Berlin: 21C3 "richtig gut gelaufen"

Andre M. (Updates von Pete und alex) 30.12.2004 00:00 Themen: Medien Netactivism Repression
Montag bis Mittwoch fand unter dem Motto "The Usual Suspects" der 21. Chaos Communication Congress (21C3) statt, der seit 1984 jedes Jahr vom Chaos Computer Club veranstaltet wird. Der Ansturm dieses Jahr war überwältigend. Die Zahl der Hacktivisten, Nerds, Programmierer, Netzaktivisten oder einfach nur Interessierten aus ganz Europa dürfte sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt haben.
In mehr als 100 Vorträgen, Podiumsdiskussionen und zahlreichen Workshops und Präsentationen ging es um die Details technischer Entwicklungen, ihren gesellschaftlichen Folgen und Visionen.
Das umfangreiche Programm zum Kongress findet sich hier: Congress Fahrplan. Zusätzlich gibts ein Weblog, ein Wiki und die offizielle Kongresseite.

Im Feature: Ein Bericht über drei Vorträge, die Andre M. besucht hat: "Suchmaschinenpolitik", "Videoüberwachung im europäischen Vergleich" und "Biometrie in Ausweisdokumenten".

Weitere Artikel:
- DataMining the NSA - Vorlesung
- CCC-Kongress: "The Usual Suspects" hat begonnen
- Zusammenfassung Fnord-Jahresrückblick
- Webseiten-Hacks (zunächst waren mehr als 30 Webseiten betroffen, darunter auch 2 Nazishops sind gehackt. Weiterhin sorgt ein Massen"hack" für Aufregung - tatsächlich sah es auf den Seiten so aus: screenshot)
- (K)ein Anschluss unter dieser Nummer
- Closing Event
- weiterer Bericht vom 21c3
- 2 Indymedia-Printausgaben zum 21C3 (Dienstag und Mittwoch)
Aus 4 Räumen gab es Audiostreams: 1 | 2 | 3 | 4

Ein Bericht über drei Vorträge, die ich besucht habe: "Suchmaschinenpolitik", "Videoüberwachung im europäischen Vergleich" und "Biometrie in Ausweisdokumenten".

Suchmaschinenpolitik - Google is watching you!

Eine differenzierte Betrachtung des Suchmaschinenmarktes und dessen Politik. Zensur, Manipulation, Überwachung. Was ist aus den allwissenden Göttern unserer Zeit geworden? Gibt es Alternativen?

Google ist mit fast 80% Marktanteil die größte Suchmaschine und damit Anlaufstelle, um sich in den unendlichen Informationen des Internets zurecht zu finden. Doch auch die nie veröffentlichen Algorithmen dieses Imperiums werden unterwandert, so zu sehen bei vielen Dialer-Seiten die ihre "Pageranks" verbessern und der Suche nach miserable failure, bei der als erstes George W. Bush's Biographie auf whitehouse.gov erscheint. Mehr über das so genannte "Google-Bombing" auch bei Telepolis.
Bei einer Bildersuche nach abu ghraib torture gibt es auf Google keine Resulte, bei Yahoo dagegen schon.
"Evil is what Sergey says is evil." Sergey ist einer der Gründer von Google. So arbeitet Google mit der chinesischen Regierung Hand in Hand, um dort "systemfeindliche" Webseiten zu zensieren. Kleinere Eingriffe sind auch in Deutschland schon vorgekommen, so werden hierzulande u.a. Naziseiten nicht angezeigt.

Doch auch andere Suchmaschinen haben Probleme. So zeigt die Beta-Version von Microsofts MSN Suche Deutschland bei einer Suche nach "sex" und adolf hitler nur die Nachricht "Bei der Suche nach ... werden möglicherweise sexuelle Inhalte ausgegeben.", während die Schweizer Version 710.388.050 bzw. 2.007.670 Ergebnisse angezeigt werden.

"Creepy" ist auch Google's E-Mail Service G-Mail, bei dem alle E-Mails (empfangen oder gesendet) durchsucht und geindext werden und sich eingeblendete Werbung nach dem Inhalt der Mails richtet. Damit kennt Google auch soziale Netzwerke.
Bei Google's "Desktop Suche" werden alle Suchanfragen auf der Festplatte in unverschlüsselten Dateien gespeichert, die auch schon von anderen Rechnern aus erreichbar waren.
Die Google Suchmaschine selbst setzt auf Rechnern einen "Cookie", der jeden Rechner eindeutig zuweisen kann, alle Suchanfragen speichert und erst im Jahr 2038 verfällt! Zusammengefasst lässt sich sagen, das Google alle Daten über seine User speichert, die es in die Hände bekommt, diese Daten nicht löscht und nicht begründet, warum es dies tut. Mehr Infos dazu hier. Bleibt noch zu bemerken, dass lauf dem Patriot Act die US-Regierung "Zugriff auf Profile der Weltbevölkerung" hat, was ihnen mit den von Google gespeicherten Daten ziemlich leicht fiele.

