Montes Azules - Umsiedlung und Pestizide

Campamentista Y 05.01.2005 14:56 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit Ökologie
Menschenrechte, Landrechte, Umweltschutz und Wirtschaftsinteressen – Ein Bericht zur aktuellen Situation in Montes Azules
Einen ganzen Tag auf der Ladeflaeche eines LKW, seit zwei Stunden geht es bergauf bergab auf einem holprigen Waldweg, zwischen verbrannten Baeumen, deren vereinzelte schwarze Staemme, von Bromelien und Moos ueberwuchert, in den wolkigen, grauen Himmel ragen. Wir kommen an einem Holzfaellercamp vorbei, durch ein Dorf, in ein weiteres. Dort biegen wir ab und sind am Ziel der Reise. Es daemmert, und zusammen mit den dunklen Wolken verleiht das dem Ort eine eher unheimliche als gemuetliche Stimmung.

So verlief unsere Ankunft in *** (vorerst werden keine Ortsnamen genannt...), einer neuen zaptistischen Siedlung in den Bergen von Las Cañadas, Chiapas, die erst vor einigen Wochen gegruendet wurde. Ihre BewohnerInnen verliessen ihr Dorf in den "Blauen Bergen", dem umkaempftesten Teil von Chiapas, wo ein vielgesichtiger Kampf um Menschenrechte, Zugang zu Land, Naturschutz und oekonomische Interessen stattfindet. Wir sind gekommen, um unsere Solidaritaet mit den frisch Umgesiedelten auszudruecken und die Hintergruende zu erfahren. Wir, d.h. drei MenschenrechtsbeobachterInnen eines Internationalen Friedenscamps.

DIE BLAUEN BERGE
José (Name geaendert...) und Familie, Frau, sieben Kinder, empfangen uns. Das Haus macht einen unfertigen Eindruck, ein Dach und zwei Waende, eine dritte aus Wellblech improvisiert, die Vorderseite ist offen. An der Rueckwand stapelt sich in Saecken die Maisernte dieses Jahres. Es gibt Haengematten fuer drei, die anderen werden die Nacht auf den Bodenbrettern unter Wolldecken gekuschelt verbringen. Es gibt Strom per Solarzelle und Autobatterie, ein Feuer waermt Menschen und Tortillas. Das Abendessen ist fertig, Bohnen und Eier, wir steuern mitgebrachten Reis bei. Waehrend des Essens beginnt unser Gespraech.

Wir erfahren, dass ganze fuenf Familien in diesem neuen Dorf leben, das den gleichen Namen tragen soll wie das alte. Die meisten der fast dreissig Familien von dort haben sich dem Regierungslager angeschlossen und sind anderswohin umgesiedelt worden. Die restlichen hatten bis zum 31. Oktober Zeit, das Dorf zu raeumen, wonach die Raeumung gewaltsam erfolgt waere. Am 25. Oktober zogen sie daraufhin um.
Dies ist das vorlaeufige Ergebnis einer langandauernden Folge von Drohungen und Vertreibungen. Andere Gemeinden befinden sich in aehnlicher Situation. Die Blauen Berge sind Teil der Selva Lacandona, einem ausgedehnten tropischen Regenwaldgebiet entlang der Grenze zu Guatemala, charakterisiert von einer herausragenden Biodiversitaet. Seit den 1950er Jahren siedeln hier landlose Familien, die anderswo ausgebeutet oder vertriebe wurden. Ende der 1970 Jahre wurden die Blauen Berge zu einem Biosphaerenreservat erklaert. Der Niedergang der Holz-, Rinder und Plantagenwirtschaft hat Platz fuer neue Arten oekonomischer Interessen gemacht. Auf den zapatistischen Aufstand 1994 folgte eine neue Phase der Gewalt gegen indigene Gemeinden. Die Militarisierung und Paramilitarisierung anderer Teile des zapatistischen Gebiets ist hier modifiziert durch die Anwesenheit der Lacandones, einer indigenen Gruppe, die mit der Regierung kooperiert. In den letzten Wochen wurde das Pflanzenschutz-Programm "Moscamed" erneut von VertreterInnen zapatistischer Gemeinden als weitere Form des Krieges niederer Intensitaet gebrandmarkt.

