Folter-Daschner: nur Geldstrafe auf Bewährung

Folter-Gegnerin 20.12.2004 11:56 Themen: Repression
Wolfgang Daschner, ehemaliger Polizei-Vizepräsident Frankfurts, ist heute zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Damit kommt der Daschner und ein Kriminalkommisar der Frankfurter Polizei - wie zu erwarten war - verdammt gut weg. Nachfolgend u.a. Links zur Geschichte und Presseberichte zum Urteil.
Der Prozess steht am Ende einer langen Debatte, die in Deutschland eine Aufweichung des Folterverbots zum Ziel hatte. Wolfgang Daschner wurde zu 10.800 Euro (90 Tagessätze zu 120 Euro) und ein Kollge Ortwin Ennigkeit zu 3.600 Euro (60 Sätze zu 60 Euro) auf Bewährung verknackt. D.h. zahlen müssen sie erst mal nix, aber man darf sie jetzt als Kriminelle bezeichnen. Daschner hatte in einem Verhör einem Kindesentführer Folter angedrohen lassen. Zum Prozess gab es zahlreiche Protestaktionen, die auch auf Indymedia veröffentlicht sind:

Prozesseröffnung gegen Folter-Daschner - 22.06.2004 10:51
 http://de.indymedia.org//2004/06/86149.shtml

Protest bei Daschner-Prozesseröffnung - 15.11.2004 22:22
 http://de.indymedia.org//2004/11/99220.shtml

Prozesseröffnung von Protesten begleitet(Ffm)
 http://de.indymedia.org//2004/11/99455.shtml

Proteste gegen Folterbefürworter - 19.11.2004 12:29
 http://de.indymedia.org//2004/11/99584.shtml

Spontane Kundgebung vor Daschners Haustür
 http://de.indymedia.org//2004/11/99590.shtml

Urteil gegen Daschner von Thomas Meyer-Falk - 16.12.2004 08:30
 http://de.indymedia.org//2004/12/101728.shtml

Folter in Deutschland auch bald für Linke?
 http://de.indymedia.org//2003/02/43006.shtml

===

Frankfurter Rundschau online, 20.10.2004

Folterdrohung: Geldstrafe für Daschner

Frankfurt/Main (dpa) - Der Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen der von ihm angeordneten Folterdrohung im Entführungsfall Metzler zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

Das Frankfurter Landgericht sah es in seinem Urteil am Montag als erwiesen an, dass der 61 Jahre alte Daschner einen untergebenen Beamten zur schweren Nötigung verleitet hatte. Der mitangeklagte Polizist erhielt ebenfalls eine Geldstrafe. Mit den Drohungen gegen den Entführer Magnus Gäfgen hatten die Angeklagten das Leben des entführten Bankierssohns Jakob von Metzler retten wollen, der zum Zeitpunkt des umstrittenen Verhörs aber schon tot war.

Die 27. Strafkammer unter dem Vorsitz der Richterin Bärbel Stock verhängte eine Strafe von 10 800 Euro (90 Tagessätze zu 120 Euro) für Daschner und 3600 Euro (60 Sätze zu 60 Euro) für den 51 Jahre alten Vernehmungsbeamten. Die deutlich unter dem Regelstrafrahmen von einem halben bis fünf Jahren liegende Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. Das Gericht blieb mit seinem Urteil unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Das Gericht hatte in acht Verhandlungstagen neun Polizisten, einen Polizei-Psychologen und den zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder Gäfgen als Zeugen gehört. Dieser wiederholte seine schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Vernehmungsbeamten. Daschner hatte sein Vorgehen am 1. Oktober 2002 in einer Aktennotiz festgehalten und es den Zeugen zufolge auch gegen Widerstände in der Polizei durchgesetzt. Der Staatsanwalt hatte seinen Strafantrag ausdrücklich nicht auf Gäfgens Aussagen gestützt.

===

Süddeutsche Online

Prozess um Gewaltandrohung

Milde Strafe für Daschner

Der frühere Frankfurter Polizeivizepräsident ist zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Daschner hatte drei Tage nach der Entführung des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler angeordnet, dem Tatverdächtigen Gäfgen Schmerzen anzudrohen.

Das Frankfurter Landgericht sah es in seinem Urteil als erwiesen an, dass Daschner im Oktober 2002 einen untergebenen Beamten zur schweren Nötigung verleitet hatte.

Der Richter verurteilte Daschner zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen je 120 Euro, also 10.800 Euro. Der mitangeklagte Polizeibeamte Ortwin E. wurde zu 60 Tagessätzen je 60 Euro verurteilt.

Mit seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe auf Bewährung erhielt Daschner eine der mildesten Strafen, die im Gesetz vorgesehen sind. Sollte die Verurteilung wegen der Folterdrohungen im Mordfall Jakob von Metzler rechtskräftig werden, wäre Daschner auch nicht vorbestraft.

Unterschritten wird dieses Strafmaß nur noch durch eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen - beispielsweise die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse, wie es im Paragraf 153a der Strafprozessordnung heißt.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Geldstrafe von 27.000 Euro beantragt, die wegen "massiver Milderungsumstände" zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Die Verteidigung hatte dagegen Freispruch gefordert. Daschner habe nicht gegen das Recht verstoßen, sondern ein "letztes Mittel" zur Gefahrenabwehr in einem übergesetzlichen Notstand angewandt, argumentierten die Anwälte.

Am 1. Oktober 2002 und damit drei Tage nach der Entführung des elfjährigen Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler hatte Daschner angeordnet, dem Tatverdächtigen Gäfgen Schmerzen anzudrohen, damit dieser den wahren Aufenthaltsort des möglicherweise noch lebenden Kindes nennt.

Nach dieser Folterandrohung gab Gäfgen zu, dass Jakob tot sein könnte und dass er sich an einem See nahe Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis befinde. Dort fand die Polizei die in Müllsäcken verpackte Kindesleiche.

(AP/dpa/AFP)

===

FAZ.net

Prozeß um Folterandrohung
Geldstrafe: Wolfgang Daschner für schuldig befunden

20. Dezember 2004 Der frühere stellvertrende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen der von ihm angeordneten Folterdrohung im Entführungsfall Metzler zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Frankfurter Landgericht sah es in seinem Urteil vom Montag als erwiesen an, daß der 61 Jahre alte Daschner einen untergebenen Beamten zur schweren Nötigung verleitet hat. Der mitangeklagte Polizist erhielt ebenfalls eine Geldstrafe. Mit den Drohungen gegen den Entführer hatten die Angeklagten das Leben des entführten Bankierssohns Jakob von Metzler retten wollen, der zum Zeitpunkt des umstrittenen Verhörs aber schon tot war.

Die 27. Strafkammer unter dem Vorsitz der Richterin Bärbel Stock verhängte eine Strafe von 10.800 Euro (90 Tagessätzen zu 120 Euro) für Daschner und 3600 Euro (60 Sätze zu je 60 Euro) für den 51 Jahre alten Vernehmungsbeamten Ortwin E. Die deutlich unter dem Regelstrafrahmen von einem halben bis fünf Jahren liegende Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.

Verurteilte gelten nicht als vorbestraft

Das Gericht blieb mit seinem Urteil unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die selbst „massive Milderungsumstände” gesehen und daher für Geldstrafen in Höhe von 27.000 bezeihungsweise 14.400 Euro plädiert hatte. Die „Verwarnung unter Strafvorbehalt”, so der juristische Sprachgebrauch, gehört zu den mildesten Strafen, die im Gesetz vorgesehen sind. Unterschritten wird dieses Strafmaß nur noch durch eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen - beispielsweise die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse. Die Verurteilten gelten nicht als vorbestraft und die Verurteilung wird bei der Ausstellung eines behördlichen Führungszeugnisses grundsätzlich nicht berücksichtigt.

