit sowohl in die Kette christlicher, wie auch nationalsozialistischer MärtyrerInnen ein. Manifestation fand das z.B. in seiner Abbildung auf dem Altar in Mariendorf. Ein aktuelles Beispiel für die ideologische Verbindung zwischen Christentum und nazistischer Ideologie bietet die 1981 gegründete britische Neo-Folk-Band „Death in June“, deren Name für den Todesmonat des SA-Führers Ernst Röhm steht, welche das Horst-Wessel-Lied 1987 auf ihrer LP mit dem bezeichnendem Titel „brown book“ in einer A-Cappella-Version als eine Art sakralen Trauergesang vertonte.
Doch auch die KPD drehte an den geschichtlichen Tatsachen und versuchte den Anschlag auf Wessel aus propagandistischen Gründen umzudeuten. Die KPD durchschaute die Strategie Goebbels, versuchte ihrerseits Schaden von sich abzuwenden und verleugnete den geflüchteten Höhler als Polizeispitzel und erfand, dass der Streit unter den beiden wegen Zuhälterei bzw. Eifersucht entstanden war. Bis heute wird diese Auffassung vertreten. So drehte die DEFA noch 1984 den Film „Der Lude“, der die in der DDR offizielle Zuhälter-Story vertrat.

Das Ende der Republik

Um den Horst-Wessel-Mythos nachvollziehen zu können muss die damalige Zeit etwas näher beleuchtet werden. Da wir kein Buch zu diesem Thema veröffentlichen wollten, fassen wir in den folgenden Abschnitten den Übergang der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus stark gekürzt zusammen.
Horst Wessel wirkte und starb in einer Zeit, die von alltäglicher Gewalt und immenser Arbeitslosigkeit (in Berlin-Friedrichshain knapp 40 %) geprägt war. Friedrichshain war als roter Arbeiterbezirk verschrien und das nicht nur, weil hier viele Anhänger der KPD und SPD lebten, sondern auch weil sich hier eine undurchdringliche kriminelle Subkultur herrausausgebildet hatte, die zu bezwingen der Staat nicht in der Lage war. Politische Arbeit wurde von allen Seiten z.T. bis aufs Messer betrieben. In dieser Periode bis Januar 1933 kamen die basisorientierten Politikformen zum Tragen, da sich die Ereignisse überschlugen und von allen AkteurInnen eine Radikalisierung der Politik forderten. Der Kampf der KPD und NSDAP um die Stimmen der ArbeiterInnen in Berlin wurde traditionell mit Massenschlägereien ausgetragen.
Der Rotfrontkämpferbund nahm als KPD-Massenorganisation wegen seiner großen Mitgliederzahl, der hohen Opferbereitschaft und der militanten Vorgehensweise im Kampf gegen die SA und die Republikschutztruppe Reichsbanner (gegründet von der SPD) eine Sonderstellung im politischen Straßenkampf ein. RFBlerInnen sahen sich als „Soldaten der Revolution“. Auf der Ebene des Straßenkampfes herrschte zu dieser Zeit ein Gleichgewicht zwischen den politischen Gruppen.
Der Polizeipräsident von Berlin Zörgiebel (SPD) verhing am 21. März 1929 ein Demonstrationsverbot, an das sich die KPD aber nicht hielt. Es folgte der „Blutmai“ – der 1. Mai 1929, an dem rote Barrikaden in Neukölln, Moabit und Wedding standen und bis zum 3. Mai 33 Menschen von der Polizei erschossen wurden. Daraufhin wurde die KPD und der RFB kurzzeitig verboten. Als im Januar 1930 Wessel angeschossen wurde, geschah das zeitgleich mit einem neuen generellen Versammlungsverbot durch den preußischen Innenminister Albert Grzesinski (SPD), der damit die Luxemburg-Liebknecht-Demo der KPD und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsgerichteten Organisationen verhindern wollte. Die gesamtgesellschaftliche Lage bezüglich der Arbeitslosigkeit verschlechterte sich und es wurde deutlich, dass die Regierungskoalition aus SPD und der Deutschen Volkspartei (DVP) handlungsunfähig war. Diese zerbrach im März 1930 am Streit über Sparmaßnahmen, die ergriffen worden waren, um den Versailler Vertrag zu erfüllen und die Weltwirtschaftskrise auszugleichen.
