Goiania/Brasilien: Augenzeugenbericht der Räumung

does it really matter? 17.02.2005 21:33 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Augenzeugenbericht - Goiania/Brasilien
Sinngemäße Übersetzung (Original von Brad Will/ IMC NYC)
Das Original ist im Telegramstil geschrieben, daher nicht über die stichpunktartige Form wundern.
( Original unter: Artikel bei IMC New York )
Bericht vom besetzten Landstrich in Goiania, in der Mitte von Brasilien. ( siehe auch: Bericht von gestern auf Indymedia Deutschland )
Am 16. Februar wurde in Goiania mit Hilfe von 2.500 Polizisten ein Stück Land geräumt das seit9 Monaten von hunderten von Familien auf der Suche nach einem Platz zum Leben besetzt wurde.
Bei der Räumung wurden mehrere Menschen getötet, 800 festgenommen und es gab viele Verletzte.Vor Ort waren 2 Freiwillige von Indymedia. Hier Teil 1 seines Berichts zu den Vorkommnissen.
Dies ist ein Bericht den ich am Tag vor der Räumung begann um ein wenig den Hintergrund zu beleuchten

Hallo!

Ich kann euch nicht sagen wie gut es sich anfühlt am Leben zu sein --- die letzten paar Tage waren unglaublich --- wirklich inspirierend in diesem besetzten Gebiet zu arbeiten in der Mitte von Brasilienin der Stadt Goiania

Es war aber auch gleichzeitig entsetzlich --- vor 2 Tagen, als ich mit dem Bus hierher unterwegs warbegann die Polizei damit die Gemeinde zu terrorisieren --- kurz zuvor hatte ein Richter die Räumungdes Gebiets nach 9 Monaten Besetzung angeordnet --- mind. 12.000 Menschen in einem Land mit der größtenSchere zwischen Arm und Reich in der Welt --- Nach einer Woche Karneval wurde aus dem gesamten Land Polizeikräfte zusammengezogen und es war offensichtlich die Zeit des Angriffs gekommen --- 2.500Polizisten wurden wohl für die Räumung mobilisiert

Am Tag als ich dort ankam, gingen Freunde vom lokalen Indymedia Center und ich zum Camp um über diePolizeiübergriffe zu berichten --- Die Gemeinde hatte große Barrikaden aus Autoreifen und Metallteilenvon Autos und Schrott errichtet, hatte Gräben auf der Straße ausgehoben und Stacheldraht ausgelegt, es gabrund um die Uhr eine Wache an 8 solcher Barrikaden, welche die Gemeinde umgab --- außerdem hatte man dieWaffen der Armen bereit, Molotovcocktails, Feuerwerkskörper, mit Nägeln versehenen Holzlatten, Schilde, Schleudern, einfache Bazookas und einige "Bomben" für die Invasion der Polizei --- die Presse bezeichnetedie Gemeinde als Eindringlinge --- Die Militanz war förmlich greifbar

Wir erschienen nach anbruch der Dunkelheit und waren zuerst ziemlich desorientiert, aber wurden freundlichempfangen da den Menschen klar war das wir über die Vorkommnisse anders berichten als die lokale Presse--- während ich durchs Camp stolperte ging plötzlich an 3 oder 4 Stellen im Gebiet Feuerwerk hoch und eineSirene fing wie bei einem Luftangriff zu tönen, CHAOS --- das wars --- die Polizei war dabei loszuschlagen

 

Als wir am Haupteingang der Geminde ankamen, wurde die Luft bitter und dunkel durch das Tränengas das von allen Seiten auf uns geschossen wurde --- wir hatten nicht einmal Zeit unsere Tücher (Bandanas) zu holen oder uns genau bewußt zu machen was grad geschah, alle von uns waren wie blind durch das Tränengas und keichend rannten wir weg von den Barrikaden in die nächste Tränengaswolke

Minuten später waren wir mit Essig versorgt (Anmerkung: damit befeuchtete Tücher helfen gegen Tränengas)und schlugen mit Feuerwerkskörpern und Steine gegen die Angreifer zu --- Die Polizei setzte Schockgranatenein und das Tränengas schlug förmlich vom Himmel vor und hinter uns ein --- eine Frau hilt ihr Baby rannte nach Hilfe schreiend an mir vorbei --- Später wurde das Kleinkind mit Wasser versorgt und versichertdas es atmen konnte

Plötzlich ging eine Barrikade in Flammen auf --- es war ein großer Feuerstoß in die dunkle Nacht hinein--- Jubel unter den Verteidigern --- dies ging nun eine Stunde lang so, die Gemeinde wehrte sich mitSteinen usw. --- ich war mittlerweile mehr als desorientiert und hatte eine shcwere Zeit durch dasTränengas --- plötzlich ging an einer anderen Barrikaden der Alarm los und sie explodierte wie am 4. Juliund wir merkten in dem Moment das die Polizei unseren Abschnitt vor 10min verlassen hatte --- Sie bewegtensich von Barrikaden zu Barrikade und schlugen jeweils mit Gas und Gummigeschossen zu

 

Wir sammelten uns alle und hatten ein kurze Versammlung als plötzlich die Sirenen verstummten und wirerkannten das die Polizei sich zurückgezogen hatte --- alle nahmen an das dies nur kurzfristig war ---Über ein Lautsprecher wurde zur Ruhe aufgerufen und versciedenste Stimmen aus der Gemeinde wurde gehört--- es wurde eine große Versammlung einberufen --- wir gingen zu einer anderen Barrikande und wurden dortwarm empfangen, und da die Polizei abgezogen war entspannte sich die Situation langsam

