Prozess wegen ReclaimTheStreets in Stuttgart

eeeaK! [autanop] 15.02.2005 22:18 Themen: Antifa Repression
Am heutigen Dienstag (15.02.04) wurde ein Besucher der RTS-Party 2004 in Stuttgart zu 4 Monaten Freiheitsstrafe (auf 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt)+ 1000 Euro Geldstrafe verurteilt. Er soll angeblich auf einen am Boden liegenden Poizisten eingetreten haben, allerdings war die Art und Weise der Prozessführung dann doch etwas merkwürdig...
Was passiert war:

Am Abend des 17. Julis fand in Stuttgart wieder eine RTS-Party statt.
Wie bei diesen Partys üblich zog eine bunte Menschenmenge in der Innenstadt von Platz zu Platz, spielte mit Bällen, Badminton und Frisbees in der Fußgängerzone, sorgte für nette Musik und feierte fröhlich-friedlich, wobei gleichzeitig mehr Freiräume für Menschen eingefordert wurden.
Den Abschluss bildete eine Session auf dem Schlossplatz vor der alten Börse/Königsbau in der Fußgängerzone, etwa auf der Höhe des neuen Schlosses. Es gab ein kleines Umsonst-Buffet, Musik aus mobilen Soundanlagen und Spiele.
Da am gleichen Tag auch das recht beliebte "SommerFestival der Kulturen" auf dem Marktplatz stattgefunden hatte, beteiligten sich noch viele der heimgehenden Festteilnehmer ganz spontan an der RTS-Party.
Kurzum: eine ausgelassene, fröhliche Party, die ledigich von einer kleinen Handvoll Polizisten beobachtet wurde, die dem bunten Zug durch die Stadt gefolgt war.

Bis dann Plötzlich ein Einsatzkleintransporter und ein Streifenwagen auf den Platz brauste. Einem Einsatzwagen entsprangen dann ein par Polizisten, die das Fest beenden wollten.
Diese konfiszierten dann die Musikanlage - ein Polizist schob unter johlendem Beifall der Umstehenden (und zu deren offensichtlichen Erheiterung) den Kinderwagen mit der eingebauten Soundstation in einen Polizeibus. Anschließend wurde die Bierbank mit dem Buffet "verhaftet" - ebenfalls unter Beifall und Klatschen...
Als die Bierbank eingeladen werden sollte, wurden die Stuttgarter Riot-Polizisten wohl pllötzlich etwas unsanft und schuckten recht willkürlich einige Menschen durch die Gegend. Ein Polizist versprühte wohl etwas ungeschickt sein Pfefferspray, verletzte dabei aber einen Kollgen, der dann zu Boden ging. Als Konsequenz wurden nun noch Knüppel eingesetzt und die Menge wurde auseinander getrieben. In diesem Zusammenhang wurde wohl ein Passant von Polizisten ergriffen und geschlagen - eine Auskunft über eine Dienstnummer wurde ihm verweigert, und die Polizisten wussten bei ihrer Aussage von einer solchen Frage dann seltsamerweise nichts mehr (was aber wohl nicht die einzige Erinnerungslücke der Ordnungshüter war)...
Wie auch immer: Die Menge hatte sich vertstreut, das Fest war offensichtlich beendet, man zog in Richtung Hauptbahnhof, um mit Bus&Bahn noch nach Hause zu kommen.

20 Minuten nach diesem Ereignis befanden sich nur noch wenige Menschen am Park vor dem neuen Schloss. Darunter auch der Passant, der es gewagt hatte, nach der Dienstnummer zu fragen.
Ein Einsatztrupp wollte die herumstehenden wohl alle eincashen, konnte aber letztlich nur den besagten Passanten festnehmen, nicht zuletzt, weil er ein wenig anders als die meisten RTS-feiernden ausgesehen hatte.
Er hatte weder Jeans noch bunte, farbenfrohe Kleidung noch Turnschuhe oder Springerstiefel noch sonstwie Merkmale der Feiernden an sich, sondern war mit einem weißen Hemd, einer weiß-blauen Badehose (die Später für den Richter eine wichtige Rolle spielte, warum auch immer...) und Sandalen bekleidet. Socken trug er ebenfalls keine. Abgesehen durch seine doch recht sommerliche Kleidung war er aber auch durch sein Alter (etwa 20 Jahre älter als der Durchschnitt der Feiernden...) und durch seine massige Statur und seine recht beachtliche Größe aufgefallen - er war wohl definitiv keiner, der es darauf angelegt hat irgendwie autonom oder gar militant auszusehen - er sah nicht gerade aus wie die, die durch die Stadt gezogen waren.

