Kritik an RAF-Ausstellung

Ilse Schwipper 08.02.2005 16:27 Themen: Kultur
Terror und RAF eine Kunstausstellung in Berlin. Eine ganz persönliche Betrachtung mit den Augen einer ehemaligen Betroffenen.
Wenn man die Ausstellung betritt, wird der Blick zu aller erst von einem Regal mit Büchern gefesselt, in dem allerdings auch noch Videofilme stehen. Für meine Begriffe alles recht willkürlich ausgewählt, wie die gesamte Ausstellung in gewisser Beziehung willkürlich gestaltet ist.
In einer vorher großen Halle befindet sich eine Raumabteilung mit einer Galerie von Bildern, die Menschen darstellen die a l l e tot0 sind. Diese Bilder sind abfotografiert von Printmedien und untertitelt lediglich mit dem Namen der Person und dem Sterbedatum. Chronologisch ist einzig die Untertitelung der Todesdaten.
Da die Ausstellung eine Auseinandersetzung mit der RAF und ihrer Geschichte sein soll, und die darin umgekommenen, ist es verwunderlich , dass Personen auftauchen wie Rudi Dutschke, Benno Ohnesorg, Georg von Rauch und Ulrich Schmücker. Diese Personen waren weder RAF –Angehörige noch durch RAF-Aktionen zu Tode gekommen.
Will Frau/Mann näheres wissen, muss schon ein wenig gesucht werden. Am Eingang dieser Abteilung hängen in Deutsch und Englisch in Folie geschweißt Schriften die Auskunft geben sollen über die Personen. Wie ungenau das alles ist, soll hier nur ein Beispiel angeführt werden.: „ Georg von Rauch 24 Jahre alt, Mitglied revolutionärer Kreise, wurde bei einer Personenüberprüfung am 04.12.1971 in Berlin von einem Polizeibeamten erschossen.“ Allerdings ist schon unmittelbar nach dem Tod von Georg von Rauch bekannt geworden, dass der Todesschütze ein Verfassungsschutzbeamter war. Die Vermutung lag nah, dass es nicht mal ein Verfassungsschützer vom Berliner Amt war, vielmehr ein Beamter vom Bundesamt für Verfassungsschutz der illegal in Berlin operierte.
Diese Bildgallerie wird beendet mit Bildern von Ingeborg Barz – Ingrid Siepmann und Gerhard Albartus die alle als vermisst ausgewiesen werden. Noch so eine Ungenauigkeit, weil zu Gerhard Albartus die *revolutionären Zellen* eine Erklärung geschrieben haben. In dieser Erklärung wird deutlich gesagt, dass G. Albartus von einem palästinensischen Kommando wegen Verrates erschossen wurde. Obwohl das
alles andere als gesicherte Erkenntnis war, dass er Verrat begangen hat. Im Fall von Ina Siepmann wissen MitstreiterInnen von der *Bewegung 2. Juni*, dass sie bei einem israelischen Bombenangriff ums Leben kam. Das kann auch einem Felix Ensslin nicht entgangen sein, der an der Ausstellung mitgewirkt hat. Lediglich bei Ingeborg Barz gehen die Meinungen über ihre Todesursache auseinander, ja nach Weltsicht, Ideologie und Sympathie sowie Zugehörigkeitsgefühl zu einer revolutionären Strömung oder Gruppe, hat sie sich selber getötet oder aber Andreas Baader erschossen.
Was dann folgt, bei Verlassen dieser abgetrennten „Ahnengalerie“, die die Aussteller +unsere Toten + benannte, ist erschlagend. Es folgen auf Podesten aufgestellte Monitore mit reichlich Fernsehmaterial, das über Videofilme abgespielt wird. Es sind Tagesschauausschnitte und Ausschnitte von Sonderberichterstattungen , wobei auch der ehemalige DDR „schwarze Kanal“ mit Eduard von Schnitzler vorkommt. Über dieser Parade von Monitoren kleben hunderte, wenn nicht tausende von Zeitungsausschnitten nach Jahreszahlen geordnet. Von 1967 bis 1998 reichen diese Printmedien. Es ist unmöglich die Fülle von Zeitungsausschnitten zu lesen, wobei auch sehr schnell klar wird, dass bestimmte Zeitungen überwiegen. Vom Stern über den Spiegel bis zur Frankfurter-Allgemeinen reichen diese Ausstellungsstücke.
Wobei mir eine Zusammenstellung besonders ins Auge stach: eine Ausgabe des Spiegel vom31, Oktober 1977 mit großformatigen Buchstaben auf der Titelseite
„Krebs- - Krankheit der Seele“, an die übergangslos Seiten anschlossen mit Berichten zur RAF. Was da suggeriert werden soll ist eindeutig : Guerillakampf ist, krank.
Man kann zu den Versuchen des bewaffneten Kampfes in Form von Stadtguerillakampf stehen wie man will , ablehnend aus welchem Grund auch immer. Oder es als positiven Versuch deuten. Eines ist nicht zu leugnen, diesen Kampf hat es gegeben und ist sicherlich nicht zu verstehen über Kunstausstellungen, die eindeutig
den Staat auf die Stirn geschrieben haben. Schon die Betitelung der Ausstellung als Terror und RAF zeigt, dass eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem bewaffneten Kampf nicht gewollt ist. An keiner Stelle der Ausstellung wird eine eindeutige Definition von Terror geliefert und an keiner Stelle werden zu Aktionen Erklärungen der RAF ausgestellt.
Lediglich im Keller der Räume, schön hinter Glas gesperrt, liegen Originale von Broschüren ( RAF-texte), Plakate, Zeitschriften (INFO -883) und erfreulicher Weise. Die Texte der 1967 in Kraft getretenen NOTSTANDSGESETZE, die noch heute Gültigkeit haben und nach dem 11.September 2001 Erweiterungen erfahren haben
Diese Ausstellung ist jedenfalls für Menschen, die nichts von der Zeit mitgekommen haben als die RAF , Bewegung 2. Juni und andere bewaffnete Gruppen ins Leben traten völlig ungeeignet sich mit Geschichte auseinanderzusetzen, weil die Sicht der Künstler verzerrte Bilder wiedergeben. Am deutlichsten wird das an drei gemalten
Bildern im zweiten Stockwerk , das Porträts zeigt die mittig zerstückelt sind. Der Hinweis somit auf Schizophrenie ist unverkennbar.
Angesichts der Tatsache, dass überwiegend staatlich genehme Texte auftauchen in der Ausstellung , ist das Geschrei um diese Ausstellung im Vorfeld nicht mehr nachvollziehbar.

