Legalisierung oder Massenabschiebungen?

Ralf Streck 07.02.2005 12:27 Themen: Antirassismus Weltweit
Die heute beginndende Legalisierung sogenannter "illegaler Einwanderer" im spanischen Staat wird hart kritisiert. Eine Ausführungsbestimmung macht deutlich, dass damit Massenabschiebungen einher gehen werden.
Heute beginnt die sogenannte Regulierung von „illegalen Einwandern“. Geschätzt wird, dass sich derzeit im spanischen Staat etwa eine Million Menschen ohne gültige Papiere aufhalten. Die sozialistische Regierung will nun vom 7. Februar bis zum 7. Mai alle Einwanderer mit einem legalen Status versehen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Vor allem von den Einwanderern, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften hagelt es Kritik an dem „unzureichenden“ Dekret. 70 Prozent der Betroffenen würden ausgeschlossen, wird beklagt und befürchtet, dass die Regulierung ein großer Schlag ins Wasser wird, weil nicht einmal 250.000 Menschen Papiere erhalten würden.
Kritik gibt es auch von der rechtsradikalen Volkspartei (PP). Die PP beschwört fast den Untergang des Abendlandes. Die Regelung verstoße gegen Vorgaben der EU. Über den Familiennachzug werde „ein Tor geöffnet“ und die Folgen davon seien nicht absehbar. Die PP hatte in ihrer Regierungszeit ein liberales Ausländergesetz geschliffen. Es war durch eine repressive Gesetzgebung ersetzt worden. Statt Integration standen fortan Ausgrenzung und Abschiebung auf der Tagesordnung, den Betroffenen wurden sogar Grundrechte wie das Versammlungs- oder das Streikrecht abgesprochen ( http://de.indymedia.org//2003/02/41059.shtml).
Die Linke kritisiert die Sozialisten (PSOE) deshalb, weil die nicht zu dem liberalen Ausländergesetz zurückgekehrt ist, dass sie einst mit einem breiten Konsens gegen die PP verabschiedet hatte, obwohl die an der Regierung war. Statt das restriktive Ausländergesetz der konservativen PP zu streichen, dass die durchgedrückt hatte, als sie 2000 die absolute Mehrheit erhielt, nutzten die Sozialisten dies nun. Aus den Gewerkschaften tönt es der PSOE deshalb entgegen, ihr Dekret basiere auf einem „verfassungswidrigem und restriktivem Gesetz“. Die PSOE hätte „eine Chance vertan“, das Gleichheitsprinzip“ zu fördern. Die „Regulierung“ sei ganz nach Bedürfnissen der Unternehmer gestrickt, erklärte die Gewerkschaft USO. Statt „Menschen, mit gleichen Rechten“, sehe man nur „Arbeitskräfte“, die nach Bedürfnissen des Arbeitsmarkts behandelt würden. Jetzt entschieden praktisch die Unternehmer über die Einwanderung, kritisieren auch Menschenrechtsorganisationen.
So ist ein Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten die wichtigste Vorraussetzung, damit eine Firma die Regulierung beantragen kann. Der Betroffene muss mit einer Meldebescheinigung belegen, dass er seit mehr als einem halben Jahr im Land lebt. Die Gewerkschaft SOC kritisiert, das könnten viele nicht, weil sie sich aus Angst vor Abschiebung früher nicht angemeldet hätten.
Zudem müssen die Einwanderer ihre Straflosigkeit mit Auszügen aus den Strafregistern Spaniens und des Heimatlandes belegen. Die Konsulate sind schon jetzt völlig überlastet, weshalb viele Menschen an dieser Hürde scheitern dürften, dieses Papier in drei Monaten beizubringen. Amnestie International kritisiert, ausgerechnet politische Flüchtlinge seien ausgeschlossen, weil sie ihre Verfolgerstaaten kaum um das Dokument bitten könnten. Obwohl Spanien internationale Abkommen unterzeichnet habe, niemanden an ein Land auszuliefern, wenn dort seine physische Integrität in Gefahr ist, sei dies in der Regelung nicht in dem Dekret verankert. Die Organisation kritisiert auch, unter Strafandrohung müssten Fluglinien weiterhin kontrollieren, ob ein gültiges Einreisevisum vorliegt. Welcher politische Flüchtling könne dies erfüllen.
In einem nicht offiziell veröffentlichen Ausführungsentwurf des Dekrets, wird allen offen mit der Abschiebung gedroht, deren Legalisierung abgelehnt wird. Das hat die baskische Tageszeitung Gara offen gelegt. Der Ablehnung werde die Aufforderung beigefügt, Spanien in 15 Tagen zu verlassen. In „dringenden Ausnahmefällen“, die nicht näher definiert sind, könne die Frist auf 90 Tage verlängert werden, „wenn ausreichende Mittel“ zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorhanden seien. Wer der Aufforderung nicht nachkommt, verstoße „schwerwiegend“ gegen das Ausländergesetz, was die Eröffnung eines Verfahrens zur Ausweisung nach sich ziehe. Für viele könnte also gerade der Versuch einer Legalisierung zur Ausweisung führen.
Das Dokument zeigt auch, dass die Regierung lange nicht alle Kriterien festgelegt hatte, die zur Legalisierung führen. Die Einwanderer können sie bei der Antragstellung also nicht kennen. Nach dem Entwurf kann die Regulierung sogar abgelehnt werden, wenn der Einwanderer alle Bedingungen erfüllt, aber die beantragende Firma zum Beispiel in den letzten 12 Monaten Entlassungen vorgenommen hat.
War die Regelung noch als Schlag gegen die Schattenwirtschaft angekündigt, ist davon nichts mehr erhalten. Bei der Ankündigung der Regelung im vergangenen Sommer hieß es noch, legalisiert würden auch die, welche Unternehmer anzeigten, die sich an der Beschäftigung von Menschen ohne Papiere bereicherten. Zum Teil arbeiten Einwanderer aus Angst vor Abschiebung unter sklavenähnlichen Bedingungen und die Unternehmen betrügen so zudem die Sozialversicherung. Doch an der Situation wird sich mit dieser Regelung bestenfalls in der Größenordnung etwas ändern.
© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 07.02.2005
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Ergänzungen