Kein Tag verging, an dem es nicht zu Auseinandersetzungen zwischen Rotfrontkämpferbund, SA und Reichsbanner kam. Die politische Situation der Linken war gespannt, da es für die KommunistInnen unmöglich war, mit den KonterrevolutionärInnen der SPD zusammenzuarbeiten. Das lag vor allem an den noch frischen Erinnerungen an die vielen politischen Morde der SPD während und nach der gescheiterten Revolution von 1918/19, wobei sich vor allem der „Bluthund Noske“ (Reichswehrminister, SPD) einen Namen gemacht hatte. Aber auch die NSDAP konnte ihre Leute nicht zusammenhalten und der linke Flügel in der NSDAP unter Otto Strasser, der seine sozialistischen Forderungen nicht durchsetzen konnte, spaltete sich ab und demolierte am 30. August 1930 eine Geschäftsstelle der NSDAP, nur zwei Wochen vor der Wahl vom 14. September. Die NSDAP erzielte bei dieser Wahl republikweit 18,3 % und trat damit aus ihrer Position als Splitterpartei heraus auf die parlamentarische Bühne. Dort war sie nun zweitstärkste politische Partei. In Friedrichshain hatte bei dieser Wahl die NSDAP gerade mal 11% erreicht und die KPD, obgleich zeitweise verboten, immerhin 38 %.
Nur wenige Tage nach der Wahl fand der Prozess gegen Höhler, Rückert und die anderen Beteiligten am Anschlag auf Horst Wessel statt. Höhler war zunächst durch die Rote Hilfe nach Prag geflohen, kehrte aber aus Geldmangel wieder nach Berlin zurück, wo er und alle anderen Beteiligten festgenommen wurden. Höhler und Rückert erhielten sechs Jahre Haft, die anderen zwischen einem und fünf Jahren wegen schwerer Köperverletzung mit Todesfolge. Die Geliebte Wessels Erna Jänichen, die Hauptbelastungszeugin, tauchte unter und trat später wieder ans Licht der Öffentlichkeit, um gegen ihre Darstellung in einem schnulzigen Liebesroman über Horst Wessel zu klagen.
Immer mehr gelangten die politischen AkteurInnen dieser Zeit zu der Erkenntnis, dass der Kampf auf der Straße das einzige erfolgreiche Mittel der politischen Einflussnahme darstellte. Am 5. Dezember 1930 sollte beispielsweise der Anti-Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ nach dem Roman von Erich Maria Remarque uraufgeführt werden. SA-Leute störten bei der Premiere und bis zum 9. Dezember randalierten sie vor den Kinos, bis die Filmoberprüfstelle schließlich beschloss, den Film zu verbieten. Im Saalbau Friedrichshain (Am Friedrichshain 16/18) kam es am 22. Januar 1931 nach einer sehr kontroversen Diskussionsveranstaltung zwischen Gauleiter Goebbels (NSDAP) und Bezirksleiter Ulbricht (KPD) zu einer langen und blutigen Saalschlacht zwischen den ZuhörerInnen mit 60 Schwerverletzten und demolierter Inneneinrichtung.
Die Weimarer Republik und ihre sozialdemokratische Führung reagierte auf diese Auseinandersetzungen mit Verboten, Verfügungen und anderen Repressalien, wodurch sich die Massenorganisationen der KPD und NSDAP aber nur bedingt einschüchtern ließen.
Die KPDlerInnen waren als MarxistInnen AnhängerInnen des dialektischen und historischen Materialismus. D.h. sie gingen davon aus, dass sich die historische Entwicklung auf die Revolution zu bewege. Innerhalb dieser Entwicklung gäbe es keine Rückschritte, höchstens Hemmnisse, welche die Revolutionierung der Verhältnisse aufhalten, aber nie stoppen könne. Die SPD wurde als so ein Hemmnis gesehen, das hatte sich schon während der gescheiterten Revolution gezeigt, als die SPD - neu an der Macht - zunächst erst einmal Luxemburg und Liebknecht umbringen ließ und mit der alten Reichswehrführung einen Pakt gegen die Revolution schloss („Ich hasse die Revolution wie die Sünde“ Friedrich Ebert - SPD), wodurch noch Hunderte weiterer KomunistInnen umgebracht wurden. Die SPD wurde fortan als „sozialfaschistisch“ bezeichnet, da sie die kapitalistische Ordnung um jeden Preis und gegen jeden sozialistischen Anspruch verteidigte (das änderte sich übrigens auch nicht nach der Machtübergabe an Hitler 1933). Die KPD-Führung forderte die Basis auf, nicht mit „Trotzkisten und Anarchisten“ zusammenzuarbeiten, da jeder „Individualterror“ nur schade. Es gab aber auch Streitigkeiten innerhalb der KPD zu diesem Thema, so forderte Heinz Neumann, „Schlagt die Faschisten wo ihr sie trefft!“ – was auch mehrfach lokal zusammen mit AnarchistInnen passierte. Dieses pragmatische Ansinnen fand aber in der KPD kaum Gehör. Die 1932 gebildete „Antifaschistischen Aktion“, die eine parteiübergreifende Massenbewegung sein sollte, scheiterte schnell wieder aufgrund des autoritären Führungsanspruchs der KPD. Die „Antifaschistische Aktion“ wurde eher taktisch benutzt, um der SPD Mitglieder zu entziehen, und weniger um eine wirkliche Volksfront zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt war schon vieles gelaufen und Übergriffe der SA auf Parteiversammlungen der KPD, wie am 19. Januar 1932 in Berlin, als zwei Kommunisten getötet wurden, an der Tagesordnung.