Das Gericht hatte in insgesamt acht Verhandlungstagen in vier Wochen neun Polizisten, einen Polizei-Psychologen und den zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder Magnus Gäfgen als Zeugen gehört. Dieser wiederholte seine schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Vernehmungsbeamten. Daschner hatte sein Vorgehen am 1. Oktober 2002 in einer Aktennotiz festgehalten und es den Zeugen zufolge auch gegen Widerstände in der Polizei durchgesetzt. Der Staatsanwalt hatte seinen Strafantrag ausdrücklich nicht auf Gäfgens Aussagen gestützt.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Der Staat:Bullen mild, Linke hoch verurteilen

Staatsfeind 20.12.2004 - 12:23
Ein "mildes" Urteil meint die Presse und da hat sie recht. Linke werden wegen unangemeldeter Versammlungen zu Geldstrafen ohne Bewährung verurteilt oder wegen angeblichem schweren Landfriedensbruch (während einer Demo) zu Knast. Mit Sicherheit wird auch das gegen die beiden Bullen anstehende Disziplinarverfahren milde ausgehen. Daschner hatte gleich zwei Verteidiger: Wolfgang Steinke und Eckart Hild.

Der Hessische Rundfunk meldete:

Folter-Androhung
Daschner zu Geldstrafe verurteilt

Er hatte dem Entführer und Mörder eines elfjährigen Jungen im Verhör Gewalt und Schmerzen androhen lassen. Der ehemalige Frankfurter Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner wurde dafür am Montag vom Landgericht Frankfurt zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der Mitangeklagte Vernehmungsbeamte Ortwin Ennigkeit wurde zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt. Die Strafe wurde ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Daschner den untergebenen Beamten zur schweren Nötigung verleitet hatte. Mit dem Urteil blieb das Gericht deutlich unter dem möglichen Strafmaß.

Staatsanwalt hatte Bewährungsstrafe gefordert
Daschner hatte den Vernehmungsbeamten Ortwin Ennigkeit angewiesen, den Entführer des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler mit Gewalt zu bedrohen. Verleitung zur schweren Nötigung, beziehungsweise schwere Nötigung lautete deshalb die Anklage. Staatsanwalt Wilhelm Möllers hatte für die beiden Angeklagten Geldstrafen beantragt: Für Daschner 27.000 Euro, für den mitangeklagten Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit 14.400 Euro, jeweils ausgesetzt zur Bewährung. Als Bewährungsauflage sollten die Angeklagten 10.000, beziehungsweise 5.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zahlen.

Mit diesem Strafantrag war die Staatsanwaltschaft deutlich unter dem Regelstrafrahmen bei besonders schweren Fällen geblieben: Dieser sieht ein Strafmaß von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft vor. Die Verteidiger hatten dagegen Freisprüche beantragt. Das Vorgehen der Beamten war nach ihrer Einschätzung vom Polizeirecht gedeckt. Dass der Elfjährige Jakob zum Zeitpunkt der Drohung am 1. Oktober 2002 längst tot war, hätten die Ermittler nicht wissen können.

"Das böse Wort Folter"
Vor allem Menschenrechtler erwarteten von dem Prozess ein deutliches Zeichen gegen die Folter . Der Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, Heiner Bielefeldt, sagte im Vorfeld des Urteils: „Das Gericht muss klar machen, dass Folter absolut verboten ist und niemals gerechtfertigt werden kann“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass der gute Zweck - die mögliche Rettung eines unschuldigen Kindes - alle Mittel heilige. „Polizisten müssen wissen, dass sie sich in solchen Situationen verantworten müssen“, so Bielefeldt. Einen Schuldspruch halte er unabhängig vom Strafmaß für unverzichtbar. Der von Daschner in den Prozess eingeführte Begriff des „unmittelbaren Zwangs“ gehöre zu einem semantischen Verwirrspiel der Verteidigung, die „das böse Wort Folter“ vermeiden wolle, sagt der Menschenrechtler.

Verurteilter Mörder erhob schwere Vorwürfe
Der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt war zügig verlaufen: An sieben Verhandlungstagen hörte die Strafkammer als Zeugen neun Polizisten, einen Polizei-Psychologen und den zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder Magnus Gäfgen. Dieser hatte den elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler am 27. September 2002 entführt und ermordet.

Gäfgen wiederholte vor Gericht seine schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Vernehmungsbeamten. Daschner hatte sein Vorgehen in einer Aktennotiz festgehalten und es Zeugen zufolge auch gegen Widerstände in der Polizei durchgesetzt.

Stop Torture klagt gegen Staatsanwalt (s.u.)

Reuters 15:23 Uhr 20.12.2004 - 15:47
Daschner erhält Geldstrafe auf Bewährung

Frankfurt - Der ehemalige Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen der Gewaltandrohung gegen den Entführer des elfjährigen Bankierssohnes Jakob von Metzler verwarnt worden und muss im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe rechnen. Er ist damit nicht vorbestraft.

Das Frankfurter Landgericht blieb weit unter dem üblichen Strafrahmen, der Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren in Fällen von schwerer Nötigung vorsieht.

"Die Achtung der Menschenwürde ist Grundlage unseres Rechtsstaates", betonte die Vorsitzende Richterin Bärbel Stock am Montag in ihrer Urteilsbegründung. Auch im Dienste der Gerechtigkeit und in schwierigen Situationen dürfe die Polizei gegen dieses oberste Gebot nicht verstoßen. Zu Gunsten Daschners wertete das Gericht, dass es ihm um das Leben Jakobs gegangen sei und er selbst einen Vermerk über sein Vorgehen angefertigt habe. Auch der Kriminalbeamte, der dem Entführer Magnus Gäfgen die Drohung im Polizeigewahrsam überbrachte, wurde verwarnt. Beide Beamten verzichteten auf eine Revision, ihnen stehen nun Disziplinarverfahren bevor. Menschenrechtsgruppen und Parteien begrüßten das Urteil als Bestätigung des Folterverbotes.

Der 61-jährige Daschner war wegen Verleitung zu schwerer Nötigung und Amtsmissbrauch angeklagt. Er hatte eingeräumt, dass Anfang Oktober 2002 auf seine Anweisung hin dem Entführer Jakobs Gewalt angedroht worden war, um Jakob noch lebend zu finden. Gäfgen führte die Polizei nach der Drohung zum Versteck der Leiche Jakobs. Wegen Mordes wurde Gäfgen 2003 zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Prozess gegen Daschner sagte er als Zeuge aus. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer über die Verwarnung hinaus eine Geldauflage gefordert, während die Verteidigung auf Freispruch plädierte.

"Auch im Rahmen der Gefahrenabwehr darf eine Auskunft nicht erzwungen werden", erklärte Richterin Stock. Ein solcher Verstoß gegen das Gebot zur Achtung der Menschenwürde sei auch dann verwerflich, wenn damit das Lebens eines Kindes gerettet werden solle. Außerdem habe Daschner nicht alle zulässigen Mittel ausgeschöpft, um eine Auskunft Gäfgens zu erlangen. Es habe sich nicht um einen sehr schwierigen Einzelfall gehandelt, da viele Entführungen die Polizei vor derartige Probleme stellten. Selbst im "Deutschen Herbst" 1977 mit den Entführungen der die linksextremistischen "Rote Armee Fraktion" habe sich das Grundgesetz bewährt. "Was den Verbrechern der RAF nicht gelungen ist, soll doch erst recht nicht dem Kindesmörder Gäfgen gelingen - das Grundgesetz aus den Angeln zu heben", betonte Stock.

