Druck auf Antragsabgabe (ALG II)

eine Vorgeladene 20.11.2004 20:09 Themen: Soziale Kämpfe
Bericht von einer "Veranstaltung" über Vermittlungs- und Leistungsangelegenheiten der Agentur für Arbeit in Göttingen.
und völlig entnervte Mitarbeiterin der Arbeitsagentur.
Reihenweise flattern zur Zeit Einladungen der Agentur für Arbeit in die Briefkästen von Erwerbslosen.
„Sehr geehrte/r Kunde/in, ich möchte Sie über Vermittlungs- und Leistungsangelegenheiten informieren. Dazu lade ich Sie zu dem unten angegebenen Termin ein.“
Entweder sind es Einzeltermine oder Gruppentermine. Die Termine sind entweder sehr kurzfristig (heute im Briefkasten, morgen Termin) oder sie sind für den Freitag Nachmittag angesetzt.
Der Verdacht liegt nahe, dass dadurch Säumnisstrafen provoziert werden sollen. Dies wurde zum Beispiel schon im Februar in der Süddeutschen Zeitung beschrieben. „Je mehr Arbeitslose nicht kommen, desto besser stehen die Teams da - statistische gesehen.“ (ebd.) Zwar steht in dem Schreiben, „sollten sie (…) verhindert sein, erscheinen Sie bitte am unmittelbar darauf folgenden Tag“. Aber auf dem zweiten Blatt (Rechtsfolgenbelehrung) werden wir belehrt, „falls Sie ohne wichtigen Grund dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird Ihnen das Arbeitslosengeld (…) für die Dauer von zwei Wochen nicht gezahlt“.
Bei telefonischer Nachfrage über die Inhalte dieser Veranstaltung, wird mensch sofort darauf hingewiesen, dass ein Erscheinen verpflichtend ist. Über Sinn und Zweck dieser Veranstaltung sind dagegen keinerlei Informationen zu bekommen.

Gleich der zweite Satz in der „Einladung“ gilt der Antragsabgabe. Da mensch ja ohnehin in der Arbeitsagentur sei, könne doch gleich der Antrag mitgebracht und abgegeben werden.
Auch hier drängt sich ein nahe liegender Verdacht geradezu auf: die Einladung dient ausschließlich dazu, die Antragsabgabe zu beschleunigen.
Zwar gibt es ständig „Erfolgsmeldungen“ über die Höhe der bereits abgegebenen Anträge, aber ganz zufrieden scheinen die Arbeitsagenturen denn doch nicht zu sein. Und 67% für Göttingen wie die HNA vermeldete, liegen weit unter dem angeblichen Durchschnitt.
Die SachbearbeiterInnen sind so damit beschäftigt, die Antragsabgabe zu forcieren, dass einigen Leuten gleich zwei Einladungen für zwei verschiedene Termine ins Haus geschickt wurden.

Als drittes Blatt ist der Einladung gleich noch eine Verzichtserklärung für ALG II angeheftet. Die sollte natürlich niemand unterschrieben werden. Schließlich steht es jedem/r frei, wann er/sie den Antrag stellen möchte. Und niemand ist verpflichtet, dies der Arbeitsagentur mitzuteilen.
Bei Einzelterminen wird den Erwerbslosen unter Umständen dieses Blatt zur Unterschrift vorgelegt, wenn sie ihren Antrag nicht abgeben wollen. Auch hier gilt: Nicht unterschreiben!!
Niemand kann uns zwingen, den Antrag zu einem bestimmten Termin vor dem 1. Januar abzugeben.


Die Informationsveranstaltung an einem Freitagnachmittag

Anwesend waren 25-30 Erwerbslose. Gleich nach der Begrüßung wurden wir darauf hingewiesen, dass 10 KollegInnen bereit saßen, damit wir nach der Veranstaltung unsere Anträge abgeben können, wenn wir dies wollen. Da es im Laufe der Veranstaltung keinerlei relevante Informationen gab, erhärtet sich der Verdacht, der alleinige Sinn und Zweck bestehe in der Antragsabgabe.

Mehrmals wurden wir auf das Risiko hingewiesen, bei einer „späten“ Antragsabgabe das Geld nicht „rechtzeitig“ zu bekommen. Auf konkrete Nachfrage musste allerdings eingeräumt werden, dass jedeR das Recht hat, einen Abschlag einzufordern und zu bekommen.