Die SPD entgegnete „Bolschewismus und Faschismus sind Brüder“ und wollte zunächst die kapitalistische Ordnung stabilisieren, um danach die eigenen Politikansätze des Sozialismus fortführen zu können (das ist bis heute nicht geglückt). Ihre Antwort auf die Gewalt der Straße war die Organisation „Eiserne Front“, welche aber lediglich Großdemonstrationen mit einheitlichem Gruß und Symbolen organisierte, obwohl von den AnhängerInnen eine konkrete Intervenierung auf der Straße gegen die SA herbeigesehnt wurde. Das Unbehagen der SPD-Führung auf alles, was kommunistisch anmutete, war so stark, dass ein Zusammengehen gegen die NSDAP abgelehnt wurde.
Neben den beiden großen Parteien KPD und SPD gab es im Widerstand gegen die SA und NSDAP der dreißiger Jahre unabhängige Kleingruppen aus dem basisdemokratischen, rätekommunistischen und anarcho-syndikalistischen Spektrum (z.B. die Freie ArbeiterInnen Union Deutschland um Rudolf Rocker und Erich Mühsam).
Die FAUD, die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft, hatte sich schon Anfang der 20er Jahre bewährt, als gegen den Kapp-Putsch gekämpft und die Rote-Ruhr-Armee gebildet worden war. Der Unterschied zum RFB, der unter der Fuchtel der KPD stand, die wiederum stark von den Weisungen aus Moskau abhängig war, wurde auch bei den direkten Aktionsformen augenfällig: Sabotage, Boykott, Streik waren die Mittel der rund 20.000 FAUD-MitgliederInnen, die sie 1930 noch hatte.
Die politischen Kämpfe im Arbeiterbezirk Friedrichshain machten auch vor staatstragenden Institutionen wie z.B. den Verfolgungsbehörden nicht halt.
Denn einige PolizistInnen lehnten die Unentschlossenheit vieler Vorgesetzter bei der Aufklärung des Straßenterrors der SA entschieden und aktiv ab. Diese kritischen Kräfte wurden später zwar entfernt, sorgten aber in den zu betrachtenden Jahren 1930-33 für viele interne Streitigkeiten. Im Revier 85, in dem auch der Mordfall Horst Wessel 1930 behandelt wurde, gab es im Jahr 1931 mehrere nicht genehmigte Demonstrationen der KPD, die gegen die relativ kulante Einsatzleitung durchgesetzt werden konnten. Bei einer dieser Demonstrationen wurde der Polizeioberwachtmeister Kuhfeld auf der Frankfurter Allee niedergeschossen und von den Nazis als „Kämpfer gegen den Bolschewismus“ stilisiert. Obwohl der Täter NSDAP-Mitglied war und das Opfer dem sozialdemokratischen Kampfbund „Reichsbanner“ angehörte, spielte der Vorfall eine wichtige Rolle bei der Zerschlagung des Rotfrontkämpferbundes als Teil der KPD 1933. Der RFB wäre von der NSDAP nach der Machtübergabe ohnehin verboten worden. Die Begründungen für solche Verbote und Erlasse mussten, zumindest 1933, noch für die Öffentlichkeit erklärbar sein. Daher stützten sich die Nazis auf derlei Konstrukte.

