Gentests für CASTOR-Gegner?

BI Lüchow-Dannenberg 31.01.2005 14:43 Themen: Atom Repression
Bayerns Innenminister Beckstein und Niedersachsens
Innenminister Schünemann wollen gemeinsam einen neuen Angriff
auf die Menschenwürde und die Freiheitsrechte der Bürger
starten. Im Schulterschluss mit Bundesinnenminister Schill-y
sollen nach ihren Vorstellungen flächendeckende Genanalysen
und -Speicherungen erfolgen. Sind nach derzeitiger Rechtslage
Gentests nur bei besonders schweren Straftaten und nach
richterlicher Anordnung zulässig, möchte Schill-y bekanntlich
eine Ausweitung auf alle Straftäter durchsetzen, und Beckstein
und Schünemann sogar eine Öffnung bis hin zu begangenen
Ordnungswidrigkeiten erreichen.

In Presseveröffentlichungen wird Bayerns Beckstein zitiert:
"Wenn sich ein Demonstrant in Gorleben ankettet, wollen wir
eine DNA-Analyse" („Berliner Zeitung, 23. 1. 05), und
Niedersachsens Schünemann bestätigt auf Nachfrage der „Elbe-
Jeetzel-Zeitung“ (EJZ v. 20. 1. 05), er könne sich DNA-Tests
auch für CASTOR-Gegner vorstellen, wenn sie mehrfach
aufgefallen seien, und es die Prognose gäbe, dass sie erneut
auffällig würden.
Und das wäre immer dann der Fall, wenn eine
Erkennungsdienstliche Behandlung mir Fingerabdruck von der
Polizei durchgeführt würde - egal zu welchem Anlass: bei einer
Festnahme nach einer Straftat, oder aber möglicherweise auch
lediglich bei einer Ordnungswidrigkeit. Entscheiden würde die
Polizei nach Gutdünken.

Schill-y in die Suppe spucken!

In vorauseilendem Gehorsam haben sich BI Umweltschutz und
Castor-Gegner aus dem Wendland daher entschlossen, schon vorab
den Herren Schill-y, Beckstein und Schünemann in die Suppe zu
spucken. Am (kommenden) Sonnabend, den 5. 2. 05 werden sie ab
11 Uhr auf dem Lüchower Marktplatz schon einmal öffentlich
Proben für die DNA- Analyse einsammeln: Spucke, Haare,
Hautschuppen, benutzte Taschentücher, gefüllte Kondome etc.
der Bürger des Landkreises werden in großen gläsernen
Behältern gesammelt, um sie dann den Innenministern zukommen
zu lassen: Informationen über den Gläsernen Widerstands-
Menschen an sich.

Hintergrund dieser satirischen Aktion ist allerdings die
erschreckende Befürchtung, dass sich diese unglaublichen
Begehrlichkeiten der innen-ministeriellen Datensammler nicht
verhindern lassen. Angesichts des fahnderischen „Erfolgs“ der
Polizei in Zusammenhang mit dem Mooshammer-Mord wird die
populistische Forderung derzeit kaum öffentlich hinterfragt.
Selbst die Grünen fallen dem kollektiven Angriff der
Innenminister nicht in den Arm: Chef Bütikofer hält eine DNA-
Analyse ohne richterliche Anordnung für denkbar (Agentur-
Meldung v. Reuters, 24. 1. 05). Debattiert werden müsse
lediglich, wann die Häufung kleinerer Straftaten Voraussetzung
dafür sein könne, daß die DNA-Daten des Täters gespeichert
werden könnten - immerhin will Bütikofer dafür einen Richter
einschalten...

