Naturschutz und Nationalsozialismus

S. Hennecke, B. Schütze, A. Voigt, A. Zutz 08.11.2004 16:03
"Es gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren", heißt es in der Einleitung zu dem hier kritisch rezensierten Tagungsband, der die Tagung "Naturschutz und Nationalsozialismus - Erblast für den Naturschutz im demokratischen Rechtsstaat?" vom Juni 2002 dokumentiert. Zum strukturell autoritären Gehalt von Naturschutz bemerkte der Veranstalter, dass "spontan eine Debatte über das autoritäre Selbstverständnis des heutigen Naturschutzes" entbrannte.
Radkau, Joachim; Uekötter, Frank (Hg.):
Naturschutz und Nationalsozialismus.
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003
487 S., 49,90 Euro
ISBN 3-593-37354-8

Der Anstoß für diese Veranstaltung [1] kam aus der politischen Praxis des Natur- und Umweltschutzes. Der Schirmherr der Veranstaltung, Bundesumweltminister Trittin, schreibt einführend von einer "sehr erhebliche(n) ideologische(n) Schnittmenge" (S. 38) [2] zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus: "(E)s gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren." (S. 38) Der für den Kongress verantwortliche Bielefelder Historiker Joachim Radkau führte Tagung und Tagungsband jedoch mit einem gegenläufigen Argument ein: "Wenn man die NS-deutsche Realität als durchaus heterogen begreift, dann brauchen NS-Allianzen von Naturschützern nicht viel zu besagen: Sie deuten nicht per se auf eine Beziehung zu den NS-Verbrechen hin, sondern eine solche Beziehung wäre erst einmal nachzuweisen." (S. 42) Mit diesen beiden Positionen - der Annahme einer ideologischen Schnittmenge und der These, es gebe keine strukturelle Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Naturschutz - lassen sich die Pole charakterisieren, zwischen denen die unterschiedlichen Tagungsbeiträge liegen.

Stellt also die Zeit des Nationalsozialismus für die Praxis des heutigen Naturschutzes eine 'Erblast' dar? Der leider im Tagungsband nicht abgedruckte, die Tagung einführende Vortrag von Ulrich Herbert hat gezeigt, dass Geschichtswissenschaft immer auch aktuelle politische Relevanz hat und diese auch reflektieren muss. Gerade die Frage mit aktuellem politischem Bezug, die Frage nach der Erblast für den Naturschutz wurde jedoch auf dem Kongress weder beantwortet noch ausreichend diskutiert und daher konsequenter Weise im Titel des Tagungsbandes weggelassen. Die Veranstalter legten Wert darauf, bei der Aufarbeitung dieses Themas "nach streng wissenschaftlichen Kriterien" (S. 12) vorgegangen zu sein. Sie wollten "jenseits von Apologie und Anklage" (S. 11) [3] den Standort bestimmen, auf dem der Naturschutz steht. Sie begriffen "Naturschutz und Nationalsozialismus" als ein geschichtswissenschaftliches Thema und fragten nicht nach der aktuellen politischen Dimension, nach der "Erblast für den Naturschutz im demokratischen Rechtsstaat".

Für das Berufsfeld Landschaftsplanung/Naturschutz bedeutet die Geschichte der Profession während der Zeit des NS jedoch eine tatsächliche Erblast, die Auswirkungen auf die tagtägliche Praxis hat und mit der es sich daher kritisch auseinander zu setzen gilt. Nicht zuletzt dank der umfassenden Forschungstätigkeit von Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn [4] ist bekannt, dass die Zahl derjenigen Vertreter aus Naturschutz und Landschaftsplanung, die dem Nationalsozialismus positiv gegenüber standen, sei es als aktive Mitstreiter, sei es als passive Mitläufer, sehr hoch war. In allen Bereichen von Naturschutz und Landschaftsplanung finden sich Personen, die einerseits wichtige praktische oder theoretische Beiträge zur professionellen Entwicklung leisteten, andererseits aktiv am fachlichen und politischen Geschehen im Nationalsozialismus beteiligt waren. Allein diese Tatsache sollte misstrauisch machen, und zwar misstrauisch nicht allein gegenüber der politischen und moralischen Integrität der jeweiligen Personen, sondern vor allem misstrauisch gegenüber den wissenschaftlichen, kulturellen und ideologischen Grundlagen der Profession. Professionelles Selbstverständnis und Selbstdarstellung müssen vor dem Hintergrund, dass wichtige professionelle Vorreiter Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie waren, reflektiert werden. Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern Naturschutz und Nationalsozialismus gemeinsame kulturtheoretische Grundlagen haben.

In dieser Rezension werden die einzelnen Beiträge zum Tagungsband unter dem Blickwinkel besprochen, in welcher Weise sie sich mit der Frage nach der 'Erblast' auseinandersetzen. Dabei werden die Tagungsbeiträge vier Kategorien zugeordnet, je nachdem, ob die Frage der Erblast überhaupt thematisiert wird und, wenn ja, in welcher Weise.

Die im ersten Abschnitt besprochenen Tagungsbeiträge sparen die Frage nach der Erblast ganz aus. Es finden sich in dem Tagungsband auch zahlreiche Aufsätze, die der These anzuhängen scheinen, es gäbe keine Erblast für den Naturschutz aus der Zeit des Nationalsozialismus oder die für diesen Zeitraum eine Hochzeit des Naturschutzes postulieren. Diese werden im zweiten Abschnitt besprochen. Im dritten Abschnitt geht es um die Beiträge, die das Vorhandensein der Erblast grundsätzlich zwar feststellen, aber nicht soweit gehen, daraus Schlussfolgerungen für die aktuelle Theorie und Praxis des Naturschutzes zu ziehen. Einige wenige Autorinnen und Autoren des Tagungsbandes, die der ursprünglichen Fragestellung der Tagung: "Naturschutz und Nationalsozialismus - Erblast für den deutschen Rechtsstaat?" tatsächlich nachgehen, werden im 4. Abschnitt vorgestellt. Diese Beiträge gehen alle von der These aus, dass Naturschutz und Landschaftsplanung auch heute noch auf den gleichen kulturellen und politisch relevanten Grundgedanken basieren wie vor 1945 und dass diese Grundannahmen offensichtlich anschlussfähig waren an die Ideologie des Nationalsozialismus.

1. Einige der Tagungsbeiträge sparen die Frage nach der Erblast ganz aus. Dazu gehören die Beiträge von Thomas M. Lekan, Gesine Gerhard, Klaus Fehn, David Blackbourn und Friedemann Schmoll.

Thomas M. Lekans Beitrag "Organische Raumordnung: Landschaftspflege und die Durchführung des Reichsnaturschutzgesetzes (RNG) in Rheinland und in Westfalen" setzt bei dem inhaltlich-konzeptionellen Qualitätssprung von der Naturlandschaftspflege zu einem integrierten Gesamtkonzept an. Lekan legt dar, inwieweit die im RNG verankerte "organische" Raumordnung und der Naturschutz auf regionaler Ebene verwirklicht wurden. Er zeigt weiterhin, dass das RNG "weder verwaltungstechnisch noch in finanzieller Hinsicht so umgesetzt wurde, dass die deutsche Landschaft effektiv geschützt werden konnte" (S. 160). Naturschutz musste sich nach Lekan wirtschaftlichem Wachstum, Kriegsvorbereitungen und Expansionismus unterordnen. Außerdem untersucht Lekan die ideologischen Hintergründe des RNG: Er verweist auf das biologistische Weltbild vieler Naturschützer und Landschaftspfleger in der Zeit des Nationalsozialismus (S. 152) und die Affinitäten zwischen dem Schutz der Natur und der organischen Strukturierung des "Volksganzen" (S. 164). Er stellt die "nahtlose" Anfügung (S. 158) der Argumentationen des Natur- und Heimatschutzes gegen fremdländische Baueinflüsse und nichtheimische Arten an die nationalsozialistische rassistische Rhetorik heraus. Nach Lekans Analyse blieben ein Natur- und Heimatschutz, wie ihn die Naturschützer wollten, und die ideologischen Ziele des Nationalsozialismus "völlig unvereinbar" (S. 163). Problematisch scheint jedoch seine These, dass die Naturschützer in ihrer "Ahnungslosigkeit im Hinblick auf die innere Dynamik des Nationalsozialismus", den Zusammenhang der "Blut-und-Boden"-Theorie mit der "Lust an territorialen Eroberungen" nicht erfasst hätten (S. 163).
Lekan deutet mit der Beschreibung der Affinitäten zwischen dem Weltbild der damaligen Naturschützer und dem des NS die Erblast für den heutigen Naturschutz an, benennt sie aber nicht als solche, denn er zieht keinerlei Rückschlüsse auf mögliche Konsequenzen für die aktuelle professionelle Praxis.