KRIEG NIEDERER INTENSITAET IN DER SELVA LACANDONA
In Chiapas gibt es eine "Tradition" von Privatarmeen der Grossgrundbesitzer. Verdraengung von Kleinbauern hat ebenfalls eine lange Geschichte. Der Fall von *** ist ein gutes Beispiel fuer ihr Fortdauern. Seine BewohnerInnen waren erst vor drei Jahren dorthin gezogen, nachdem sie wegen paramilitaerischer Angriffe und Drohungen der Regierung ihren urspruenglichen Wohnort anderswo in der Selva verliessen.
Im August 2002 hat die mexikanische Regierung angekuendigt, dass alle Siedlungen in den Blauen Bergen verschwinden muessen. Nach jahrelanger enormer Militaerpraesenz hat die neue Regierung von Vicente Fox die Zahl der Militaercamps auf zapatistischem Gebiet leicht reduziert - als Zeichen guten Willens, wie es von der EZLN zur Fortsetzung des Dialogs gefordert wurde.
Die Anzahl von Soldaten blieb jedoch in etwa gleich. Die neue Strategie besteht darin, die Zone einzukreisen, anstatt permanent in sie einzudringen. Armeelager konzentrieren sich am Rande der Blauen Berge.

Waehrenddessen kommen andere Methoden zur Anwendung. Einschuechterungen und Angriffe werden nicht von der Armee ausgeuebt, sondern von anderen, z.B. Mitgliedern der Lacandones-Gemeinden. "Sie kamen manchmal, mit Stoecken, Macheten und sogar Pistolen", erzaehlt man uns in ***.

Die Lacandonen sind eine kleine indigene Gruppe, die in der Selva Lacandona lebt. 1972 wurde einigen Lacandones-Familien durch ein praesidentielles Dekret ein grosser Teil der Selva, einschliesslich der Blauen Berge, als Besitz zugesprochen. TouristInnen und BeobachterInnen wird der Eindruck vermittelt, die Lacandones seien die einzigen legitimen BewohnerInnen der Selva, und die einzigen, deren "Tradition" sie im Einklang mit der Natur leben laesst (im Gegensatz zu allen anderen Siedlern, deren landwirtschaftliche Praktiken angeblich das Oekosystem schaedigen). Sie werden als "Edle Wilde" dargestellt, von Regierungsstellen bevorzugt und ermuntert, nicht-lacandonische Nachbargemeinden - vor allem zapatistische - anzugreifen, oder sogar dazu bewaffnet. Die Geschichte der Lacandones sollte als chiapanekische Version der bekannten Teile-und-Herrsche-Strategie verstanden werden. Die Blauen Berge sind ein herausragendes Beispiel dafuer, dass Umweltschutz als Deckmantel fuer Menschenrechtsverletzungen dient bzw. Umweltschutz und Menschenrechte gegeneinander ausgespielt werden. Die Lacandones dienen nicht nur als Vehikel fuer die diskursive Konstruktion "guter" und "boeser" RegenwaldbewohnerInnen, sondern auch als Agenten der Gewaltausuebung, wobei sie scheinbar im eigenen Interesse arbeiten, aber die Regierungsinteressen vorantreiben.

In der entstehenden Atmosphaere von Furcht und Unsicherheit ist es vor allem der frueheren Regierungspartei PRI gelungen, viele fruehere zapatistische Campesinos dazu zu bringen, ins Regierungslager zu wechseln. Ehemals rein zapatistische Gemeinden sind nun gespalten, was weitere Spannungen hervorruft. Waehrend die EZLN darauf verweist, dass von der Regierung keine Hilfe zu erwarten ist und diese ablehnt, lassen sich PRI-Angehoerige in den Blauen Bergen in der Regel auf eine Umsiedlung nach Regierungsart ein. Sie erhalten dann Unterstuetzung. Allerdings wurden auch schon Beschwerden laut, wenn die Nahrungsmittelhilfe aus vergammeltem Mais und Gemuese bestand, und die sich betrogen fuehlenden PRIistas standen sogar beim Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas (FrayBa) auf der Matte.