Es hat schon mehr als makabre Züge, so ein Sprecher der
Atomkraftgegner aus dem Wendland, „wenn zeitgleich zum 60.
Jahrestag der Befreiung der Überlebenden aus dem KZ Auschwitz
einer flächendeckenden Speicherung der sensibelsten Daten des
Individuums Mensch das Wort geredet wird“. Begehrlichkeiten,
dieses Datenmaterial in jeder Hinsicht zu sichten und
auszuwerten, werden sich bei den Sicherheitsfanatikern auch
eines „demokratischen“ Staates nicht verhindern lassen.
Argumente hinsichtlich einer möglichen „Verbrechens-
Prävention“ lassen sich leicht manipulativ organisieren.
Niemand schreit derzeit auf, wenn es um Gen-Daten von
Sexualstraftätern geht. Und das Bundeskriminalamt arbeitet
bereits längst mit dem bisher gesammelten Datenmaterial, um
soziale Zusammenhänge zu konstruieren: Gemäß einer BKA-Studie
habe der durchschnittliche Sexualmörder bereits 22 Vorstrafen
in fünf Deliktbereichen (taz, 18. 1. 05), wurde vom Amt
festgestellt.

Mit ausreichendem Datenmaterial lässt sich demnächst
möglicherweise auch ein „Aufmüpfigkeits“- oder „Widerstands“-
Gen feststellen, vielleicht auch ein „Schwulen-Gen “, ein
„Schwarzfahrer“-Gen. Oder ein Gen, was bei Menschen zu
Anfälligkeit für kleinkriminelle Handlungen verantwortlich
gemacht werden kann. Von daher ist es dann nur noch ein
kleiner Schritt dazu, bestimmte „sozialschädliche“
Menschengruppen zu selektieren, und präventiv
Sonderbehandlungen zu unterziehen - entsprechende tödliche
Erfahrungen haben „Zigeuner“ und andere „Randgruppen“ im
vergangenen Jahrhundert in Deutschland zu Tausenden machen
müssen.

Wie leicht selbst „unbescholtene“ Menschen in den Bereich
Erkennungsdienstlicher Maßnahmen der Polizei gelangen, zeigt
beispielsweise der aktuelle Bericht des Bayrischen
Datenschutzbeauftragten mehrfach. In einem Fall wurde
anlässlich von Protesten gegen die Sicherheitskonferenz 2003
in München eine 17jährige Jugendliche festgenommen und einer
ED-Behandlung unterzogen, weil sie ihre 14jährige Schwester,
die in eine Gefangenensammelstelle verbracht worden war,
kontaktieren wollte. Sie habe bei der Personalienaufnahme ihre
kleinen Schwester gestört, sich einen Platzverweis
eingehandelt, dabei Polizisten beleidigt, und schließlich
wegen „Widerstands“ Festnahme und ED-Behandlung über sich
ergehen lassen müssen. Ähnliches widerfuhr einem
Schwarzfahrer, und weitere Berichte über ungerechtfertigte ED-
Behandlungen werden im Datenschutzbericht dokumentiert.

Ähnliche Beispiele gibt es zu leider zu Hauf - auch hier aus
dem Wendland. Doch auch in nicht-polizeilichen Bereichen gibt
es ein massives Interesse am genetischen Datenmaterial.
Spätestens ab 2011 will beispielsweise die
Versicherungswirtschaft Einblick in - ärztliche - Gentests
erhalten. Von einer „faszinierenden Entwicklung, deren Ausgang
derzeit nicht bestimmbar ist“, schwadroniert der Chefarzt des
weltweit größten Rückversicherers Münchner Rück, Achim
Regenauer gemäß einer dpa-Meldung v. 21. 1. 05. Ein Recht auf
Einblicke in Ergebnisse von Gentests wolle man sich zukünftig
jedenfalls nicht weiter nehmen lassen.

„Das Erbmaterial und die Information darüber gehört zu dem
sensibelsten Daten, die ein Individuum ausmachen“, so ein
Sprecher der hiesigen BI. „Wer heute die
Informationsherrschaft über mein Gen-Material an sich reißen
möchte, wird morgen auch das Recht einfordern, wissen zu
müssen, was ich denke“. Solchen Entwicklungen, von denen
Despoten in der Geschichte nicht zu träumen wagten, muss
sofort eine Barriere entgegengesetzt werden.

