AAC - Samstag "Ausbeutung von Afrika"

Lotti 13.11.2004 23:43 Themen: Antirassismus Weltweit
Der Nachmittag der antikolonialen Konferenz in Berlin stand unter demMotto "Exploitation". Zwei geplante Workshops wurden zusammengelegt undfanden im wesentlichen als Vorträge hintereinander statt. Nacheiner kurzen Einführung von Tita Denis sprach Anne Jung (medico international) über'Konflikte / Kriege in Afrika' und danach Laura Graen (Rauchzeichen! - gegen Ausbeutung undUmweltzerstörung durch Tabakkonzerne) über 'Tabakanbau inOstafrika'.
Einführung:

"Afrika wird von den Wissenschaftlern als der älteste Kontinentder Erde eingestuft. Mit einer Gesamtoberfläche von 30.333Millionen Quadratkilometern und  einer Bevölkerung von 861Millionen Einwohnern (Mitte des Jahres 2003) hat es die höchsteGeburtenrate der Welt: 36 zu 1000. Auch die Sterberate ist, bei einerLebenserwartung von ca 50 Jahren, die weltweit höchste: 14 zu1000. Schon seit unerdenklichen Zeiten wird Afrika ausgebeutet, denndie ersten Kontakte mit den Europäern gehen ins 15. Jahrhundertzurück, als die die portugiesischen Eroberer begannen, dieWestküste Afrikas mit Handelskontoren zu bestücken und mitSklaven zu handeln (ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dass derWesten bereits vergessen hat: der Handel mit Menschen). Sie handeltenauch mit Gold, Elfenbein und dies ist auch der Grund dafür, dassin Afrika viele Ländernamen und Namen von Menschen eine westlicheKonnotation haben.
Die Franzosen, die Deutschen, die Engländer und andereeuropäische Länder imitierten die Portugiesen und ersetztenim Laufe der folgenden Jahrhunderte ihren Platz. Sie begannen dieAusbeutung des afrikanischen Hinterlandes, zunächst als Abenteurerund Händler, später mit Militär. Beamte und Missionareunterzeichneten Verträge oder Abkommen mit diversen afrikanischenChiefs und dadurch verfestigte sich die Kolonisation.
Afrika ist bis heute ein großes Vorratslager für den Restder Welt geblieben und dies auf mehreren Ebenen:

Auf menschlicher Ebene:

Afrika ist der Kontinent, der am dritt stärksten bevölkertist und dies auch noch mit billigen Arbeitskräften. Aber aufgrundder „Unterentwicklung“ gibt es eine massive Abwanderung IntellektuellerRichtung westlicher Welt.

Auf der Ebene der Landwirtschaft:

Mehr als 60% der Afrikaner leben und arbeiten von der Landwirtschaftund brillieren durch ihre Produktion von Kaffee, Kakao, Baumwolle,Holz, Tabak, Kautschuk usw.
Unter diesen Produkten ist nur Holz ein typisch afrikanisches. Dieanderen wurden von den Kolonisatoren in Afrika eingeführt um ihreneigenen Bedarf zu decken.

Die Abschaffung der Sklaverei 1888 in Brasilien, Europa und denVereinigten Staaten wurde fünf Jahre nach der Berliner Konferenz1884 auf Afrika übertragen, da die Arbeitsbedingungen auf denKaffeeplantagen und den Plantagen für Kakao, Tabak, Kautschuk undanderen Produkten unmenschlich und zerstörerisch waren. Abgesehenvon diesen Kulturen hat Afrika ein großes Reservoir an Rindernund Schafen, das bis heute unausgebeutet bleibt.

Auf Ebene der Rohstoffe:

Afrika hat das größte Mineralstofflager der Welt: mehr als30 % des Weltvorkommens an Diamanten, Gold, Uran, MGP, Bauxit (Zahlenvon 2000). Auch große Erdölvorkommen gibt es in Afrika, daszum Opfer seiner natürlichen Ressourcen wird. Mit Hilfe dereuropäischen Regierungen, die die Politik der Globalisierungschön reden, ermächtigen sich die europäischenmultinationalen (Konzerne) der Ressourcen. Wir haben den Skandal um ELFund die französische Erdölgroßindustrie nichtvergessen. Trotz des Überflusses von Ressourcen aller Art ist dasBruttoinlandsprodukt pro Einwohner das niedrigste der Welt und inAfrika liegen 19 der 25 ärmsten Länder der Welt.

Ich werde diesen Beitrag schließen mit einem Zitat des ehemaligenfranzösischen Außenministers Hubert Vedrine, derbezüglich einer Frage zu den franko-afrikanischen Beziehungensagte:

"Wir bleiben brüderlich aber anders engagiert."

