Agenturschluss 2005 in Worms

AK AnarchoKommunistenKasperle 03.01.2005 21:29 Themen: Soziale Kämpfe
Agenturschluss 2005 in Worms
Heute am 03.01.2005 haben wir vom Ak AnarchoKommunistenKasperle zusammen mit der WWW (Widerstandsgruppe Worms-Wonnegau) an der Aktion Agenturschluss 2005 im Wormser Arbeitsamt teilgenommen.

Einleitend führten wir ein Szenenspiel vor, das kapitalistisch Verwertungsmechanismen auf einfache Art und Weise veranschaulichen sollte.
(siehe Beifühung)

Dies sollte eine Einleitung zu einer groß angelegten Diskussion sein,in der wir über alternative Lebensweisen und ein Leben miteinander reden wollten.Auch wollten wir aufzeigen, dass soziale Verschärfungen wie Hartz IV und ALG II lediglich Teil bürgerlich kapitalistischer Verhältnisse sind und diese Probleme nicht als vereinzelt sondern als strukturell zu begreifen sind.

Da die Probleme struktureller Natur sind, wollten wir auch über Grundeinstellungen im Alltag reden(Leistungsbewertungen,Konkurrenzkampf,Solidarität etc.).

Wir waren insgesamt ungefähr zu zwölft. Die Aktion hat soweit gut funktioniert, bloß waren viele Leute dort zu sehr "realistisch"(habe bisher die Erfahrung gemacht,dass viele Leute, die sich als "realistisch" bezeichnen, sehr ins pessimistische abschweifen).Dennoch haben wir viele interessante Gespräche geführt und strukturelles angesprochen, bis wir(nach einem Ultimatum) das Arbeitsamt verlassen mussten und man zu diesem Zweck auch schon die Polizei zur Hilfe geholt hatte.Wir sind dann nach Draußen gegangen,haben Glühwein verschenkt und dort weiterdiskutiert; ein gezieltes "im-Arbeitsamt-Verbleiben" hätte wenig Sinn gehabt,da das Verständnis und die Solidarität sich in engen Grenzen hielt.Auch wollten wir die Eingänge nicht blockieren,da wir niemanden verärgern wollten,der lediglich sein Geld abholen wollte....

Flyer mit einer kurzen Beschreibung des Zweckes der Aktion und dem grundlegenden Aufbau auch des Szenenspiels, sowie einiger kritischer Texte, haben wir permanent verteilt und darüber diskutiert.

Das Arbeitsamt betraten wir gegen 10.00 morgens und verließen es gegen 11.25.
Von unserem Rauswurf inspiriert,haben wir eine Spontandemo angemeldet und noch bis 13.30 weiterdiskutiert.

Es waren anregende Gespäche,die schon einmal einen guten !Anfang! darstellen.Für das nächste Mal erhoffen wir uns mehr Mitstreiter, auch um mehr Handlungsmöglichkeiten zu haben und nicht mehr so schnell rausgeworfen werden zu können.Zudem vielleicht auch eine bessere Gesprächsbereitschaft und breiteres solidarisches Verhalten.

Ein Punkt zur Selbstkritik:
Wir haben gemerkt,dass es wichtig ist,Leute erst einmal erzählen zu lassen und nicht gleich im Übereifer zu dominant auszubremsen.

Für eine radikalemanzipatorische Kritikhaltung und ein soziales Miteinander!


Christian Morlock



Anhang:1)Flyertext
2)Text über Szenenspiel

Zu 1):

Unsere Welt wird täglich vernetzter: Ob große, multinationale Konzerne, deren Einfluss über mehrere Kontinente reicht, Internet oder globale Fragestellungen – Es entsteht zunehmend der Eindruck von mehr Freiheiten, Möglichkeiten und einem besseren Miteinander.
Doch die Wirklichkeit ist komplexer.

Über Gemeinsamkeiten in der Wirtschaftsweise wird der wirtschaftliche Austausch stetig gesteigert und miteinander verkoppelt. Der Kapitalismus wird als „westliches“ System immer stärker verbreitet, ordnen sich doch die meisten Industriestaaten vermehrt der „westlichen“ Fraktion zu. Es entstehen Freihandelszonen, neue Märkte werden erschlossen oder alte liberalisiert und privatisiert. In diesem Kontext, eines sich entwickelnden ausdifferenzierenden Kapitalismus steht Hartz IV mit mehrfachen schmerzhaften „Standortanpassungen“ (zu denen u. a. die Gesundheitsreform sowie mehrere andere Umstrukturierungen gehören). Auf dem politischen Parkett hört mensch es immer wieder. >>Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen um Standort Deutschland aus der Krise zu ziehen.<< Wozu dieser Sozialabbau nötig erscheint, zeigt dieses sinngemäße Zitat.

