Erste Erfolge im Fall Aubonne

aubonne support group 28.01.2005 12:33 Themen: Globalisierung Repression
Gericht akzeptiert Berufung- Polizei kommt wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht

Im Prozess um die Aubonne-Brücken-Aktion gegen den G8 im Juni 2003,
bei dem die beiden Aktivisten Martin Shaw und Gesine Wenzel fast ihr
Leben verloren hätten, als die Polizei ihr Kletterseil durchschnitt,
beginnt eine neue Phase. Das Gericht akzeptierte die Berufung der
Aktivisten und widerrief die Entscheidung des Untersuchungsrichters
Jacques Antenen. Dieser hatte das Urteil gefällt, dass für eine
Anklage der Polizei keine Gründe vorlägen, die Schuld für den
Vorfall trügen mit ihrer waghalsigen Aktion allein die Aktivisten.


Das _Tribunal d’accusation du Canton de Vaud _hat nun jedoch
erklärt, dass „die Untersuchung ausreichend Beweise für eine
gerechtfertigte Anklage von Michael Deiss und Claude Poget ergeben
hätte. Die Anklage lautet auf fahrlässiger leichte und schwere
Körperverletzung.“ Bis jetzt war nur gegen M. Deiss eine
strafrechtliche Untersuchung eingeleitet worden, den Schaffhausener
Polizisten, der das Seil durchgeschnitten hatte. Nun erkannte das
Gericht die Einwände der Aktivisten an und erklärte, Claude Poget,
der Einsatzleiter auf der Brücke „hätte eigentlich als belastet
verhört werden müssen.“

„Wir sind natürlich sehr zufrieden mit dieser Entscheidung, aber
wir bezweifeln, dass die Justiz wirklich versucht, die Wahrheit
herauszufinden“, sagt Martin Shaw. „Die Untersuchung verläuft
unter der Annahme, dass es keinerlei Befehle gab, obwohl nicht einmal
der Inhalt der Telefonate zwischen Poget und seinem Vorgesetzten in
der Zentrale ermittelt wurde. Dies sollte eine selbstverständliche
Maßnahme sein, die wir von Anfang an vergebens gefordert haben.“
Das Gericht aber ist der Meinung, dass die von den Aktivisten in
ihrer Berufung angeforderten Untersuchungen nicht notwendig seien.
Gesine Wenzel erklärt „Dies stellt eine klare Verweigerung dar,
die Beteiligung von Vorgesetzten zu ermitteln. Es besteht ein
Interesse darin, die beiden angeklagten Polizeibeamte als schwarze
Schafe zu betrachten und den Vorfall als Unfall darzustellen. Wenn
jedoch wirklich ein Interesse daran besteht schwerwiegende Vorfälle
zu vermeiden, dann muss das ganze System der Polizeieinsätze und
interner Organisation betrachtet werden.“

Dieser Meinung ist auch der Abgeordnete des Kantonsparlaments Yvan
Rytz und reichte eine parlamentarische Anfrage an die Regierung des
Kantons Waadt ein. Er erklärt:“ Die Regierung kann sich ihrer
Verantwortung in diesem Fall nicht entziehen. Der Einsatzleiter auf
der Brücke missachtete offizielle Anordnungen und es ist Pflicht der
Regierung, dieses Versagen zu ahnden. Zudem müssen sie uns darüber
in Kenntnis setzen, inwiefern die Polizei für verschiedene Formen
von Protest ausgebildet wird. Für uns ist offensichtlich, dass Shaw
und Wenzel durch unsere Polizei schweres Leid zugefügt wurde und
dass ein klares Anrecht auf Schadenersatz besteht.“ 29
Parlamentarier verschiedener Parteien unterstützen diesen Schritt
offen mit ihrer Unterschrift.

Den beiden Kletterern, die schwere körperliche und emotionale
Verletzungen davon trugen, stand die Regierung bisher keinerlei
Entschädigung zu. Geschäftseigentümer hingegen, deren Schaufenster
während der Proteste zerstört wurden, wurden großzügig bedacht.
„Dies zeigt deutlich, dass der Staat den Schutz des Eigentums über
den Schutz der Menschen stellt“, so die Aktivisten. „Die
Entscheidung des Gerichts ist ein wichtiger erster Schritt. Es ist
jedoch wichtig klarzustellen, dass dies eine absolute Ausnahme ist.
Die meisten Klagen aufgrund von Polizeibrutalität werden gar nicht
erst untersucht und führen so gut wie nie zur Anklage.“

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