Indy-Server Beschlagnahme - 3 Monate später

does it really matter? 09.01.2005 02:53 Themen: Medien Repression
Vor 3 Monaten hat die amerikanische Regierung mehrere Festplatten des Servers "ahimsa" aus demLondoner Büro von Rackspace beschlagnahmt. Auf diesem Server sind mehrere Indymedia-Webseiten undBLAG gehostet.
Rackspace ist unter einer GAG-Order und kann oder will nicht sagen, warum die Festplatten entfernt und in die USA verschickt beziehungsweise abgeholt wurden. Das FBI hatte anfangs noch erklärt das sie darin verwickelt sind, aber mittlerweile streiten sie jegliche Verstrickung in den Fall ab.Die britische Regierung bestreitet ebenfalls eine Beteiligung, obwohl sich der Server auf britischem Grund und Boden befand und die Beschlagnahme somit eine Verletzung ihrer Gesetze darstellt.

Allen Anschein nach geschah die ganze Aktion wie folgt, obwohl wir es nicht mit Sicherheit wissen, weil, ja weil alles geheim ist:

  1. einige faschistische Richter in Italien ordneten eine "Untersuchung" wegen eines Artikel auf Indymedia Italien an.
  2. Die Italiener kontaktierten die US-Regierung mittels eines Mutual Legal Assistance Treaty (MLAT) um sie miteinzubeziehen. Warum wurde die britische Regierung nicht direkt angesprochen? Rackspace ist einamerikanischens Unternehmen, aber der Server-Hosting Vertrag war mit ihrem englischen Ableger abgeschlossen worden.
  3. Die US-Regierung nahm den italienischen Gesuch freudig auf und setzte die rund 20 IndymediaSeiten, BLAG und noch einige andere lahm.
  4. Die US-Regierung hat dann die Herausgabe der Festplatten von Rackspace erwirkt und setzt Rackspace gleichzeitig mit einer GAG-Order unter Druck (siehe mp3-Datei). Rackspace unternimmt anscheinend keine Bemühungen sich demganzen Prozess zu widersetzen, aber auch das wissen wir nicht mit Sicherheit.
  5. All dies geschieht unter Geheimhaltung. Die US-Regierung übernimmt keine Verantwortung. KeinEr bei Indymedia weiß warum die Server wirklich abgeschaltet wurden und wer dies zu verantworten hat.
  6. Die EFF versucht einige Wochen später auf dem Rechtsweg eine Aufklärung zu erwirken. Sie haben dabei quasi zu raten an welches Gericht sie ihren Einwand einbringen, da es unklar ist, welches Gericht die Beschlagnahme angeordnet hat
  7. 2 Monate nach der Beschlagnahme, antwortet die US-Regierungauf die Anfrage der EFF. Dies ist die erste richtige Bestätigung seitens der US-Regierung das sie für die Beschlagnahme verantwortlich ist.In ihrer Antwort an die EFF sagt sie, das weder Indymedia noch die Vertragsperson für den Servereine rechtliche Grundlage/Möglichkeit hat um vor Gericht eine Aufklärung zu fordern, obwohl die Daten auf den Festplatten uns (Indymedia/Vertragsperson) gehören. Außerdem fällt das große Wort"Terrorismus", welches die Regierung als Freibrief für derlei Dinge ansieht und bleibt ansonstenbedeckt.
  8. Die EFF antwortetauf die Reaktion der US-Regierung und verlangt weitere Aufklärung.
  9. Es sind nun 3 Monate seit der Beschlagnahme vergangen and wir wissen noch immer nicht warum dieFestplatten beschlagnahmt wurden, welches Gesetz verletzt wurde ect.
Links:

Quelle des Berichts: Webblog des Indymedia-Vertragspartners mit Rackspace (für den Server)

Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Randnotiz

just to care 09.01.2005 - 12:19
Zur inhaltlichen und sachlichen Schwerpunktsetzung in Schritt 1: wahr ist, dass sich die Vorgehensweise der Staatsanwältin Morena Platti, die ihr Gesuch bei den US-Behörden einreichte, ausgesprochen faschistoid anmutet. Eindeutige Nachweise, dass Frau Platti eine Faschistin ist, sind meines Wissens nach aber nicht bekannt. Der vom Autor/von der Autorin selbst verlinkte Wikipedia-Artikel zum Thema Faschismus definiert faschistoide Tendenzen wie folgt: Faschistoide Tendenzen: "Als faschistoid wird eine Haltung bezeichnet, die dem Faschismus mehr oder weniger ähnlich, verwandt ist. Sie ist damit nicht gleichzusetzen mit "faschistisch" oder "nationalsozialistisch". Eine faschistoide Vorgehensweise wurde der Frau in Italien wegen der Aktion sehr wohl und in aller Schärfe bescheinigt, nicht aber dass sie Faschistin ist. Deshalb wäre es nett, wenn der Verfasser/die Verfasserin genauer darlegen könnte, was er/sie meint. Es geht dabei nicht darum, das Verhalten der Frau zu verniedlichen. Es geht darum, dass die Behauptung nicht unbedingt hilfreich ist, um die Aktion richtig einzuschätzen ist, was bitter nötig ist. Faschisten haben mit der Sache mindestens in so fern etwas zu tun, als dass die Richterin die US-Behörden anscheinend um Identifizierung der Autoren von ziemlich deftigen Kommentaren auf Indymedia Italien zum Tod von 19 in Nasiriyah stationierten Carabinieri bei einem Anschlag bat. Vertreter von Alleanza Nazionale hatten deswegen die Schließung von der Website gefordert. U.a. wurden dem Ermittlungsverfahren Aufruf und Anstiftung zu Straftaten sowie Verunglimpfung der Streitkräfte zugrunde gelegt. Die Ermittlungen leitete Frau Platti. Diese ist wiederum Mitglied eines Antiterrorpools, der im Bereich der so genannten Antiterrorbekämpfung offenbar laufend Identifizierungsvorgänge einleitet. In diesem Zusammenhang war sie wohl auch mehrfach mit Ermittlungen gegen die so genannten Anarchoinsurrektionalisten betraut. Die Veröffentlichung eines Bekennerschreibens zu den Eurobriefbomben im vergangenen Jahr und speziell eine Briefbombe an die Privatadresse von Romano Prodi waren ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen, die auf die Identifizierung der Absender abzielten und die Frau arbeitete offenbar daran. Faschisten mögen primäre Partner im Rahmen von bestimmten Law-and-order, Überwachungs- und Repressionsprojekten sein, aber wer hier welche Musik und welche Rolle genau spielt, das bleibt zunächst unklar. Gerade deshalb ist es aus meiner Sicht gefährlich verkürzend zu behaupten, die Aktion sei auf dem Mist von faschistischen Richtern gewachsen. Das vermittelt mir nämlich die Formulierung von Schritt 1. Es macht durchaus Sinn, diesen Punkt und seine dubiose Prägung zu beleuchten, aber es ist nicht gut, wenn daraus eine bloße Pauschalbehauptung erfolgt, die keine Zusammenhänge und Hintergründe nennt. Rechtlich lupenrein war die Vorgehensweise der Dame nicht, das spricht dafür, dass die Frau eine durchaus reaktionäre Linie vertritt. Das ist aber ein Spiel,das weit größeren Umfang und ganz andere Hintermänner hat. Die Frau Staatsanwältin hat eher in der Rolle einer willigen Handlangerin den Wünschen von ganz anderen großen Zampanos entsprochen, eine bestimmte Gesinnung spielt möglicherweise eine Rolle, der Kopf der Sache war sie aber gewiss nicht. Das Ganze hier bleibt gerade deshalb auch nur eine Notiz am Rande, denn die große Frage lautet, was läuft da genau auf dieser Ebene der so genannten internationalen Kooperationen und wie war die Sache genau gestrickt, wenn auch die italienische Story durchaus auch ihren eigenen Lokalcharakter hat. Gerade zu heißen Themen rund um Widerstand, Antifaschismus und revolutionäre Handlungen schnellt die Anzahl unglaublicher Komentare rasant in die Höhe und nur zu oft ist neben uncoolem Gerede von manchem Hitzkopf sehr verstärkt die Handschrift von mehr oder minder gewieften Provokateuren erkennbar. Die Anläufe, die italienische Site rechtlich zu belangen sind schon viele gewesen. Dieses Mal aber nahmen sie zig andere Sites aus anderen Ländern gleich mit. Das erinnert von der Rechtswidrigkeit wie vom Umfang her an eine Durchsuchungsaktion im Herbst 2003 bei der um eine Handvoll mutmaßlicher Unterstützer der so genannten neuen Roten Brigaden zu schnappen über 100 Durchsuchungen stattfanden, die alle möglichen Leute betrafen. Dutzende Rechner und Unterlagen aus allen Spektren der Linken fielen dem die Aktion leitenden Antiterrorpool in die Hände, aus denen sich eine richtige Landkarte des Widerstands von zivil bis militant erstellen ließ, die bereits über die Grenzen Italiens hinausführte. Es wurde großzügigst eingesammelt, die Durchsuchungen wurden mehr als unbürokratisch auf Mitbewohner/Mitmieter/Mitbesetzer ausgedehnt. Die rechtlich ebenfalls umstrittene internationale Ermittlungsgruppe gegen Anarchisten konnte auch erst durch die italienische Briefbombenaffäre an den Start gebracht (gerechtfertigt) werden, allerdings thematisierte schon wenige Monate zuvor ein Punkt der Tagesordnung der Follow-Up Sitzung zum Saloniki-Treffen der EU-Innenminister zufällig so etwas wie die Notwendigkeit die Internationale Task-Force "endlich" operativ zu machen, mit Dringlichkeitsvermerk. Die Geschichte Italiens lässt leicht erahnen, wie passend ein Land mit einer gewissen Tradition zur Verwirklichung von bestimmten Zielen ist. Nicht nur Italien war auf der inhaltlichen Ebene im besagten Prozess sehr angagiert. Wer welche Rolle spielt, bleibt ein weit komplizierters und umfangreiches Ding, das klar international angelegt und geprägt ist und gerade deshalb ist aus meiner sicht vielmehr das Wirkungsfeld dieser Staatsanwältin hervorzuheben als eine letztendlich nicht sonderlich viel aussagende pauschalisierte Faschistische Gesinnung. Natürlich sollen derzeit wirklich besorgniserregende faschistische Tendenzen in Italien nicht relativiert werden. Geschlossen wurde knapp drei wochen nach der Attacke auf Indymedia sogar eine Carabinieri Website, die öfter kritisch zur Verseuchung durch abgereichertes Uran berichtet hat und das eine oder andere hohe Tier des (Carabinieri-) Heeres namentlich kritisiert hatte. Die Site  http://www.unionecarabinieri.it/ (Unac versteht sich als gewerkschaft) ist noch immer down, dem Sprecher der Carabinierigewerkschaft wurde im Zuge der Zwangsschließung der Site vorübergehend Hausarrest auferlegt.