Nachdem wir darüber aufgeklärt wurden, dass ab Januar der Landkreis Göttingen für uns zuständig sei, gab es nur noch sehr dürftige Informationen. Die Erstbescheide und ersten Auszahlungen erfolgen noch durch die Arbeitsagentur. Die Bewilligungen sind auf 4,5 oder 6 Monate beschränkt. Dann müssen wir den Antrag komplett neu stellen und zwar an den Landkreis. Unsere Akten werden komplett an den Landkreis übergeben.

Auf alle weiteren konkreten Nachfragen bekamen wir nur die Antwort: das wissen wir nicht, das liegt in den Händen des Landkreises. Dass darüber einige der Anwesenden erbost reagierten, kann nicht verwundern, geht es doch um sehr existentielle Fragen. Was ist, wenn die Miete über dem liegt, was die Kommune als angemessen empfindet? Wer bezahlt die Umzugs- und Renovierungskosten? Was heißt angemessene Heizkosten?

Als wir schließlich noch über die weiteren Vermittlungstätigkeiten in die Homepage der Arbeitsagentur aufgeklärt werden sollten, fühlten sich einige doch mehr als verarscht. Völlig entnervt von unseren vielen kritischen Nachfragen gab die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur schließlich auf und erklärte, dass wir ruhig gehen könnten, die Anwesenheit sei freiwillig. Daraufhin verließen zwei Drittel der Anwesenden den Raum. Die 10 KollegInnen, die auf die Antragsabgabe warteten, dürften wohl vergeblich gewartet haben.
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Ergänzungen

allein machen sie dich ein...

zu 100 oder 1000... 20.11.2004 - 20:28
Vollversammlung von Erwerbslosen im A-Amt Göttingen (17.10.04)
 http://de.indymedia.org/2004/11/99525.shtml


Vollversammlung 2.teil am 24.11.04 um 10 Uhr Arbeitsamt Göttingen.

Fotos sind vom Frühsport im Göttinger A-Amt

Fit for fun 20.11.2004 - 20:32

Die Vollversammlung war nicht im Oktober

ist ausgefüllt 20.11.2004 - 21:07
sondern im November.

kriegen sie langsam Ohrensausen

Norbert 20.11.2004 - 21:11
Sie werden zwar sagen, das ist nicht viel ...

in berlin

- 21.11.2004 - 15:40
die agentur-berlin-mitte verschickt jetzt "einladungen" nach § 309 SGB III. In diesen einladungen geht es lediglich um die abgabe des algII-antrages. Wortlaut: "bitte geben sie ihren antrag auf algII ab" Wer diesen "einladungen" nicht folge leistet bekommt eine sperrzeit von 2 wochen. nach der zweiten einladung kommen noch mal 4 wochen dazu! Leute lasst euch das nicht gefallen! Wehrt euch gegen diese schikane. Niemand kann euch dazu verpflichten euren antrag auf algII abzugeben. Ihr müsst ihn erst an dem tag abgeben von dem an ihr algII erhalten möchtet!

Taktik?

egal 21.11.2004 - 16:41
"Auf alle weiteren konkreten Nachfragen bekamen wir nur die Antwort: das wissen wir nicht, das liegt in den Händen des Landkreises. Dass darüber einige der Anwesenden erbost reagierten, kann nicht verwundern, geht es doch um sehr existentielle Fragen. Was ist, wenn die Miete über dem liegt, was die Kommune als angemessen empfindet? Wer bezahlt die Umzugs- und Renovierungskosten? Was heißt angemessene Heizkosten?"

Das sieht für mich auch sehr nach einer Taktik aus, um durch Desinformation, Existenzängste zu schüren, damit die Anträge (vielleicht) schneller abgeben werden. Zusätzlich scheint man die Verantwortlichkeit schnell von sich weisen zu wollen....

beschwerde verzichtserklärung und veranstaltu

Kati Simon 15.12.2004 - 08:25
Ich habe folgenden Brief an verschiedene Stellen der Arbeitsagentur geschickt. Mittlerweile hat sich die Zentrale in Nürnberg gerührt und mir mitgeteilt, daß sie die Beschwerde an die Geschäftsleitung der Agentur in Göttingen weitergegeben hätte und diese sowohl mir, als auch der Zentrale Bericht erstatten sollen. Die Antwort kam übrigens von der Abteilung "Kundenreaktionsmanegement" - was man mit der deutschen Sprache so alles machen kann...