GERICHT: DASCHNER HANDELTE AUS EHRENWERTEN MOTIVEN

Zu Gunsten der Angeklagten wertete das Gericht, dass sie aus ehrenwerten Motiven gehandelt hätten und Daschner nicht versucht habe, sein Vorgehen zu vertuschen. "Ihm ist dafür Respekt zu zollen in einer Zeit, in der das Abschieben von Verantwortung und das Verdecken von Schuld eher en vogue zu sein scheinen", sagte die Richterin. Eine Geldauflage oder eine Bestrafung sei daher nicht erforderlich. Mit der Verwarnung sind beide Beamten sind im Unterschied zu einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe nicht vorbestraft. Sie bedeutet, dass Daschner erst im Wiederholungsfall eine Geldstrafe von 10.800 Euro und sein Untergebener eine Geldstrafe von 3600 Euro zahlen müssten.

Beide Angeklagten verzichteten auf eine Revision. "Herr Daschner hat nicht mehr die Kraft, das Verfahren weiter durchzustehen", sagte sein Verteidiger Eckart Hild.

Amnesty International begrüßte das Urteil als Bestätigung des absoluten Folterverbotes in Deutschland. "Das Gericht hat klar gemacht, dass Hinweise auf Gefahrenabwehr, Notstand und Nothilfe nicht zulässig sind", erklärte Amnesty-Generalsekretärin Barbara Lochbihler. Sie sei aber enttäuscht, dass das Gericht die Tat nicht als Folter gewertet habe. Die Polizeigewerkschaft nannte das Urteil nachvollziehbar.

Die deutsche Initiative "Stop Torture" erklärte, sie habe Strafanzeige gegen den Staatsanwalt wegen versuchter Anstiftung zur Rechtsbeugung erstattet. Er habe zu milde plädiert.

HH: Rechtsprofessor plädiert für Folter

winkeladvokat 20.12.2004 - 15:48
laut yahoo news hat ein Hamburger Rechtsprofessor für die Einführung einer "Rettungsfolter" plädiert - und zwar dann, wenn sich der Staat in einer "Notwehrsituation" befände, und ein Täter den Ort/Namen etc. eines Opfers nicht preisgäbe.

Schmerzzufügung in steigenden Intervallen sei ein Mittel - der vorgeschlagene Terminus "Rettungsfolter" könne unter das Notwehrrecht subsumiert werden.

Richterin zieht Bezüge zur RAF

@winkel 20.12.2004 - 16:22
Bereits der Strafrechtler - der Mainzer Rechtsprofessor - Volker Erb hat Daschner gerechtfertigt.

Die Vorsitzende Richterin Bärbel Stock zog parallelen zu den 1970ern: Das Grundgesetz mit dem Recht auf Menschenwürde habe sich auch während der Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer bewährt. Damals habe Bundeskanzler Helmut Schmidt unter unvorstellbarem Druck gestanden, sagte Stock. Das Bundesverfassungsgericht habe den Antrag eines Sohns Schleyers, der die Bundesregierung zum Eingehen auf die Forderungen der Terroristen zwingen wollte, abgelehnt. Die Richterin sagte in Bezug auf den Fall Daschner: «Was den Verbrechern der RAF nicht gelungen ist, den Rechtsstaat aus den Angeln zu heben, sollte erst recht nicht dem Verbrecher Gäfgen gelingen.»

kleiner exkurs in die rechtssoziologe

mt 20.12.2004 - 19:25
Mal abseits der grundsaetzlichen Problematik des staatlichen strafens sollte eine urteilsdiskussion doch etwas vor augen fuehren, was mit strafe, ueberhaupt bezweckt wird. strafe ist eine uebelszufuegung als reaktion auf einen normverstoss. davon wurden und werden die unterschiedlichsten dinge erwartet. etwas aus der mode gekommen sind vorstellungen, dadurch soll so etwas wie transzendentale gerechtigkeit wieder hergestellt werden, schuld gesuehnt werden. aber so mittelalterlich das klingt, weit hat sich die diskussion nicht davon bewegt. Ein anderer nicht mehr so aktueller gedanke ist, dass sozialer friede dadurch hergestellt wird, dass die macht rache nimmt fuer den normverstoss und so die reaktion zivilisiert und vor allem maessigt, ein gedanke der die herausbildung eines nachmittelalterlichen strafrechtswesens vor allem in den beziehungen zwischen fuersten gepraegt hat.
İn der modernen diskussion wird auf praevention gesetzt. strafe soll also kuenftige normverstoesse verhindern. hierbei wird gerne zwischen general und spezialpraevention unterschieden, das feuhrt jedoch nicht weit, weil unter beiden aspekten die verschiedensten wirkungsweisen gemeint sind.
strafe soll abschreckken, speziell den taeter, selbiges noch einmal zu tun, generell die allgemeinheit. unter diesem aspekt kann strafe nie hoch genug sein, wirksam ist sie jedoch - vor allem wenn wir ueber ernsthafte kriminalitaet sprechen, also nicht vom falschparken - kaum.
strafe soll vor allem, und das ist wenig beachtet, die verletzte norm stabilisieren. eine anerkannte instanz bestaetigt durch die raktion auf einen normverstoss die norm. auch dieser aspekt ist praevention, sowohl generell als auch speziell. die hoehe der strafe spielt dabei eigentlich gar keine rolle. sie kann hoechstens eine abstufung der wichtigkeit der norm zulassen.

und hier kommen wir zur bewahrungsstrafe, der klassischen aussetzung einer freiheitsstrafe zur bewaehrung und der hier vorliegenden verwarnung mit strafvorbehalt.

erstere ist bei kurzen freiheitsstrafen der regelfall, bei strafen von 1 bis 2 jahren faktisch auch. die erkenntnis, dass die verbuessung der freiheitsstrafe in der regel die wahrscheinlichkeit, dass die betreffende person straftaten begeht eher erhoeht, aber auch die ueberlegung, dass die starfverbuessung eigentlich zur normstabilisierung nicht notwendig ist, fuehrten zu dieser entwicklung.

zweitere ist absolute ausnahme und etwas unklar. ist sie nun strafe oder nicht? und genau diese schwammigkeit fuehrt dazu, dass zweifel an der normstabilisierung durch das urteil tatsaechlich angebracht sind. da der gestzgeber dies befuerchtet hat, ist vorraussetzung, dass die verteidigung der rechtsordnung die verurteilung zu strafe nicht gebietet. par 59 I 2 Nr.3 StGB.

fazit: meines erachtens ist es mir reichlich egal, wie hoch die strafe ist, aber hier ist schon in frage gestellt, ob ueberhaupt bestraft wurde, selbst symbolisch.

Eine Recherche wert

Hamburguerrillero 20.12.2004 - 22:04
"Daschner hatte sein Vorgehen in einer Aktennotiz festgehalten und es Zeugen zufolge auch gegen Widerstände in der Polizei durchgesetzt."