Klaus Fehn stellt in seinem Text "'Lebensgemeinschaft von Volk und Raum'. Zur nationalsozialistischen Raum- und Landschaftsplanung in den eroberten Ostgebieten" zwar den Bezug zur heutigen Praxis der Landschaftsplanung her, jedoch stellt auch er die Frage nach der Erblast nicht. "Wer die Leitbilder und Pläne der Zeit vor 1945 genauer kennt, wird verstehen, dass bei älteren Angehörigen unserer östlichen Nachbarvölker viele scheinbar neutrale oder sogar positiv besetzte Begriffe wie z.B. Kulturlandschaft, Raumordnung, Heimat und sogar Wald einen negativen Beiklang haben." (S. 224) Fehn erläutert die konkreten Planungen und die ideologischen Begründungen der Osterweiterung sowie das Idealbild deutscher Kulturlandschaft im Nationalsozialismus. Er zeigt die "unlösbare Verbindung zwischen einer expansiven Raumpolitik und einer aggressiven Rassenpolitik" (S. 213) und den "hohen Stellenwert der deutschen 'Kulturlandschaft'" (S. 213) bei den führenden Vertretern der deutschen Landschaftspflege. Fragwürdig erscheint die Argumentation, dass die Aufzählung der Begriffe, mit denen Deutsche und Polen in Hinblick auf ihren Umgang mit der Kulturlandschaft charakterisiert worden waren, es ermögliche, "das ganze Ausmaß der damaligen Völkerhetze zu verdeutlichen" (S. 212). Die Frage, ob die heutige Idee der "immer wichtiger werdende(n) europäisch orientierte(n) Kulturlandschaftspflege" (S. 224) strukturelle Bezüge zum Begriff der "deutschen Kulturlandschaft" der NS-Zeit aufweist, wird nicht gestellt. Haben sich die Bedeutungen dieser Begriffe in einer demokratischen Gesellschaft verändert? Abgesehen davon, dass Fehn den Stand der Forschung kaum um neue Fakten anreichert [5], fehlt diese weiterführende Diskussion leider vollkommen. Problematisch in diesem Zusammenhang ist auch Frank Uekötters Charakterisierung der Raum- und Landschaftsplanung im Nationalsozialismus durch die "unmittelbare Nähe zu den Verbrechen" wie er in der Einleitung schreibt (S. 21). Denn die Planungen des "Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums" befanden sich nicht in der "unmittelbaren Nähe", sondern sie waren vielmehr wesentlicher Teil der Verbrechen des Nationalsozialismus. Er negiert damit die strukturelle Übereinstimmung zwischen den Leitbildern der Raum- und Landschaftsplanung für die "eingegliederten Ostgebiete" und der zugleich expansionistischen wie auch heimatverbundenen Ideologie des Nationalsozialismus.

Gesine Gerhards Beitrag "Richard Walther Darré - Naturschützer oder 'Rassenzüchter'?" kann als Beispiel für die Diskussion einer rein geschichtswissenschaftlichen Streifrage dienen. Gerhard zeigt, dass es keine Anhaltspunkte gibt, aus denen sich schließen lasse, dass Darré (bis 1942 Reichsernährungsminister) vor 1945 anthroposophische Landwirte protegiert hatte. Damit zeigt sie nicht nur, dass die Selbstdarstellung des Begründers der "Blut-und-Boden"-Theorie bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nicht der Wahrheit entsprach, sondern sie kritisiert auch die Übernahme dieser Darstellung von der beschützerischen Rolle Darrés und der These einer "Steiner connection" in den Geschichtswissenschaften durch Anna Bramwell [6] sowie die These eines "grünen Flügels" in der NSDAP durch andere Historiker (S. 260). Das mag durchaus einen relevanten Streitfall für die Geschichtswissenschaften darstellen, leider stellt Gerhard keinen Bezug zur Frage nach der politischen Erblast her. Interessant - weil es das Selbstverständnis vieler Anhänger des biodynamischen Landwirtschaft, auf der 'politisch richtigen Seite' zu stehen, ins Wanken gebracht hätte - wäre hier die Untersuchung gewesen, inwiefern die Vertreter der biodynamischen Landwirtschaft zur Zeit des Nationalsozialismus versuchten, sich dem politischen System anzudienen. Gerhard schildert dies an einem Beispiel, geht allerdings nicht weiter darauf ein. Interessanter und aktueller noch als diese 'Entlarvung' wäre jedoch die Frage gewesen, ob es einen strukturellen Zusammenhang zwischen Theorien der gesunden Ernährung und Rassismus gibt.

David Blackbourns Beitrag "'Die Natur als historisch zu etablieren': Natur, Heimat und Landschaft in der modernen deutschen Geschichte" entwickelt - im Gegensatz zu der unter Naturschützern beliebten Perspektive der "longue dureé" (nach Braudel: langsame Geschichte des Menschen und seiner Umwelt über riesige Zeiträume) den Ansatz, mit Roland Barthes "die Natur als historisch zu etablieren" (S. 74). Er führt dies aber leider nicht ausreichend aus. So bezöge sich nach Barthes [7] der Begriff "Natur" nicht auf eine ewig geltend gleiche Natur, sondern sei ein Sammelbecken für politische Legitimationen, Verschleierungen, Enthistorisierung. "Natur" mit Leben zu füllen, hieße, sie in verschiedene, zu unterschiedlichen Zeiten geltende "Naturen" aufzugliedern und nach ihrer gesellschaftlichen Funktion zu fragen. Die naturschützerische Natur-Utopie "einer 'reinen' Umwelt" fand, wie Friedemann Schmoll in seinem im Folgenden besprochenen Beitrag schreibt, ihre Entsprechung in der "Vorstellung einer judenreinen Welt" (S. 180). Zur Prüfung der Erblast wäre also - denkt man Blackbourns Ausführungen zu Ende - zu fragen, welche Naturvorstellungen den demokratischen Naturschutz heute leiten und ob - und gegebenenfalls wie - sie sich von denen der Nationalsozialisten unterscheiden. Ist Natur - und damit auch Naturschutz -- in der Demokratie anders definiert, z.B. unabdingbar mit Grundrechten für alle Einwohner und ubiquitären Menschenrechten zu verweben? Die Frage bleibt bei Blackbourn und auch allgemein nach der Lektüre des Tagungsbandes offen.