Wie Hitler zu Deutschland kam

Am 20. Juli 1932 wurde der rechtskonservative Franz von Papen mit seinem Präsidialkabinett per Staatsstreich an die Macht befördert. Aufgrund der Uneinigkeit der demokratischen Parteien hatte dieser vorher schon die kurzzeitigen Verbote der SA und SS aufgehoben, um sich die Unterstützung der NSDAP im Parlament zu sichern. Am 31. Juli 1932 wurde die NSDAP zur stärksten politischen Kraft im Reichstag. Sie erhielt 37,4%. In Berlin-Friedrichshain fielen die Wahlergebnisse völlig anders aus. So erhielt die KPD hier 38,55% (republikweit: 14,3 %), während die NSDAP „nur“ 20% erreichte.
Die NationalsozialistInnen gelangten an die Macht, weil mehrere Faktoren zusammenkamen: die Wirtschaftskrise, die Sehnsucht nach einem Ende der Unordnung und der organisierten Gewalt auf den Straßen, unter denen die Weimarer Republik zu leiden hatte, die angeblich drohende Machtübernahme der Linken, die visionäre, stark antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus und schließlich Hitlers Persönlichkeit. Sein flammender, offen gezeigter Hass zog viele unwiderstehlich an, zumal in einer Zeit des politischen und wirtschaftlichen Chaos. Viele Deutsche stimmten für die NSDAP, weil sie in ihr die einzige politische Kraft sahen, die fähig schien, Ordnung und sozialen Frieden wiederherzustellen, Deutschlands innenpolitische Feinde zu bezwingen und seine außenpolitische Großmachtsstellung zurückzuerringen. Jeder dieser Punkte für sich alleingenommen könnte den Erfolg des NS nicht ausreichend erklären. Allein die wirtschaftliche Situation hätte wohl niemanden zur NationalsozialistIn gemacht, denn eine bessere wirtschaftliche Stellung der Bevölkerung versprach auch die KPD. Sie konnte genau wie die NSDAP nicht für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht werden, zumal sie auf Russland verweisen konnte, das von der Weltwirtschaftskrise nicht betroffen war. Die wichtigsten Unterschiede zur KPD stellten die zentralen Punkte der NSDAP, Antisemitismus und Nationalismus, dar. Diese Punkte fanden in fast allen öffentlichen Reden und Wahlkampfveranstaltungen der NSDAP Eingang und waren so für alle ein ersichtlicher Bestandteil der Partei (z.B. bei der grundlegenden Rede Hitlers vor 1200 ZuschauerInnen am 13. August 1920 mit dem Titel: “Warum sind wir Antisemiten?“) Auch das 1920 verabschiedete und nie geänderte 25-Punkte-Programm der NSDAP rückte Antisemitismus und Nationalismus in den Vordergrund. Beispielhaft dafür war Punkt 4, auch wenn es in vielen weiteren Punkten zum Gegenstand gemacht wurde. Dort heißt es: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“ Zweifellos waren Antisemitismus und Nationalismus auch fester Bestandteil anderer rechter Parteien, wie z.B. der Deutsch-nationalen Volkspartei (DNVP). Hier kamen vor allem Hitlers Fähigkeiten zum Tragen, die schließlich die NSDAP so erfolgreich machten. Ganz zentral unter diesem Aspekt sind die von der NSDAP organisierten Massenveranstaltungen zu sehen. Sie setzten ein esoterisches Konzept ein, das auf Massenwirkung abzielte. Bei großen Veranstaltungen wurde alles mit einbezogen, die Architektur der Gebäude, Licht, Akustik, die Gesten der RednerInnen, usw. Zentral war hier die von den Nazis gewählte Fahne. Sie war keinesfalls unbedacht ausgewählt - vielleicht weil man sie hübsch gefunden hätte - sondern sie erfüllte einen Zweck. Einerseits war die Farbe Rot natürlich als politisches Signal bekannt und auch das Hakenkreuz wurde schon vorher benutzt. Die Bedeutung dieser Symbole wurde kognitiv in der Fahne transportiert. Des weiteren gab es aber mehrere esoterische Aspekte: zum einen stand das Hakenkreuz für die Ideologie der IndogermanistInnen, die glaubten, über die Sprache eine arische Rasse nachweisen zu können, die von Asien nach Europa gewandert war; zum anderen war die Farbe Rot sehr aggressiv und unterstützte eine gewisse Sogwirkung, dessen Zentrum das Hakenkreuz war. Wenn sich die Fahne im Wind bewegte, wurde diese Sogwirkung durch das sich scheinbar drehende Hakenkreuz verstärkt. All das in diesen emotional aufgeheizten Veranstaltungen konnte einen rauschartigen Zustand hervorrufen. Ihren Höhepunkt erreichten die Veranstaltungen, wenn Hitler selbst die RednerInnenbühne betrat. Sein Auftritt könnte vielleicht mit der Faszination für heutige Stars verglichen werden. Die Masse tobte. Dieser Rausch, in den sich die Masse hineinsteigerte, ist aber keinesfalls als Entschuldigung für den NS zu verstehen, in dem Sinne, dass die Masse etwa so hypnotisiert gewesen wäre, dass sie nicht mehr gewusst hätte, was sie tat. Diese Menschen wollten das Rauscherlebnis, sie wollten in der Masse aufgehen. Sie wollten auch dem Führer gehorsame Untertanen sein und gaben sich selbst als Opfer an ihn. In diesem Sinne ist auch der bekannte Ausspruch: „Auch du gehörst dem Führer“ zu verstehen.
Nachdem Hindenburg den NationalsozialistInnen die von ihnen als stärkste Partei geforderte ganze politische Macht verweigerte und Hitler die ihm angebotene Vizekanzlerschaft ablehnte, begann die Massenbasis der NSDAP zu bröckeln. Schon bei der Wahl im November 1932 konnte die NSDAP republikweit nur noch 33,1 % der Stimmen gewinnen, zum einen weil der erhoffte, von den Nazis grundsätzlich versprochene Wandel aufgrund der Taktiererei Hitlers wieder in weite Ferne rückte. Andere fühlten sich wahrscheinlich aufgrund der programmatischen Schwäche nicht mehr von Hitler richtig vertreten und wählten stattdessen lieber etablierte rechte Parteien wie die DNVP. Auch die KPD konnte in ihrer NSDAP-Opposition wieder massiv Stimmen für sich gewinnen. Nachdem einige Leitartikel zum Ende des Jahres 1932 schon das Ende der Hitlerbewegung prophezeiten, konnte die NSDAP mit großen Anstrengungen den Trend noch mal umbiegen und ihr Ergebnis bei der Wahl Mitte Januar 1933 auf 39,5 % verbessern. Daraufhin beauftragte von Papen Hitler mit der Regierungsbildung. Am 30. Januar 1933 wurde die nationalsozialistische Regierung unter Hitler mit Franz von Papen und den Stimmen der Konservativen im Parlament offiziell eingesetzt. Dieses Datum gilt gemeinhin als „Tag der Machtübernahme“ (angebrachter wäre die Formulierung Machtübergabe), der dann auch republikweit mit Fackelmärschen der SA-Braunhemden gefeiert wurde.
Am 30. Januar 1933 machte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler und beendete damit das Chaos in der deutschen Regierung. Die KPD rief daraufhin zum Generalstreik auf, doch nur 50.000 ihrer 250.000 Mitglieder hatten noch Arbeit und alle anderen waren spätestens seit der Papen-Regierung 1932 entlassen worden. Die SPD wiederum zog nicht mit, da sie immer noch glaubte, auf verfassungstreuem Weg die Macht wieder zu erlangen. Deutschland hatte übrigens die bestorganisierte ArbeiterInnenbewegung dieser Zeit, doch auch diese war ein Produkt autoritärer Erziehung und Zurechtstutzung durch den Kapitalismus preußischer Art, ohne jede Eigeninitiative, was den massenhaften Ungehorsam gegen das neue Regime verunmöglichte. Diese Stillhalte-Strategie hat, natürlich auch beeinflusst durch den mörderischen Terror der Nazis, den Widerstand nach 1933 stark geprägt und viele Möglichkeiten verbaut.
Interessant ist auch die Tatsache, dass in dieser Zeit die Führung der Berliner Polizei von Reichsbanneraktivisten der SPD durchsetzt war, namentlich Polizeipräsident Grzesinski (der 1930 noch die LL-Demo verboten hatte), welche am 20. Juli 1932 opferwillig mit ihrer Anhängerschaft in Waffen bereit standen, die Weimarer Republik gegen den Staatsstreich, den sog. „Preußenschlag“ des Franz von Papen zu verteidigen. Doch die Führung der SPD gab nicht den erhofften Befehl und die Berliner Polizei wurde in den ersten Monaten 1933 nach Erlassung der Notverordnungen von sämtlichen sozialdemokratischen oder anderweitig kritischen Menschen gesäubert.

