AAC Begrüßung

Anticolonial Africa Conference 12.11.2004 15:13
Die Konferenz wurde am Donnerstag von Maria Baumeister und ChristopherNsoh für die OrganisatorInnen begrüßt:
Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich begrüße Euch und Sie ganz herzlich und werde auch nocheinige Worte zu den Gründen der Konferenz ergänzen

In Deutschland ist Kolonialismus ein verdrängtes Thema, einetabuisierte Geschichte. Dies beantwortet auch die häufig gestelltFrage, warum wir diese Konferenz organisieren. Wir wollen dasVerbrechen des Kolonialismus an die Öffentlichkeit bringen,über dieses Thema ein Bewusstsein schaffen und es nicht als eineGeschichtsaufarbeitung begreifen, sondern als Basis für denWiderstand gegen koloniale Kontinuitäten und Weiterentwicklungen.Wir fragen uns, warum ein antikolonialer Kongress nicht schon vielfrüher stattgefunden hat, warum Kolonialismus nicht zurselbstverständlichen politischen Auseinandersetzung in Deutschlandgehört, es gibt genügend Gründe es zu tun.
Wir organisieren diese Konferenz, weil dieses Land von rassistischenAngriffen durchzogen ist, wo selbst vor Mord nichtzurückgeschreckt wird. Neo-Nazis sitzen in Landesparlamenten undorganisieren sich zur Bundestagswahl mit nationalistischen undrassistischen Parolen.
Ihr Weltbild einer höherwertigen weißen Rasse ist nichtzuletzt von anthropologischen Rassetheorien geprägt, die parallelzur Zeit des frühen Kolonialismus entwickelt wurden. Der immernoch angesehene Vertreter der anthropo-genetischen KolonialforschungEugen Fischer behauptete eine Blut bzw. auf Erbfaktoren beruhendeUngleichheit von sog ethnischen Gruppen. Seine Ideologie stützteE. Fischer u.a. auf Feldforschungen in Kolonialnamibia und verfasstesein Standartwerk über Bastardforschung – das den Nazis alsGrundlage für die Nürnberger Rasse-Gesetze diente. SeineForschung wurde von der Königlich-preußischen Akademie derWissenschaft finanziert, also hoch offiziell und seine Rassetheoriennoch 1961 neu aufgelegt und verbreitet. Sein sog. Menschenmaterial hatsich Fischer aus Südafrika und Namibia mitgebracht, darunterKöpfe von Nama, aus dem Konzentrationslager auf der Haifischinsel.Sie wurden gleich an Ort und Stelle konserviert und inBlechbüchsen verschickt. Als Regierungsberater imSachverständigenbeirat für Bevölkerungs- undRassenpolitik plante Fischer in den 30er Jahren des vergangenenJahrhunderts mit seinem Kollegen Fritz Lenz die Zwangssterilisationenvon sog. Mischlingskindern den sog Rheinlandbastarden. Vor derSterilisation nahm er als anthropologischer Gutachter die rassischeBewertung der Kinder vor. Leider sind diese rassistischenMentalitäten nicht verschwunden, sich als Herrenmenschen zufühlen, ist bei weißen Deutschen weit verbreitet, sie meinenwas Besseres zu sein im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft, andererHautfarbe. Deswegen halten sie sich für die Zivilisationsbringerin der Welt, deswegen war Kolonisation ein humanitärer Akt,deswegen können Flüchtlinge in abgelegenen Heimen, in Lagerund Abschiebeknäste gesperrt werden.

Wir organisieren diese Konferenz auch, weil wir den ausbeuterischenInteressen Europas und der USA in Afrika etwas entgegensetzen wollen.
Manchmal weiß ich nicht, in welchem Jahr der Kolonisierung wiruns befinden. In den Papieren vom Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit zum Afrika Konzept sind durchaus ineinem Satz die “Hypotheken aus der Kolonialzeit – z.B. dieKonzentration auf wenige städtische Zentren und Eliten, dieMissachtung des Selbstbestimmungsrechtes etc.” benannt, aber nur alsEntwicklungshemmnisse. Es wird kein Wort von politischer Verantwortunggegenüber der Kolonialgeschichte erwähnt. Die - ich zitiere –“internationale Arbeitsteilung hat sich seit der Kolonialzeit kaumverändert” – auch dazu kein Wort der Selbstkritik. Bemängeltwird die –Zitat-“fehlende Ausbildung kollektiver Identitäten alsGrundlage einer Nation”, um daraus den Schluss zu ziehen, dass dieDemokratisierung gefördert werden muss. Ich muss nicht betonen,das damit ein westliches Demokratieverständnis und –modell gemeintist, nachdem der Westen während der Kolonisation die verschiedenenin Afrika vorhandenen politischen und sozialen  Strukturenzerschlagen hat.
An anderer Stelle redet die Staatssekretärin und AfrikaexpertinUschi Eid davon, dass “Afrika ein reicher Kontinent an genetischenRessourcen und Artenvielfalt ist, was für die Zukunft derMenschheit von allergrößter Bedeutung ist, nicht nur inAfrika. Deswegen glaube ich, dass Afrika auch für uns einwichtiger Kontinent ist.”
Das neoliberale europäische Interesse an den Ressourcen in Afrikawird unverhohlen formuliert, eine Entwicklung in Afrika sei nur unterihrer d.h. deutsch-europäischer Regie möglich – da stelltsich die Frage, wer sich wohin entwickeln soll. Christopher Nsoh hatdie Einflussnahme Europas in Afrika gerade in seinem Beitragbeschrieben.