Friedemann Schmoll formuliert in seinem Beitrag "Die Verteidigung organischer Ordnungen: Naturschutz und Antisemitismus zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus" die These der Entwicklung eines - von ihm so genannten - weitestgehend "normalen europäischen" Antisemitismus im Naturschutz zu einem völkischen antisemitischen Antisemitismus nach 1918 am Beispiel der Reklame-Kritik des Natur- und Heimatschutzes in Deutschland. Für Schmoll sind Naturschutz und Antisemitismus "unauflöslich an missglückte Emanzipation aus vorkapitalistischen Verhältnissen geknüpft; beide diagnostizierten Entfremdung als 'Überfremdung'" (S. 174). Die bürgerliche Kulturkritik am Kapitalismus ließ sich durch die "Verknüpfung antikapitalistischer Affekte und dem Stereotyp des jüdischen Kapitalisten mühelos reduzieren auf eine Reinigungsideologie" (S. 175). Schmoll legt dar, wie nach der "Niederlage" von 1918 Natur- und Heimatschützer wie Schultze-Naumburg, Schoenichen und Schwenkel antisemitische Deutungsmuster des 19. Jahrhunderts weiter entwickelten, die ab 1933 offen politische Geltung erlangten. Der Jude, "der sich alles nimmt und der alles hat, der aber Heimat nicht lieben kann, weil er Heimat eben nicht hat" (S. 175), wird handlungsleitend. "Die Utopie einer 'reinen' Umwelt findet ihre Entsprechung in der Vorstellung einer judenreinen Welt." (S. 180) Die These Schmolls, "dass der deutsche Naturschutz noch bis 1918 ein weitgehend 'normales europäisches' Modernisierungssymptom darstellte" (S. 170), ist diskussionswürdig: Was heißt bei Schmoll "normal"? Akzeptiert er hier den Grad an Antisemitismus, der in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts beherrschend wurde, als "normal"?: Was scheint ihm als "normal" akzeptabel, was wäre ein Referenzkriterium für die Grenze zwischen "Normalität" und Übermaß? Schmolls Beschränkung auf das Beispiel der Reklamekritik ab 1900 behauptet eine Verstärkung des Antisemitismus durch Weltkriegsniederlage und Dolchstoßlegende, reduziert den geschichtlichen Vorlauf auf "Einzelstimmen, wie diejenige von Hermann Löns" (S. 180). Die Vorläufer im 19. Jahrhundert, von Herder über Fichte bis zu Riehl oder Haeckel, deren gesellschaftliche Konstrukte Grundlage der Argumente Schultze-Naumburgs oder Schoenichens sind, werden so für eine angemessene Bewertung der antisemitischen Gehalte des Natur- und Heimatschutzes nur unzureichend berücksichtigt. Es entsteht zudem ein Widerspruch, wenn Schmoll einerseits davon ausgeht, dass der Naturschutz grundsätzlich "Entfremdung als Überfremdung" diagnostiziere und eine "xenophobische Grundhaltung" (S. 181) habe, andererseits aber sagt, dass Antisemitismus kein zwangsläufiges Element des Naturschutzes sei (S. 180). Hier fehlt dem Autor die Klarheit, die er an anderer Stelle findet: "In der natürlichen Ordnung 'Heimat' irritiert der Jude." (S. 175) Mit diesem Satz trifft Schmoll einen ideologischen Kern des deutschen Heimat- und Naturschutzes, dessen weitere Aufarbeitung bis heute aussteht. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Schmoll eine Erblast annimmt, ohne dass er dieser allerdings in dem Aufsatz nachgeht.

2. Neben diesen Beiträgen, die sich der Frage nach der Erblast nicht stellen, finden sich in dem Tagungsband zahlreiche Aufsätze, die der These anzuhängen scheinen, es gäbe keine Erblast für den Naturschutz aus der Zeit des Nationalsozialismus oder die für diesen Zeitraum eine Hochzeit des Naturschutzes postulieren. Dazu gehören die Beiträge des für den Kongress verantwortlichen Historikers Joachim Radkau sowie der Autoren Edeltraud Klueting, Karl Ditt und Thomas Zeller.

Joachim Radkau überschreibt seinen einführenden Aufsatz mit der Frage: "Naturschutz und Nationalsozialismus - wo ist das Problem?" Diese Frage ist die Entgegnung auf die 20 Jahre alte Feststellung: Es gibt ein Problem. Hochproblematisch ist die Ignoranz gegenüber den Opfern, die Radkau mit seiner These zum Diskurs im Nationalsozialismus formuliert: "Hier gab es keine herrschende Doktrin, sondern unterschiedliche Positionen, über die offen diskutiert wurde" (S. 43). Die Tatsache, dass viele ehemalige Teilnehmer der Diskussion - mit möglichen anderen "Positionen" - ausgeschlossen waren, weil sie zur gleichen Zeit zwangsemeritiert waren, Berufsverboten unterlagen, emigrieren mussten, im Lager saßen oder, besonders nach 1941, ermordet wurden, macht Radkaus These fragwürdig. In seiner These ignoriert Radkau den Arierparagraphen im Reichsbund für Vogelschutz ebenso wie des Reichsbunds "freudige Gefolgschaft", auf die Anna-Katharina Wöbse in ihrem Beitrag (S. 315 u. 318) hinweist. Er übersieht weiterhin die von Friedemann Schmoll dargelegte amalgamische Verbindung von Antisemitismus und Heimatschutz: "In der natürlichen Ordnung 'Heimat' irritiert der Jude." (S. 175) Am Ende seiner - über weite Strecken eher diffusen, manchmal abenteuerlichen [8] - Argumentation räumt Radkau ein, der "Prozess der Entfernung der Naturliebe von der Menschenliebe" (S. 54) verweise auf ein Defizit, im Hinblick auf welches "die Aufarbeitung der NS-Zeit in der Naturschutzgeschichte eine Aktualität erlangen und weiterführende Überlegungen anstoßen (könnte)" (S. 54). Auf der von ihm veranstalteten Tagung ist dieser Anstoß nicht hinreichend gelungen.

Edeltraud Kluetings Beitrag "Die gesetzlichen Regelungen der nationalsozialistischen Reichsregierung für den Tierschutz, den Naturschutz und den Umweltschutz" zeichnet die Entwicklungsgeschichte des RNG und anderer Umweltgesetze aus der Zeit des Nationalsozialismus nach. Ihr Beitrag ist jedoch weder Bestandsaufnahme noch Bewertung des RNG hinsichtlich des heutigen Naturschutzes, wie noch in der im Tagungsprogramm abgedruckten Kurzfassung ihres Referats angekündigt. Berührungspunkte und Divergenzen zwischen den Ideen des Naturschutzes und nationalsozialistischem Gedankengut und mögliche Kriterien für eine Bewertung der Gesetze werden nicht thematisiert. Unbeantwortet - sieht man von der allseits beliebten Göring-Handstreich-Anekdote (S. 95) ab - bleibt auch die Frage, warum gerade im Nationalsozialismus ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht werden konnte, das - so Klueting - zuvor 20 Jahre an den Widerständen der Industrie und der Landwirtschaft gescheitert war. So "verwundern" die Autorin zwar die naturschützerischen Initiativen im NS nicht, da sie bei ihnen eine "hohe Attraktivität vor allem für das Bürgertum" (S. 77) ausmacht. Daneben nennt die Autorin die "propagandistische Wirkung", "geringe bis gar keine Kosten", und die "persönlichen Neigungen führender NS-Größen" als Gründe für eine Verabschiedung des RNG (S. 77). Diese Aspekte hätten jedoch im Hinblick auf die von Klueting genannte Instrumentalisierung des RNG für Privatinteressen (S. 104) eine gründlichere Betrachtung verdient. Das politische Umfeld zur Zeit des Nationalsozialismus wird von der Autorin weitgehend ausgeblendet, beinahe meint man von demokratischen Verhältnissen ausgehen zu können, wenn sie die Auseinandersetzung zwischen den Institutionen schildert. Verwendete Begriffe wie "Regierung Hitler" (S. 77) oder "auf legalem Weg" (S. 93) unterstreichen diesen Eindruck. Auch werden die beschriebenen Gesetzesvorhaben nicht in ihrer politischen Dimension ausgeleuchtet. Welche Eingriffe in persönliche oder demokratische Freiheiten sollten ermöglicht werden? Wer profitierte, wer nahm Schaden? Wo genau liegen denn die Erfolge? Macht die Historikerin nicht eine problematische Feststellung, wenn sie schlussfolgert: "Was in der Frühzeit des NS-Staates durch den Einsatz eines 'mächtigen Mannes' gelang, war unter den Gesetzen des 'totalen Krieges' nicht mehr möglich" (S. 104)? Die Bewertung Kluetings fällt mit der Feststellung, dass das RNG "materiell-rechtlich ein praktikables Gesetz" (S. 104) war, dünn aus. Offen bleiben die Kriterien der Autorin, die dieses Ergebnis rechtfertigen. Deutlich wird jedoch, dass das RNG für Klueting keine Erblast für den Naturschutz nach 1945 darstellt.