Einige (offenbar halbwegs vernünftige) Polizisten hielten Daschners Anweisung also korrekterweise von Anfang an für illegal und haben, ebenfalls korrekterweise, den Gehorsam verweigert. Daß er das Vorgehen dennoch durchsetzte, lässt in mir die Frage aufkommen, ob sich Herr von Metzler und Daschner vorher persönlich kannten. Vielleicht aus dem Studium oder der Verbindung oder dem Rotary Club. Geld kommt zu Geld, wie wir alle wissen. Ich finde, das ist eine Recherche wert.

weitere medienberichte

mediendurchsucher 21.12.2004 - 04:00
Folterdrohung bleibt ungestraft
Äußerst mildes Urteil im Frankfurter "Folterprozess". Polizeivize Daschner erhält nur symbolische Strafe. Gericht bekräftigt Folterverbot. Zustimmung bei Politik und Polizei. Kritik nur am Strafmaß
 http://www.taz.de/pt/2004/12/21/a0080.nf/text


daschner-urteil
Im Licht der Öffentlichkeit

Wolfgang Daschner, der ehemalige Frankfurter Polizeivizepräsident, hat eine denkbar milde Strafe erhalten. Für seine unverhohlene Drohung gegenüber dem Entführer und Mörder Magnus Gäfgen, Gewalt anzuwenden, wurde er lediglich verwarnt. Das Gericht hielt dem Angeklagten zugute, dass er unter Stress gestanden und gute Absichten gehegt habe.
KOMMENTAR
 http://www.taz.de/pt/2004/12/21/a0081.nf/text

Anwort of Rechtssoziologie

Kritik der Kritik 21.12.2004 - 10:56
Es ist zwar richtig, dass auch heute noch beim Strafen auf drei Grundlegende Theorien (Generalprävention, Spezialprävention und Vergeltung) zurückgegriffen wird. Doch machen diese das Strafen an sich nicht sinnvoller. Das Urteil gegen Daschner ist eine korrekte Konsequenz aus den Theorien.
Wenn wir einmal die Vergeltung, außen vor lassen, die von der Sühne und dem "Wider-Gut-Büßen" einer Tat ausgeht, so kann das Urteil vor der Bühne der Prävention betrachtet werden.
Konkret geht es bei der Prävention generell darum bei einem Normvertoß dafür zu sorgen, dass dieser nicht wieder vor kommt. Allerdings geht die Straftheorie dabei immer von "vom Himmel gefallenen" Normen aus. Wer diese setzt und welcher Zweck damit verfolgt wird, wird nicht betrachtet. Am Ende geht es darum die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten. Was diese Ordnung bedeutet und wie sie zu Stande kam ist kein Inhalt von Straftheorie.
Daschner hat mit seinem Handeln aber genau das Ziel verfolgt die Ordnung aufrecht zu erhalten (bzw. sie irgendwie wieder herzustellen). Er hat damit zwar selbst eine Norm überschritten, aber mit dem Ziel eine andere Norm (von vielen als höher einzustufend gesehene) zu schützen.
Daher ist es nur konsequent, wenn das Urteil extrem gering ausfällt, weil sein Handeln eigentlich darauf gerichtet war die Norm aufrecht zu erhalten.
Dass Recht dabei nicht unbedingt "Gerechtigkeit" oder "Richtigkeit" wiederspiegelt dürfte deutlich sein. Es dient im wesentlich zur Aufrechterhaltung des Status Quo - und der beinhaltet diverse Herrschaftsverhältnisse.

Es gibt keinen Regelstrafrahmen

Detlef Beutner 21.12.2004 - 11:47
Es ist auf das höchste bedenklich, wenn die gesamte Medienlandschaft seit knapp zwei Wochen - nach dem Plädoyer von Staatsanwalt Möllers - das Wort "Regelstrafrahmen" übernimmt und ungeprüft verwendet, so auch in der FAZ:

"Das Gericht sah zwar den Tatbestand der schweren Nötigung beziehungsweise Anstiftung dazu als erwiesen an, weil beide Angeklagten ihre Befugnisse und Stellung als Amtsträger mißbraucht hätten. Aber es billigte ihnen „derart massive Milderungsumstände” zu, daß von dem Regelstrafrahmen von fünf Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe abgewichen werden konnte."

Erschreckend vor allem deshalb, da, wenn die Medienberichte zutreffen, sowohl Möllers (Anstiftung) als auch die Kammer (unmittelbare Täterschaft) sich der (sehr offenen) Rechtsbeugung schuldig gemacht haben.

Möllers als auch das Gericht (s.o.) haben nach allen Mediendarstellungen die Tat als (Anstiftung zur) Nötigung in einem besonders schweren Fall eingestuft, Strafrahmen sechs Monate bis fünf Jahre Haft.

Eine Umwandlung in eine Geldstrafe ist bei dieser Höhe nicht möglich, § 47 II StGB. Strafen können gemildert werden, § 49 StGB, aber die Voraussetzungen (§§ 13 II, 17, 21, 23 II, III, 27 II, 28 I, 30 I, 35 II) treffen vorliegend offensichtlich nicht zu.

Das erschreckende ist in jedem Fall, dass alle Medien zumindest den Sachverhalt der allergröbsten Rechtsbeugung schildern, ohne sich auch nur eine Sekunde darüber zu wundern, von mehr ganz zu schweigen. Stattdessen wird das Wort "Regelstrafrahmen" erfunden, und wo eine Regel ist, das sagt ja schon das Wort, da gibt es natürlich auch Ausnahmen...

Ebenso bitter, dass sich ein Polizist uneinsichtig bis in die letzte Sekunde zeigen kann, aber die Staatsanwaltschaft dann schnell mal Einsichtigkeit unterstellt. Und bitter, dass praktisch alle Menschen glauben, dass Daschner der Gewissensgeplagte war, obwohl das Gegenteil vor knapp zwei Jahren auf der Hand lag (und durch das Verfahren bestätigt wurde; vgl.  http://www.stop-torture.de/resolution.html).

Bitter Zeiten.
Folter frei.

Nicht im Namen des Volkes

Bela Lugosi 21.12.2004 - 12:04


Von Oskar Lafontaine





Das Frankfurter Landgericht hat den früheren Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner und den Mitangeklagten Kriminalhauptkommissar Ortwin E. verurteilt. Die verhängten Strafen wurden ausgesetzt.

Im Namen des Volkes wurde das Urteil nicht gesprochen. Die Deutschen wollen, daß die Polizei das Leben der Opfer rettet. Opferschutz geht vor Täterschutz.


Das Frankfurter Fehlurteil verhindert das richtige Vorgehen der Polizei. Die Konsequenz ist: Wenn wieder ein Kind entführt wird, darf die Polizei dem Täter keine Gewalt androhen, um den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren. Auch dann nicht, wenn so sein Leben gerettet werden könnte.


Ein Kind, das nichts zu essen und zu trinken hat, wird gefoltert und kann qualvoll sterben. Dem Täter darf die Polizei nichts tun. So wird ein richtiges Prinzip, das absolute Folterverbot, zu Tode geritten.


Scheinbare juristische Korrektheit hilft in diesem Fall nicht weiter. Das Urteil verlangt nach einer Revision. Es darf keinen Bestand haben. Die Polizei eines demokratischen Rechtsstaates muß Gewalt anwenden können, um die Qualen eines Kindes zu beenden.

Dammbruch für Folter

Winfried Wolf 22.12.2004 - 10:39
Frankfurt/Main: Expolizeivizepräsident Daschner darf sich trotz Verstoß gegen Grundgesetz und Strafgesetzbuch als »unbestraft« bezeichnen. Landgericht verhängte milde Geldstrafe

Der Fall lag klar. Ein hoher deutscher Polizeibeamter hatte unzweideutig gegen das Verbot, Folter anzudrohen, verstoßen. Doch er wurde nun gestern von der 27. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts faktisch freigesprochen.

