Ein Jahr nach dem Nazimord in Gera

Antifaschistische Aktion Gera [AAG] 19.01.2005 23:37 Themen: Antifa
Kommenden Freitag werden AntifaschistInnen, BürgerInnen und Angehörige den ersten Jahrestag der Ermordung des „Spätaussiedlers“ Oleg zum Anlass nehmen, eine Gedenktafel einzuweihen und sich an einem Mahngang, als Zeichen gegen den politischen Rechtsruck, zu beteiligen. Ein Rückblick.
Mit zwei Kundgebungen anlässlich der Urteilsverkündung im Nazimord-Prozess hatten zuletzt im Juli 2004 AntifaschistInnen des ermordeten Oleg gedacht. Dabei wurde der politische Skandal in Gera thematisiert und der Rücktritt des Polizeidirektors Lothar Kissel gefordert. Vorausgegangen waren zahlreiche Demonstrationen und Mahnwachen in Gera, Erfurt, Dessau, Weimar und Pirna, die an die Ermordung Olegs erinnerten. Der 27 Jahre alte „Russlanddeutsche“ war in der Nacht zum 21. Januar 2004 von vier Nazis aus Gera brutal ermordet worden.
Die jungen Täter wurden alle nach Jugendstrafrecht verurteilt. Der 18-jährige Danny Borowsky und der 19-jährige Enrico Willim wurden zu jeweils zehn Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verurteilt. Der 14-jährige Haupttäter, Christopher Haugk, wurde aufgrund seines Alters wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes zu neun Jahre Haft verurteilt. Der 16-jährige Martin Fischer wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zum Mord zu dreieinhalb Jahre verurteilt.

Bis heute hat es in Gera keine politische Auseinandersetzung mit dem Mord gegeben. Vielmehr wurden AntifaschistInnen in ihrem Anliegen nach einer wahrheitsgemäßen und objektiven Darlegung der Tatsachen, u.a. von Polizeidirektor Lothar Kissel, diskreditiert. Er sprach in einem Interview mit der „Ostthüringer Zeitung“ (OTZ) von „unbewiesenen Behauptungen der linksautonomen Gruppen“, welche allenfalls dazu geeignet seien, der Region „den Stempel politischer Gewalttätigkeit aufzudrücken“. Darüber hinaus forderte er die Leserschaft auf, einer Gedenkdemonstration im Februar 2004 fernzubleiben.
Bei der Urteilsverkündung sprach die Staatsanwaltschaft hingegen von einer „menschenverachtenden Gesinnung“ als „Mitbeweggrund der Tat“ und begründete die Forderung nach Höchststrafen damit, dass eine „fremdenfeindliche Gesinnung für die Tat prägend“ gewesen sei.

Ein Jahr nach dem Mord wird die Hegemonie rechter Alltagskultur von Seiten der Stadt und der Lokalpresse nach wie vor geleugnet. Die Angriffe gegen MigrantInnen, Behinderte oder Andersdenkende gehen indessen weiter.
Kurz nach dem Mord überfielen drei Nazis einen 18jährigen Armenier, wobei einer der Angreifer unter die Straßenbahn geriet und auf der Stelle verstarb. Mitte des Jahres 2004 überfielen 30 – 40 bewaffnete Nazis zwei Iraker am Hauptbahnhof und im Oktober 2004 attackierten Nazis vier linke Jugendliche, woraufhin eines der Opfer mit Schädelhirntrauma und Nasenbeinbruch ins Krankenhaus geliefert werden musste...

Auch wenn wir die Gewissheit haben, dass sich VertreterInnen der Stadt, Polizeidirektor Lothar Kissel und die Standortgazette OTZ mit ihren Lügen und Verharmlosungen öffentlich blamiert haben, so ist eine Besserung der Verhältnisse bislang nicht in Sicht.
Mit der Aktions- und Veranstaltungsreihe "break the silence" wollen wir das Schweigen über rechte Umtriebe brechen und einer überregionalen Öffentlichkeit über den Mord und die katastrophalen Zustände in Gera berichten.

Zum Todestag am 21. Januar 2005 wird die Antifaschistische Aktion Gera zusammen mit dem Bündnis gegen Rechts im Geraer Stadtteil Bieblach-Ost eine Gedenktafel anbringen. Nach einem Mahngang zum Tatort wird eine Trauerkundgebung mit Lichterkette stattfinden.
Der Treffpunkt ist um 16 Uhr am Parkplatz in der Rudelsburger Straße.

Der Mahngang ist die erste von drei Aktionen im Rahmen der Veranstaltungsreihe "break the silence. naziläden abreissen - deutsche zustände angreifen". Am Samstag, den 29. Januar wird mit Unterstützung der Kampagne "Schöner Leben ohne Naziläden" eine bundesweite Antifa-Demo in Gera stattfinden. Dabei sollen neben dem Nazimord und dem politischen Skandal auch rechte Geschäftsstrukturen in der ostthüringischen Nazihochburg thematisiert werden.

Kein Vergeben - Kein Vergessen!
Wandelt Wut und Trauer in Widerstand!
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

über den blutverschmierten tatort

xantifax 20.01.2005 - 17:27
der mord ist mitten im plattenviertel und gerademal 100 meter vom wohnort olegs und seiner mutter geschehen. und obwohl die polizei genau wusste, dass sich angehörige und freunde den tatort ansehen würden, wurde der blutgetränkte boden nicht einmal mit sand bestreut.
vier tage nach dem mord war ein richtiger trampelpfad zum tatort entstanden, so dass sich vermutlich das halbe viertel den blutverschmierten tatort angesehen haben muss.
das verhalten der geraer provinzbullen ist unentschuldbar und ein symbol zynischer verachtung gegenüber den "russlanddeutschen" anwohnerinnen.

Mit der Antifa nach Gera

Berliner Antifagruppen 20.01.2005 - 20:34
Gemeinsam zur Antifademo am 29.Januar nach Gera: break the silence. Naziläden abreissen - Deutsche Zustände angreifen.
Treffpunkt für Berliner Antifas zur gemeinsamen Fahrt ist um 9:30 Uhr Berlin-Ostbahnhof – Gleis 3 (Zugabfahrt ist 10:14 Uhr).

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

unfassbar — Demokrat