Karl Ditt steht in ähnlicher Weise zu dieser Frage. Er trennt in seinem Beitrag "Die Anfänge der Naturschutzgesetzgebung in Deutschland und England 1935/49" durchgängig die zwei Seiten "Nationalsozialismus" (als Ideologie, als politisches System) und "Naturschutz" (als Anliegen, als Bewegung) mit verschiedenen Interessenlagen und Ansprüchen. Diese wechselseitige Betrachtung könnte eigentlich zu aufschlussreichen Ergebnissen führen. Die noch in der Kurzfassung seines Referats für die Tagung angekündigte Untersuchung von "Funktion und Bedeutung des Naturschutzes für die Gesellschaften beider Länder" [9] bleibt jedoch reduziert auf deren Auswirkungen für Naturschützer, Wanderer, Landbesitzer und Einzelpersonen wie Hermann Göring. Gerade die Analyse der gesellschaftlichen Funktion des Naturschutzes wäre jedoch hilfreich gewesen, die unterschiedlich verlaufenen Entwicklungen in Deutschland und England ("deutlich breiter und demokratischer fundiert als die nach wie vor stark bildungsbürgerlich geprägte Naturschutzbewegung in Deutschland", S. 130) zu verstehen. Leider verzichtet der Autor darauf und verweist in einer Fußnote nur auf andere Autoren [10]. Die kulturwissenschaftliche Analyse des "'organische(n)' Ansatz(es)" (S. 123) in der deutschen Landespflege würde im Hinblick auf die ebenfalls angeführten "diffusen Vorstellungen von den Wechselwirkungen zwischen Raum/Landschaft/Boden einerseits und der Bevölkerung andererseits" (S. 117) auf Seiten der nationalsozialistischen Meinungsführer weit mehr Aufschluss über Gesellschaftsbild und Staatsverständnis geben. Ditt, der das RNG für "bemerkenswert unideologisch" (S. 119) hält und in seiner Sprache "keinen Rassejargon" (S. 119) feststellt, kann denn auch "fünf, vor allem auf die Erweiterung der Schutzobjekte und der Kompetenzen der Naturschützer zielende Fortschritte" (S. 119) durch das RNG feststellen. Auf diese Weise bleibt die relevante Schnittmenge zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus - die Jens Ivo Engels in seinem Tagungsbeitrag an Hand des RNG sehr überzeugend darlegen kann - bei Ditt leider vollkommen unbeachtet. Ditt sieht im nationalsozialistischen Naturschutz keine Erblast für den heutigen Naturschutz. Aber wird die Verabschiedung des RNG während der nationalsozialistischen Diktatur weniger problematisch, weil es den Nazis gar nicht so ernst war mit dem Naturschutz, wie Ditt anführt: "Das Gesetz kann deshalb nur begrenzt als Indikator für eine ernsthafte Naturschutzpolitik des Dritten Reiches in Anspruch genommen werden." (S. 118)? Der bedenklichste Zug in Ditts Beitrag ist der auf die autoritäre Durchsetzung von Naturschutzpolitik eingeengte Blickwinkel. Nach Ditts Analyse hat die Weimarer Demokratie im Naturschutz versagt [11]. Die NS-Anhängerschaft unter Naturschützern verwundert ihn deshalb nicht: "Mit dem Dritten Reich schien deshalb eine Zeit der Fortschritte für den Naturschutz gekommen zu sein." (S. 116) Für die Nachkriegszeit wird von Ditt ähnliches konstatiert: "Aus der Perspektive der Folgezeit der 1950er Jahre, (...) , erscheint die Zeit des Dritten Reiches jedoch geradezu als Blütezeit des Naturschutzes." (S. 125) Sollte Ditt hier nicht zumindest eine deutlichere eigene Positionierung vornehmen? War das Dritte Reich eine "Blütezeit des Naturschutzes"? Braucht "erfolgreicher" Naturschutz einen starken Staat?

Thomas Zeller entwickelt anhand seines Beitrages "'Ganz Deutschland sein Garten': Alwin Seifert und die Landschaft des Nationalsozialismus" die These der Folgenlosigkeit und des Scheiterns der nationalsozialistischen Landschaftsgestaltung am Beispiel der Landschaftsanwälte um Alwin Seifert und ihren Projekten im Straßen- und Wasserbau. Er konzentriert sich dabei besonders auf deren Durchsetzungsstrategien und ihr Verhältnis zum Naturschutz. Zeller kommt dabei zu dem Ergebnis, das Konzept der "Bodenständigkeit", das auch von Seifert vertreten wurde, sei "weder Dogma noch Doktrin der nationalsozialistischen Planer" gewesen, sondern ein "umstrittenes Argument" (S. 306) bzw. ein "misslungener Versuch Seiferts, eine ideologische Unterfütterung seiner Arbeit zu erlangen" (S. 281). Hierbei wird deutlich, dass Zeller die politische Bedeutung des Begriffs "Bodenständigkeit" und seiner Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Rassepolitik nicht vollständig erkennt [12]. Belege für den angeblichen Streit um das Konzept der Bodenständigkeit finden wir bei Zeller nicht. Das gleiche Argumentationsmuster einer in offener Auseinandersetzung unterlegenen Position wendet Zeller auf die "Versteppungs"-Debatte an. Auch hier geht es mehr um das Scheitern Seiferts als um die Analyse seines Wirkungsradius und die Verankerung seiner Argumente in der Fachwelt bis 1945 und darüber hinaus. Uekötter dient dieses Beispiel in seinem Vorwort zum Tagungsband zur Konstatierung "bemerkenswerte(r) Freiräume", die innerhalb des NS-Regimes geblieben seien (S. 14). Bemerkenswerte Freiräume? Die "Versteppungs"-Paranoia ist ein politisch völkisch und rassistisch konnotiertes Konstrukt, das nahtlos in die NS-Ideologie passte. Zellers Interpretation, dass "gestalterische Argumente den Aufstieg einer neuen sozialen Gruppe, den sich zu Landschaftsarchitekten professionalisierenden Gartenarchitekten, nur verbrämten" (S. 300) greift zu kurz und geht an der disziplingeschichtlichen Wirklichkeit vorbei. Scheinbar geht es Zeller weniger um die Analyse der Inhalte, als um die Herausstellung, wer wodurch über wie viel Macht und Einfluss verfügte. Karriereplanung und Einflusssicherung reichen jedoch als Erklärungsmuster für die Etablierung landschaftsgestalterischer Leitbilder im Nationalsozialismus und Nachkriegsdeutschland nicht aus. Nicht die "Neuordnung" (S. 292) von Naturschutz und Landschaftsarchitektur stand auf der Tagesordnung, sondern die modernisierende Entwicklung/Abgrenzung vom bisherigen Berufsbild des Landschaftsarchitekten. Darüber hinaus lässt Zeller völlig offen, welches für ihn die Kriterien sind, nach denen er den "Erfolg" von Seiferts Landschaftsgestaltung bemisst. Abwegig ist es, von einem "Kollaborationsverhältnis" Seiferts mit dem Nationalsozialismus (S. 281) zu sprechen. Seifert arbeitete nicht mit dem Feind zusammen. Wenn er einen Feind hatte, dann war es die Technikgläubigkeit der Ingenieure, aber nicht der Nationalsozialismus, der ihm alle Möglichkeiten zur Entfaltung bot. Seifert arbeitete im Rahmen der NS-Ideologie ("Bodenständigkeit"), er arbeitete für die Durchsetzung ihrer propagandistischen Ziele (Reichsautobahn), er bekannte sich zum NS-Staat (Seiferts NSDAP-Mitgliedschaft findet bei Zeller überhaupt keine Erwähnung!). Zellers auch von Uekötter unterstrichene Behauptung, dass Seifert kein "glühender Nationalsozialist" gewesen sei, (S. 281, S. 23) bleibt insofern fragwürdig [13]. Ein grundsätzliches Problem von Zellers Beitrag liegt in der Begrenzung auf den Zeitraum 1933-1945. Die beschriebenen Auseinandersetzungen führten nämlich am Ende nicht zu einem "ergebnislosen Wirrwarr" (S. 294), sondern stellten die Konstitutionsphase der bundes- und DDR-deutschen Landschaftsplanung und Naturschutzorganisation dar. Zeller schreibt, dass Seiferts Ideen "nicht zu einer Umorientierung von Wasserbau und Landwirtschaft" (S. 306) führten. Jedoch kann nicht allein der Grad der Umsetzung der Ideen bis 1945 als Parameter für die Bedeutung der Seifertschen Konzepte herangezogen werden. Entscheidend ist Seiferts Funktion im System des Nationalsozialismus (legitimatorisch, unterstützend, werbend) genauso wie die Auswirkungen und Umsetzungen seiner Ideen nach 1945, die tief greifend und vielfältig sind. Insofern ist Seiferts Einfluss bis weit in die 1970er Jahre nicht zu unterschätzen. Zeller unterstützt mit seinem Ansatz letztendlich Seiferts selbstgestrickte Entschuldungs-Legenden der Nachkriegszeit [14].