Anderswo in der Selva beschweren sich Menschen aller politischen Lager ueber die Schaeden, die Moscamed hervorruft. Moscamed ist ein gemeinsames Programm der Regierungen der USA, Mexicos und Guatemalas, das schon 1977 gestartet wurde, um eine Fruchtfliegenart in diesen drei Laendern auszurotten. Dazu wurden und werden verschiedene Mittel angewandt, darunter das Ausbringen von Pestiziden per Flugzeug, sowie der Abwurf steriler maennlicher Larven und von Insekten, Wuermern, Ratten und Schlangen, die die Fruchtfliege in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen fressen sollen.
Dies alles passiert zugunsten kommerzieller Obstproduzenten, sowohl in den USA (wo die Fliege gar nicht erst einwandern soll) als auch in Mexico (wo ihre Existenz den Zugang zum US-Markt verhindert). Offenbar ist sie vor allem in Guatemala verbeitet, und der Sueden Mexicos kann jederzeit befallen werden. Der Sinn von Moscamed-Aktionen entlang der Grenze von Guatemala und Mexico - einer Region ohne nennenswerte kommerzielle, exportorientierte Obstproduktion - besteht darin, einen Fruchtfliegen-freien Korridor aufzubauen.

Abgesehen davon, dass die gesamte Idee, Chemikalien und fremde Tierarten ueber eine ganze Region auszuschuetten, um einen einzigen Schaedling zu bekamepfen, krass und ungeheuerlich ist, tragen die Gemeinden vor Ort die Konsequenzen, ohne einen einzigen Vorteil zu haben. Zahlreiche Gemeinden berichten von Schaeden an Nutztieren, Weideland, Kaffeplantagen, Obstbaeumen, sowie von dem Auftauchen eines Wurms, die in die Haut von Rindern, Hunden und Kindern eindringt. Folge ist ein allgemeiner Rueckgang der Nahrungsmittelproduktion und der Lebensqualitaet als Folge von Moscamed. Aehnliche Beschwerden gab es in Wellen seit den 1980er Jahren, jeweils zu einem zeitweisen Stopp oder Modifizierungen des Programmes fuehrend. In den letzten Monaten hat sich die Situation offenbar wieder verschlimmert. Dies, zusammen mit der Konzentration des Programms auf die Selva Lacandona, laesst zapatistische Gemeinden vermuten, dass die Fliege nur ein Vorwand ist fuer ein Programm, dass sie zum Verlassen ihrer unbewohnbaren Doerfer bringen soll. Die Anwendung solch drastischer Pflanzenschutzmassnahmen in der Naehe, wenn nicht sogar innerhalb, eines geschuetzten Oekosystems wie den Blauen Bergen verleiht dieser Ansicht eine gewisse Glaubwuerdigkeit.

Im zuende gehenden Jahr kam es, anders als im Vorjahr, nicht zu nennenswerten Gewaltausbruechen, aber die Drohungen bestehen fort. Die nationale und bundesstaatliche Regierung sind entschlossen, jegliche menschlichen Siedlungen aus den Blauen Bergen zu vertreiben. Was sind die Gruende?


OEKONOMISCHE INTERESSEN
Unter der Selva Lacandona werden enorme Erdoelvorkommen vermutet. Die Erdoelindustrie mit ihren in der Regel verheerenden Umweltfolgen ist in dieser Hinsicht ein “traditioneller” Wirtschaftssektor. Neuere Entwicklungen versprechen die Versoehnung von Profitinteressen und Umweltschutz. Die biotechnologische “Revolution” versieht Natur, d.h. Biodiversitaet, mit einem oekonomischen Wert. Die entsprechende Ausbeutung der Reichtuemer der Montes Azules verspricht in naher Zukunft riesige Profite. Das fuehrt dazu, das die Bewahrung des Oekosystems dringend geboten ist.

Gleichzeitig ist “Oekotourismus” zu einem Schluesselbegriff der Reisebranche geworden, weltweit und in Chiapas. Der Begriff “Oekotourismus” kombiniert verschiedene Aspekte und wechselndem Ausmass – die Idee von Tourismus in der Natur (Bildungsaspekt), ohne Zerstoerung der Natur, sowie unter Foerderung des Naturschutzes (d.h. indem Gelder fuer den Naturschutz eingenommen werden). Oft ist eine autochtone Bevoelkerung involviert, die im Einklang mit der natuerlichen Umgebung lebt und als Teil von ihr gilt. Reiseunternehmen in San Cristóbal de las Casas bieten Touren in die Selva an, mit einer Uebernachtung in einem “Indian Village”, wie der Flyer verspricht. Wenig ueberraschend handelt es sich um eine Siedlung von Lacandones.