Für mich als Mitglied der Anticolonial Africa Conference bedeutetdies, dass sie sich in dem Recht sehen, folgende Rohstoffe ausfolgenden Ländern zu erschließen:
1.Öl aus Kamerun, Gabun, Angola und Kongo-Brazzaville
2.Militär in Elfenbeinküste, RDC, RCA usw ...
3.Ausbeutung und Plünderung der afrikanischen Rohstoffe durch eineimperialistische europäische Politik"

jung-talk


Anne Jung, Koordinatorin bei medicointernational, gab in ihrem Vortrag einen Überblick zurAusbeutung der natürlichen Ressourcen Afrikas durchinternationale Konzerne. Ihr Ziel war es, die hier zu Lande kaumbekannten Strukturen der Ausbeutung und ihrer hauptsächlichenAkteure vorzustellen.

Ein zentraler Ausgangspunkt für die Ausbeutungsstrukturen inAfrika – so Anne Jung – sind die Kriege, die seit Jahrzehnten daspolitische Geschehen auf weiten Teilen des Kontinents prägen.Allein 10 der insgesamt 13 im Jahr 2003 festgestelltenKriegshandlungen ließen sich in Afrika verorten. Ein nur schwerdurchschaubarer Mix an reguläre Regierungsarmeen, Warlord,Privatarmeen und militärisch ausgerüsteteSicherheitsdienste stehen sich in den Kampfhandlungen gegenüber.Mark Daffield eine britischer Friedensforscher bezeichnete dieseSituation treffend als Netzwerkkrieg:nicht klar strukturierte Feindbilder, sondern wechselnde Koalitionenund unübersichtliche Kriegsziele bestimmen das Geschehen. Selbstpolitisch verfeindete Gruppen können dabei zuGeschäftspartnernwerden. So kontrollierten die ehemaligen Bürgerkriegsparteienin Angola unterschiedliche Rohstoffzugänge. DieRegierungstruppen beherrschten die Ölförderungen und dieUNITA-Banden hatten das Diamantgeschäft in der Hand. Beideführten trotz des tötlichen Krieges jahrelangeinträglicheGeschäfte im Tausch der beiden begehrten Rohstoffe.

Auch räumlich hat sich die Form des Krieges verändert.Statt auf dem klassischen Schlachtfeld wird der Krieg immerstärkerin den Städten und Dörfern ausgetragen. DieZivilbevölkerung trägt die Hauptlast dieser Situation. Mehrals 80 Prozent aller Todesopfer kommen aus der Zivilbevölkerung.Ziel der Kriegsparteien ist in der Regel der Zugang zu dennatürlichen Ressourcen des Kontinents, die von denKjriegsparteien oftmals den internationalen Firmen direkt zurVerwertung angeboten werden – Krieg wird so zur Voraussetzung fürProfit und Profit zur ökonomischen Voraussetzung für dieWeiterexistenz der Kriegsparteien. So hat sich eine eigenständigeKriegsökonomie herausgebildet, die letztlich in vielenLändern(zumindest für den männlichen Teil der Bevölkerung)die einzige Verdienstmöglichkeit darstellt. Wo nicht einmal einTeil der Gewinne des Rohstoffhandels als Sold an die bewaffnetenKämpfer weiter geleitet wird, bietet der Status der Kriegsparteiimmer noch den Zugang zur kriegerischen Selbstversorgung durchPlünderung.

Doch auch wenn die Kriegshandlungen – oft durch Interventionenvon Außen – eingestellt werden, stellt diese Zäsur nochkeinen wirklichen Frieden dar, insbesondere die soziökonomischeSituation für die Zivilbevölkerung verbessert sich kaum.Denn auch in befriedetet Strukturen werden die Rohstoffe an derafrikanischen Bevölkerung vorbei an den Weltmärkteverkauft. Anne Jung bezeichnete solche Zustände als 'KalterFrieden'. Die Ausbeutung der Rohstoffe folgt dabei oftmals denkolonialen Mustern. Unabhängig ob internationale Konzerne,Warlords oder Regierungen: alle nutzen für ihr Geschäftdie bestehenden Kolonialstrukturen: Von den Bergbauanlagen undTranssportrouten über die entrechteten und unterbezahltenArbeitskräfte bis hin zu den Handelswegen auf dieinternationalen Märkten. So bleibt es dabei, dass vieleafrikanische Länder, obwohl reich an Rohstoffen immer noch zuden Ärmsten der Welt zählen.