Videoüberwachung im europäischen Vergleich - Gemeinsame Trends und nationale Unterschiede

Ein Überblick über die aktuelle Situation im Bereich Videoüberwachung in Europa. In einer Zusammenfassung der Ergebnisse sollen nationale Unterschiede und gemeinsame europäische Trends aufgezeigt werden und vor dem Hintergrund der forschungsleitenden Frage diskutiert werden, ob wir mit dem Aufstieg von Videoüberwachung zum urbanen Alltagsphänomen an der Schwelle zu einem urbanen Panopticon stehen, in dem die Überwachten ihr Verhalten in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den unsichtbaren Beobachtern selbst disziplinieren und sich damit einem latenten Anpassungsdruck unterwerfen.

Eric Töpfer stellte Ergebnisse einer Studie vor, die 3 Jahre lang in ganz Europa, vorwiegend GB, Frankreich, Dänemark, Holland, und Schweden Videoüberwachung analysierte. Während in London 47% aller öffentliche zugänglichen Einrichtungen überwacht werden, sind es in Wien 17% und Berlin 21%, was sich auch in der Akzeptanz von Überwachung innerhalb der Bevölkerung wiederspiegelt. Da die "Gefahr vor Terrorismus" in London seit den 90er Jahren und IRA hoch sei, fühlen sich die Bewohnenden mit Kameras auch sicher. So konnte GB auch in 530 Städten 40.000 Kameras in Straßen, Plätzen und öffentlichen Einrichtungen installieren. Die Masse davon zielt jedoch auf symbolische Abschreckung, so gibt es einfache feste Kameras ohne Echtzeitüberwachung am öftesten und auch Attrappen sollen ihre Wirkung zeigen. Jedoch hat in GB die Videoüberwachung Kriminalität nur um 4% gesenkt, nicht gerade ein rühmliches Ergebnis für sündhaft teure Anlagen.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass Videoüberwachung jedoch europaweit weiter zunehmen wird. Die These des Vortragenden war, dass durch fortschreitenden Neoliberalismus und damit die weitere Spaltung der Gesellschaft in 2 "Schichten", das Mißtrauen untereinander größer wird und dies auch als Grund für weitere Überwachung dient.

Biometrie in Ausweisdokumenten - Eine Aufnahme der politischen und technischen Sicht

Eine kurze Einführung in die Technik und ein Überblick über die zurückliegenden, gegenwärtigen und zukünftigen politischen Entscheidungen unter Berücksichtigung von Studien und Test zur Tauglichkeit vorraussichtlich verwendeter Systeme. Ziel ist es, aufzuzeigen, wie wenig die Systeme in den geplanten Einsatzszenarien den versprochenen Sicherheitsgewinn bringen. Im Anschluss wird es noch ein paar Vorführungen zur Überwindbarkeit der drei wichtigsten Systeme (Gesichtserkennung, Fingerabdruck und Iriserkennung) und eine offene Diskussion über die Politik und die Einstellung gegenüber der Technik geben.

Am 9.1.2002 wurden mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz 21 bestehende Gesetze geändert, damit Finger-, Hand- oder Gesichtsabdruck in Ausweis und Pass aufgenommen werden können. Dies wird nächstes Jahr geschehen, es wird empfohlen sich vorher noch einen neuen zu holen.
Im Vortrag wurde gesagt, wie mensch einen Fingerabdruck leicht nachmachen kann. Im anschließenden Workshop wurden diese Methoden noch genauer vorgestellt. Zum nachmachen eines Fingerabrdrucks gibt es auch eine Anleitung und ein Video (30mb) auf der CCC-Homepage.
Während sogar das BKA in einer Studie zugab, dass bestehende Systeme mit Fotos bzw. Videos überlistbar sind, treibt Schily Biometrie in Ausweisen voran. Die Daten von Asylbewerbern sollen sogar in einer zentralen Datenbank ohne Zweckbindung gespeichert werden, damit könnte sogar die Polizei für Spurensuche auf diese Daten zugreifen. Dass damit der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird, scheint egal zu sein.
Zum Schluss wurden diese acht Forderungen noch erläutert.
Mehr Informationen zu diesem Thema auch auf biometrische-systeme.org