Nur unter diesem Blickwinkel ergibt die Konstruktion einer neuen Erschliessungsstrasse in die entlegene Selva einen Sinn. Eine neue Bruecke ueber den Río Lacantún erregt momentan oeffentliches Interesse (La Jornada, Dezember 2004). Angesichts des Plans, fast alle Gemeinden aus den Montes Azules zu vertreiben, kann die Bruecke kaum zu deren besseren Anbindung dienen.

Das alles muss im Kontext uebergreifender regionaler und weltweiter wirtschaftlicher Abkommen gesehen werden, wie der Welthandelsorganisation (WTO), dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), dem geplanten Freihandelsabkommen der Amerikas (FTAA) sowie dem Plan Puebla Panamá (PPP). In Chiapas war die Frage der Menschenrechte immer vorwiegend eine Landfrage. Angesichts wirtschaftlicher Interessen betrachtet die EZLN kollektive Landtitel fuer indigene Gemeinden als einziges Mittel, kulturelle Freiheit und Landzugang su sichern. NAFTA und PPP hingegen - abgesehen davon, dass sie den Markt fuer Produkte von Kleinbauern zerstoeren – sind gerade gegen ein nicht-individualisiertes Bodenrecht gerichtet, und damit implizit gegen indigene Selbstbestimmung auf kollektiver Basis. Um Investoren in den Montes Azules kuenftigen Aerger zu ersparen, soll die Region von oppositionellen indigenen Gemeinden geraeumt werden.

DIE REAKTION DER EZLN
Der Aufstand der EZLN hat von Anfang an auf diese uebergreifenden wirtschaftlichen Entwicklungen Bezug genommen. Nicht zufaellig begann er an dem Tag, als das NAFTA-Abkommen in Kraft trat. Auf der lokalen Ebene experimentieren die zapatistischen Gemeinden mit alternativen Formen von Basisdemokratie, kollektiver Produktion und Vermarktung, Bildung und Gesundheitsversorgung, um die Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern. Zu diesem Zweck sind seit 2003 die fuenf “Juntas de Buen Gobierno”, und nicht mehr die EZLN-Comandancia, die Hautpentscheidungstraegerinnen.
In einem comunicado vom Oktober 2004, an “das mexikanische Volk und die nationale und internationale Zivilgesellschaft” gerichtet, verkuendet die comandancia general der EZLN, dass die verstreute Lage zapatistischer Gemeinden in den Montes Azules ihnen viele Fruechte des sapatistischen Prozesses vorenthaelt. Deswegen soll ein Teil von ihnen an einem einzigen Ort neuangesiedelt werden. Acht Gemeinden mit fuenfzig Familien werden in der Erklaerung erwaehnt. Die Konzentration der Gemeinden soll ausserdem einen besseren Schutz gegen Drohungen und Uebergriffe ermoeglichen. Dieses Unternehmen bedeutet einen enormen logistischen Aufwand und erfordert ausreichende finanzielle Mittel, so dass es sich um einen Prozess ueber mehrere Monate handeln wird. Der Prozess hat laut FrayBa bereits begonnen. Solidaritaetsgruppen und Beobachter haben das comunicado so interpretiert, dass die Neuansiedlung innerhalb der Selva Lacandona, wenn nicht sogar im Biosphaerenreservat, erfolgen wird. Die Umsiedlung von *** an einen Ort weit ausserhalb der Selva hingegen, ausgeloest durch eine unmittelbare Bedrohung, widerspricht dieser Interpretation.

Aussagen vorangegangener EZLN-Comunicados, worin Menschenrechtsverletzungen der Regierung und die Existenz paramilitaerischer Gruppen bestritten werden, werden laut FrayBa von anderen Solidaritaetsorganisationen so interpretiert, dass die EZLN insgeheim mit der Regierung ueber einen Rueckzug aus den Montes Azules verhandelt. Es ist momentan unklar, ob die Umsiedlung zapatistischer Gemeinden einen ausgehandelten Rueckzug oder eine Staerkung des Widerstands bedeutet.

PERSPEKTIVEN
Wir beenden das Treffen, als wir merken, dass die meisten Anwesenden gesagt haben, was sie zu sagen hatten, und muede werden. Waehrend wir untereinander unsere Eindruecke diskutieren und unsere Haengematten vorm Altar anbringen, oeffnet sich die Tuer wieder, und einige Maenner kommen mit einem grossen Topf Kaffee. Der angenehme Teil beginnt, wir plaudern in entspannterer Atmosphaere, trinken Kaffee, machen Witze, finden auf unserer Karte nicht, wo wir sind, nicht einmal die Strasse ist eingezeichnet.

