Vollversammlung von Erwerbslosen im A-Amt

egal 18.11.2004 20:43 Themen: Soziale Kämpfe
Im Foyer der Göttinger Arbeitsagentur hat am Mittwoch, den 17.11., die erste Vollversammlung von Erwerbslosen aus Göttingen und Umgebung stattgefunden. Etwa 40 Personen diskutierten anhand persönlicher Erfahrungsberichte die Auswirkungen von Hartz IV.
Wie einzelne TeilnehmerInnen berichteten, werden bereits jetzt Menschen per 1 €-Job zu völlig unnützen Tätigkeiten gezwungen, anderen wird mit Umzugszwang gedroht. Hinzu kommen schlechte Behandlung bei den „FallmanagerInnen“, Depressionen, Angst und Verzweiflung. Auch der aktuelle Fall eines Selbstmordes eines Erwerbslosen in Baden-Württemberg kam zur Sprache. Eine Teilnehmerin: „Sie behandeln eine wie Dreck - es wird Zeit, dass wir uns selbst organisieren und unsere Stimme erheben.“

Auf Grund eines vorbereiteten Textes verfassten die Versammelten eine Resolution und sammelten Forderungen, die auf der nächsten Versammlung diskutiert werden sollen. Diese Forderungen bringen zum Ausdruck, dass Erwerbslose Armut, Ausgrenzung und Erniedrigung nicht länger kleinlaut hinnehmen werden.

Der Geschäftsführer der Agentur, Herr Weinrich, ließ die Vollversammlung von der Polizei überwachen und verneinte auf Anfrage einen Anspruch von Erwerbslosen auf Räumlichkeiten in seinem Hause. Er erklärte, originäre Aufgabe der Agentur sei Arbeitsvermittlung und Auszahlung von Leistungen. Für eine weitergehende Unterstützung der Betroffenen fühle er sich nicht zuständig. Immerhin traute er sich nicht, uns aus dem Arbeitsamt rauszuwerfen.

Am Ende wurde vereinbart, sich am kommenden Mittwoch, 24.11.2004, 10:00 Uhr, am selben Ort wieder zu treffen.



Resolution der Erwerbslosen

Wir, die hier versammelten Erwerbslosen aus Stadt und Landkreis Göttingen, haben die Nase voll ! Mit den jetzt beabsichtigten Kürzungen sollen wir aufs Abstellgleis der Gesellschaft abgeschoben werden. Es geht nun auch hochoffiziell nicht mehr darum, uns auf Arbeitsplätze zu vermitteln: Mit den neuen 1 €-„Arbeitsgelegenheiten“ wird den sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen nun noch eines hinzugefügt, das für den Arbeitgeber nicht nur frei von Sozialversicherungskosten und anderen Risiken, sondern auch noch frei von Lohnkosten ist!. So sollen wir als Motor für Lohndumping benutzt werden, gleichzeitig sollen Noch-Inhaber von Arbeitsplätzen noch mehr Angst vor dem Verlust desselben haben als bisher. Verkauft wird das uns und allen anderen als „Sparmaßnahme“, weil das kapitalistische System es eben so braucht. Während die Armen so immer noch ärmer werden, sind die Reichen jetzt schon so reich, dass ihre Vermögen die Staatsschulden bei weitem übertreffen - und sie werden immer reicher, auf unsere Kosten!
Das nehmen wir nicht länger hin - nicht mit uns !!!

Forderungen:

weg mit Hartz I - IV
kein Zwang zur Arbeit
kostenlose Gesundheitsversorgung
Sozialtickets für öffentliche Einrichtungen (Bus und Bahn, kulturelle Einrichtungen etc.)
Lehr- und Lernmittelfreiheit
Recht auf Beistand auf Ämtern
gleicher Zugang zum Arbeitsmarkt unabhängig von Geschlecht und Staatsangehörigkeit
Respekt und Würde
Mittel und Räume zur Organisierung von Erwerbslosen
Kranken-, Sozial- und Rentenversicherung unabhängig vom Einkommen
weg mit 1-Euro-Jobs
Schmerzensgeld für Arbeitslosigkeit
öffentliche Clearingstelle zur „Wirkungsüberprüfung“ der 1-Euro-Jobs
Grundsicherung von mindestens 1200 €/Monat
keine Sanktionen der Agentur
deutliche Erhöhung der Zahlungsbegrenzungen bei Mieten, kein Umzugszwang
Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Erwerbslose und ihre Kinder
gesicherte und kostenlose Kinderbetreuung
Lohnerhöhung in Billiglohnländern
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

oh ihr ahnungslosen

hartzer käse 19.11.2004 - 16:33
"Hinzu kommen schlechte Behandlung bei den „FallmanagerInnen“,". Wie soll jemand von jemanden schlecht behandelt werden, wenn es ihn noch garnicht gibt? Fallmanager gibt es noch nicht. Frühstens ab dem 01.01.2005.
Vollversammlung ohne das jemand was wusste ist sehr demokratisch.

3.1.2005 - Agentur s c h l u s s

E.-R. Werbslos 19.11.2004 - 21:13
"Der Geschäftsführer der Agentur, Herr Weinrich, ließ die Vollversammlung von der Polizei überwachen und verneinte auf Anfrage einen Anspruch von Erwerbslosen auf Räumlichkeiten in seinem Hause. Er erklärte, originäre Aufgabe der Agentur sei Arbeitsvermittlung und Auszahlung von Leistungen. Für eine weitergehende Unterstützung der Betroffenen fühle er sich nicht zuständig."

In diesem Sinne sei hier auf die Kampagne "Agenturschluss!" verwiesen, deren Ziel es ist, zum Inkrafttreten von "Hartz IV" am 3.1.2005 in möglichst vielen Agenturen den normalen Betrieb zum Erliegen zu bringen, um/und sich zB für Veranstaltungen wie die oben beschriebene die nötigen Räume anzueignen.

Weitere Infos:  http://www.labournet.de/agenturschluss

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Prima Aktion — Micha