Wirklich wunderbare Menschen --- es war bewunderswert wie diese Leute nach solch einem Angriff uns eifrigKaffee anboten und sichergehen wollten das wir unversehrt waren --- die Nacht schritt weiter voran und wir fielen langsam in den Schlaf neben brennenden Autoreifen und Trümmern

Mit dem Morgengrauen kam ein neues Gefühl von Sicherheit --- wenn sie (Polizei) nicht am Morgen erschienennahm jeder an das sie ein weiteren Tag Ruhe haben werden --- es machte die Runde das nach 24 Stunden die Polizei in ihre lokalen Kasernen/Stationen zurückkehren würden und die richterliche Räumungsanordnung ablaufen würde --- wir verließen unter dem Dank der Menschen das Camp, ich glaube in Wirklichkeit warenwir dort Menschenrechtsbeobachter, nachdem die Mainstreampresse hinter der Polizei stand und nur nach einemKampf ins Camp kommen und Interviews führen würde

Ich schlief etwas --- am nächsten Tag kehrte ich nach Mitternacht zurück und da die Polizei nicht weiter angegriffen hatte, das die Luft bis zur Morgendämmerung rein war --- gegen 2 Uhr nachts kamen 9 Fahrzeugeder Militärpolizei am Haupteingang vorbei --- die allnächtlichen Belästigungen der Polizei waren nun allnächtliche Angriffe --- Urplötzlich war die Luft voll von Feuerwerk und die Polizei setzte wieder Tränengas und Schockgranaten ein --- der Angriff war hart und die Gemeinde hatte wenig Zeit um die Leutezu mobilisieren

Eine Schlacht wie ich sie zuvor noch nicht erlebt hatte begann --- Viele Menschen redeten vom Bürgerkriegund ich dachte sie übertreiben, aber in dieser Nacht begann ich ihnen zu glauben --- die Polizei setztejede Art von Waffen ein und überall waren Explosionen zu hören --- die Barrikaden brannten wieder undbrennende Autoreifen wurde durch die Wuicht der Explosionen durch die Luft geschleudert --- der Kampfwar heftig und ich war diesmal näher dran und filmte das Geschehen --- eine Gruppe von Polizisten nutztedas Auto eines Freundes als Schutz und schoss von dort alle möglichen Gas- und Schockgranten auf dieWiderständler

 

Plötzlich wurden Schüsse laut und ich merkte das die Polizei nun Pistolen und halbautomatische Waffeneinsetzten ---ich hörte Schreie als ich in Deckung rannte --- ein junger Mann war von einer Kugel getroffenund später sah ich ein Video auf dem man sah das er ein Oberarmdurchschuss erlitten hatte

Auf einmal war es vorbei --- sie waren einfach verschwunden --- es war so sinnlos -- dies war keineRäumung, das war Terrorismus --- ein Militärpolizist wurde ebenfalls von einem Krankenwagen abtransportiert--- Gemeindemitglieder zeigten mir nun überall an den Wänden Einschusslöcher --- eine Explosion hinter meinem Rücken stieß mich gegen eine Wand --- ich hatte keine zeit mich zu ducken --- die Explosion kamvon einer brennenden Barrikade und die Leute nahmen an das die Polizei zuvor nicht detonierte Gasbehälterin die Flammen geworfen hatten

Die Menschen führten mich zu einem Haus wo eine Kugel durch die Wand eingeschlagen war und am anderenEnde des Raumes wieder eingeschlagen war --- ich holte die Kugel heraus --- es handelte sich um Munitionaus halbautomatischen Waffen --- später interviewte ich eine Frau die zur Zeit des Angriffs im Bett lagund welche erzählte das die Kugeln über ihren Kopf flogen

Wir nahmen das Schlimmste an und schliefen erstmal innerhalb des Camps --- der Morgen kam und ich dachte wir hatten einen Sieg errungen --- das 24 Stunden Limit strich vorbei --- dann hörte ich jedoch das eineweitere Person Rechte auf den Landstrich erhoben hatte und die Polizeikräfte noch nicht abgezogen waren--- am nächsten Tag machtne überall Geschichten über eine Räumung die Runde --- von einem Informanteninnerhalb der Polizei hörten wir das die Polizei angeblich am abend nicht mit 2.500, sondern mit 8.000Kräften anrücken wollten --- 30 Militärfahrzeuge umkreisten bald darauf langsam das Camp --- als icham Abend im Camp eintraf waren alle wie paranoid --- Falschalarme gingen die Nacht hindurch und vereinzeltes Feuerwerk

Es war eine große Kundgebung an der Hauptbarrikade mit Soundsystem und der Großteil des evanglisch-christliche Teil des Camps war vertreten --- definitiv ein andere Auffassungvon Jesus als der Haufen der Bush gewählt hat --- es waren außerdem einige lokale Politiker und einVertreter einer Menschenrechtsgruppe vor Ort --- es war eine lange Nacht und zweimal erschienen kleine Gruppen von Polizisten an den Barrikaden und schossen mit Pistolen und hauten wieder ab --- Zivilpolistenwaren wohl auch vor Ort --- keiner konnte schlafen und alle waren nervös --- es ging das Gerücht um das diePolizei definitiv am Morgen angreifen wollte --- ich ging eine Stunde schlafen

Momentan ist ein Protest und ich muß gehen
ich werde am Nachmittag mehr schreiben

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