„Wir werden Schill-ly, Beckstein und Schünemann kräftig in die
Gen-Suppe spucken“, so die BI. „Das Ergebnis der
Erbgutsammlungen aus dem Wendland werden sie dann zu gegebener
Zeit auf ihren Schreibtischen begutachten und analysieren
können.“
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Ergänzungen

Wissenslücke!

Nicolas Z. Rudinger 02.02.2005 - 16:17
Also, ersteinmal sollten hier ein paar Dinge richtiggestellt werden!

Mir scheint, dass der Informationszustand bezüglich der DNA-Tests und sogenannten genetischen Fingerabdrücke nicht vollständig ist!


Also:

Genetische Fingerabdrücke ("Fingerprints") sind Muster auf molekularer Ebene, die für jeden Menschen einzigartig sind. Bei den Mustern handelt es sich um STR ("short tandem repeats"), DNA-Bereiche mit fester Abfolge des genetischen Codes, die sich unterschiedlich häufig wiederholen. Bei jedem Individuum ist ihre Anzahl unterschiedlich.

So entstehen unterschiedlich lange STR an jedem Genort. Von jedem Genort besitzt jeder Mensch zwei Ausgaben (Allele), die jeweils an der gleichen Stelle auf den beiden Kopien eines Chromosoms liegen. Die beiden STR-Allele können gleich oder unterschiedlich lang sein, so dass jeder Mensch an jedem STR-Genort bis zu zwei Wiederholungsanzahlen aufweist.

Der genetische Fingerabdruck ist schließlich nichts anderes als eine Auflistung der Wiederholungsanzahlen der STR-Genorte eines Individuums.

Die STR-Bereiche sind sämtlich nicht-codierende DNA-Abschnitte, d.h. der genetische Fingerabdruck erlaubt – wie der echte Fingerabdruck - keine Aussage über sonstige Merkmale einer Person wie z.B. Aussehen, Gesundheit etc. Lediglich eine Aussage über das Geschlecht ist zusätzlich möglich.


Besonders unverschämt und unfassbar geschmacklos finde ich den mit der DNA-Analyse in einem Atemzug genannte 60te Jahrestag der Befreiung der Überlebenden des KZ Auschwitz. Diese beiden "Dinge" haben nun wirklich GAR NICHTS miteinander zu tun!


Es würde also sowohl Politikern, von denen man erwarten sollte, dass sie bestens informiert sind, als auch "Aktivisten" jeglicher Art angeraten sein, sich besser zu informieren --->BEVOR irgendwelche flaschen Aussagen erfolgen!



Cheers

Nicolas Z. Rudinger

Fotos von der Aktion

BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg 07.02.2005 - 17:39
Fotos von der Aktion:

Bei Indymedia:
 http://de.indymedia.org/2005/02/106229.shtml

Von Subkontur:
 http://www.subkontur.de/fotoberichte/20050205/gentests.html


Die Aktion hat allen Beteiligten Spaß gemacht.

Aber: Der Hintergrund ist bitter, bitter ernst!!!!

Lieber Nicolas Z. Rudinger! Es möchte gern so sein, wie Du das darstellst. Die Realität sieht immer anders aus! Die staatlichen Datenschützer haben oft genug bei wenigen Fällen, die sie recherchieren konnten, massive Verstöße festgestellt!
Was so insgeheim läuft, kann niemand nachprüfen! Die Begehrlichkeiten sind vorhanden, und was (technisch) möglich ist, wird auch gemacht, auch wenn es ein wenig illegal ist! Was die Versicherer als Ziel im Auge haben, haben Atom-Lobby-Polizisten und "Terror"-Bekämpfer schon längst auf der To-Do-Liste zu stehen. Rasterfahndungen mit unvorstellbarem Datenmaterial!!!

Das Bewußtsein der Öffentlichkeit ist unverständlicherweise so gut wie nicht entwickelt - die nahezu nicht vorhandene Diskussion hier auf Indymedia spricht Bände!

Aufforderung an alle: Macht Euch Gedanken! Und denkt Euch ähnliche oder bessere Aktionen aus! Marktplätze gibt es wohl nicht nur im Wendland...



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