Trotz der politischen Integration der meisten afrikanischenStaaten (fast alle sind inzwischen diplomatisch anerkannt undMitglieder der UNO) haben sich Formen der sozialen Verelendung in denletzten Jahrzehnten weiter verschärft. Ganze Regionen mitsamtihrer Bewohnerschaft sind von jeglicher Entwicklungsperspektiveausgeschlossen. Sie sind die Überflüssigen derWeltwirtschaft, weder gebraucht als Arbeitskräfte noch alsKonsumenten. Einzig interessant am Kontinent scheint aus derPerspektive des Weltmarktes die Ausbeutung der natürlichenRessourcen zu sein. Insbesondere die Ölvorkommen haben dabei(vor allem seit den eingeschränkten Fördermengen seitBeginn des Irakkrieges) eine strategische Bedeutung für diewestliche Industrie. Insbesondere die USA nutzen den schnellen Seewegvon den Ölquellen der westafrikanischen Küste zurOstküsteAmerikas. Mehr als 90 Prozent der afrikanischen Öls werdendirekt an die USA geliefert und sollen dort 2005 fast ein Viertel desgesamten Bedarfs decken.

Werden die Ölgeschäfte staatlich kontrolliert – soAnne Jung – hat das oftmals eine Entdemokratisierung zur Folge,weil die jeweiligen Regierungen dann nicht mehr auf die Steuereinnahmender Bevölkerung angewiesen sind. So seibeispielsweise Äquartorial Guinea, ein kleines Land mitgroßenErdölvorkommen, eines der repressivsten Regime der Welt. Infrüheren IWF-Berichten auch als solches aufgeführt, wurdendie Vorwürfe in den letzten Jahren deutlich abgeschwächt.Der erfolgreiche Geschäft soll nicht durch politischeDifferenzen gestört werden.

Abgesehen von den Ressourcen erlebte Afrika ein jahrelangesSchattendasein in der internationalen Politik. erst mit dentatsächlichen und vermuteten Verbindungen zum internationalenTerrorismus ist der Kontinent wieder ins Blickfeld derUS-Außenpolitik geraten. So spielte der jahrzehtelangeBürgerkrieg in Liberiaund die illegalen Waffengeschäfte der Regierung lange Zeit keinediplomatische Rolle. Erst als bekannt wurde, dass LiberiasPräsidentCharles Taylor in Waffengeschäfte und Diamantenhandel mit AlKaida verwickelt ist, gerieten die US-Außenpolitik und dieinternationalen Gremien in Bewegungen und stellten Taylor vor dasUN-Kriegstribunal und unterstützen eine Rebellenarmee, die denalternden und nun auch international in Ungnade gefallenen Diktatoran der Macht beerben wollte. In westliche Think-Tanks wird angesichtssolcher Situationen über einen 'liberalen Imperialismnus'nachgedacht, der durch internationale Interventionen in denpolitischen Zerfallsprodkten der ehemaligen Kolonien eine neue'Ordnung' etabliert, die in der Lage sein sollte dieRohstoffausbeutung sicher zu stellen und Rückzugsräume desinternationalen Terrorismus zu verhindern. In der Sprache derPolitstrategen ist in solchen Fällen die Rede von einer 'nichtintegrierten Lücke'. Die konsequente Ausblendung desimperialistischen Erbes als Grund für Elend und politischeZerfall ist für diese Politik ebenso kennzeichnet wie dieNichtwahrnehmung der Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung. Kriegund Ausbeutung werden demnach die westliche Politik gegenüberAfrika auch weiterhin bestimmen.

weitere Texte zur Kriegsökonomie in Afrika:

PeterLock:Gibt es ökonomische Strukturen, die Gewalt und Terrorhervorbringen?
medicointernational: Was hat mein Handy mit dem Krieg im Kongo zu tun?
MarcelHänggi: Blutdiamanten

Im Anschluss beschrieb Anne Jung diese allgemeine Situation vonAusbeutung und Krieg in Afrika am Beispiel von Angola konkreter. ImMittelpunkt dabei standen die Bedingungen der Förderung und desVerkaufes von Öl.

mehr zu Angola:

PeterLock:Angola – Frieden ohne Perspektive?
AnneJung: Ein Alptraum im Wachzustand

[vielen Dank an den anonymen Schreiberlin, L.]

Schließlich stellte Laura Graen die Kampagne Rauchzeichen! - gegen Ausbeutung undUmweltzerstörung durch Tabakkonzerne vor und beschrieb, welcheRolle der Tabakanbau in Afrika spielt. Mangels Mitschrift hier ein paarLinks zu weiteren Informationen:

http://www.rauchopfer.org/
AfrikasWälder rauchen (Artikel aus 'Regenwaldreport').
Rauchzeichen(Kolumne von stiftung-naturschutz.de)

rauchopfer
(auf dem Foto ist nicht Laura Graen zu sehen)
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Ergänzungen