Das ärgerlichste an der Bilderausstellung – die ein Kunstwerk sein will:

Geschichte ist als Kunstwerk nicht aufzuarbeiten oder zu verstehen, wenn es einzig um die Art geht, wie es hier geschehen ist. Vergleiche die gezogen wurden mit Darstellungen zu dem Holocaust und der Vernichtungspolitik der Nazis von einigen Journalisten, ist nicht nur unzulässig, vielmehr falsch. Filme zur Guerillapolitik der RAF hat es gegeben, es hat Romane gegeben und auch Autobiographien, wie heroisch auch immer oder genau das Gegenteil davon.
Diffamierende Filme hat es auch genug gegeben zu dem Thema:
68.er und die nachfolgende Bewaffnung von Gruppen
In dieser Ausstellung fehlt jeglicher Hinweis auf die Haftbedingungen , die selbst nach Amnestie-International Folter bedeuteten. Isolationshaft und ihre Methoden sind nicht zufällig in der
70.er Jahren Exportgut gewesen und der Anti-Guerillakampf Innenpolitik. Dazu fehlt jeder Hinweis. So fehlt auch jeglicher Hinweis auf die noch heute inhaftierten RAF-Miglieder, von denen einige schon 20 Jahre und länger sich in Haft befinden.
Als am Eröffnungstag die Berliner *rote Hilfe* genau darauf aufmerksam machen wollten in dem sie ein Transparent entrollten und etwas verlesen wollten, sind die Betreffenden nicht nur rausgeworfen worden. Vielmehr erhielten sie gleich Haus- und Platzverbot.
Dieses Ereignis sagt mehr über die AusstellungmacherInnen aus, als all ihre Beteuerungen in Interviews , Beschreibungen zur Ausstellung und anderen Stellungnahmen, sie sind autoritär und Staatsbüttel.
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Ergänzungen

RZ, 2. Juni, RAF

muss nix! 08.02.2005 - 19:22
Es scheint auch anscheinend keine einzige diferenzierung zwischen diesen verschiedenen damals operierenden gruppen zu gäben. es wird alles als RAF handlung abgetan. (aber das war ja zu der zeit bereits so) ich persönlich war nicht dort, aber mir ist bei einem kleinen beitrag in irgendeiner nachrichtensendung bereits ein Sterncover der Lorenzentführung aufgefallen, die ja nicht von der RAF ausgeführt wurde. und für 2 min fernsehn hat das bereits vieles gezeigt und das stützt sich auch durch diesen artikel.
Es gab zwar kommunikation und gemeinsame aktionen der RAF mit den RZ oder bewegung 2. juni, aber eine unterscheidung dieser zwei, doch in ansätzen unterschiedlichen lager, ist absolut nicht vorhanden; damals wie heute!