Am 1. Oktober 2002 ließ der damalige Polizeivizepräsident von Frankfurt am Main, Wolfgang Daschner, den Tatverdächtigten Magnus Gäfgen mit körperlicher Mißhandlung bedrohen, um einen Hinweis auf den Aufenthaltsort des entführten elfjährigen Bankierssohnes Jakob von Metzler zu bekommen. Daraufhin führte Gäfgen die Polizei zur Leiche des Opfers.

Das Grundgesetz stellt in Artikel 1 fest, daß die »Würde des Menschen unantastbar« ist, gewährleistet in Artikel 2 »körperliche Unversehrtheit« und formuliert in Artikel 104, daß festgehaltene Personen weder seelisch (!) noch körperlich mißhandelt werden dürfen. Im Strafgesetzbuch wird schließlich in Paragraph 343 Aussageerpressung als strafbares Delikt erkannt.

Daschner hatte seine Tat akribisch in einer Aktennotiz festgehalten. Danach ordnete er an, den Tatverdächtigen »nach vorheriger Androhung unter ärztlicher Aufsicht durch Zufügung von Schmerzen erneut zu befragen«. Im Prozeß erklärte der Kriminalbeamte Joachim W., daß von »Folter im Beisein einer Ärztin« die Rede gewesen sei. Ein anderer Kriminalbeamter, Stefan M., habe daraufhin den Führer des mobilen Einsatzkommandos damit beauftragt, ihm einen Beamten zu nennen, »der Gäfgen foltern kann«.

Bereits der Umstand, daß Daschner nur schwerwiegende Nötigung und nicht Aussageerpressung zur Last gelegt wurde, machte deutlich, daß die Tat – und damit Folter – in mildem Licht gesehen werden sollte. Dennoch sieht das Strafgesetzbuch auch im Fall einer Nötigung im besonders schweren Fall und unter Mißbrauch der Amtsbefugnisse eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor.

Auf einen Freispruch zweiter Klasse orientierte auch die Staatsanwaltschaft. Deren Argumentation war von einem krassen Mißverhältnis zwischen Worten und Strafantrag geprägt. Staatsanwalt Wilhelm Möllers hatte in seinem Plädoyer am 9. Dezember auf den »unstrittigen Sachverhalt« und darauf verwiesen, daß »die Androhung von Gewalt und der Zweck, damit eine Aussage zu erreichen ... verwerflich und nicht tolerierbar« sei. Ausdrücklich stellte Möllers fest, daß »keine Rechtfertigungsgründe zu erkennen« gewesen seien. Es gehe um die Verteidigung eines »Verfassungsgrundsatzes, der nicht mit einzelnen Gesetzen abwägungsfähig« sei. Vielmehr sei »jeder Eingriff in diesen Bereich ein nicht zu verantwortender Grundrechtseingriff«. Dennoch war es bereits die Staatsanwaltschaft, die lediglich eine Geldstrafe auf Bewährung beantragte. Daschner sei »bereits ausreichend bemakelt« – durch den Prozeß und dadurch, daß er »im Gerichtssaal Gäfgens gegenüberstehen« mußte. Das Gericht folgte dieser Argumentation und unterschritt die seitens der Staatsanwaltschaft beantragte Geldstrafe noch – statt 27000 Euro für Daschner und 14400 Euro für den Mitangeklagten Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit wurden Geldstrafen auf Bewährung in Höhe von 10800 Euro im Fall Daschner und 3600 Euro im Fall Ennigkeit ausgeprochen.

Die beiden gelten bei einer solchen »Verwarnung unter Strafvorbehalt« nicht als vorbestraft und dürfen sich nach Paragraph 53 Bundeszentralregistergesetz als »unbestraft« bezeichnen. Im Fall der Ausstellung eines behördlichen Führungszeugnisses – etwa für die Bewerbung als »Berater für Befragungstechniken« – bleibt diese Eintragung im Vorstrafenregister grundsätzlich unberücksichtigt. Gegebenenfalls können beide darauf verweisen, sie hätten »aus ehrenwertem Motiven« gefoltert. »Ehrenwerte Motive« im Handeln nannte die Richterin als strafmildernde Umstände.

Staatsanwalt Wilhelm Möllers hatte in seinem Plädoyer richtigerweise von einem drohenden »Dammbruch« gesprochen und davon, daß hier »die »Tür zu einem dunklen Raum« aufgestoßen werden könne. Dies ist hiermit geschehen.

Gemeinsame Presseerklärung

Menschenrechtsgruppen 22.12.2004 - 10:41
Mildes Urteil im Fall Daschner ist falsches Signal
Bürgerrechtsorganisationen befürchten schleichende Erosion des
generellen Folterverbots und fordern entschiedenes Gegensteuern

Mit dem heute verkündeten Urteil gegen den ehemaligen Vizepräsidenten
der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, und den mitangeklagten
Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit sind weder das Gericht noch die
Staatsanwaltschaft der Bedeutung des ausnahmslos geltenden
Folterverbotes und dem Schutz der Menschenwürde gerecht geworden. Zwar
hat das Gericht die beiden Polizeibeamten für schuldig befunden und die
Gewaltandrohungen als rechtswidrig bezeichnet. Die Angeklagten sind
jedoch derart milde verurteilt worden, als habe es sich bei der
angedrohten Folter um eine Bagatelle gehandelt. Folgt man der Logik des
Gerichts, ist die Androhung von Folter in Deutschland – wenn sie aus
einer „ehrenwerten Gesinnung“ erfolgt – faktisch legitim.

Der Fall Daschner hat über den konkreten Vorwurf hinaus Bedeutung
erlangt, weil mit seiner Hilfe das generelle Folterverbot aufgeweicht
werden sollte. Offenkundig hat das Gericht die Chance und die
Notwendigkeit versäumt, in dieser Frage eine eindeutige Antwort zu
geben.
Die unterzeichnenden Bürgerrechtsorganisationen werden deshalb die
schriftliche Urteilsbegründung mit besonderer Sorgfalt lesen.

Für uns steht fest, dass jeder Verharmlosung von Folter, sei es im Namen
der Gefahrenabwehr, des übergesetzlichen Notstandes oder des
„Anti-Terror-Kampfes“ eine Absage erteilt werden muss.

Berlin, 20.12.2004
Humanistische Union • Bürgerrechte & Polizei/CILIP • Komitee für
Grundrechte und Demokratie • Internationale Liga für Menschenrechte •
Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen

@winkeladvokat

linker winkel 22.12.2004 - 11:27
Der Hamburger Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, der für die Einführung der "Rettungsfolter" in den Notwehrparagraphen spricht, heisst Reinhard Merkel. Er hat am Montag in der Sendung «Journal» des Südwestrundfunks (SWR) Daschner gerechtfertigt und gehört zu den Folterfreunden genauso wie Lafontaine, Wolffsohn u.a., gegen die schon protestiert wurde.

Berliner Richter befürwortet Folter

KARL-HEINZ BAUM 22.12.2004 - 15:05
Neben Reinhard Merkel ist noch ein anderer Jurist negativ aufgefallen. Anbei mein Artikel aus der heutigen Frankfurter Rundschau:

Leserbrief zum Fall Daschner empört Juristen und Standesorganisationen
Landgericht Berlin leitet Disziplinarverfahren ein

Ein Berliner Richter, der die polizeiliche Folterdrohung gegen den Mörder des Frankfurter Schülers Jakob von Metzler öffentlich massiv gerechtfertigt hat, muss sich dafür nun disziplinarisch verantworten.