Hier nun die Beschwerde:

Agentur für Arbeit Göttingen
Rechtsabteilung
Bahnhofsallee 5
37081 Göttingen

Kopie an:
Ø Bundesagentur für Arbeit, Zentrale Nürnberg, Geschäftsführung
Ø BA Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, Geschäftsführung
Ø Agentur für Arbeit Göttingen (Geschäftsführung, Personalabteilung, Leistungsabteilung, Hochschulteam)

Betreff:

1. Bitte um rechtliche Überprüfung der Versendung von Verzichtserklärungen auf ALG II in Zusammenhang mit Einladungen nach § 309 SGB III
2. Beschwerde über mangelnde fachliche und soziale Kompetenz von AA-Mitarbeiterin Sabine Fricke anlässlich einer „Informationsveranstaltung“ in der Arbeitsagentur Göttingen am 12.11.2004

Bovenden, 01.12.2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

Am 5. November 2004 erreichte mich eine Einladung der Agentur für Arbeit Göttingen zu einem Termin am Freitag, den 12.11., bei dem ich im Sitzungssaal der Agentur über Vermittlungs- und Leistungsangelegenheiten informiert werden sollte.
(Zu 1.) Den zweiten Absatz des Schreibens zitiere ich im Wortlaut: „Da Sie an diesem Tag ohnehin vorsprechen bitte ich Sie, zugleich Ihren möglichst vollständig ausgefüllten Antrag auf Arbeitslosengeld II einschließlich aller Belege, alternativ beigefügte Erklärung unterschrieben mitzubringen“. Mit dem beigefügten Zettel – ohne Briefkopf der Arbeitsagentur – sollte ich erklären, dass ich den Antrag auf Arbeitslosengeld II zum 01.01.2005 nicht stellen werde.
Der Einladung nach §309 SGB III war die übliche Rechtsfolgenbelehrung über mögliche finanzielle Konsequenzen beigefügt, falls man an dem Termin ohne wichtigen Grund nicht erscheinen sollte.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Empfänger/innen dieser Einladung vor die Wahl gestellt wurden, entweder ihren Antrag auf ALG II möglichst vollständig und mit allen Belegen mitzubringen oder aber auf eine Antragstellung ganz zu verzichten. Ich bitte Sie nun, mir mitzuteilen, welche rechtlichen Grundlagen diese Verfahrensweise hat, ob sie bundesweit angewendet wird und warum kein offizieller Briefkopf der Arbeitsagentur verwendet wurde. In Hinblick auf eine potentiell recht hohe Anzahl von Empfänger/innen dieser Anschreiben – von denen viele nicht hinreichend über die exakte Verfahrensweise der Umsetzung von Hartz IV informiert sind bzw. als Migrant/innen sprachlich nicht in der Lage sind, die Tragweite solcher Schreiben zu erfassen – bitte ich Sie, den Aspekt einer Täuschungsabsicht nicht außer Acht zu lassen.
Gerüchteweise ist mir zu Ohren gekommen, dass das Urheberrecht für diese Verzichtserklärung bei derselben Frau Fricke von der Arbeitsagentur Göttingen liegt, deren inkompetentes Verhalten bei der o. g. „Informationsveranstaltung“ für ein recht turbulentes vorzeitiges Ende sorgte.
(Zu 2.) Nun zum legendären 12.11.2004.
Ort der Komödie: Arbeitsagentur Göttingen, Sitzungssaal 6.Stock
Beginn: 14.00 Uhr s.t.
Eintritt frei, 24 geladene Gäste aus dem akademischen Milieu
Darsteller/innen:
Ø Teamleiterin Sabine Fricke, als überforderte Moderatorin
Ø Leistungsberater Burkhard Schüssler, als Streitschlichter
Ø Beauftragte für Chancengleichheit Frau Kulp, als stumme Statistin