Dem damals Festgenommenen wurde nun von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen er habe eine "schwere Körperverletzung" begangen. Darauf steht als Mindeststrafe schon mal 6 Monate Freiheitsentzug, und die 6 Monate wurde auch gleich gefordert.
Am ersten Prozesstag wurden nur die Polizisten befragt, die sich aber teilweise an manche Dinge, wie die Frage nach der Dienstnummer, irgendwie nicht mehr erinnern konnten, und die bis auf eine Ausnahme dann auch irgendwie nichts gesehen hatten. Etwas gesehen hatte wohl lediglich ein erwiesenermaßen damals prügelnder Polizist und die Besatzung des Streifenwagens, die aber an diesem Abend durch eine Menschenmenge vom Geschehen getrennt war - was den Richter jedoch nicht weiter zu stören schien.

Dem angeblich getretenen Polizisten selbst ist nicht aufgefallen, dass da jemand mit Sandalen und Kurzer Hose getreten hat, seine nebenstehenden Kollegen konnten selbiges auch nicht bestätigen. Überdies scheint dem getretenen nicht viel Passiert zu sein, er hatte weder Hämatome/Blutergüsse/Prellungen noch war er Dienstunfähig. Einen Arzt hat er auch nich besucht, und Fotos der Verletzungen wurden wohl auch nicht gemacht, denn eine Vorgesetze/Ermittelnde musste ihn extra per E-Mail drauf hinweisen, dass er gewisse Fragen und Anforderungen "Zielführend" beantworten solle, in diesem Zusammenhang ist es wohl auch noch interessant zu wissen, dass der Polizist in einer ähnlichen polizei-internen E-Mail gefordert hat, der Verhaftete solle bestraft werden... (Für den Richter war aber auch das "irrelevant"...).

Am zweiten Tag der Verhandlung, bei dem dann auch die Kripo als "Besucher" aufgetaucht ist (dazu mehr später), wurden dann die Zeugen der Anklage "befragt". Hierbei war dann auch die Haltung des Richters recht deutlich zu erkennen. Während er mit der Staatsanwaltschaft lang und ausführlich verfuhr, wurde den Zeugen ins Wort gefallen, ihre Ausführungen wurden gleich mehrfach abgewürgt. Einem zuschauer, dem das offensichtlich überhaupt nicht gefiel, und der den Richter bat, die Zeugen doch auch mal was sagen zu lassen drohte er gleich mit einem Rauswurf und Konsequenzen.

Der erste Zeuge wurde dann im Schnellverfahren abgefertigt, er wurde immer wieder gefragt, ob er denn den Angeklagten den ganzen Abend gesehen hätte, oder ob er ihn möglicherweise mal kurz aus den Augen gelassen hätte. Dann wurde immer wieder betont, dass der Zeuge mit dem Angeklagten ja befreundet sei und mit ihm auf das Fest am Marktplatz gegangen sei.

Beim zweiten Zeugen wurde gleich zu Anfangs gefragt, ob er denn betrunken gewesen sei. Als der Zeuge dann meinte, dass er aufgrund seiner Erkrankung keinen Alkohol mehr trinken dürfe, und deshalb wohl zwangsläufig nicht betrunken gewesen sei, wurde dann darauf abgzielt, dass der Zeuge den Angeklagten "näher kennen müsse", was vom Zeugen aber immer wieder bestritten werden musste.
Als dann der Zeuge noch aussagte, dass sich der Angeklagte bei der Schubserei durch die Polizei absolut passiv verhalten habe, war der Richter auch nicht gerade erfreut. Er lies den Zeugen den Angeklagten in der damaligen Kluft beschreiben, und als der Zeuge dann was von einer "weißen, kurzen Hose" sagte meinte der erhabene Robenträger geradezu triumphierend: "das war aber eine blaue Hose!". Wenn man nun noch weis, dass diese Hose zu 50% aus breiten, senkrechten weißen Streifen und zu 50% aus breiten, senkrechtehn blauen Streifen bestanden hat, dann erübrigt sich hier wohl ein weiterer Kommentar zur Hose...