3. Neben diesen Autoren, für die sich das "Problem" der Erblast aus der Zeit des Nationalsozialismus für den aktuellen Naturschutz deshalb nicht stellt, weil sie das Vorhandensein einer solchen Erblast verneinen, finden sich in dem Tagungsband zahlreiche Beiträge, die das Vorhandensein der Erblast grundsätzlich zwar feststellen, aber nicht soweit gehen, daraus Schlussfolgerungen für die aktuelle Theorie und Praxis des Naturschutzes zu ziehen. Dazu gehören die im Folgenden besprochenen Aufsätze von Anna-Katharina Wöbse, Andreas Dix, Ludwig Fischer und Thomas Potthast.

Anna-Katharina Wöbse beschreibt in ihrem Beitrag "Lina Hähnle und der Reichsbund für Vogelschutz: Soziale Bewegung im Gleichschritt" Lina Hähnles Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus: "Ein sieghaftes 'Heil' auf unseren Volkskanzler, der die Deutschen aus der Verbundenheit mit der Natur heraus gesunden lassen will, zeigte die freudige Gefolgschaft des Bundes auf diesem Weg." (S. 315) Wöbse stellt fest, dass Hähnle als Identifikationsfigur "höchst ambivalent" (S. 328) ist. Sie erwähnt den Arierparagraphen (S. 318) in der Satzung des Reichsbunds für Vogelschutz ab 1934 und zeigt die erfolgreichen Bestrebungen der "echten Führernatur" (S. 319) Lina Hähnle, die "Gleichschaltung" (S. 316) zu nutzen, alle Konkurrenten auszuschalten und die Vogelschutzgruppen des Landes unter dem Dach des Reichsbundes zu vereinen. In den Fragen nach der Bewertung dieses Verhaltens, der Erinnerungspolitik des Verbandes oder nach den Folgen der Geschichte nach 1945 bleibt Wöbse allerdings unscharf. Dass "der größte Teil des Verbandsarchivs inklusive der Korrespondenz in den 1960er Jahren verloren ging" (S. 302, Anm. 2), erwähnt sie, problematisiert das aber nicht als mögliche politische Entlastungsstrategie des Verbandes. Ob jüdische Mitglieder ausgeschlossen wurden, stellt Wöbse fest, "ist nicht bekannt" (S. 318). Die Frage, ob vom Verband seit 1945 jemals danach gefragt wurde, stellt sie nicht. Wöbse fordert, leider erst in ihrem Schlusssatz, eine Auseinandersetzung der heutigen Naturschutzbewegung "mit den Schwachstellen" (S. 328), ohne diese zu definieren. Sie vermutet, diese seien "aus einem überhöhten Sendungsbewusstsein bei gleichzeitiger Marginalität und einer falsch gedeuteten apolitischen Haltung" (S. 328) entstanden, führt dieses aber nicht aus.

Andreas Dix rekonstruiert in seinem Beitrag "Nach dem Ende der 'Tausend Jahre': Landschaftsplanung in der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR" das Nachkriegskapitel ostdeutscher Landschaftsplanung. Er geht dabei insbesondere auf die frühen administrativen und wissenschaftlichen Versuche ein, Landschaftsgestaltung als planerische Fachdisziplin institutionell zu verankern. Als scheinbare Besonderheit stellt Dix fest, dass "einige Grundzüge landschaftsplanerischen Wirkens (aus der NS-Zeit) in die DDR hinein erhalten (blieben): das oberste Ziel der Bekämpfung von Landschaftsschäden, die Schaffung von Landschaftsstrukturen, die eine hochproduktive, gärtnerisch intensiv betriebene Landwirtschaft ermöglichen sollte" (S. 353). "Trotz der fundamental unterschiedlichen politischen Einbindung der Landschaftsplanung blieben bestimmte Forderungen die Gleichen, (...)" (S. 359). Dix' Feststellung, dass es weiterhin eine Landschaftsplanung gab, die sich der Schadensbehebung und -begrenzung verschrieb, ist so verwunderlich nicht. Es wurde ja auch weitgehend unverändert Landwirtschaft betrieben, Braunkohle abgebaut, usw. Zur genaueren Differenzierung der Unterschiede wäre eine vertiefende kulturgeschichtliche Herausarbeitung von Motiven und politischen Voraussetzungen der Landschaftsplanung in der NS-Zeit sowie von deren Transformation in der Zeit der DDR, wie sie Dix in seinem Fazit leider nur anreißt, hilfreich gewesen. Anhand einer Musterdorfplanung, der Umweltstudie "Landschaftsdiagnose der DDR" und biographischer Erläuterungen beschreibt Dix in den Nationalsozialismus zurückreichende inhaltliche und personelle Kontinuitäten sowie Abgrenzungen unter DDR-Planern. Dix Darstellung - "(d)em ideologischen Pathos von Blut und Boden entkleidet wurde das planerische Ideal eines 'modernen' Dorfes ganz selbstverständlich weiter umgesetzt" (S. 354) - wirft jedoch die Frage auf, ob faschistische Moderne ohne faschistischen Hintergrund faschistisch bleibt oder nicht. Dix kommt hier in das Dilemma, Kontinuitäten anprangern zu wollen, ohne zwischen dem ideologischen Gehalt der NS-Dorfplanungen und ihrer Modernität zu differenzieren. Weiterhin bleibt zu fragen, was das von Dix in Anführungszeichen gesetzte "Moderne" ist, bzw. warum es "ganz selbstverständlich" weiter umgesetzt werden konnte. Und was erklären die Verweise auf die Tennessee Valley Authority oder den "Stalin-Plan zur Umgestaltung der Natur" mehr, als dass es sich auch bei den Ideen für eine Umgestaltung der Natur in der DDR um "Großplanungen" als "Signum eines bestimmten Staatsverständnisses" und "Ausdruck großer Technikbegeisterung" (S. 352) handelt? Die Herausarbeitung inhaltlicher Parallelen und Differenzen wäre sicher lohnend gewesen. Dix' These, in der Landschaftsplanung der DDR gab es weder "ästhetische Überhöhung noch völkisch-rassische Konnotation" (S. 359) darf angezweifelt werden: Erhielt nicht erstere eine Umdefinierung im Kontext "sozialistischer Heimat und Kulturlandschaft" und verschwindet letztere wirklich ganz?
Das Scheitern der landschaftsplanerischen Ansätze in der SBZ/DDR wird außer durch einen Hinweis auf personelle Kontinuitäten kaum geklärt. Die Andeutung, das Scheitern liege im stalinistischen System begründet (S. 361f), bleibt unausgeführt. Am Ende gibt es bei Dix keine klare Position bezüglich Kontinuitäten/Diskontinuitäten der Landschaftsplanung vom Nationalsozialismus zur DDR. Der tagungsgebotene Gesamtbezug zu nationalsozialistischen Planungsvorstellungen wird nur ansatzweise hergestellt, Bezüge zum Naturschutz fehlen ganz. Die Frage der Erblast bleibt auf die unmittelbare Nachkriegsphase beschränkt.

Leider nur kurz angerissen wird das Problem der Erblast in den ansonsten sehr interessanten Beiträgen von Ludwig Fischer und Thomas Potthast.