1.Akt: Auftritt Sabine Fricke pünktlich um 14.00 Uhr mit einem rund 10-minütigen Monolog über die verschiedenen Optionen der Arbeitsagenturen und Gemeinden bei der Umsetzung von Hartz IV mit dem Fazit, dass ab 01.01.05 die kompletten Akten der künftigen Bezieher/innen von ALG II dem Landkreis Göttingen überstellt werden, die Arbeitsagentur Göttingen höchstens bis Ende Juni 2005 für Verwaltung und Überweisung der Finanzmittel zuständig sei und der Landkreis Göttingen alle zukünftigen Aufgaben übernehme.
Zwischenspiel: Chor konkreter Fragen aus dem Publikum – Antwort Fricke: „Weiß ich nicht, weiß ich nicht, weiß ich nicht, liegt am Landkreis.“ Herr Schüssler macht dem Murren der Gäste ein Ende: Er weiß, wo man die Antworten nachlesen kann und lädt Einzelpersonen im Anschluss an die Veranstaltung in sein Büro.
2.Akt: Unter vollem Einsatz ihrer Multimedia-Kenntnisse präsentiert Fricke die Kurs-Datenbank der Homepage der Bundesagentur für Arbeit und beteuert, dass die Anwesenden selbstverständlich die PCs der Arbeitsagentur auch nach dem 01.01.05 nutzen dürfen.
Das unzufriedene Raunen im Publikum wird lauter. Dem Einwurf: “Wird doch zur Zeit sowieso nichts gefördert“ kontert Frau Fricke gekonnt: „Aber man kann sich einen Überblick verschaffen, was es so alles gibt.“
Kritische Fragen übergehend klickt sich Frau Fricke in den
3. und letzten Akt: Vorstellung der Stellensuchmaschine der Bundesagentur für Arbeit.
Das entnervte Publikum übertönt mit Gelächter und Buh-Rufen die Präsentation, Fricke erklärt kurzerhand die Teilnahme an der Veranstaltung für freiwillig.
Abgang Publikum um 14.35 Uhr.

Dass es auch anders geht, beweist eine Informationsveranstaltung am 18.11.04, zu der ich mit einem Schreiben vom 11.11.04 erneut vorgeladen war (diesmal ohne die dubiose Erklärung, dafür steht auf dem Schreiben: „1. Einladung“).
Die Arbeitsagentur Göttingen beweist Lernfähigkeit. Der Leistungsberater Herr Schüssler ist diesmal alleine da, und ganz ohne Multimedia erklärt er kompetent und ruhig die strukturellen und finanziellen Auswirkungen von Hartz IV, passgenau zugeschnitten auf die Anwesenden. Um 8.35 Uhr war die Veranstaltung vorbei und alle haben etwas dazugelernt.

Zu den Vorkommnissen in der Arbeitsagentur Göttingen habe ich folgende Fragen:
1. Wie kann jemand, der/die die einfachsten sachlichen Fragen nicht beantworten kann, mit der Leitung einer Informationsveranstaltung betraut werden?
2. Finden für Mitarbeiter/innen der Arbeitsagentur keine internen Qualifizierungsmaßnahmen statt, die sie auf Führungsaufgaben vorbereiten?
3. In verschiedenen Trainingsmaßnahmen der Arbeitsagentur wurde immer wieder auf die Bedeutung sozialer Kompetenzen für eine Integration auf dem Arbeitsmarkt hingewiesen. Nach welchen Kriterien werden eigentlich Mitarbeiter/innen mit Leitungsfunktion bei der Arbeitsagentur eingestellt?

Die Teilnehmer/innen der Informationsveranstaltungen waren hauptsächlich Akademiker/innen, sie waren ausgezeichnet vorinformiert und stellten Teamleiterin Fricke kompetente Fragen. Die Arroganz und Ignoranz, mit der sie die Anwesenden überging, um ihnen dann auf Kindergartenniveau (doch mehr Ost als West) modern multimedial die Homepage der Bundesagentur für Arbeit erläutern zu wollen, macht wütend. Dass die Situation nicht eskaliert ist, ist allein den hohen sozialen Kompetenzen der anwesenden Erwerbslosen zu verdanken.

Vorschlag: Im Rahmen von Arbeitsmarkt-Integrationsprojekten der Europäischen Union das Modell der „Job-Rotation“ auch bei der Bundesagentur für Arbeit einzuführen. Mitarbeiter/innen könnten sich für die Herausforderungen der modernen Dienstleistungsgesellschaft qualifizieren – und die zur Zeit erwerbslosen überqualifizierten Akademiker/innen bekämen endlich einen Arbeitsplatz, mit dem sie ihre Familien vor den Segnungen des sozialen Brennpunktbaus bewahren können.

In der Hoffnung auf kluge Antworten und ein Jobangebot vor dem 01.01.05 (weil dann ist ja der Landkreis Göttingen für die Vermittlung zuständig) verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

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