· Die Debatte über den Foltervorwurf gegen Frankfurts ehemaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner beschäftigt nun auch Berlins Justiz. Am vergangenen Sonntag hatte sich der Richter am Landgericht Berlin, Andreas Ohlsen, im Berliner Tagesspiegel mit einem Leserbrief zu Wort gemeldet. Darin hieß es, Daschner habe Recht angewendet.

Die Funktionsgleichung des Rechts laute: "Gesetz und Verstand und Herz und ein bisschen Mut." Dann fügte Richter Ohlsen zwei Sätze hinzu, die nun Stein des Anstoßes sind: "Schließlich könnte man Magnus Gäfgen (ihn hat das Landgericht Frankfurt/Main rechtskräftig als Mörder verurteilt) sogar unter Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention subsumieren. Wer so etwas tut, ist ein Unmensch, ein Nicht-Mensch und damit ein ,Niemand'. Und ,Niemand' darf bekanntlich der Folter unterzogen werden."

Zahlreiche Richter und Anwälte in Berlin sind über Ohlsens Äußerungen empört. Die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Justiz, Susanne Gerlach, berichtet von zahlreichen Eingaben und Dienstaufsichtsbeschwerden von Richtern, Anwälten und Bürgern an ihr Haus. Der Präsident des Landgerichts Berlin, Peter-Joachim von Drenkmann, sagte am Dienstag der Frankfurter Rundschau, den Leserbrief werte er "als Dienstvergehen". Er leitete ein Disziplinarverfahren gegen den Kollegen ein.

Scharf kritisierten auch der Präsident des Landesverbands Berlin des Deutschen Richterbunds, Peter Faust, und der Vorsitzende des Berliner Anwaltsvereins, Ulrich von Schellenberg, die Ausführungen des 43-jährigen Zivilrichters Ohlsen zur Europäischen Menschenrechtskommission. Richter Faust, Vorsitzender der 22. Strafkammer in Berlin, nannte Ohlsens Äußerungen "unsäglich" und "nicht hinnehmbar". "Wer solche Theorien vertritt, steht nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes und der Menschenrechte."

Anwälte besorgt um Urteilskraft
Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskommission von 1950 lautet: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." Nach Artikel 15 der Konvention darf vom Folterverbot nicht einmal im Kriegsfall oder bei einem öffentlichen Notstand abgewichen werden.

Für den Anwaltsverein sagt Anwalt Schellenberg: "Selbst Menschen, die etwas tun, was wir aufs Äußerste verachten, kann ich die Menschenwürde nicht absprechen." Richter seien in ihrer Amtsausübung zwar unabhängig, aber sie hätten auch eine besondere Verantwortung.

Schellenberg weist damit auf Paragraf 39 des Deutschen Richtergesetzes hin, das von den Amtsinhabern besondere Mäßigung verlangt: "Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird." Anwälte in Berlin betonten nun, sie wollten nicht, dass über ihre Mandanten ein Richter urteilen könne, der andere Menschen, auch wenn sie Verbrecher sein sollten, "Nicht-Menschen" nennt.

Daschner ist kein Einzelfall!

Antirepressiva 22.12.2004 - 16:09
Kurzmitteilung an die Presse (noch vor dem Urteil)

Daschner ist kein Einzelfall!
Der Prozess gegen den Frankfurter Ex-Polizeivize lenkt ab von der alltäglichen Gewalt in deutschen Repressionsbehörden

Erklärung aus der Projektwerkstatt in Saasen:

Der Prozess gegen den Frankfurter Ex-Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner lenkt von der Wirklichkeit in deutschen Repressionsbehörden ab. Die fast zeitgleich an verschiedenen Standorten der Bundeswehr bekanntgewordenen Fälle von Misshandlung zeigen, dass Daschner nicht die Ausnahme, sondern die Normalität repräsentiert. Wo innerhalb von Machtstrukturen Unterdrückungsverhältnisse entstehen und die Unterdrücker zudem die Informationsflüsse kontrollieren, bilden Übergriffe, Gewaltanwendung und -drohung den Alltag.

Wolfgang Daschner ist nicht der Aussageerpressung, sondern der Nötigung angeklagt. Nötigung bedeutet in diesem Zusammenhang, einen anderen Menschen oder eine ganze Gruppe mittels der Androhung oder Ausübung psychischer oder körperlicher Beeinträchtigung zu einem konkreten Verhalten zu zwingen. Genau das ist in Polizeistationen, Gefängnissen, bei vielen Einsätzen von Bundesgrenzschutz, Feldjägern oder privaten Sicherheitsdiensten weit verbreitet.

In einer umfangreichen Dokumentation zu Polizei- und Justizstrategien gegenüber politischen Gruppen konnten die AutorInnen im März 2004 allein im Bereich Gießen eine Vielzahl von Drohungen und Gewaltanwendungen von Polizeibeamten nachweisen. Anders als im Fall Daschner werden diese wie auch etliche andere Straftaten durch die Staatsanwaltschaft Gießen und den Generalstaatsanwalt Hessen bis heute gedeckt. Der Prozess gegen Wolfgang Daschner dient den Interessen einer alltäglich Gewalt ausübenden und Drohungen aussprechenden Polizei vor allem der Ablenkung. Dort wird eine Person geopfert, gleichzeitig aber als Ausnahme dargestellt, um die Alltäglichkeit von Drohungen und Gewalt der Polizei und anderer Repressionsorgane zu verschleiern.

Die Dokumentation zu Polizei- und Justizhandeln im Raum Gießen mit einem Kapitel zu Gewalt und Gewaltandrohung ist unter  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu downloadbar, ebenso sind weitere Informationen z.B. zu der Weigerung von Staatsanwälten, Strafanzeigen zu verfolgen, auf der Internetseite verlinkt.

Direkte Kontaktaufnahme zu Betroffenen und den AutorInnen der Dokumentation ist über die Projektwerkstatt (Adr. siehe unten) möglich.


--------
Projektwerkstatt Saasen, 06401/90328-3, Fax -5, 0171/8348430
Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen (20 km östlich Giessen)
www.projektwerkstatt.de/saasen
++ Tagungshaus ++ politische Werkstätten ++ Archive und Bibliotheken ++
++ Politische WG ++ Direct-Action-Plattform ++ Direkter Bahnanschluß! ++


SOWEIT DIE PRESSEINFO
Mehr Links und Infos:
- Volker Bouffier, Hess. Innenminister:  http://www.volker-bouffier.de.vu
- Polizeigewalt:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/polizeigewalt.html
- Knast:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/knast.html
- Antirepression:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression

Gericht lässt Milde walten

Oliver Tolmein 23.12.2004 - 13:50
URTEIL IM FRANKFURTER "FOLTER-PROZESS"

Die Schuld Daschners wird als gering angesehen. Nicht einmal eine abschreckende Wirkung für Polizeibeamte könnte von dieser Strafe ausgehen

Folter ist in Deutschland verboten. Wer mit guten Gründen foltert, hat die Sympathien aber ganz auf seiner Seite. So lässt sich die Diskussion über Folter resümieren, die in Deutschland im Umfeld des Verfahrens gegen den Vizepolizeipräsidenten von Frankfurt/Main Wolfgang Daschner wegen Nötigung in einem besonders schweren Fall wieder aufgeflammt ist. Jetzt, da das Urteil des Landgerichts Frankfurt vorliegt, fällt die Bilanz nicht günstiger aus: In Deutschland darf zwar nicht gefoltert werden, aber wer es dennoch tut, kann auch ohne nennenswerte Sanktionen davonkommen. Die Verwarnung unter Strafvorbehalt, die gegen Daschner und seinen Kollegen verhängt worden ist, liegt nicht nur deutlich unter der Mindeststrafe von sechs Monaten Haft für den "besonders schweren Fall einer Nötigung". Sie ist überhaupt die mildeste Reaktion, die das Strafgesetzbuch kennt. Der große Strafrechtskommentar Schönke/ Schröder stellt zum rechtlichen Charakter der Verwarnung unter Strafvorbehalt fest: "Es handelt sich weder um eine Strafe noch um eine präventive Maßnahme."