Als der Verteidiger dann nochmal auf die Sandalen eingehen wollte, die der angeblich tretende Angeklagte getragen hatte, meinte der Richter lediglich, dass es ja gerade wegen der "weichen Sandalen" keine schweren Spuren gegeben habe. Dass da noch andere _ohne_ Sandalen getreten haben sollen, und wegen den anderen wurde aus einer Körperverletzung eine gefährliche Körperverletzung, war da dann dem Richter wiederum egal.
Auch die Tatsache, dass sich der Passant gegen die polizeiliche Verprügelung lautstark gewehrt habe, wurde ihm zur Last gelegt, der Richter und die Staatsanwaltschaft versuchte, ihn als eine Art Wortführer dastehen zu lassen. Was angesichts der Tatsache, dass eine RTS-Party nichtderartig durchorganisiert ist und keine "Anführer" hat, auch etwas lächerlich ist.

Die Staatsanwaltschaft forderte dann 6 Monate, der Verteidiger forderte angesichts der recht widersprüchlichen Aussagen der Polizisten und angesichts der ominösen Polizeieinternen E-Mails, in denen eine Bestrafung und eine zielgerichtete Aussgage gefordert wurden, sowie angesichts der entlastenden Aussagen der Zeugen einen Freispruch.

Der Richter verkündete dann nach kurzer Pause sein Urteil: 4 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf 2 Jahre zur Bewärung (inkl. Bewährungsauflagen wie Ankündigung eines Wohnortwechsels und derartiges)sowie eine "Wiedergutmachung" in Form einer Zahlung von 1000 Euro an den angebliche geschlagenen, aber offensichtlich wohl nicht verletzten Polizisten. Der Richter meinte in seiner Begründung, es könne nicht angehen "einen Poli... auf einen Menschen noch zu treten", wenn er am Boden liege, ausserdem könne man es nicht hinnehmen, dass ein Polizist, der seinen Dienst tut, angegriffen werde.


Zusammenfassen kann über diesen Prozess gesagt werden:

Es war weder ein fairer Prozess, noch diente da irgendwas der Wahrheitsfindung. Das Ziel des Prozesses war es ganz offensichtlich zum einen ein "Exempel zu Statuieren" und wenigsten irgendeinen für die RTS-Party und die Rangelei zu "bestrafen", und zum andern gings wohl auch darum die RTS-Party-Bewegung ganz allgemein zu kriminalisieren, die Militanz der Partymacher wurde während des Prozesses oft genug vom Richter und insbesondere von der Staatsanwaltschaft angedeutet ("da gibts jedes Jahr sowas" "das ist da sowas wie ein Ritual"), und den Kampf der Menschen für Freiräume in ihren Städten zu unterdrücken.
In diesem Sinne war es kein Zivilprozess, bei dem es darum ging einen Schadensersatz festzusetzen, es war kein Strafprozess, bei dem es darum ging eine Körperverletzung zu bestrafen - bei diesem Prozess handelte es sich um einen politischen Prozess gegen die Alternativkultur in Stuttgart, und in diesem Zusammenhang reiht er sich in die Repressionsversuche ein, die gegen Andersdenkende Menschen in Baden-Württemberg, wie auch im übrigen Bundesgebiet, in letzter Zeit verstärkt unternommen wurden.

So ist es auch zu erklären, dass von den Kripo-Polizisten, die bei dem Prozess als "Besucher" anwesend waren, und die nach der Urteilsverkündung ebenso rasch verschwanden, wie sie nach Prozessbeginn in den Zuschauerraum geplatzt waren, zumindest einer einem Verfassungsschützer/Staatsschützer doch recht ähnlich sah, der vor geraumer Zeit mal versucht hatte, Leute in der Gegend anzuquatschen. (Kann jetzt natürlich auch eine Verwechslung sein, aber zumindest eine oberfläche Ähnlichkeit war definitiv vorhanden - und es war nicht so ein obligatorischer Polizisten-Oberlippenbart...)


eeak!/[AutAnop]+
Torm /[AutAnOp]
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Prozesse sind teuer...

frederickundpickeldi 16.02.2005 - 02:04
Wenn ihr ein par Cent entbehren könnt:

Spendet die an die Bunte Hilfe Stuttgart Stichwort RTS 17.07.04
Postbank Stuttgart BLZ 60010070 Konto.Nr.37242-702

Auf den (wohl aus politischen Gründen) Verurteilten kommen nun erhebliche Kosten zu, und da kann er eure Hilfe und eure Unterstützung brauchen.
Er muss nun sämtliche Kosten des Prozesses + Extragehalt an den Bullen aufwenden.

Solidarität ist eine Waffe!
Nutzt sie!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an