Ludwig Fischer behandelt in seinem Text "Die 'Urlandschaft' und ihr Schutz" mit Walter Schoenichen nicht nur einen wichtigen frühen Vertreter des Natur- und Heimatschutzes, der die Orientierung des Naturschutzes an der NS-Programmatik forderte und auch nach 1945 mit "einer notdürftig bereinigten Terminologie" (S. 183) weiter wirkte, sondern weist auch auf die konzeptuelle Kontinuität der "nationalkulturellen" Bedeutung von "Urlandschaft" im Naturschutz nach 1945 hin, führt diese Kontinuität aber leider nicht weiter aus. Auch wäre es interessant zu wissen, was worin für Fischer dern Unterschied zwischen nationalkulturell und nationalsozialistisch ausmachtliegt. Fischer zeigt, dass Schoenichen die kulturlandschaftliche Vernichtung von ursprünglicher Natur positiviert, in dem die "deutsche Eigenart" des "Heldischen" als naturhaftes Potential schon in der Urlandschaft verortet wird. Einerseits liegte das Heldische der Urlandschaft darin, dass ein "titanenhafter Widerstreit" zwischen den gegenläufigen Naturgewalten die Urlandschaft geformt habe. Andererseits habe der Mensch unerbitterlich gegen den Urwald gekämpft. "Der 'Geist der deutschen Urlandschaft' kommt gerade in ihrer kulturlandschaftlichen Erledigung zum Vorschein" (S. 195). Schutzkonzepte begründet Schoenichen daher damit, dass Reststücke von "Urlandschaft" geschützt werden müssen, da sie eine Bedeutung für "unsere völkische Wesenheit und unsere völkische Kultur besitzen" (Schoenichen zit. n. S. 196), und damit, dass traditionelle deutsche Kulturlandschaft das "Heldische" des Deutschen im Kampf gegen die Natur repräsentiere. Fischer deutet hier leider nur an, was an Schoenichens Konzept als Erblast für die heutige Naturschutzpraxis relevant ist: "die inneren Widersprüche ist ein Naturschutz-Konzept, das 'eigentliche Natur' von ihrer Bedeutung für kulturelle Identität entwirft, auch dort nicht los geworden, wo jedem ideologischen Ballast des Naturverständnisses abgeschworen scheint." (S. 205)

Thomas Potthasts Beitrag "Wissenschaftliche Ökologie und Naturschutz: Szenen einer Annäherung" zeigt, dass es im Nationalsozialismus nur schwache Annäherungen zwischen der ganzheitlichen Ökologie und dem Naturschutz gegeben hat, obwohl die ganzheitliche Ökologie vor 1945 theoretisch-ideologisch bestens zum Naturschutz zu passen scheint (S. 228). Nach Potthast lag es an dem problematischen Status der Ökologie als Naturwissenschaft, dass diese Verbindung nicht zustande kam. Die ganzheitliche Ökologie (Karl Friedrichs, August Thienemann) passte sich jedoch "mittels Bezügen zur Biologie als Weltanschauung und vor allem durch Gleichsetzung von 'Lebensgemeinschaft und Lebensraum' mit 'Blut- und Boden' und dem Beharren auf 'Gemeinschaft als Lebensform der Natur' in den Nationalsozialismus ein, ohne sich auf der theoretischen Ebene dem biologistisch-deterministischen Rassismus vollständig anzuschließen." (S. 238). Nach 1945 zeigten sich auch in der Ökologie personelle wie konzeptuelle Kontinuitäten: Für Thienemann und Friedrichs genügten einige Streichungen von "Blut-und-Boden"-Formulierungen, um die bildungsbürgerliche Sicht des Menschen als einem über der Natur stehenden Kulturwesen und eine sich auf Goethe berufende Kritik am orthodoxen Szientismus zu betonen. In der Ökologie nach 1945 kam es daher zunächst nicht zu einem Bruch mit den holistischen Traditionen. Von Bedeutung ist die Darstellung von Potthast unter anderem, da sie zeigt, dass die ganzheitliche Ökologie einen stark außerwissenschaftlichen Gehalt aufweist, der "zutiefst nicht-demokratisch" (S. 254) ist. Die Forderung nach der Verbindung von Kultur und Naturwissenschaft ist -- so Potthast - noch immer mehr als problematisch.

4. Nur vier der achtzehn Autorinnen und Autoren des Tagungsbandes gehen der ursprünglichen Fragestellung der Tagung: "Naturschutz und Nationalsozialismus - Erblast für den deutschen Rechtsstaat?" direkt nach, während sie bei allen anderen bisher besprochenen Beiträgen, wenn überhaupt, nur am Rande berührt wurde. Die Beiträge von Hansjörg Küster, Jens Ivo Engels, Stefan Körner und Rüdiger Haufe gehen alle von der These aus, dass Naturschutz und Landschaftsplanung auch heute noch auf den gleichen kulturellen und politisch relevanten Grundgedanken basieren wie vor 1945 und dass diese Grundannahmen offensichtlich anschlussfähig waren an die Ideologie des Nationalsozialismus.

Hansjörg Küster stellt in seinem Beitrag "Der Staat als Herr über die Natur und ihre Erforscher" Grundfesten des heutigen Naturschutzes in Frage, indem er auf ihre nationalsozialistischen Grundlagen verweist. "Grundsätzlich problematisch zu bewerten ist der Naturbegriff der Nationalsozialisten und ihr Umgang mit der Natur." (S. 56) Eine stabile Natur kann es - so Küster - nicht geben. "Natur muss immer als dynamisch aufgefasst werden, in ihr wurden ständig neue Erscheinungen hervorgebracht." (S. 63) Die Pflanzensoziologie wurde nach seiner Meinung "von politischer Seite falsch eingeschätzt; sie ist eine Methode, mit der im Gelände erfasste Pflanzenbestände charakterisiert werden können, aber sie ist nicht dazu geeignet, den Grad der Natürlichkeit einer bestimmten Vegetation festzulegen." (S. 59) Heute noch werden Pflanzenkartierungen verbunden mit der nationalsozialistisch entwickelten Norm "heimischer" Pflanzen zum Maßstab für Naturschutz und Landschaftsplanung gemacht. "Die Entwicklung von Grundlagen der Ökologie, die im Kern auf die Dynamik von Natur zurückgeht, wird immer noch stark durch das Vorherrschen einer statischen Vorstellung von Natur behindert. Immer noch ist in den meisten Lehrbüchern der Vegetationskunde vom Erreichen einer 'Potentiellen natürlichen Vegetation' die Rede, immer noch wird vom ökologischen Gleichgewicht gesprochen, nicht aber davon, dass die an diesem vermeintlichen Gleichgewicht beteiligten Parameter und Arten einer ständigen Veränderung unterworfen sind" (S. 63). Küster trifft den Nerv des Naturschutzes, wenn er formuliert: "Nur ein totalitärer Staat kann wissen, welche statische Natur er schützen und einrichten will." (S. 63)

Jens Ivo Engels diskutiert in seinem Beitrag "'Hohe Zeit' und 'dicker Strich': Vergangenheitsdeutung und -bewahrung im westdeutschen Naturschutz nach dem Zweiten Weltkrieg" die Frage, ob das RNG als typisch nationalsozialistisches Gesetz angesehen werden muss. Diese Frage behandelt er vor dem Hintergrund, dass das RNG in der Bundesrepublik faktisch und ideell Geltung behielt. Engels liefert eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, wobei sowohl das Zustandekommen des Gesetzes, als auch seine Diktion und seine innere Struktur beleuchtet werden. Dabei kommt er zu folgendem Schluss: "Entgegen der Behauptung vieler Naturschützer, das RNG enthalte nur sachliche Regelungen und sei frei von ideologischem Gedankengut, trugen das Gesetz und die Geschichte seines Zustandekommens deutlich die Züge eines autoritären Regimes." (S. 388) Diese für die Tagung und den Tagungsband selten deutlich ausgesprochene These einer tatsächlich vorhandenen Erblast wird in eine interessante Richtung gelenkt: "Vieles spricht dafür, die frühen Natur- und Heimatschutzbestrebungen als symbolische Inbesitznahme der Landschaft durch seine bürgerlichen Trägerschichten zu interpretieren. Der besondere Reiz des RNG mag darin gelegen haben, dass er der symbolischen Operation eine juristische folgen ließ - zumindest in der Theorie." (S. 388) Hieran ließe sich die Frage anschließen, worin denn das bürgerliche Ideal von Landschaft bestand und inwiefern dieses Ideal zu dem der Nationalsozialisten passte. Welche gesellschaftspolitischen Implikationen hatte ein solches Landschaftsideal? Engels spricht von der "ideologischen Verflochtenheit von Naturschutz und Nationalsozialismus" (S. 380) und deutet das in seiner Beschreibung einiger Protagonisten des Nachkriegsnaturschutzes an, die oft unverhohlen autoritäre Maßnahmen zum Schutz der Natur befürworteten und die Demokratie als Feind des Naturschutzes ansahen.