Neben dem Dorf liegt eine weitere zapatistische Siedlung mit vier Familien, dahinter an der Strasse ein “offizielles” Dorf, das von PRI-AnhaengerInnen bewohnt wird. Der Ort ist eine ehemalige Ranch, deren Besitzer 1994 bei Beginn des Aufstands das Weite gesucht hat. Es handelt sich nun um zapatistisches Land. Aber was fuer eins? Wir sind in den Bergen, Bananen und Zuckerrohr wachsen hier nicht, es ist kalt, ungewohnt fuer diese fuenf Familien aus dem tropischen Tiefland. Was einmal ihre milpas sein sollen, ist momentan ein Kiefernwald auf kargem Boden, der gerade zur Subsistenz ausreichen wird, Ueberschuesse zum Verkaufen sind nicht zu erwarten. Der Mais, den sie von der letzten Ernte mitgebracht haben, wird noch ein halbes Jahr reichen; die naechste Ernte wird im September sein, es muessen also vier Monate ohne Maisvorraete ueberbruckt werden. In dem erwaehnten comunicado bittet die EZLN die Zivilgesellschaft um Unterstuetzung fuer dieses Dorf und andere, die umgesiedelt werden sollen.

Pedro ist dankbar fuer die Unterstuetzung der Junta (die unseren Besuch ermoeglicht hat). Sie hat das Land, Transportmittel, Bretter zum Hausbau zur Verfuegung gestellt. Der Kontakt zu ihr sei ausgezeichnet angesichts der enormen Entfernungen. Das Verhaeltnis zu den PRIistas in der Nachbarschaft sei freundscaftlich, man besuche ihre Laeden oder sie kaemen rueber, um Waren zu verkaufen, es gebe keine Drohungen. Am allerwichtigsten ist, dass das Land den Zapatistas gehoert und nicht von anderen angeeignet werden kann. Trotz der ansonsten harten Bedingungen ist das etwas, worauf sich aufbauen laesst.

Bei Tagesanbruch - nach einer Nacht, die wir frierend in der Kirche verbracht haben, und einem Fruehstueck bei Pedros Familie – reisen wir ab, mit dem Gefuehl, dass dieser Besuch wichtig war, dass es diesen Menschen etwas bedeutet, dass die Aussenwelt sich fuer ihre Situation interessiert, dass jemand diese lange, anstrengende Reise unternimmt, um mit ihnen zu plaudern. Waehrend der LKW sich auf der unebenen Strasse vorwaertsquaelt und wir durchgeschuettelt werden, geht die Sonne auf, durchdringt den Morgennebel und loest ihn auf, laesst ihn nur in den Tiefen der Taeler haengen. Wie um sich zu verabschieden zeigt sich die Landschaft von ihrer ueberwaeltigend schoenen Seite und wirkt nicht mehr so unfreundlich wie am Abend zuvor.

In Chiapas wird am 31. Dezember nicht nur das neue Jahr gefeiert, sondern auch der 11. Jahrestag des Beginns des Aufstands. Trotz aller Schwierigkeiten haben die Menschen in ***, deren Land wegen dieses Aufstands nun ihnen gehoert, allen Grund zum Feiern.
In den “Blauen Bergen” sind die Konstruktion neuer Infrastruktur einereits, der zapatistische Umsiedlungsprozess andereseits, die neuen Elemente in der gegenwaertigen Situation. Ob unvereinbare Umwelt-, Wirtschafts-, Regierungs- und Gemeindeinteressen aufeinander treffen koennen, ohne dass es erneut zu Gewalt und Vertreibung kommt, werden die naechsten Monate zeigen.
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Ergänzungen

fliegen

weist 05.01.2005 - 16:03
moscamed, wie der name schon andeutet, kommt gar nicht aus amerika... es handelt sich um ceratitis capitata, die südeuropäische obstfliege (auf englisch medfly, das 'med' bedeutet mediterranean oder mediterraneo), und die us-amis haben echte panik vor diesen viechern... wer schon mal drüben war, kennt die regeln von wegen kein obst ins land einführen etc - diese regelung wurde extra wegen dieser viecher gemacht.