Dass dieser massive Sozialabbau aber nicht das Wohl der Menschen will, wird deutlich wenn man sich grundlegende Strukturen der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft anschaut:
So leben wir in einen Warenförmig produzierenden System in dem praktisch alles über den Tausch durch Geld vermittelt wird, sich also alles als Ware bewegt. Produziert wird nicht wie mensch irrtümlich annehmen könnte für die Bedarfsdeckung der Menschen. Produktion findet vielmehr statt um einen Gewinn zu erzielen, welcher wieder erneut investiert wird, zum erzielen größerer Gewinne, welche erneut als Kapital für darauf folgende Investitionen dienen und so weiter. Diese rastlose Kapitalverwertung (Akkumulation) des Unternehmers(welche an sich schon absurd klingt) kann nicht reibungslos, nicht ohne Ausbeutung vonstatten gehen.

Um stets höhere Gewinne zu erzielen muss durchrationalisiert werden. Aus Technik und Arbeitskraft muss alles ausgeschöpft werden. Der/die einzelne LohnarbeiterIn unterliegen diesen Rationalisierungen (wie z.B.: Sozialkürzungen) da sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmer befinden. Schließlich besitzen die Kapitalisten die Mittel zu Produktion und die LohnarbeiterInnen nichts weiter als ihre eigene Arbeitskraft.

Die Akkumulation und damit verbundene Ausbeutung der LohnarbeiterInnen durch den Unternehmer ist aber keine freie Wahl oder auf eine verwerfliche Moral zurück zu führen. Gesetz des Marktes ist, das derjenige Unternehmer (Kapitalist) Bankrott geht, welcher nicht mit der Konkurrenz mithalten kann. Das bedeutet, dass Akkumulation und Innovation stetig hochgehalten werden müssen, um nicht von billigeren Produkten der Konkurrenten vom Markt und in den Ruin gedrängt zu werden.

In dieser Gesellschaft wird gerne von Freiheit und Gleichheit gesprochen. So ist der Besitz einer jeden Person gleichermaßen geschützt. Für LohnarbeiterInnen bedeutet das nichts als die eigene Arbeitskraft, für den Kapitalisten jedoch der Besitz der Produktionsmittel.

Freiheit gibt es denn auch. Es steht der/dem LohnarbeiterIn frei sich zu entscheiden unter welche Fremdbestimmung Sie/Er sich begibt um sich zwecks der eigenen Existenzsicherung sowie der des Kapitalisten und der der Akkumulation verwerten zu lassen (was nichts anderes als Ausbeutung bedeutet).

Trotz propagierter Freiheit ist also ein/e jede/r strukturellen Zwängen unterworfen (Konkurrenz, Leistungsfähigkeit, Lebensunterhalt verdienen,...), die als Legitimation und Rechtfertigung den misslichen gesamtgesellschaftlichen Status aufrechterhalten und verschärfen.

Im Zentrum gesellschaftlicher Abläufe steht das Kapital, und das hat lediglich eine Ausrichtung: Seine stetige Vermehrung. Soziale Absicherungen und Begünstigungen, ökologische oder ethische Interessen spielen dabei (wenn überhaupt) eine untergeordnete Rolle und müssen meist hart erkämpft werden, wenn sie nicht aus taktischen Gründen zugestanden werden.

In dieser Wettbewerbsgesellschaft, die im Wahn des rastlosen Akkumulierens in Verlierer und Gewinner teilt, sind solche Sachen wie Ausbeutung, Verarmung, sozialer Abstieg und eben so etwas wie Hartz IV keine Absonderlichkeit. Sie müssen als systemimmanent, als logischer Bestandteil bürgerlich kapitalistischer Verhältnisse betrachtet werden, die Selektion, Leistungsdruck und soziale Ungleichheiten auf ein neues Level erheben, mit dem Ziel den Neoliberalismus voran zu treiben und zu sichern.

Eine erneute Sensibilisierung für die kritische Auseinandersetzung mit der Ausgangsposition, dem Hier-und-jetzt-Zustand des Menschen in dieser Gesellschaft, ist notwendig. Ein Überdenken ob es nicht eine Alternative jenseits kapitalistischer Verwertung, jenseits von Zwängen, sozialer Ungerechtigkeit und Fremdbestimmung geben kann. Für ein Leben miteinander, ohne Ellenbogenmentalität, Selektion und Ausbeutung, in dem Menschen nicht nach ihrer Leistung oder ihrem Status beurteilt werden.

Kapitalismus ist nicht nett! Und Hartz IV nur ein winziger Bruchteil seiner Versinnbildlichung!


Zu 2):

3. Januar: Aktion Agenturschluss / Aktionsgruppe Worms

Grundszenerie: Vier Sklaven tragen auf einer Sänfte den Kapitalisten in die Arbeitsagentur hinein.
K hat einen Taschenrechner, tippt wild darauf herum, rechnet irgendwas aus, meckert...
S1-4 schleppen stöhnend die schwere Last; haben einen Strichcode angeheftet darunter „Lohnsklave“

K: Wackelt doch nicht so herum! Gebt euch gefälligst mehr Mühe! Ich muss hier Wichtiges errechnen und euer Wackeln stört mich. Jetzt gebt doch Acht! Passt doch auf, sonst entlass ich euch!

