Guatemala: Gold oder Leben

Jan Klein 21.01.2005 22:44 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit Ökologie
Im Westen Guatemalas kam es in der zweiten Januarwoche zu heftigen Auseinandersetzungen um die Errichtung eines Tagebaus zur Gold- und Silbergewinnung auf indigenem Land. Ein massives Polizei- und Militäraufgebot setzte einen Transport mit wichtigen Bauteilen gegen den heftigen Widerstand der ansässigen Bevölkerung durch. Dabei wurde mindestens ein Campesino durch Schüsse getötet.
Seit dem zweiten Dezember 2004 blockierten BewohnerInnen des Ortes Los Encuentros die Durchfahrt eines Schwertransporters mit einem gewaltigen Stahlzylinder. Dieser soll Teil eines Tagebaus zur Gewinnung von Gold und Silber werden, den die kanadische Firma Glamis Gold zur Zeit in San Miguel Ixtahuacán im Westen Guatemalas errichtet.
Am 11. Januar machte sich ein Aufgebot von 1000 Polizisten und 300 Soldaten daran, die Blockade zu durchbrechen und sah sich mit dem massiven Widerstand der Campesinos konfrontiert. Auf einer Länge von insgesamt 19 Kilometern der "Interamericana" wurden Barrikaden aus Steinen und Baumstämmen errichtet, was den Verkehr auf dieser Hauptdurchgangsstrasse des amerikanischen Kontinents völlig zum Erliegen brachte.
Die schwersten Auseinandersetzungen gab es dabei in Los Encuentros, nahe der Stadt Solola. Hier stoppten die BewohnerInnen mehrere Lieferwagen und verwendeten sie als brennende Barrikaden. Mit Stöcken, Steinen und Feuerwerkskörpern bewaffnet stellten sie sich der anrückenden Polizei entgegen, die Tränengas und Schusswaffen einsetzte um dem Transport den Weg zu bahnen.
Dabei wurde der 40-jährige Campesino Raúl Castro Bocel durch einen Schuss in den Rücken getötet. Er war unbewaffnet und befand sich etwa 300 Meter von seinem Haus entfernt. Die Polizei rechtfertigte den Einsatz von Schusswaffen damit, dass Feuerstösse aus Gewehren AK 47 ("Kalashnikovs") zu hören gewesen seien, eine Version, die von Beobachtern angezweifelt wird. Desweiteren gibt es unbestätigte Berichte über einen zweiten Toten diesen Tages.
Die Auseinandersetzungen in Solola dauerten noch mindestens zwei Tage an.

Das Projekt Merlin
Die Ursache für die blutigen Ereignisse finden sich in den Plänen des Bergbauunternehmens "Montana Exploradora", nahe der Stadt San Marcos im Südwesten Guatemalas einen Tagebau zur Gewinnung von Gold und Silber zu errichten. Diese Region wird von Maya-Indigenas bewohnt, die in ihrer grossen Mehrheit als Kleinbauern leben. Montana Exploradora, eine Tochterfirma des kanadischen Unternehmens "Glamis Gold", hofft dort insgesamt 2,2 Millionen Unzen Gold und 33 Millionen Unzen Silber abzubauen, was einem Wert von über einer Milliarde Dollar entspricht. Laut Konzessionsvertrag verbleiben davon 99% bei der Firma, das restliche Prozent werde zwischen dem guatemaltekischem Staat und den Gemeinden der Region aufgeteilt.

Breite Ablehnung der Pläne
In dem betroffenen Gebiet hat sich eine Vielzahl von Campesino- und Indigena-Vereinigungen sowie Umweltschutzorganisationen gegen das Projekt ausgesprochen. Sie befürchten schwere ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Schäden, falls Montanera tatsächlich im Jahr 2006 mit dem Abbau des Goldes beginnt. Sie weisen darauf hin, dass insgesamt 38 Millonen Tonnen Gestein bewegt und die Edelmetalle mittels Dynamit und Zyanid extrahiert werden sollen, in einem Prozess, der stündlich 250.000 Liter Wasser verbrauche. Die realen Auswirkungen auf das betroffene Gebiet und seine Bewohnerinnen seien in keiner Weise abzuschätzen, so Magaly Rey Rosa vom "Colectivo Madre Selva".