Stefan Körner beschäftigt sich in seinem Beitrag: "Kontinuum und Bruch: Die Transformation des naturschützerischen Aufgabenverständnisses nach dem Zweiten Weltkrieg" am intensivsten von allen in dem Tagungsband vereinten Aufsätzen mit der Frage nach der Erblast. Körner geht auf die "politische konservative" und "zivilisationskritische" Programmierung des Heimatbegriffes (S. 410), der dem frühen Natur- und Heimatschutz zu Grunde lag, ein, und beschreibt anhand von Schönichens Definition des Naturschutzes "im engeren" und "im weiteren Sinne" die "Anschlussfähigkeit" (S. 407) dieses Heimatbegriffes an die Ideologie des Nationalsozialismus. Das "kulturelle Ideal, das im Heimatschutz gegen die Zerstörung der traditionellen Kulturlandschaft in der Moderne gesetzt wurde, verband sich im Nationalsozialismus mit einer rassistischen und militaristischen Politik. Diese Verbindung konnte erfolgen, weil schon im Heimatschutz völkische, wenn auch nicht rassistische, Denkmuster vorhanden waren." (S. 404) Aus dem Nachweis einer gemeinsamen kulturkonservativen weltanschaulichen Basis von nationalsozialistischer Ideologie und frühem Natur- und Heimatschutz kann Körner überzeugend die Nachkriegsentwicklung des deutschen Naturschutzes auch als Prozess der Verdrängung der eigenen kulturellen Basis interpretieren, nachdem diese durch die Zeit des Nationalsozialismus in Misskredit geraten war. Körner wirbt daher abschließend für eine offensive Reflexion der eigenen kulturtheoretischen Grundlagen im Naturschutz, um auf der Grundlage einer differenzierenden Begriffsbestimmung ohne Verdrängung der eigenen Erblast zu einem "progressiven Heimatbegriff" (S. 431) als Basis aktueller Naturschutzpraxis zu kommen. "Denn nur auf Basis dieser Differenzierung ist erklärbar, dass Landschaft einerseits Symbol konservativer Politik bis hin zu rassistischen Unterdrückungsverhältnissen, andererseits aber auch Symbol einer paradiesisch-sozialistischen Gesellschaft sein kann." (S.434) Auch hier bleibt allerdings - wie bei Schmoll - der nicht-völkische/nicht-rassistische Anteil des Naturschutzes behauptet, aber unbegründet. Er wäre herauszuarbeiten.

Rüdiger Haufe weist in seinem Beitrag "Geistige Heimatpflege - Der 'Bund der Thüringer Berg-, Burg- und Waldgemeinden' in Vergangenheit und Gegenwart" nach, dass einige der heute wieder entdeckten ehemaligen Mitglieder des neugegründeten Bundes Thüringer Heimatschützer Anhänger völkisch-rassistischer Ideen und später der nationalsozialistischen Ideologie waren. Mit diesen Tatsachen setzt sich die "Traditionspflege" in dem heute neu gegründeten Verein nicht auseinander (S. 437). Wie problematisch das für die Akzeptanz des heutigen Vereines und seiner Ziele ist und wie sehr sich dieser einer latenten Sympathie mit den Ideen seiner "Altvorderen" verdächtig macht, solange er sich nicht explizit davon distanziert, wird in diesem Beitrag sehr deutlich. Die "guten" Ziele des Vereins und seiner Altvorderen, gepaart mit dem Wissen um die völkischen, rassistischen und nationalsozialistischen Gedanken, die in seiner Vergangenheit eine große Rolle spielten, machen es unmöglich, Vereinstraditionen unkommentiert und unreflektiert weiter zu führen. So kommentiert Haufe auch die lokal allseits geäußerte Freude über die Neugründung des Vereins, der sich unter anderem "der Pflege von Traditionen, der Liebe zur Heimat (...) und auf dem Gebiet des Natur- und Umweltschutzes (...) verbunden fühlt" (S. 437) folgendermaßen: "Wer sich jedoch genauer mit der Geschichte der zahlreichen Heimat- und Wandervereine und speziell des 'Bundes der Thüringer Berg-, Burg- und Waldgemeinden' vor 1945 beschäftigt, vermag kaum in solchen Jubel einzustimmen." (S. 438)

Die Erblast des nationalsozialistischen Naturschutzes und seiner völkischen Vorläufer im Naturschutz ist weiterhin brisant. Eine angemessene Auseinandersetzung mit diesem Problem ist auf der Tagung und im daraus entstandenen Tagungsband nur in einzelnen Beiträgen gelungen. Bestimmte Fragen, wie z.B. nach den Opfern im Naturschutz, wurden gar nicht oder kaum gestellt. Es ist kaum zu glauben, dass den im Nationalsozialismus aktiven Naturschützern die Vertreibung namhafter Kollegen aus rassistischen Gründen [15] nicht bekannt war oder dass z.B. ein Ornithologe, der als SS-Obersturmführer in Auschwitz in seiner Freizeit die Vogelwelt erkundete [16], nichts über die Vorgänge im Lager wusste. Zudem wurde eine Pointierung der "erhebliche(n) Unterschiede in den Thesen und Perspektiven" und "wesentliche(n) Meinungsverschiedenheiten", wie Uekötter sie einleitend ankündigt (S. 14), die den Diskursrahmen während der Tagung und im Tagungsband eröffnet hätten, letztlich nicht vorgenommen. Auch eine wirksame Formulierung verbindender Leitthesen oder zusammenfassende Gesamtaussagen sucht der Leser vergeblich. Dies mag auch daran liegen, dass die Veranstalter davon ausgingen, dass der NS-Staat geprägt war von "rivalisierenden Cliquen, Organisationen, Ressorts - und der Natur- und Landschaftsschutz war da keine Ausnahme" (S. 15). Strukturelle Übereinstimmungen oder ideologische Nähe von Naturschutz und Nationalsozialismus können auf der Basis einer solchen "Polykratie-These" vielleicht nur schwer formuliert werden. Erstaunlicherweise wird bezüglich einer solchen Übereinstimmung, dem strukturell autoritären Gehalt von Naturschutz, im Nachhinein von Mitveranstalter Uekötter bemerkt, wie "(...) spontan eine Debatte über das autoritäre Selbstverständnis des heutigen Naturschutzes (entbrannte). Es könnte sich lohnen, diese Debatte weiterzuführen - nicht nur, aber auch mit Blick auf die Geschichte des Natur- und Landschaftsschutzes zwischen 1933 und 1945" (S. 29). In diesem Fall hat Uekötter Recht.