Nach der Machtübergabe

Nachdem Hitler die Macht erlangte und am 28. Februar 1933 seine „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ nach dem Reichstagsbrand erließ, sollte die Bestätigung des Machtanspruchs durch die Bevölkerung mittels der Reichstagswahlen am 5. März 1933 erfolgen. Dabei erzielte die NSDAP nur 44%, was unter den gegebenen Umständen, dass sämtliche politische Gegner durch SA und Schikanen mundtot gemacht oder ins Exil getrieben wurden, als Niederlage gewertet werden muss (Friedrichshain: NSDAP-32% und KPD-29 %).
Dazu eine kleine Wahlkampfanekdote von Karl Lewke (KPD) vom März 1933 in Friedrichshain: „Als ich gegen Mitternacht in der Liebigstraße eintraf, stieß ich auf die Genossen der Straßenzelle, die beim Kleben und Malen waren. Nazis des berüchtigten Horst-Wessel-Sturms, die oben an der Liebigstr. Ecke Rigaer Straße standen und sich nicht in die Liebigstraße trauten, schossen blindlings in die Nacht. Ihnen steckte wohl noch die mehrmalige Abfuhr im Jahre 1932 in den Knochen ...“
Der eigentliche Übergang von der zweimonatigen Scheindemokratie zur NS-Diktatur erfolgte am 23. März 1933, als Hitler ein „Ermächtigungsgesetzt zur Behebung der Not von Volk und Reich“ einbrachte, was mit den Stimmen der christlichen Zentrums-Partei und bürgerlichen Mitteparteien mit 2/3 Mehrheit gegen die Stimmen der SPD und der nicht anwesenden KPD (ihre Reichstagsmandate waren als ungültig erklärt worden) angenommen wurde.
Im Friedrichshain dieser Zeit machte es der RFB der SA und NSDAP sehr schwer, sich auszubreiten und konnte im Vergleich zu anderen Regionen noch sehr lang, bis März 1933 unter wechselnden Namen öffentlich auftreten. Am 1. Mai 1933 konnten sogar in der Strassmannstrasse und in der Friedrichsfelder Straße zwei kurze Alternativdemonstrationen gegen den 1. Mai-Aufzug der NSDAP klandestin organisiert werden. Die SA hatte dagegen jetzt aber die Möglichkeit, ohne auf Reglementierung durch die Führung der NSDAP hören zu müssen, alte Rechnungen mit dem RFB und anderen zu begleichen.
Ein Beispiel für eine dieser Aktionen der Berliner SA ist die im August `33 durchgeführte Folterung und versuchte Hinrichtung von Max Weichert, Leiter der KPD Straßenzelle 517, Bruno Schilter und Kurt Zinke, der damals mit der Reorganisierung der Roten Jungfront in Lichtenberg beauftragt war und der den Hergang wie folgt beschreibt: „In der Nacht wurde ich durch den Horst-Wessel-Sturm in der Wohnung meiner Eltern verhaftet und in das Keglerheim (Petersburger Str. 86) gebracht. Bei dieser Vernehmung wurde mir ein Lungenriss, ein Leberriss und eine Nierenquetschung beigebracht, bevor ich zusammen mit den Genossen Schilter und Weichert an der Schwarzen Brücke (Thaerstraße) erschossen werden sollte“. Weichert und Zinke wehrten sich gegen die Exekution und konnten entkommen, während Schilter mit ausgekugelten Armen und Beinen an drei Kopfschüssen starb. Vielen anderen unbekannt gebliebenden ist es ebenso ergangen. Die Zahl der Razzien und Folterungen in den sog. „wilden KZs“ der SA in Friedrichshain (neben dem Keglerheim gab es noch die „Viehbörse“ in der Eldenaer Str.) und das verursachte Leid sind heute nicht mehr zu ermessen.
Auch im Fall Wessel tat sich drei Jahre nach seinem Tod wieder etwas: Die Verfahren wurden unter Leitung der SA wieder aufgerollt und alle Beteiligten (auch die Vermieterin Wessels) in KZs gesteckt, wo sie schließlich starben. Mit Ausnahme Ali Höhlers, dieser wurde sofort und ohne Prozess von der SA im Wald vor Berlin umgebracht.
Doch für die SA, einstige Elitetruppe Hitlers, ging es fortan bergab. Nachdem Hitler im Laufe des Jahres 1933 seine Macht immer weiter gesichert hatte - auch dank der SA - entzog er ihr im Sommer 1934 mit dem vorgetäuschten sog. „Röhm-Putsch“ fast alle Macht und ermordete die SA-Führung um Ernst Röhm. Zum einen wollte Hitler damit die militärische Konkurrenz zur Reichswehr beseitigen und zum anderen den Weg für die SS bereiten. Die darauf folgende Geschichte des Nationalsozialismus, Angriffskrieg, Holocaust und die Niederringung Nazideutschlands durch die Alliierten nach zwölf Jahren „Drittes Reich“ dürfte hinlänglich bekannt sein.