Offene Rechtsfragen
Nach Meinung der Bergbaugegner sei die Konzession auf illegale Art und Weise zustandegekommen, da die betroffene Bevölkerung nicht zuvor über das Projekt befragt worden sei, wie es die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation vorschreibt, eine internationale Vereinbarung über die Rechte der indigenen Bevölkerung, die auch von Guatemala ratifiziert wurde. Die vorherige Regierung unter dem heute flüchtigen Ex-Präsidenten Alfonso Portillo hat eine ganze Reihe von Bergbaukonzessionen an transnationale Konzerne vergeben, deren Rechtmässigkeit von Indigena-Organisationen bestritten wird. Im Falle von San Marcos sagt Frank La Rue, Menschenrechtsbeauftragter der aktuellen Regierung aus, es habe zwar eine Befragung gegeben, diese sei aber von Montana Exploradora selbst durchgeführt worden.

Nur Desinformation?
Am Tag nach den Auseinandersetzungen in Los Encuentros verteidigte der Präsident Guatemalas, Oskar Berger, das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er beschuldigte den Bischof von San Marcos, Alvaro Ramazzini, die Bauern zu ihrem gewalttätigen Protest aufgestachlt zu haben. Ein Sprecher der Diözese wies diese Anschuldigungen zurück und erklärte seinerseits, man habe den Eindruck, dass die Regierung nur die Interessen der Transnationalen sehe. Tatsächlich stellen sich die zuständigen Minister der Regierung ohne Einschränkung hinter die Pläne von Montana. Sie beschwören die Gefahr für zukünftige Investitionen in Guatemala und führen die Proteste auf mangelnde Information über das Thema zurück.
Ins gleiche Horn stossen die Unternehmerverbände des Landes. In grossformatigen Zeitungsanzeigen erklärte eine ganze Reihe von Verbänden, von der Industriekammer bis zum Gremium der Geflügelproduzenten ihre Unterstützung für die Regierung in dem Konflikt. Mit nahezu dem gleichen Wortlaut forderten sie die Regierung auf, mit allen Mitteln "den Rechtsstaat durchzusetzen" und beklagten die "Manipulation der Bevölkerung" durch "gewisse Gruppen, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen".

Eine Lösung der Konflikte scheint zur Zeit nicht in Sicht. Am 19. Januar kam es im Nationalkongress zu einem Treffen zwischen Abgeordneten und Ministern verschiedener Fraktionen, Vertretern der oppositionellen Gruppen und des Bergbauunternehmens, ohne allerdings Fortschritte zu erzielen. Die Regierung weigert sich, die Konzession für Montana zu überprüfen und die Organisationen haben angekündigt, ihren Widerstand gegen das Projekt fortzuführen. Somit steht zu befürchten, dass die Auseinandersetzungen auf der Interamericana nicht die letzten dieser Art gewesen sind.

Mehr Informationen: www.prensalibre.com.gt
www.miningwatch.com
www.orosucio.madryn.com
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Ergänzungen

Kleiner Fehler...

Der Rabe Ralf 22.01.2005 - 20:01
...in der Webadresse, richtig ist:

rein oekologisch - gibt es nicht

weltenbuerger 23.01.2005 - 01:24
na, soweit ich gehoert habe, gab es auch zahlreiche verletzte unter den polizisten bzw. militaers. aber das nur nebenbei. auf alle faelle kann man feststellen, das sich hier der kampf um natuerliche ressourcen wirklich als ueberlebenskampf stilisiert. letztlich geht es darum ja auch auch bei castor-transporten und anderen problemfaellen in europa. nur das da im grossen und ganzen ueber solchen konflikten der mantel des "eigentlich ist ja doch friede freude eierkuchen" - meist mit dem segen irgend eines gruenbehauchten(in deutschland) regierungspolitikers -gelegt wird. die heftige version des castor-widerstandes soll da einmal ausgenommen werden. also zum fazit: die campesinos haben hier schon ganz gut verstanden worum es geht: oekologische konflikte haben fast immer auch soziale inhalte und auswirkungen. schade, dass dieses verstaendnis den verschiedenen politischen bewegungen in europa weitestgehend abhanden gekommen ist.