frage

frager 07.02.2005 - 13:12
danke für den artikel, das ist deutlich mehr an infos als was heute in der taz steht. eine frage habe ich: laut taz dürften zahlreiche abschiebungsversuche scheitern, weil keine rückführungsabkommen bestehen, vor allem nicht mit westafrikanischen staaten.
in deutschland werden für abschiebungen keine rückführungsabkommen gebraucht, nur zu deren beschleunigung. die behörden hier wenden sich an die botschaft, und die botschaft stellt je nach ihrer policy ein travel certificate aus oder nicht. manche botschaften verlangen "sachbeweise" für die staatsangehörigkeit und wenn die fehlen, gibt es kein reisepapier und keine abschiebung. bei allen leuten in spanien, die jetzt einen antrag stellen und die dafür papiere der botschaften vorlegen, dürfte es bei ablehnung der anträge keine probleme (ausser logistischen der spanischen behörden)geben, abzuschieben. wie also ist das in spanien mit abschiebungen? gibts da überhaupt abschiebeknäste o.ä.?

@ Jonas

Anm. 09.02.2005 - 09:03
Die PP hat nicht nur die Strukturen aus der Franco-Zeit übernommen. Mehrheitlich sieht man sich auch als Franco-Nachfolge. Aznar hat bis in die 80er noch seinen Hitlergruß gezeigt. Ich finde interessant, wie stark auch in Deutschland Konservative Sympathie mit Aznar und Mussolini haben. Wahrscheinlich ist Konservatismus und Faschismus gar nicht so weit auseinander. Man hat nur ein Problem mit Hitler, nicht aber mit Franco und Mussolini.

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PP rechtsradikal — Jonas