Der Widerstand

Auch hier wollen wir nur einen kleinen Überblick verschaffen, um unserem Bedürfnis der Erwähnung dieses Abschnitts Rechnung zu tragen.
Nach 1933 entwickelten sich jene basisorientierten anarchistischen, kommunistischen, aber auch sozialdemokratischen Gruppen, die sich schon vor der Machtergreifung erfolgreich gegen die Nazis gewehrt hatten, weiter und beschäftigten sich vor allem mit der Verbreitung illegaler Schriften, dem Betreiben von Piratensendern oder sie sammelten qualifizierte Kräfte für eine Erneuerung der ArbeiterInnenbewegung und des Staates. Diese Gruppen waren durch ihre zum Teil klandestine Struktur der Repression durch die SA und später den NS-Polizeiapparat nicht vollständig ausgeliefert, standen aber immer wieder vor dem Problem, zu wenige zu sein. Denunziation und eingeschleuste Spitzel sorgten auch hier wie schon vorher beim RFB für eine Zerschlagung und teilweise Liquidierung der AktivistInnen. Mensch war eben auf Hilfe von anderen angewiesen und wusste auch nicht, dass zwölf Jahre Nationalsozialismus bevorstanden.
Das eigentliche Problem war aber die noch lange Zeit vorherrschende eklatante Fehleinschätzung der Stabilität des „Hitler-Regimes“. Viele KommunistInnen sahen die Nazis nur für eine kurze Übergangszeit an der Macht, ehe dann den Massen die Augen über den „wahren Charakter“ der Nazi-Herrschaft geöffnet werde, und die Revolution nach sowjetischem Vorbild komme. Bis 1936 verheizten sich daher zahlreiche linke AktivistInnen in Aktionen, anstatt sich auf eine lang währende Illegalität mit klandestinen Strukturen vorzubereiten. Auch der Glaube, dass Aufklärung über die Nazis noch etwas an der Situation ändern könnte, war sehr weit verbreitet. Erst in der absoluten Niederlage kam es zu einer Annäherung von ehemals verfeindeten Gruppierungen.