"sowie von dem Auftauchen eines Wurms, die in die Haut von Rindern, Hunden und Kindern eindringt."
scheinen bot flies zu sein, auf deutsch dasselfliegen. eine eklige sache, das. die einzige abhilfe ist, die weidewirtschaft zu extensivieren (die fliegen profitieren von der haltung größerer stückzahlen viehs auf begrenztem raum); bei befall hat es sich bewährt, ein stück gesalzenen speck ganz fest auf die wunde bzw das geschwür zu binden. die made (dieser 'wurm') kriegt dann nicht mehr genug luft und kriecht aus der haut heraus, das salz hemmt infektionen. danach den speck abmachen ud desinfizieren. veganerInnen sind natürlich gefickt ;-)
dasselfliegen, sollte es sich um solche handeln, sind ein echtes problem gerade für kleinbauern: die larven nisten sich vorzugsweise am rücken von rindern etc ein, und die entstehenden narben versauen das leder. für leute wie diese bauern, die ihr vieh möglichst komplett verwerten wollen, ist das beschissen, weil sich dort, wo die maden vorzugsweise hausen, auch das beste leder findet. zur herstellung von kleidung u.ä. läßt sich solches leder kaum mehr verwenden, wenn es nicht in eine mittlere puzzlearbeit ausarten soll.

ein großes problem scheint darin zu bestehen, daß die lacandonen die einzige gute quelle sind, was nachhaltige landwirtschafts- und siedlungstechniken in der region angeht. leider ist der fluß dieser information durch die politischen implikationen völlig unzureichend. zwar hat die regierung recht, wenn sie die unangepaßten siedlungstechniken der neusiedlerInnen kritisiert - aber recht hat sie nur mit der tatsache an sich: sie selber tun nichts daran, daß sich das ändert (wie zb die lacandonen nicht in ihrem kleinen miesen spielchen zu polarisieren). es ist ja nicht so, daß das, was seitens der zapatistas passiert, aus bosheit oder verachtung für die ökologische balance der region gemacht wird, sondern weil die leute es halt nicht besser wissen bzw anders gelernt haben. sie tun das beste, das ihnen möglich ist, aber das reicht nicht. wer ist also schuld? doch mit sicherheit diejenigen, die sie dran hindern, bessere informationen zu bekommen, wie man nachhaltig das meiste aus den lokalen boden- und klimaverhältnissen herausholt etc.
ich weiß nicht, ob dieses konkrete beispiel hier anwendbar ist, aber um die situation verständlicher zu machen: wenn ein bauer aus dem flachland sich in einer bergigen gegend ansiedelt, muß er irgendwoher gesagt bekommen, daß man dort die pflanzreihen und ackerfurchen im 90°-winkel zur hangneigung anlegt, und nicht einfach bergab. tut man letzteres, wird beim näxten stärkeren regen der gute humus ins tal gespült, der boden verarmt, das ökosystem wird geschädigt und der ertrag nimmt stark ab. wenn man den acker möglichst stark mit sträuchern und so durchsetzt, hat man einen zusätzlichen schutz gegen erosion des bodens (nur der oberboden, einen spatenstich tief, ist wirklich wichtig. darunter geht ziemlich wenig ab). und je nachdem kann was man genau für pflanzenarten dafür nimmt (hänt davon ab, was für vögel und echsen in der gegend vorkommen), kann man noch gegen schädliche insekten punkten. aber ein typ, der sein leben lang noch nie ackerbau im hügel- oder bergland betrieben hat, KANN das wohl kaum wissen. klar, man kann das auch auf die harte tour lernen - aber dann ist der schaden bereits angerichtet.

und zudem würde eine popularisierung nachhaltiger nutzungs- bzw 'integrierter' landwirtschaftlicher techniken seitens der zapatistas die propaganda der gegenseite ganz schön blöd dastehen lassen. an westlern kommen dorthin afaik 2 typen leute: die einen, um die revolution anzuschauen, die anderen, um viecher anzuschauen. letztere haben eine eher schlechte meinung von den zapatistas, aber das ist änderbar.

Zapatistas und Biolandbau

Peter Clausing 09.01.2005 - 19:42

Wie einem im Frühjahr erscheinenden Buch (erste Ankündigung am Ende dieses textes) recht detailliert zu entnehmen sein wird, sind die Zapatistas gar nicht so hinter dem Mond wie der Kommentar von "fliegen" vielleicht suggeriert. Biolandbau einschließlich die Vermittlung entsprechender Kenntnisse durch Promotores steht bei den Zapa's ganz oben auf der Agenda. Dass sich nicht alles gleich bis zur letzten Ansiedlung rumspricht, liegt in der Natur der Sache, aber ganz sicher sind die Zapatistas nicht auf Nachhilfeuntrerricht von den Neolacandones angewiesen.

