Abwasser in Mecklenburg.....

Maria R. 08.01.2005 19:38 Themen: Globalisierung
Der Geschäftsführer des ZkWAL, unseres Zweckverbandes, Dr. Windus, behauptete im vergangenen Jahr, die Gemeinde Groß-Schmölen wolle unbedingt an eine Kanalisation angeschlossen werden. Und wir (Blievenstorf) würden "diesen Vorteil für uns ablehnen wollen".Das wollte ich selber hören.
Groß Schmölen hat 142 Einwohner und liegt ca. 6 km von Dömitz entfernt....
Ein kleiner Ort, inmitten von Landwirtschaft, viele Entwässerungsgräben. Kein Mensch zu sehen. An einer Einfahrt steht: Gaststätte Werner. Ich fahre auf den Hof und sehe durch ein Fenster eine ältere Frau. Ich sehe sie fragend an, sie nickt.
"Guten Tag", sag ich. "Ich habe gehört, Sie wollen hier unbedingt eine Abwasserkanalisaton haben?" Sie sieht den jungen Mann an, der am Tisch sitzt, eine Mischung aus "Gast" und "Freund der Familie" - "Wir?? NEIN. Wie kommen Sie denn darauf?"
Wir reden eine ganze Weile. Es ist derselbe Zweckverband, seit Jahren wehren sie sich dagegen. Manche haben eine neue Klärgrube, die wäre dann umsonst gewesen. Aber sie haben wenig Hoffnung. Die Jungen, die vielleicht eher den Mut hätten, sich zu widersetzen, arbeiten und leben längst auswärts.
Die Frau zuckt die Schultern. Mein Mann sagt immer: bei uns dürfen Sie im Hof überall hinpinkeln. Für das Wasser, das vom Himmel fällt, müssen wir sowieso bezahlen, das wird da wohl mit drin sein.
Dann fällt ihnen einer ein aus dem Dorf, der genug Geld hat und sich für den Anschluß ans Klärwerk einsetzt. Dem ist das wohl egal.
"Waren Sie schon in Woosmer?" fragt mich der Gast. "DIE haben sie auch angesch....."

Ich fahre nach Woosmer. Der, den ich fragen soll, arbeitet in Hamburg - aber vielleicht die ehemalige Bürgermeisterin?
Vorerst treffe ich nur ihren Mann an. Das Thema gefällt ihm nicht, seine Frau ist nicht da. Doch, sie haben Kostenvoranschläge bekommen damals, 1995/96. 5.000 DM hätte der Anschluß kosten sollen und für eine Kleinkläranlage hätten sie bestimmt 7.000 DM gezahlt, dazu die Gebühren an die Behörden und die Lauferei. Da hat sich dann nach reiflicher Überlegung der Gemeinderat für den Anschluß entschieden.Seine Frau kommt nach Hause, erleichtert verzieht er sich wieder in Richtung Stall.
Auch seiner Frau behagt das Thema nicht sonderlich. Seit sie mit 2 umliegenden Gemeinden zusammengelegt wurden, hat sie das Amt nicht mehr. So mancher im Ort würde ihr wohl gern.... "den Hals umdrehen", sagt sie.

1)
Angefangen hat es mit dem Bau der Kläranlage in Heiddorf/Neu-Kaliß (unten rechts, im Wald über dem "N" von Neu-Kaliß). Als erste Gemeinde hat sich Tewswoos (am Rand oben links) dafür eingesetzt, angeschlossen zu werden. Woosmer liegt an der Strecke. Der damalige Bürgermeister von Tewswoos wollte natürlich möglichst viele Bürger mit angeschlossen sehen, weil sich dann für den Einzelnen die Kosten reduzieren.

Aber jeder weitere Meter innerörtlicher Kanalisation ist eine weitere Investition, die auch wieder höhere Kosten verursacht. War schon ein geschickter Schachzug, mit dem entferntesten Ort zu beginnen.