Was ist faschistisch?

Alfons Kilad 09.01.2005 - 14:33
Die oben (im Kommentar) angeführte Unterscheidung zwischen "faschistisch" und "faschistoid" ist ziemlich nichtssagend. Besser halte ich die Defintion von Erich Fromm in "Anatomie der menschlichen Destruktivität", wo "faschistisch" einerseits als charakterlische Eigenschaft definiert wird, die relativ unabhängig von äußeren Umständen ist, jedoch bei entsprechenden gesellschaftlichen Umständen und Förderung (z.B. durch die Industrie) zu einer faschistischen Diktatur führen kann. Dies verhindert deren Unterschätzung wie z.B. bei den Neonazis und deren Überbewertung (Neonazismus als gesellschaftlich bestimmende Kraft)gleichzeitig. Insgesamt fehlt jedoch weitgehend bis heute wirklich tragfähige Unterscheidungen, die weder die deutsche Vergangenheit verharmlost noch neuerliche faschistische Bewegungen unterschätzt. "Faschismus" nur rückblickend zu sehen, macht ihn jedenfalls zu einem ang. gebannten Phänomen und unterschätzt neue Formen faschistischer Gesinnung oder gar faschistischer Herrschaft.

Der Stress gegen Indy geht weiter

XXX 09.01.2005 - 14:47
Indymedia-NewYork hat weiterhin Stress wegen der Berichterstattung zum RNC und zum DNC. Bei beiden Parteitagen waren Demonstrationen verboten (in Bosten durfte nur in einer "Free Speec Zone" - einem Käfig unter einer Brücke demonstriert worden -  http://de.indymedia.org/2004/07/88135.shtml). Viele illegale Polizeiaktionen konnten durch Indy an die Öffentlichkeit gelangen (Beispiel:  http://nyc.indymedia.org/feature/display/138480/index.php). Die Behörden wollen deshalb von Indy-NewYork alle Logs, alle von Indyaktivisten gespeicherten E-Mails und Notizen und so weiter.
siehe auch:  http://www.indymedia.org/en/2004/12/112596.shtml

Aktueller Artikel

Jazzy Jeff 09.01.2005 - 15:01
Ein aktueller Artikel zur vermeintlichen Serverbeshlagnahme findet sch auch in der aktuellen Druckausgabe des telegraph  http://www.telegraph.ostbuero.de/
Dieser steht allerdings noch nicht online zur Verfügung.

video:Interview indymedia-ServerBeschlagnahme

Peter Fromm 09.01.2005 - 15:26
indymedia centre, London, 16.10.04 - Interview mit Indymedia-Aktivistin zur Beschlagnahme von Indymedia-Servern am 7. Oktober 2004 durch das FBI.

Modem-Version, rm-Datei, 8320KB, 7:00 -
DSL-Version, rm-Datei, 10500KB, 7:00 -

charakterliche eigenschaft?

michi 09.01.2005 - 18:06
teil zwei von deinem kommentar ist ok, aber die einschätzung fromms und dein rümpfen mit der nase bei der wikipedia definition ist echt nicht das gelbe vom ei. nur so kurz angemerkt, weil deine diskoebene hier nicht viel zur sache tut. inhaltlich gehts hier nicht darum faschismus zu definieren sondern rauszukriegen was es mit der richterin auf sich hat. das zitat aus wikipedia hatte glaube ich den sinn klar zu machen daß es nicht ganz korrekt ist wie die rolle der richterin interpretiert wird.

Artikel im telegraph

Onkel George 05.02.2005 - 00:12
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift telegraph (Nr. 111) aus Berlin gibt es einen Artikel, der sich mit dem Thema beschäftigt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

@ Leser — jtc