In Papieren des BMZ wird stolz den G8 Gipfel in Evian 2003 verwiesen,auf dem ein “Aktionsplan zur Förderung afrikanischerFähigkeiten zur Konfliktbewältigung und Krisenintervention”verabschiedet wurde (Joint Africa/G8 Plan to Enhance AfricanCapabilitiers to Undertake Peace Support Operations), den dieBundesregierung mitfinanziert:
2 Mill. Euro steckt sie in ein peacekeeping Ausbildungszentrum inAccra/Ghana
1,3 Mill. Euro in ein gleiches Zentrum in Nairobi/Kenia undfördert mit
1,5 Mill. Euro Konfliktbewältigungsmechanismen der AfrianischenUnion in Addis Abeda.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen, dies sind militärischeProjekte, auch wenn versucht wird mit Begriffen wie friedensstiftend,friedenssichernd, peacekeeping die militärische Logik zuverschleiern.

Die EU zielt auf die Militarisierung der europäischenAußenpolitik in Konkurrenz zu den USA. Javier Solana,EU-Vertreter für die gemeinsame Außen- undSicherheitspolitik, spricht von einem “Sicherheitsumfeld”, das durchregionale Konflikte, Armut, schlechte Staatsführung und dieEnergieabhängigkeit Europas gekennzeichnet ist. Es wird vom“liberalen Imperialismus” gesprochen, d.h. falls die internationalenFinanzinstitutionen wie IWF und Weltbank nicht die gewünschtenEffekte erzielen, müsse militärische Gewalt eingesetztwerden. Robert Cooper, Berater von Blair und Büroleiter von Solanaformuliert: ”Auch auf rauere Methoden einer vergangenen Ära kannzurückgegriffen werden – Gewalt, präventive Angriffe,Irreführungen, was auch immer nötig ist. Unter uns halten wiruns an das Gesetz, aber wenn wir im Dschungel operieren, müssenwir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden”.(Observer,7.4.2002)

Die Bundesregierung will ihren Einfluss in Afrika stärken. Siewill ihre geopolitische Schwäche gegenüber GB und USAüberwinden, indem sie mehr internationale Aufgaben übernimmt.Dabei meint sie, dass sie nicht mit einer langen Kolonialgeschichte undaktuellen Großmacht-Interessen in Verbindung gebracht wird unddeswegen besonders prädestiniert sei, eine wichtige politischeRolle in Afrika einzunehmen, u.a. die Mittlerrolle zwischen den anglo-und francophonen Blöcken. Man spricht davon “Einsätze zivilerwie militärischer Friedenskräfte werden in absehbarer Zukunft... zur Normalität der auswärtigen Politik gehören” (FR25.10.03).
Dieses Ziel würden wir gern durchkreuzen!

Ein ganz anderer Grund diese Konferenz zu organisieren ist aktuell aufden Berliner Straßen zu sehen – dort schauen uns schwarzeMenschen an, auf großformatigen Plakaten. Warum werden sieplötzlich vor Weihnachten so wichtig, da sie doch ansonstenabgeschoben, gejagt oder getötet werden? Aber es sind Bilder, diedem nicht widersprechen, denn sie sollen dafür sorgen, dass dieArmen nicht zu uns kommen. Dafür lohnt es sich zu spenden. Eineganze Spendenindustrie finanziert sich damit und zementiert daspaternalistische Verhältnis zu den Afrikanerinnen und Afrikanern.Das macht ein gutes Gewissen, ohne die Verhältnisse verändernzu müssen. Die andere Seite der Afrikapolitik.


Als Afrikanerinnen/Afrikaner, als Europäerinnen/Europäerhaben wir diese Konferenz gemeinsam vorbereitet und Positionenentwickelt. Wir richten uns gegen die Zuschreibung von Identitätenentlang der Kategorien schwarz und weiß und versuchen unsereunterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründe als Bedingung derZusammenarbeit zu sehen. Die Überwindung desschwarz-weiß-Denkens, von Dualismen, von Separationen, ohne dieUnterschiede zu verwischen, sind ein Bedürfnis – manchmal habenwir uns quer zu den Zuschreibungen verhalten, manchmal ist es uns nichtgelungen.

Uns verbindet die Utopie einer freiheitlichen Gesellschaft, in derjegliche Form von Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung nicht mehrexistiert – keine rassistische, keine sexistische, keineheterosexuelle, keine ökonomische, keine soziale – eineGesellschaft, die keine Bereichung mehr auf Kosten anderer kennt, wedermateriell, noch sozial, noch emotional und uns nicht vorschreibt, wiewir zu sein und zu leben haben.

Wir wünschen uns, dass die Konferenz ein Ort ist, auf der vielmiteinander geredet und diskutiert wird. Eine Konferenz, die dieStrukturen von Kolonialismus in der alten und aktuellen Form deutlichmacht und auf der wir gemeinsam Ideen und Forderungen entwickeln undSpaß am Widerständigen haben werden. Die Konferenz willpolitische Positionen beziehen und sie öffentlich vertreten.
Vielen Dank für Ihre und Eure Aufmerksamkeit und uns allenwünsche ich ein gutes Gelingen der Konferenz.
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Ergänzungen