Berlin: Gedenkveranstaltung für die Opfer des Kolonialismus

Lotti 11.11.2004 13:02 Themen: Antirassismus
Zum Auftakt der Anticolonial Africa Conference gedachten heute um 11Uhr an der Neuen Wache in Berlin etwa 80 Menschen der Opfer desKolonialismus in Afrika, Asien und Ozeanien. Es wurde eineprovisorische Tafel an der neuen Wache angebracht und ein Redebeitragauf englisch und deutsch verlesen:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde!


Zu Beginn der Anticolonial Africa Conference Berlin 2004 wollen wir derMenschen gedenken, die durch den deutschen Kolonialismus in Afrika,Asien und Ozeanien verletzt, ihrer Würde beraubt, verjagt undermordet wurden.

Die "Neue Wache" ist ein Gedenkort für die Opfer der Kriege desletzten Jahrhunderts. An der Inschrift hier können Sie sehen, dassdie Opfer der deutschen Kolonialkriege nicht mit einbezogen sind, indenen besonders in Afrika durch deutsche Soldaten viele tausendMenschen getötet wurden. Wir möchten hier nur zwei Beispieleerwähnen:
In Namibia ist der lokale Widerstand gegen die koloniale Besatzung 1904mit dem Völkermord an den Herero und Nama erwidert worden. EinVölkermord, der von Kaiser Wilhelm II gedeckt, von seinerGeneralität befohlen und in Konzentrationslagern fortgesetztwurde.

In Teilen des heutigen Tansania wurde 1905 der Maji Maji Aufstandblutig niedergeschlagen, weil die Menschen sich gegen Zwangsarbeit,Hütten- und Kopfsteuer wehrten. Die von Deutschen geführtenTruppen metzelten über 75.000 Menschen hin, Zehntausende wurdenmit den Mitteln der "verbrannten Erde" in den Hungertod getrieben.

Wir fordern, dass Deutschland, dass die Europäische Union, sichfür den Kolonialismus entschuldigt und die Menschenentschädigt. Wir fordern dies, weil damit anerkannt wird,

 - dass die Besetzung der Länder Unrecht gewesen ist,
 - dass die sog. Kongo Konferenz 1884 in Berlin, die die kolonialeAufteilung Afrikas festschrieb, Unrecht gewesen ist,
 - dass der Widerstand, der oft zum Widerstandskrieg ausgeweitetwerden musste, berechtigt gewesen ist,
 - dass Kolonialismus ein Verbrechen gegen die Menschheit ist.

Dies ist ein Schritt, die Würde der Menschen, die unter demKolonialismus unbeschreiblich gelitten haben, zu achten.Die Menschen inden betroffenen Regionen tragen bis heute an den Folgen desKolonialismus, der die Gesellschaften, Politik, Wirtschaft undÖkologie bestimmt, Menschen und Ressourcen ausbeutet und dieLänder zerstört.
 
Es kann nicht länger hingenommen werden, dass auch 100 Jahre nachdiesen Verbrechen die Bundesregierung immer noch keine offizielleEntschuldigung ausgesprochen und keine Entschädigungenzugesprochen hat.

Wir fordern heute, dass die Bundesregierung als Zeichen ihrerBereitschaft Entschädigungen zu leisten und Verantwortung fürihr damaliges Handeln zu übernehmen, die hier angebrachte Tafel umfolgenden Zusatz ergänzt:

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Jeder Kolonialismus ist ein Verbrechen gegen die Menschheit.

Die Bundesrepublik Deutschland gedenkt der Menschen in Afrika, Asienund Ozeanien, die durch den deutschen Kolonialismus verletzt, ihrerWürde beraubt, verjagt und ermordet wurden. Sie bittet dieNachfahren um Entschuldigung."

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Ergänzungen

erst lesen, dann denken, dann schreiben

Lotti 11.11.2004 - 23:56
Das steht ja selbst im Text und auf dem Transparent, dass nicht bloss Entschuldigung gefordert wird, sondern 'ganz nebenbei' auch Entschädigung für den Kolonialismus. Und das wäre nicht wenig, wenn es die denn geben sollte. Rein rechtlich ist jedenfalls eine Entschuldigung der deutschen Regierung Voraussetzung für eine Entschädigung - genau deswegen wird die ja so sorgfältig vermieden. Ansonsten ist das natürlich auch noch nicht alles.

Das Ganze hat (auch das steht im Text) im Rahmen der derzeit stattfindenden Anticolonial Africa Conference stattgefunden, und die hat allerdings noch wesentlich mehr Forderungen, nachzulesen u.a. hier:  http://www.africa-anticolonial.org/DE/aufruf-zur-kampagne.htm

Was ansonsten noch beim näheren Hingucken festzustellen ist ist, dass an der Aktion Leute aus Afrika nicht ganz unwesentlich beteiligt waren (die in der Mehrzahl als Flüchtlinge in Deutschland nichts übrig haben, was sie 'lieber für Afrika hätten spenden' können. Die, genauso wie die beteiligten Deutschen, tun nebenbei noch verschiedene andere Dinge, als in der Gegend herumzustehen - aber eben auch das, und auch, weil sie es als sinnvoll betrachten, die berliner Öffentlichkeit mit der deutschen Kolonialgeschichte zu konfrontieren. Mir ist auch nicht klar, was daran schädlich sein soll.

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Entschuldigung?? — Hallo?

frage — antifa

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