MOSCAMED, das Programm zur Bekämpfung der mediterranen Fruchtfliege stinkt auch zahlreiche Landwirte in Guatemala an, wie nachstehend reinkopierter Poonal-Meldung aus dem Jahr 2003 belegt. Auch Fijate 313 (vom 30.06.2004) berichtet - gut belegt - über die schädlichen Nebenwirkungen des MOSCAMED-Programms und im UPDATE Volume 14 No. 2 (31.Januar 2002) der Guatemala Human Rights Commission, einer in Washington DC ansässigen NGO, wir auf den Verlust von schätzungsweise 10 Millionen Bienen in Guatemala in den Jahren 1998-2001 hingewiesen.


Poonal Nr. 582
Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes
lateinamerikanischer Agenturen vom 22. Juli 2003
GUATEMALA
Kleinbauern protestieren gegen Pflanzenschutzprogramm
(Petén, 16. Juli 2003, cerigua-poonal).- Gruppen von Kleinbauern, die ihre Pflanzungen von den Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Programms gegen Ungeziefer (Moscamed) bedroht sehen, erreichten mit ihrem Protestaktionen, dass der so genannte Quarantäneposten in Chincila im Landkreis San Luis, Department Peten, vorübergehend geschlossen wird, wie der Korrespondent von Radio Ut'ankaj, rancisco Guzmán, berichtete.
Guzman gab an, dass etwa 100 aufgebrachte Landarbeiter, bewaffnet mit Knüppeln und Macheten, den Quarantäneposten von Moscamed in Chincila aufgesucht hätten. Nachdem sie die Schließung der Kontrollstelle von Moscamed gefordert hätten, hätten sie begonnen, die Angestellten der Einrichtung mit Steinen zu bewerfen und deren Fahrzeuge zu beschädigen.
In verschiedenen Teilen des Landes beklagen Tausende von Landwirten immer wieder, dass das Programm Moscamed die landwirtschaftliche Produktion, vor allem Früchte, vergiftet. Denn im Rahmen des Programms werden chemische Stoffe zur Bekämpfung von Ungeziefer verwendet, die die Pflanzungen schädigen und den Boden unproduktiv machen.


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Philipp Gerber
Das Aroma der Rebellion
Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko

ISBN: 3-89771-023-4
Ausstattung: br., ca. 200 Seiten
Preis: ca. 14 Euro
Erscheint voraussichtlich April 2005

Einblick in die Geschichte ihres Kampfes um Land und Würde, in den entbehrungsvollen Alltag der indigenen Gemeinden und in die spannenden Prozesse innerhalb der Kooperative.

Preguntando caminamos – »Fragend schreiten wir voran« ist das Motto der Zapatistas. Der Autor begleitete die zapatistischen Bauernfamilien ein Stück auf diesem Weg - bei ihrer Arbeit auf den Kaffeefeldern sowie in ihrer Kooperative Mut Vitz. Dabei gewann er Einblick in die Geschichte ihres Kampfes um Land und Würde, in den entbehrungsvollen Alltag der indigenen Gemeinden und in die spannenden Prozesse innerhalb der Kooperative. Auch werden die Partner der Kooperative, die Käuferorganisationen im alternativen, fairen und biologischen Handel, kritisch beleuchtet.
Die lebensnahe ethnographische Betrachtungsweise des Verfassers ermöglicht Einblicke hinter die Fassade der Ideologie: Brüche und Widersprüche im zapatistischen Selbstverständnis werden sichtbar. Aber die Lebensberichte der Tzotzil-Bauern veranschaulichen auch die Ausdauer, den Mut und den Erfindergeist der zapatistischen Basis. Ausgehend von der Kaffeekooperative Mut Vitz wird der Weg der indigenen Autonomie und somit die bisher kaum bekannte Alltagspraxis dieser Aufstandsbewegung skizziert. Die Zapatistas, die wohl beliebteste Projektionsfläche der GlobalisierungsgegnerInnen, erhalten so in diesem Buch Ecken und Kanten - und gewinnen an Profil.