Kein Junkie, der in eine Wohnung einbricht, kein Sprayer, der Bahnwaggons umgestaltet, würde so milde davonkommen - insbesondere nicht, wenn er, wie Daschner, vor Gericht keinerlei Schuldbewusstsein gezeigt, sondern sein Handeln wiederholt und uneinsichtig als richtig und üblich bezeichnet hat. Da im deutschen Strafrecht das Schuldprinzip gilt, gleichzeitig aber auch generalpräventive Zwecke verfolgt werden, ist die Botschaft, die von dem Urteil ausgeht, doppelt brisant: Nicht nur wird Daschners Schuld als gering angesehen, es wird auch nicht die Notwendigkeit gesehen, Polizeibeamte und andere Staatsdiener abzuschrecken beziehungsweise das Vertrauen der Bevölkerung in die Durchsetzung des Folterverbots zu stärken. Wer eines Delikts wie Kindesentführung verdächtig ist - und zum Zeitpunkt, in dem Markus Gäfken Gewalt angedroht wurde, war dieser lediglich ein, wenn auch hochgradig, Verdächtiger - ist demnach durch das Folterverbot nicht mehr umfassend geschützt.

Das Besondere am Fall Daschner ist ja nicht, dass Gewalt gegen einen Menschen in polizeilichem Gewahrsam ausgeübt oder angedroht wurde, sondern dass diese Bedrohung der physischen Integrität seitens der Täter als angemessen und erforderlich beurteilt wurde und auch in der Öffentlichkeit auf erhebliche positive Resonanz stieß. Selbst Rechtswissenschaftler mühten sich angesichts des Falles Daschner, das Folterverbot zu relativieren oder zu umgehen, indem sie den Polizeibeamten in solchen Fällen der "Rettungsfolter" ein Nothilferecht gegen die in die Hände der Staatsmacht geratenen Entführer oder Erpresser zubilligten, das unbeschränkt gelten sollte. Dieser Gedanke, konsequent umgesetzt, hätte zum Ergebnis, dass jede Beschränkung, die der Staatsmacht gesetzt wird, dadurch unterlaufen werden kann, dass ihre Beamten ab der gesetzten Grenze als Privatpersonen mit einem uneingeschränkten Nothilferecht weiter handeln.

Diesen vielfältigen Bemühungen um des guten Zweckes willen auch Unrecht als Recht behandeln zu können, ist das Frankfurter Urteil nun faktisch nicht entgegengetreten. Auch wenn man zubilligen muss, dass der verhandelte Fall dramatische Umstände aufwies und auch wenn man dem Entführer und Kindermörder Gäfken auf keinen Fall den Status eines Opfers zubilligen mag, ist doch dieses Strafmaß so uneingeschränkt zugunsten des hier Angeklagten, dass sich in ihm nicht mehr die Schwierigkeit ausdrückt, ein rechtliches Dilemma zu lösen: Es signalisiert nur, dass der verhandelten Tat in den Augen derer, die darüber zu befinden hatten, wenig Bedeutung zukommt. Dass die Richter der Frankfurter Landgerichtskammer nicht gleich einen Freispruch verhängt haben, mag man als Fernwirkung eines juristischen Schamgefühls deuten oder als Versuch, das Folterverbot angesichts des herrschenden Zeitungeistes wenigstens formal zu retten. Dies fand seinen Niederschlag auch in den scharfen Worten, die die Vorsitzende Richterin am Landgericht, Bärbel Stock, in ihrer mündlichen Urteilsbegründung gegen das Verhalten der Polizisten gefunden hat. Das Ergebnis, dass Daschner künftig nicht einmal als vorbestraft gilt, und die tatsächliche Sanktion für Folter niedriger ausgefallen ist als bei mancher Ordnungswidrigkeit, spricht aber eine deutlichere Sprache. Im Einzelnen darf man auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt sein.

Es griffe jedoch zu kurz, die Richter allein für den fatalen Verlauf dieses Prozesses verantwortlich zu machen. Es lohnt sich, den Bericht des Anti-Folter-Komitees der Vereinten Nationen über die Lage in der Bundesrepublik Deutschland, der vor etwa fünf Jahren veröffentlicht wurde, noch einmal zu lesen. Dort heißt es: "Das Komitee findet es bedenklich, dass eine präzise Definition von Folter, wie sie Artikel 1 der Konvention enthält, immer noch nicht in das deutsche Strafgesetzbuch aufgenommen worden ist. ... Besorgnis erregend ist auch, dass das deutsche Strafrecht nicht absolut klarstellt, dass jede Form der Rechtfertigung oder Entschuldigung von Folter durch Notwehr oder Notstand kategorisch ausgeschlossen ist, wie es die Konvention verlangt."

Der deutsche Gesetzgeber, das Parlament mit einer rot-grünen Mehrheit, hat es nicht für nötig gehalten, auf diese deutliche und scharfe Rüge zu reagieren. Deswegen stand Wolfgang Daschner auch nicht wegen "Folter" vor Gericht, sondern wegen des Tatbestandes der "Nötigung in einem besonders schweren Fall", dem das unbedingte, aus internationalen Übereinkommen und dem Grundgesetz herleitbare Verbot auch nicht so deutlich auf der Stirn geschrieben steht. Und auch die vom Anti-Folter-Komitee geforderte Klärung, dass Folter durch nichts gerechtfertigt sein kann, selbst nicht durch Notstand und Nothilfe, hat der deutsche Gesetzgeber nicht herbeiführen wollen.

Presseerklärung: Gericht verharmlost Folter

Libertad! 29.12.2004 - 08:19
Folterer brauchen ein gutes Gewissen
Gericht verharmlost Folter im Daschner-Urteil

Mit dem Urteil im "Daschner-Prozess" ist das Gericht nur haarscharf an der juristischen Legitimation von Folter vorbeigeschrammt. Das politische Signal dagegen ist eindeutig: Die Verhängung einer geringen Geldstrafe auf Bewährung für den Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Daschner und seinem ausführenden Organ, dem Kriminalkommissar Ortwin Ennigkeit kommt einer Belohnung gleich. Das Urteil ist nicht nur explizit milde, sondern es wurde darauf angelegt, dass beide Staatsdiener nicht als vorbestraft gelten, weiter alle Ansprüche haben und wieder ihren Dienst antreten können. Der acht Verhandlungstage andauernde Prozess wegen der Folterandrohung gegen den beschuldigten Entführer des Jacob von Metzler bestätigt die Erfahrung und das Vorurteil: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" - und es besagt, jedes Verkehrsdelikt wiegt schwerer als die Folter.

Damit hat der Prozess seinen Zweck erfüllt: Die Anwendung von Folter ist diskutabel geworden und sie wird diskutiert. Der "Fall Daschner" hat Folter auf die Ebene der "Putativ-Notwehr", mit dem der polizeiliche Todesschuss verrechtstaatlicht wurde und des "übergesetzlichen Notstandes" gebracht. Der Begriff "lebensrettende Folter" wurde eingeführt. Auch die Urteilsbegründung im Daschner-Prozess hebt auf die "lauteren Motive" der Angeklagten ab. Aber schon immer wurde Folter, ob in deutschen Polizeiwachen oder auf Guantanamo mit Notwehr gerechtfertigt, damit, dass Folter das "kleinere Übel" sei.

