Offener Brief an den Rektor der Uni Freiburg

studentIn 01.12.2004 17:04
Der altbekannte Nazi-Marinerichter Hans Filbinger wird an der Universität, trotz seiner Vergangenheit und seinem Umgang mit seiner Vergangenheit, hofiert. Im, vor den Freiburger Mensen erscheinenden u-asta Info gibt es noch einen detailierten Hintergrundbericht.
Sehr geehrter Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Jäger

Im Namen der Studierenden schreiben wir Ihnen diesen offenen Brief, in dem es – einmal mehr – um Hans Filbinger geht. Aktueller Anlass ist der Vortrag von Angela Merkel vom 2. November, bei dem, wie wir feststellen mussten, Herrn Filbinger ein Ehrenplatz in der ersten Reihe reserviert war. Eingeladen hatte, wie man uns bei der laut Plakat mitveranstaltenden Badischen Zeitung sagte, die Universität Freiburg.

Hans Filbinger ist nicht irgendein baden-württembergischer „Ministerpräsident a. D.“, wie auf seinem Platzhalter im Audimax zu lesen war. Seine Mitwirkung als Ankläger und Richter der NS-Militärjustiz an Todesurteilen gegen Deserteure ist allgemein bekannt. Vor allem die selbstgerechten und beharrlichen Rechtfertigungsversuche seiner Taten aus Anlass des Prozesses gegen Hochhuth, der ihn mit Recht einen „furchtbaren Juristen“ nannte, führten zu seinem Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten.

Die Verurteilung deutscher Soldaten wegen „Desertion/Fahnenflucht“ oder „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode war Unrecht. Die Rehabilitierung derjenigen, die sich nicht (länger) am deutschen Vernichtungskrieg beteiligten, erfolgte viel zu spät (Bundestagsbeschluss vom 17. Mai 2002). Richtig gehend verhöhnt werden sie jedoch, wenn Tätern von damals heute noch von offizieller Seite Ehre erwiesen wird. Wir als studierende Mitglieder der Universität Freiburg distanzieren uns ausdrücklich von jeder Hoffierung eines Mannes, der an Verbrechen der NS-Justiz beteiligt war.

Wir bitten Sie daher, sich selbst folgende Fragen zu stellen und sie uns zu beantworten:
Warum sieht die Universität Freiburg immer noch nicht davon ab, Herrn Filbinger zu feierlichen Anlässen, wie der Eröffnung des akademischen Jahres oder Vorträgen wie dem Frau Merkels, einzuladen, und ihn sogar persönlich zu begrüßen? Schreckt man bloß davor zurück, mit einer unrühmlichen Tradition zu brechen? Wie passt das zu einer modernen Universität wie der Unseren, wie passt das zu einer Universität, die in diesem Jahr ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet? Oder will die Universität Freiburg sich demonstrativ hinter Herrn Filbinger stellen und die in diesem Sommer aufgekommene Empörung ob seiner Wahl in die Bundesversammlung ignorieren? Wird damit nicht der Anschein erweckt, man stimme bewusst in den Chor derjenigen Unverbesserlichen ein, die Herrn Filbinger immer noch zum Opfer einer Verleumdungskampagne, ja zum heimlichen Widerstandskämpfer umdeuten? Eine offizielle, deutliche Distanzierung könnte diesen fürchterlichen Anschein aus der Welt räumen.

Dieser Brief wird im kommenden u-asta-Info veröffentlicht und wird der lokalen Presse zugeschickt.


In Erwartung Ihrer Antwort, mit freundlichen Grüßen

Die unabhängige Studierendenvertretung der Universität Freiburg

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Ergänzungen

Die angesprochenden Rede

StudentIn 01.12.2004 - 17:21
Hier sind noch die Links zu den Rede des Rektors, wo er Filbinger explizit erwähnt:
 http://www.uni-freiburg.de/de/universitaet/rektor/ansprachen/akadjahr04_05.pdf

Gut, dass der u-asta doch nicht so eingeschlafen ist, wie viele befürchtet haben.

aufeinmal?

auch studi 01.12.2004 - 18:38
hallo auch,
woher die aufregung - auf einmal?
filbinger, der im übrigen in freiburg günthersthal wohnt ( noch nen bisserl mehr infos mit pix von seinem haus:  http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_article=205), ist jedes jahr bei der eröffnung des akademischen jahres an der uni als ehrengast anwesend und wird auch explizit begrüsst. desweiteren hat sich von studi-seite aus auch keine person drum geschehrt, dass er derjenige welche war, welcher der bundesversammlung vorstand und uns köhler mit eingebrockt hat.

nicht, dass es nicht gut wäre etwas zu tun, aber dieser brief wird den rektor (selbstredend hat er ein cdu parteibuch - is ja bawue) noch nicht einmal peripher tangieren. die cdu und die mehrheit der bawue'lerInnen interessierte sich ja auch noch nie für seine historie!

aktionen gegen filbinger sind wichtig und gut - aber bitte noch was mehr als nur nen brief. wie wärs mit transpis und aktionen bei der nächsten offiziellen veranstaltung mit ihm?

rotsport !

Klar

studentIn 02.12.2004 - 02:04
Es wird nicht bei diesem offenen Brief bleiben. So ist die ganze Sache nicht einfach nur ein einziger Brief, sondern ein ganzer "Arbeitskreis", der sich auch vorgenommen hat mehr zu tun.

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 08.12.2004 - 16:49