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Ergänzungen

links zu vergangenen google-artikeln auf indy

- 27.12.2004 - 18:04
 http://de.indymedia.org//2004/02/75732.shtml - Neuerliche Google-Zensur
 http://de.indymedia.org//2004/11/100375.shtml - Zensiert Google Indymedia?
 http://de.indymedia.org//2004/11/100375.shtml - Wie kann ich unzensiert mit Google suchen?
 http://de.indymedia.org//2002/10/32176.shtml - Was zensiert google.de? Forscher bitten um Mithilfe
 http://de.indymedia.org//2002/10/32332.shtml - Zensur bei Google
 http://de.indymedia.org//2002/08/28474.shtml - Google zensiert Anti-Stoiber Aktion
 http://de.indymedia.org//2003/02/40866.shtml - Internet-Zensur - und wie mensch sie umgeht

Frage hintendran: gibt es eigentlich schon Ansätze für ein p2p/opensource Suchmaschinen-Konzept? Bitte Info mit dranhängen, danke.

Freie Suchmaschine

adil asyl 27.12.2004 - 20:02
Nutch ist ein Versuch, eine Suchmaschine auf Open Source-Basis zu erstellen:

Über Nutch (deutsch):  http://www.nutch.org/docs/de/about.html
Homepage:  http://www.nutch.org

gehackte Seiten

leser 29.12.2004 - 02:16
natürlich wird auf dem c3 auch gehackt, betroffene seiten sind hier zu finden:  https://21c3.ccc.de/wiki/index.php/Hacks

(darunter unter anderem  http://www.cdu-niedersachsen.de/ :))

Weiterer Artikel

LolliPoP 03.01.2005 - 14:37
In der Auflistung fehlt noch ein weiterer Artikel zur Überwachung der Teilnehmer, der es immerhin auf die Startseite geschafft hatte. Interessant sind dort vor allem die Ergänzungen/Kommentare. Diskussionen in den Ergänzungen werden dort von den Mods zugelassen, wenn sie den CCC vor Kritik in Schutz nehmen - andere hingegen werden gelöscht oder runtergesetzt (merkwürdigerweise die mit gegensätzlichen Positionen). Wenn da mal nicht persönliche Interessen im Vordergrund stehen. Denn die Überwachung und Durchsuchung der Teilnehmer sind nicht mehr weg zu diskutieren. Sich gegen Überwachung zu positionieren und dann selber auf Überwachung zu setzen ist peinlich. Der Umgang einiger indy-Mods leider genauso.


 http://germany.indymedia.org/2004/12/102707.shtml

Radioaktive Pässe

Andre. M 10.01.2005 - 13:16

...und andere sinnvolle Methoden für die innere Sicherheit

Biometrische Ausweise, RFID unter die Haut etc.: was es bringt, warum es kommt. Was die Sicherheitsbemühungen wirklich bringen, und warum sie trotzdem umgesetzt werden. Ziel ist, eine intelligente Begründung zu destillieren.

Über RFID-Chips und ihre Unsicherheit steht ziemlich viel auf stoprfid.foebud.org, deswegen werde ich hier aus Zeitgründen nicht weiter darauf eingehen.
Interessant und bislang unbeachtet blieb eine Bemerkung eines Teilnehmer, dass die bisher im Einsatz befinlichen RFID-Chips im "Department of Homeland Security" auf der Frequenz 13,65 Mhz ausgelesen wird, eine Nidedrigfrequenz, die jede/r Amateur-Funker/in stören kann.

Die Propagandawüste des realen Krieges - Direkte und indirekte Steuerungsmöglichkeiten der Medien im Krieg des 21. Jahrhunderts

Ein Essay über die Medienstrategien kriegsführender Parteien von Napoleon bis zum Zeitalter der Satellitentechnik und Enthauptungen per Videostream im Internet. Im Fokus sind vorwiegend die Entwicklungen und Veränderungen im Nachgang des Vietnamkrieges. Eine Zeitachse vom Falklandkrieg via NATO-Jugoslawien-Feldzug bis zum Irak-Krieg und dem war on terror von Heute wird beleuchtet und kritisch bewertet.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Märchenwelt — Märchenonkel

Logo — *kopfschüttel*

Logo nicht sexistisch — gehtDichGarNixAn

LOGO WEG VON DER STARTSEITE — der optimistin

Auf zum CCC — supergirls

@ kopfschüttel — bla

Logo zeigt keine nackte Frau — Axel Schweiß