Die aktuelle Wessel-Problematik

Horst Wessels Grab wurde von den Sowjets wie alle anderen Nazi-Denkmäler unkenntlich gemacht und ist seitdem nur noch über das Grab seines Vaters auf dem St.-Nicolai-Friedhof (Prenzlauer Allee/Mollstr.) aufzuspüren. Am 23. Februar 1997 legten rechte Jugendliche dort unter Aufsicht der Polizei Kränze nieder. Die Linke kam nicht richtig in die Gänge und war erst ab dem nächsten Jahr immer am Todestag am Friedhof, um solche Aktionen zu verhindern. Als im Jahr 2000 am 70. Todestag die „autonomen Totengräber“ angeblich Wessels Schädel ausbuddelten und in der Spree versenkten, war die Empörung in der Naziszene groß und Oliver Schweigert (Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg) meldete eine Demonstration an, die aber mittels einer achtseitigen Begründung verboten wurde. Zwei Tage später veranstalteten 50 Nazis am Friedhof eine Kundgebung „Gegen Grabschändung“ und eine Woche später eine weitere. 2001 und 2002 konnte durch antifaschistische Kundgebungen unter Beteiligung der Berliner Grünen (Wolfgang Wieland, später Justizsenator von Berlin, war auch da) eine Ehrung Wessels verhindert werden. Auch überregional sprangen Neonazis auf den Wessel-Hype auf. So verteilte 2002 die inzwischen aufgelöste „Pommersche Aktionsfront“ Flugblätter und Aufkleber in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Förderverein Karl-Marx-Allee ließ 2001 vor dem ehemaligen Wohnhaus Wessels eine Gedenktafel errichten, die aber wegen der zu unkritischen Darstellung wieder verhüllt wurde und seitdem auf eine Erneuerung wartet.
2003 und 2004 kamen die Neonazis auch nur heimlich in die Nähe des Friedhofs, da die Umgebung mit Antifas überfüllt war. Die Kameradschaft Tor veranstaltete 2004 einige Straßenbahnstationen weiter vor dem Krankenhaus Friedrichshain, wo Wessel starb, eine Kurzkundgebung fürs Foto mit Transparent-Hochhalten. Um ein positives Gedenken an die SA durch Neonazis auch dieses Jahr zu verhindern werden wir am 23. Februar 2005 zwischen 16 und 20 Uhr vor dem Friedhof eine Kundgebung abhalten.

Zum Weiterlesen:
1 Antieverything „Demontage eines Mythos“  http://www.8ung.at/antieverything
2 GdV radikal Team „Gegen das Vergessen“
3 Girod, Regina / Lidschun, Reiner / Pfeiffer, Otto „Nachbarn. Juden in Friedrichshain“
4 Ian Kershaw: Hitler. München 2002.
5 Klaus Kinner: Der deutsche Kommunismus. Berlin 1999.
6 Knoblauch, Heinz „Der arme Epstein“
7 Reschke, Oliver „Der Kampf der Nationalsozialisten um den roten Friedrichshain 1925-1933“. Berlin 2004.
8 Sandvoß, Hans Rainer „Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg“
9 Sebastian Haffner: Der Verrat. München 2002.
10 Timm, Uwe „Was ist eigentliche Faschismus“
11 Wolfgang Wippermann: Faschismustheorien. Berlin 1998.

Info zu Horst Wessel

X 23.02.2005 - 01:31
Hier ist ein weiterer sehr interessanter Artikel zum Leben und Sterben des mietschuldigen Sturmführers.

Der umtriebige Stiefelnazi Horst Wessel war zwar kein Zuhälter sondern eher eine Lokalgröße des politischen Straßenkampfes im Kiez, hat jedoch mit seiner Freundin Erna Jänichen - einer Gelegenheitsprostituierten - zusammen gewohnt. Er lebte zur Untermiete bei der Witwe Elisabeth Salm, die daran Anstoß nahm. Als er nicht bereit war, zusätzliche Miete zu zahlen, gab sie einigen Kommunisten des verbotenen Rotfrontkämpferbundes den Tip, wo sie Wessel finden könnten. Sie wollte ihn einfach loswerden, da fielen ihr alte Bekannte ihres verstorbenen Mannes beim RFB ein.
Warum Ali Höhler schoss, das weiss man nicht. Klar ist aber, dass er aus dem 'Milieu' kam und einer RFB-Bereitschaft angehörte, die erst kurz zuvor aus dem bandenkriminellen Ringverein 'Immertreu' zum RFB übergwechselt war, als 'Immertreu' verboten worden war. Ringvereine waren schlichtweg Gangsterkartelle, die öffentlich als Sing- oder Wandervereine getarnt auftraten.

Die KPD versuchte, ihren Namen aus dieser Provinzposse rauszuhalten und verbreitete daher die Rotlicht-Story, nach der Horst Wessel und Ali Höhler als Zuhälter um Erna Jänichen rivalisiert hätten. Beim späteren Gerichtsprozess fiel die Geschichte auseinander, trotzdem war sie auch in der DDR noch die allgemein verbreite Version.

Goebbels baute Horst Wessel zu einem Nazi-Superstar aus, wobei er darauf achtete, dass möglichst wenig Informationen über den tatsächlichen Toten verbreitet werden. Schließlich sollte der Bürger ja keine Kinderbilder oder Schulzeugnisse seines Märtyrers sehen, das hätte den Mythos entzaubert.

Die bürgerliche Presse trat auch nicht gerade investigativ auf. Heute ist es aufgrund der diversen Instrumentalisierungen und Verfälschungen kaum möglich, mehr über diese eigenartige Geschichte zu erfahren. Nur eines ist klar: es steckt eine wesentlich banalere Angelegenheit dahinter, die mit dem verklärten Nazimythos eines planmäßig von jüdisch-kontrollierten Kommunisten hingerichteten Helden nichts zu tun hat.