Libertad! sagte vor Prozessbeginn: Wer Folter rechtfertigt und verteidigt macht sie praktikabel. Das Urteil im Daschner-Prozess ist ein weiterer Schritt und reiht sich in eine internationale Entwicklung ein, in der bürgerliche Demokratien sich ihrer proklamierten Enthaltsamkeit der Folter gegenüber entledigen.
Fotos von gedemütigten Gefangenen aus dem irakischen Abu Ghraib machten die Systematik der Misshandlung von Gefangenen durch Soldaten öffentlich. Das spanische Gefängnissystem sieht seit 1991 repressive Sonderbehandlungen vor. In Italien wurde ein Gesetz beraten, das die einmalige Folter an Gefangenen legalisiert. In England sind Aussagen, die unter Folter erpresst werden, gerichtsverwertbar. Diese Beispiele zeigen: Der Schritt vom "bedauerlichen Einzelfall" zum System der Folter ist vollzogen.

Libertad! wird seine Kampagne gegen die Folterbefürworter fortsetzen und ihnen auch weiter auf die Pelle rücken. Dazu hat Libertad! u.a. eine Plakatserie aufgelegt, die xtraterritoriale Lagerhaft, spezielle Verhöre, extralegale Tötungen, Sonderhaft und Folterbefürwortung thematisiert. (Siehe auch:  http://www.libertad.de/inhalt/projekte/antifolter2005 )

Das Gericht hat richtig geurteilt

Tom 09.02.2005 - 17:48
Weiter oben hat schon mal jemand die Richterin zitiert, ich tue es gerne nochmal: "«Was den Verbrechern der RAF nicht gelungen ist, den Rechtsstaat aus den Angeln zu heben, sollte erst recht nicht dem Verbrecher Gäfgen gelingen.»"

Außerdem möchte ich die Worte Oskar Lafontaines hervorheben, die weiter oben auch schon mal jemand zitiert hat. Auch Oskar hat recht.

Wo kämen wir hin, wenn ein dreckiger Kindermörder eine "Würde", die er nicht hat, gegen den Rechtsstaat ausspielen könnte!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 7 Kommentare

Geldstrafe auf Bewährung!

BRD-Grrr! 20.12.2004 - 14:16
Die deutschen Richter/Schreibtischtäter können eben immer ein neues Kaninchen aus dem Hut zaubern um ihre Kumpane kollegial vor Strafe zu schützen.
"Geldstrafe auf Bewährung" bekommen nicht mal Erstschwarzfahrer.

Jammerei

B.Rauer 20.12.2004 - 16:11
Das Gejammer von Daschner (Leben zerstört usw. nervlich am Boden) ist schlimmer als seine Tat

sauerei

rudfi 20.12.2004 - 20:32
Hätte ein Linker das gemacht > der were schon lange im Knast.Siehe 1. mai.Aber auch Schwarzfahrer landen mal im Knast.Staatsanwalt und Daschner = gleich Staat.Also denkt mal nach.

oha

monk 20.12.2004 - 21:39
>Schmerzzufügung in steigenden Intervallen sei ein Mittel - der >vorgeschlagene Terminus "Rettungsfolter" könne unter das Notwehrrecht >subsumiert werden.

Staatliche Folter im Multikulti-Einwanderer-Land, wie geht denn das? Was wenn die "Folterer" einen persönlichen Hass auf ihre "Opfer" haben, und dieser sich ins unermessliche steigert? Wir sind hier doch nicht in irgendwelchen DDR-Gefängissen >.<

Wenn DAS durchgesetzt wird....

Und so böse sieht dieser "Professor" eigentlich gar nicht aus -.-

seien wir doch mal

ben glenton 21.12.2004 - 01:37
ehrlich, jeder der etwas anderes erwartet hat, scheint immer noch nicht in Deutschland angekommen zu sein. Der Staat schützt seine pigs und jene die ihm an das bein pinkeln gehen durch seine schule.
das die krauts in die eu kamen, liegt letztendlich nur an ihrer christlich - fundamentalen einstellung. oder gibt es sonst noch ein unterschied zu anderen länder die gerne wollen aber nicht dürfen ???

@linker winkel vom 20.12.2004 16:15

Jens 21.12.2004 - 01:41
Hallo,

obwohl dies nichts mit dem Fall Daschner zu tun hat,
moechte Ich euch bitten keine Adressveroeffentlichungen von
angeblichen oder wirklichen "Feinden" zu veroeffentlichen (egal ob diese auf anderen Seiten schon veroeffentlicht sind oder nicht).

Ihr nutzt damit die gleichen Techniken wie diverse rechtsgerichtete Seiten,
die durch Veroeffentlichen von Adressen und Telefonnummern indirekt zum Terrorisieren von "linken Gegnern" aufrufen.
Damit eignet Ihr euch die gleichen Prinzipien an, die die Nazis bei Ihrem "Kampf" verwenden und schadet so (aus meiner Sicht) euren Idealen.
Es macht fuer mich keinen Unterschied mehr wofuer man kaempft - wenn man die Mittel des "Feindes" einsetzt, fuer deren Einsatz man Ihn verachtet, wird man selbst zum Feind.

Entschuldigt, die vielleicht hochtrabend wirkenden Worte.
Ich wollte bloss meine Abneigung gegen solches Verhalten der Adressveroeffentlichung auessern und konnte mich so am besten ausdruecken.

Viele Gruesse,
Jens

@kritik an der kritik

mt 21.12.2004 - 12:41
ich finde das zu einfach, von der ordnung an sich zu sprechen und ich vermute du meinst damit etwas wie die ordnung der herrschenden. mir gehts um etwas anderes. eine lange gültig geglaubte norm des folterverbots - ich meine damit nicht, dass nicht gefoltert wurde, aber nicht offen mit aktenvermerk - wurde durch offenen verstoss und gesellschaftliche reaktion in frage gestellt. das urteil koennte eben die funktion haben, die norm wieder herzustellen und dieser mechanismus funktioniert auch. dieser mechanismus ist vielleicht aufrechterhaltung von ordnung. er ist besonders interessant, wenn rechtliche norm und soziale norm nicht zusammenfallen, was hier der fall zu sein scheint.
es geht mit nicht darum, zu sagen, dass die strafe extrem niedrig ausfaellt. das waere auch egal, sieht man von meinen und anderer rachegeluesten ab. es ist auch nicht ueberraschend, dass das gericht daschner nicht weh tun will, und wenns mir nicht passt, dann raeche ich mich halt selbst, nicht so schlimm. dass das gericht aber keine strafe verhaengt, weil es der ansicht ist, dass die strafe nicht notwendig zur verteidigung des folterverbots ist, ist fatal. rettend ist allenfalls, dass in der oeffentlichen wahrnehmung doch strafe verhaengt wurde und entgegen der gesetzeslage von bewaehrung und eben nicht von verwarnung mit strafvorbehalt gesprochen wird.
ich wuerde gerne tiefer gehen, weil ich glaube, dass das, was ich fuer deinen ansatz halte, einiges unbeachtet laesst. wie ist der hinweis auf die knastkampagne zu verstehen? kann ich davon ausgehen, dass du dieser argumentation im wesentlichen folgst? dann wuerde ich daran eine kritik an der kritik der kritik entwickeln und die diskussion daran weiterfuehren. vielleicht ueber den dort angegebenen kontakt?