Mal raus aus der linken Seifenblase

antifa ostberlin 08.02.2005 - 21:42
Habt ihr schon mal daran gedacht, dass von Rauch, Dutschke, Bewegung 2.Juni... im unteren Raum der Ausstellung deshalb auftauchen, weil die Künstler den Betrachtern ein Bild von den damaligen Verhältnissen vermitteln wollen. Und das es auch von Nöten ist dies zu tun, da nicht jeder Besucher die BRD Linke studiert hat und so ein Experte ist wie ihr?

Irrsinn

aussteller 09.02.2005 - 01:02
Du solltest dich schon vor deinem Besuch informieren, in was für eine Ausstellung du gehen möchtest. Keineswegs geht es in der Ausstellung um eine Ausseinandersetzung mit der RAF und ihrer Geschichte, sondern um deren medialen Verbeitung und künstlerischen Adaption.
Also nur die falsche Ausstellung?
Vielmehr denke ich, zu wenig wissen.
Du erwartest Geschichte, verstehst aber nicht, warum Benno Ohnesorg u.a. zu sehen sind. Also, der Mord an Benno Ohnesorg radikalisierte die deutsche Linke, er stellt einen markanten Punkt in der Vorgeschichte der RAF dar. Und die anderen? Auch sie sind wichtige Akteure der APO, welche von den Medien wahrgenommen wurden.
Und von Kunst verstehst du auch nichts. Schon mal drüber nachgedacht, dass Dinge manchmal mehr sagen können als sie eigentlich darstellen?

Du erwartest die Spiegelung deiner Wahrheit, diese kann dir die Ausstellung nicht bieten. Und das ist vielleicht auch gut so.

Wikipedia "Georg von Rauch"

egal 09.02.2005 - 03:16
Bei Wikipedia kann jede/r den Text verändern und nach einem komplexem Schema, bleibt meist eine relativ sachliche Fassung über.

Bezüglich Georg von Rauch steht dort bürgerliche Scheisse.
Er wird als "Terrorist" bezeichnet.

Georg von Rauch (* 12. Mai 1947 in Marburg an der Lahn, † 4. Dezember 1971 in Berlin (West)) war Terrorist und Mitglied der Bewegung 2. Juni.
 http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_von_Rauch
 http://de.wikipedia.org/wiki/Terrorist

Wer Zeit hat und die Bezeichnung auch für falsch hält, kann ja mal den Artikel bearbeiten.

Hausverbot etc Klaus Biesenbach etc

egal 09.02.2005 - 03:35
Wer Karriere machen will, muß artig sein !

"Kunst muss etwas wagen dürfen"
Klaus Biesenbach über die umstrittene Schau
 http://morgenpost.berlin1.de/content/2003/07/24/feuilleton/618535.html

Klaus Biesenbach als Kurator an das Museum of Modern Art berufen
 http://www.art-in-berlin.de/incbmeld.php?id=662

Klaus Biesenbach wird als Kurator ans New Yorker MoMA berufen
 http://www.welt.de/data/2004/11/06/356169.html

 http://www.google.com/search?hl=de&q=Klaus+Biesenbach+&btnG=Suche&lr=

kunst oder politik

simmi 09.02.2005 - 14:52
pflichte dem "aussteller" bei: "Schon mal drüber nachgedacht, dass Dinge manchmal mehr sagen können als sie eigentlich darstellen?"
zum politischen unsinn in der ausstellung wurde m.E. schon viel zu viel geschrieben/gesagt. völlig überbewertet. bin dafür, das einfach als eine "kunstausstellung" stehen zu lassen und ggf. noch darüber zu reden, dass es um die darstellung der RAF (und viel willkürlich dazugepacktem) in den medien (und der kunst) geht. bürgerliche kunst ist eben beliebig und willkürlich. um geschichte, politische realitäten etc. geht es doch in der ausstellung gar nicht. dumme ausstellungsmacherInnen (und der unpassende titel der ausstellung) und medienleute bringen das zwar selbst ins gespräch, aber müssen wir auf jeden dummen kommentar reagieren?
viel spannender wäre es, wenn sich mal ein paar aktivistInnen von damals, ein paar kritische leute und auch ein paar junge linke von heute zusammen setzen würden und selbst eine ausstellung zur politischen geschichte des bewaffneten kampfes machen würden (in berlin gab es ja da schon ansätze, jedenfalls bei diskussionsveranstaltungen). bitte macht mal was selber und vergesst die bürgerlichen protagonistInnen die eure/unsere geschichte fest-schreiben wollen! von denen habt ihr damals doch auch nix erwartet (bzw. tun wir heute auch nix erwarten)...

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