Der Mythos um den zu seiner Zeit höchstens lokal bekannten Horst Wessel wird von Neonazis heute benutzt, um sich selbst als Opfer eines halluzinierten 'roten Terrors' zu klassifizieren.

Link

X 23.02.2005 - 01:39
Der Link ist nicht mitgekommen.

Taz: Neonazis feiern heimlich ihren Helden

presse 23.02.2005 - 09:54
Neonazis feiern heimlich ihren Helden
Zum 75. Todestag des SA-Führers Horst Wessel wollen Rechtsextreme heute unangemeldet zum Grab marschieren
Sympathisanten der rechtsextremen Kameradschaft Tor wollen heute am Friedhof Prenzlauer Allee Ecke Mollstraße des SA-Führers Horst Wessel gedenken, der dort begraben liegt. In Massen werden sie wohl aber nicht kommen. Denn weder findet sich im Internet ein Aufruf, noch hat es sonst flächendeckend Ankündigungsplakate gegeben. Die Polizei hat von dem Aufmarsch nur über einen kleinen Flyer erfahren, der an einer Bushaltestelle in Köpenick klebte. Eine polizeiliche Anmeldung für den rechten Aufmarsch liegt nicht vor. Die Polizei rechnet höchstens mit "einigen Dutzend Teilnehmern".

Die Antifa Friedrichshain befürchtet mehr. Seit Wochen hätten Berliner Neonazis aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften in den Bezirken Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Pankow zusammen mit Hakenkreuzen Parolen an Wände gesprüht, die auf den Gedenkmarsch hinweisen, sagte ein Antifa-Sprecher.

Wessel, der heute vor 75 Jahren an den Folgen einer Schießerei mit Rotfrontkämpfern verstarb, war in den turbulenten Jahren der Weimarer Republik SA-Führer und machte vor allem mit Übergriffen im damaligen "roten" Friedrichshain von sich reden. In der NS-Zeit stilisierte ihn Reichspropagandaminister Goebbels zum Märtyer. Das "Horst-Wessel-Lied" wurde zur Hymne der SA. Seit den 1990er-Jahren versuchen Neonazis das Gedenken an den SA-Schergen wieder aufzugreifen.

Gegeninitiativen wie die Antifa Friedrichshain konnten größere Aufmärsche aber stets verhindern. Auch für heute Nachmittag hat die Antifa eine Gegenkundgebung angemeldet, um eine Huldigung des NS-Repräsentanten zu verhindern. Treffen ist um 16 Uhr vor dem Friedhof. "FELIX LEE

taz Berlin lokal Nr. 7598 vom 23.2.2005, Seite 24, 58 Zeilen (TAZ-Bericht), FELIX LEE
 http://www.taz.de/pt/2005/02/23/a0234.nf/text

Also ich geh hin

Mehr Presse 23.02.2005 - 11:55
23.02.2005 Berliner Zeitung
PDS hat keinen Horst-Wessel-Fanclub

jan.
Die PDS hat wegen eines Hetzplakats Anzeige gegen Unbekannt erstattet. In Treptow-Köpenick sei ein Plakat geklebt worden, auf dem der einstige SA-Führer Horst Wessel verherrlicht werde, unterzeichnet von einem "PDS Freundeskreis Wessel". "Einen PDS Freundeskreis Wessel gibt es selbstverständlich nicht", sagte PDS-Landesgeschäftsführer Carsten Schatz. (jan.)


23.02.2005 Junge Welt
Vorsorglich
Kundgebung gegen Wessel-Ehrung

Berlin. Wegen befürchteter Neonaziaktivitäten aus Anlaß des 75. Todestages des Friedrichshainer SA-Sturmführers Horst Wessel am 23. Februar mobilisieren Berliner Antifagruppen zu einer Gegenaktion. Sie wollen ein rechtes Gedenken für Wessel verhindern und rufen am heutigen Mittwoch zu einer Kundgebung unter dem Motto »Nationale Mythen brechen« zwischen 16 und 20 Uhr vor dem Friedhof Mollstraße/ Prenzlauer Allee auf. Der in der rechten Szene als Märtyer verehrte Wessel war 1930 von einem Rotfrontkämpfer angeschossen worden und erlag später seinen Verletzungen. In den vergangenen Jahren hatte es mehrere Versuche von Aktivisten der rechtsextreme Berliner »Kameradschaftsszene« gegeben, Wessel zu ehren. Seit Dezember 2004 mobilisieren Neonazis aus ganz Deutschland mit Plakaten für den 23. Februar nach Berlin. Bisher liegt allerdings keine polizeiliche Anmeldung vor. In den letzten zwei Wochen haben Berliner Neonazis aus dem Spektrum der »Freien Kameradschaften« ihre Propagandaaktionen in den Bezirken Treptow/Köpenick, Lichtenberg und Prenzlauer Berg/ Pankow verstärkt. Vermehrt wurden dabei Parolen, die Wessel glorifizieren, und Hakenkreuze an Wände gesprüht. Außerdem tauchten Plakate und Aufkleber auf.

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