Die Leute in Woosmer haben 2003 die Bescheide für ihre Anschlußbeiträge bekommen. Sie liegen zwischen 8.000 und 12.000 Euro und darüber. 80% der Betroffenen haben Widerspruch eingelegt und klagen einzeln oder gemeinsam.
In Woosmer erfuhr ich, dass die Vorgängerin unseres jetzigen Landrates in Ludwiglust sich für die weiträumige Kanalisation eingesetzt haben soll.
Und auch, dass die Rechtsaufsicht des Landkreises bei so mancher Entscheidung durch Abwesenheit auffiel.
Davon konnte ich mich am 6. Dezember 2004 selbst überzeugen. "Man wolle sich ja nicht ständig streiten", erfuhr ich hinter vorgehaltener Hand. Welche Funktion hat dann die Kommunalaufsicht, wenn sie nicht da ist, wenn es um Wichtiges geht?
Wieder ein Amt, dass wohl - eigentlich - überflüssig ist.

Was wir nicht verstehen, ist Folgendes:
Die Entscheidung FÜR die Kanalisation und GEGEN Kleinkläranlagen fiel aufgrund einer Berechnung, die vom Staatlichen Amt für Umwelt- und Naturschutz überprüft worden war.
Diese hatte die Wirtschaftlichkeit der zentralen Variante ergeben. Deshalb wurden (vom StAUN) Fördermittel der EU und des Landes bewilligt, die 50 - 60 % der Gesamtinvestitionen ausmachen.
Wenn der einzelne Bürger nun für diesen Anschluß so viel mehr bezahlen muß, als er für eine KKA gebraucht hätte und noch dazu auch weiterhin mit hohen Kosten für Grund- und Verbrauchsgebühr belastet ist, WER ist für solche Entscheidungen haftbar zu machen?
Der Zweckverband schiebt die Schuld auf die Politik und das Innenministerium (Rechtsaufsicht) meint, die Entscheidungen lägen allein bei den Kommunen (in diesem Falle bei dem Verband).
Natürlich möchte der Zweckverband den Abtrag der 38,5 Mio. € an Krediten auf möglichst viele Schultern verteilen. Für weitere Investitionen nehmen sie jedoch auch weitere Kredite auf. Sollen vielleicht mit Hilfe der Fördergelder Löcher gestopft werden und gleichzeitig die Bürger angemolken werden?

Zumal es ganz anders auch geht:
In Leimbach /Querfurt haben die Bürger zum Zwecke der Abwasserbehandlung eine GBR gegründet, die in Eigenverantwortung und mit Selbsthilfe Bodenfilter und Sammelbecken für das gereinigte Wasser baut. Da steht ständig die Kommunalaufsicht auf der Matte und wacht darüber, dass "die Bürger sich nicht selbst über den Tisch ziehen".
Das Ganze kostet je Hausanschluß ca. 3.000 Euro, dient dem Umwelt- und Gewässerschutz besser, verhindert die Ableitung des Wassers aus der Region, spart Wasser durch Weiternutzung, verbraucht wenig Strom, verursacht weniger Folgekosten.


Als allgemeine Info hier die Einwohner je Quadratkilometer und den Anschlußgrad der Bevölkerung an Abwasserkanalisation.



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Ergänzungen

Super Artikel!

dankender leser 08.01.2005 - 20:40
so macht indy spass - interessanter artikel, gut recherchiert, ein einziges bild ohne fahnen und unkenntlichmachenspinnerei.
vielen dank, hoffentlich weiter so und viel glück beim widerstand, das ist gelebte demokratie, ihr seid auf dem richtigen (gewinner)weg.
erst werden sie euch auslachen, dann ignorieren, dann bekämpfen, dann habt ihr aber gewonnen. ihr schafft das!

Ein hier praktizierender Tierarzt...

Maria R. 08.01.2005 - 23:27
mailte:
>>..... Ferner kann ich mir nicht vorstellen, daß unsere landwirtschaftlichen Großbetriebe von dem bisherigen System der Trennung menschlicher und tierischer Ausscheidungen abweichen werden. Die Gülle- und Dungausbringung direkt auf den Acker wird auch weiterhin den Vorrang behalten. Die aufgeworfenen Fragen zur möglichen Tierseuchenverbreitung sind hochaktuell. Man sollte wirklich fordern, daß gute Biologen, neutrale Ärzte und Tierärzte die Arbeit der Wasser- u. Abwasserverbände überwachen und maßgeblich mitbestimmen.<<