S1-4: schauen betrübt auf den Boden

K: meckert sie an, gibt Weganweisungen

Da, rechts lang!, Achtung!, an die Theke, pass doch auf.
Platz da, Gesindel. Aus dem Weg! Weg da!
zur Sekretärin:
Wer ist hier für mich zuständig? Sie? Nun gut, meinetwegen.
Ich hab mir hier folgendes ausgerechnet: Wenn zwei meiner vier Sklaven das doppelte arbeiten, dann brauch ich viel weniger und kann die anderen zwei entlassen. Da mach ich viel mehr Gewinn. Wo kann ich denn hier die beiden Überflüssigen abgeben? Ich hab gehört, ihr kümmert euch um so was, um Leute, die wir nicht mehr brauchen...
zu den Sklaven:
Absetzen, ihr beiden – ihr seid gefeuert! Ich brauch euch nicht mehr.
Ihr könnt euch gleich einreihen in die Schlange hier.

S1: beginnt zu weinen
Ich bin nichts mehr wert; mich braucht man jetzt nicht mehr.
Jetzt bin ich wie meine Kollegen und muss mich von Sachbearbeitern schikanieren und anmeckern
lassen. Was soll ich denn jetzt machen? Ich bin nichts mehr wert, weil ich keine Arbeit mehr habe.

S2: Jetzt reichts! Was heißt, wie sind nichts mehr wert? Wir sind Menschen und schon deshalb allein haben wir das Recht auf ein anständiges Leben! Warum sollen wir jetzt weniger Geld bekommen und weniger gut ausgestattet sein? Wir können doch nichts dafür, dass wir gefeuert wurden ! Zwei feuern, und zwei das doppelte arbeiten lassen, was ist denn das für eine Logik !

K: nimmt den Taschenrechner wieder zur Hand und rechnet neue "Optimierungen" aus Auf jetzt! Weiter!Ich muss weiter zur Börse und dann zum Autohändler meiner Frau einen Porsche kaufen... los!

S3+4: wollen die Sänfte anheben, tragen ein Stück, denken nach und

S3: Moment mal, wieso sollen wir das doppelte arbeiten ? Das können wir nicht und außerdem macht das doch gar keinen Sinn!

S4: Und dann bekommen wir nicht einmal mehr Geld!

S3: Das ist doch total sinnlos!

K: Hier sind genug Leute, die für noch weniger Lohn arbeiten.
zu den Leuten: Na, wer will denn mein Lohnsklave sein ? Ich versteigere wenigstbietend. Ich fange bei 3 Euro pro Stunde an.... wer arbeitet für weniger?
zu den Sklaven: Ich kann euch jederzeit ersetzen, seid froh, dass ich euch überhaupt arbeiten lasse.

S3: Nein, nein, bitte. So war das nicht gemeint. Ich arbeite auch für weniger, arbeite doch gerne für Sie. Bitte,... Ich verzichte auch auf die Feiertage und auch auf Wochenenden und Urlaub. Ich tu alles, bitte, und ich komm auch wenn ich krank bin. Bitte, bitte....

K: So ist brav, richtig. Du hast das Prinzip verstanden: Anpreisen und Verkaufen musst du dich, Ware sein... und jetzt weiter!

S4: Sag mal, bist du verrückt, merkst du nicht, dass er uns gegeneinander ausspielen will? Wenn alle hier für immer weniger arbeiten, sich immer weiter unterbieten, dann kann man bald von diesem Lohn gar nicht mehr leben.

S3: Aber was sollen wir denn machen? Wir haben doch keine Wahl!
Wenn wir etwas fordern, dann gehts uns wie den anderen beiden und werden gefeuert.Was sollen wir denn tun ?

S2: Ei, wir schließen uns zusammen. zu S1: Hey, du, das lassen wir uns nicht gefallen, wir wehren uns.

S4: Und außerdem: Warum tragen wir hier überhaupt so einen Kapitalisten durch die Gegend. Es wurden doch Maschinen erfunden, die das tun können.... Das ist doch total sinnlos! Wir könnten sinnvolle Arbeit tun.

S1: Aussteigen aus der Lohnsklaverei und Arbeit neu definieren. Wieso soll die eine Hälfte der Bevölkerung sich totarbeiten, während die andere Hälfte gerne was täte?

S3:Und wieso sollen die Arbeitenden immer mehr und immer mehr Produkte herstellen? Wer soll diese Überproduktion denn abnehmen? Die andere Hälfte der Bevölkerung, die Arbeitslosen? Von welchem Geld denn? Von ALGII ?

S2: Ja, starten wir den gemeinsamen Diskurs ! Wenn wir uns zusammentun, können wir Alternativen entwerfen. Jeder von uns hat ein paar Ideen. Wir werden Zwangsarbeit und Lohnsklaverei wieder abschaffen!
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Ergänzungen

Link

www 04.01.2005 - 10:00
 http://de.indymedia.org/2005/01/103060.shtml - Fotos, PDF-Flyer und Pressemitteilung der WWW