Anmerkungen:
[1] Fachkongress "Naturschutz und Nationalsozialismus - Erblast für den Naturschutz im demokratischen Rechtsstaat?", 3. - 5. Juli 2002 in Berlin, ausgerichtet von der Stiftung Naturschutzgeschichte (Königswinter) in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Geschichtswissenschaften und Philosophie der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Joachim Radkau), unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin.
[2] Alle im Folgenden gemachten Seitenangaben beziehen sich auf den Tagungsband.
[3] Vgl. auch das Einladungsfaltblatt.
[4] Siehe Literaturbericht von Frank Uekötter (S. 454-459), aktuell: Gröning, Gert (2002): Naturschutz und Nationalsozialismus. In: Lorenz, Klaus-Peter (Hg.): Politische Landschaft - die andere Sicht auf die natürliche Ordnung, Duisburg, S. 159-187.
[5] Vgl. Gröning, Gert und Wolschke-Bulmahn, Joachim (1987): Die Liebe zur Landschaft. Teil III. Der Drang nach Osten: Zur Entwicklung der Landespflege im Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkrieges in den "eingegliederten Ostgebieten". Herlyn, Ulfert, Gröning, Gert (Hg.) (1987): Arbeiten zur sozialwissenschaftlich orientierten Freiraumplanung, Band 9, München.
[6] Anna Bramwell (1985): Blood and Soil. Richard Walther Darré and Hitler's "Green Party". Abbotsbrook
[7] Nach Roland Barthes (1994): "Mythen des Alltags", Frankfurt/M .
[8] "Angeblich murrte der 'Führer', der Wald sei ein Rückzugsgebiet für schwache Völker, während sich die starken, kriegerischen in der weiten Steppe tummelten. Und damit hatte er gar nicht einmal so völlig Unrecht!" (S. 47f.).
[9] Tagungsprogramm und Kurzfassungen der Referate (S. 6).
[10] Vgl. Fußnote 46 auf S. 123: "Auf die weitere Politisierung der Landespflege im Zweiten Weltkrieg wird hier nicht eingegangen. Vgl. generell hierzu die Arbeiten Gert Gröning, Joachim Wolschke-Bulmahn und Klaus Fehn".
[11] Problematisch ist, dass Ditt sich bezüglich der Geschichte vor 1933 zweimal ausdrücklich auf eine Quelle aus der NS-Zeit bezieht, ohne darzulegen, ob er sie auf ihre Zuverlässigkeit geprüft hat: S. 112 Anm. 14 und S. 115 Anm. 19 (Quelle jeweils: Ludwig Sick (1935): Das Recht des Naturschutzes. Eine verwaltungsrechtliche Abhandlung unter besonderer Berücksichtigung des preußischen Rechts mit Erörterung des Problems eines Reichsnaturschutzgesetzes, Diss. Bonn.)
[12] Vgl. hierzu auch Reitsam, Charlotte (2001): Das Konzept der "bodenständigen Gartenkunst" Alwin Seiferts. Frankfurt am Main.
[13] Zur Einschätzung Seiferts ein Zitat von ihm: "Haben wir nicht `Juden´ gemauert, daß es für große Konzentrationslager gereicht hätte?" (In: Die Straße 8, 1941, S. 288) Die NSDAP beurteilt ihn so: "Gut. Nach Mitteilung des zuständigen Hoheitsträgers ist die politische und weltanschauliche Haltung des Obengenannten gut." (Bundesarchiv Koblenz, NS 14/47).
[14] Seifert selbst sah seine Autobiographie (Seifert, Alwin (1962): Ein Leben für die Landschaft, Düsseldorf-Köln), die er 70jährig schrieb, als "Reinwaschungsversuch des Naturschutzes von braunen Flecken". Siehe Zimmer, Jochen (2002): Politische Landschaften - Reichsautobahnbau und Autobahnmalerei. In: Lorenz, Klaus-Peter (Hg.) (2002): Politische Landschaft - die andere Sicht auf die natürliche Ordnung, Duisburg, S. 191.
[15] Z.B. Dr. Benno Wolf, Mitarbeiter der Staatlichen Stelle für Naturschutz in Preußen, gestorben im KZ Theresienstadt. Siehe Natur und Landschaft 9/10 2003, S. 437.
[16] Z.B. Günther Niethammer: Ornithologe, ab 1937 Mitglied in der NSDAP, seit 1940 Mitglied der SS, SS-Obersturmführer, im Oktober 1941 und Juni bis Oktober 1942 in Auschwitz, 1967 Präsident der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft. Autor von: Niethammer, Günter (1942): Beobachtungen über die Vogelwelt in Auschwitz. In: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Band 52. Niethammer (1942): Handbuch der Deutschen Vogelkunde (Reprint 1996). (Klee, Ernst (2003): Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/M. S. 436)
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Ergänzungen

Begriffsproblematik

elfboi 08.11.2004 - 17:31
Der Begriff "Natur" ist in Deutschland - aber auch in weiten Teilen von Europa insgesamt - sehr problematisch, da es hier fast keine Naturlandschaften mehr gibt, sondern nur noch Kulturlandschaften. Der Mensch hat mit seinen Eingriffen seit Jahrtausenden die Landschaft geprägt; ohne den Menschen wäre Deutschland beinahe ein einziger Wald. Eine der wenigen erhaltenen Naturlandschaften ist der Bayrische Wald, der in Teilen noch ein richtiger Urwald ist, wie er noch in der Antike große Teile von Germanien bedeckte.

Nun ist es so, daß viele Personen im "Naturschutz" gegenläufige Interessen haben, weil manche von ihnen besonders darauf festgelegt sind, bestimmte Lebensräume zu erhalten, während andere auf spezielle Tiere und/oder Pflanzen eingeschossen sind.
Besonders militante Tierschützer handeln oft gegen die Interessen derjenigen Aktivisten, die Lebensräume schützen wollen, da sie bei ihren Befreiungsaktionen oft Pelztiere aus fremden freisetzen, die in einheimischen Ökosystemen schwere Schäden anrichten.
Andererseits gibt es Jäger und Förster, die sich als Umweltschützer begreifen, die alles abknallen, was auch nur irgendwie nach Raubtier aussieht, mit der Begründung, daß die Bestände der Beutetiere zu klein sind, so daß die Raubtiere an das Vieh der Bauern gehen würden, während doch in Wahrheit die Beutetiere so zahlreich sind, daß sie der Vegetation durch Verbiß schweren Schaden zufügen. Gäbe es jedoch weniger Pflanzenfresser (vor allem Rotwild), so hätten die Jäger weniger oft eine Chance auf schöne Trophäen.

Man sieht: Die Natur existiert in Deutschland kaum noch. Viele Ökosysteme würden ohne den ständigen Eingriff des Menschen kollabieren, da sie erst durch ihn entstanden sind. Unsere Wälder würden kahlgefressen, weil es nicht genug Räuber gibt, die das Wild dezimieren - doch gäbe es genug Räuber, würden die Bauern sie auf eigene Faust abknallen, da diese nicht zwischen Wild und Nutzvieh unterscheiden können.

natur

weist 08.11.2004 - 20:06
" wie er noch in der Antike große Teile von Germanien bedeckte."

Stimmt so nicht. Damals gab es noch einigermaßen hohe Bestände von Megafauna, insbesondere Tarpane (Wildpferde), Auerochsen etc, die durch Verbiß die Regeneration des Waldes verhinderten und zur Ausbreitung von Grasland führten, gerade so, wie zur Zeit in den Niederlanden ihre modernen Verwandten eingesetzt werden, um zu verhindern, daß Polderflächen bewalden und damit ein Verlust an ökologischer Diversität eintritt. Das der Eindruck eines dichtbewaldeten Gebiets auftaucht, liegt zum großen Teil an der Quellenlage - zeitgenössische römische Autoren wollten die Schmach, von Barbaren auf die Fresse gekriegt zu haben abmildern und stellten das Land daher als bedrohlich und finster dar. Aber es stimmt, daß Wälder damals weiter verbreitet waren als heute.

Andererseits, was ist Natur? Das größte Problem in der BRD ist wohl nicht Kulturlandschaft an sich, sondern deren Homogenität, also das, was von ÖkologInnen als 'Kulturwüste' bezeichnet wird: Forste (also Baumplantagen - der 'deutsche Wald' wie wir ihn kennen ist ökologisch extrem minderwertig), flurbereinigte Agrarmonokulturen, versiegelte Flächen (Straßenbau) und nicht zuletzt Golfplätze.
Daran sind übrigens die Nazis hauptschuldig - nicht an den Golfplätzen, sondern an der Homogenisierung der Ökosysteme. Wer den Wald als wertvolles Habitat nachhaltig kaputtgemacht hat, waren Adolfs Leute, wer mit Flurbereinigung angefangen hat, dito. Die Nazis hatten halt ein völlig verzerrtes Naturverständnis, das wirkt (wie der Artikel darlegt) noch bis heute nach. Die USA mögen global gesehen das größte Klimaschwein sein und ökologisches oder nachhaltiges Denken und GWBush sind wie Feuer und Wasser, aber die möderne Ökologie wäre ohne die USA nicht denkbar. Dagegen gibt es kaum nennenswerte ÖkologInnen, die in der BRD ihren Abschluß gemacht haben; selbst die Österreicher sind da weit besser gestellt.

Natur ist eine Sache, die sich menschlichem Wertigkeitsdenken entzieht. Natur IST, sie ist nicht zu etwas da. Menschen sind nichts weiter als ein Faktor darin. Das und die menschlichen Ansprüche gilt es, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen; es ist besser, dies zu tun, denn die biologischen Grundlagen unserer Existenz sind ein Standbein, das sich theoretisch zwar durch Technologie ersetzen läßt (Menschen 'brauchen' nicht zwangsläufig 'Natur'), aber es ist gut, es zu haben, da es von Sachen wie dem Ölpreis unabhängig ist.

Dazu ist aber unter anderem vonnöten, daß der Naturschutzgedanke entrümpelt wird, daß das geordnete, finale (also zielhafte) Naturbild abgefackelt und vergessen wird, daß man erst mal 'Natur' als das erkennt, was es ist: dreckig, nichthierarchisch, chaotisch, ziellos, planlos, einfach nur da und nicht vereinnahmbar.

Es ist eine gute Nachricht, daß in der BRD unter Trittins Ägide der Anteil naturnahem Waldes auf ein in Westeuropa recht ansehnliches Maß gestiegen ist; bei Aufforstungen rückt man endlich vom Konzept der Baumplantage ab; von den Nazis als 'unökonomisch' unterdrückte Formen der naturnahen Waldbewirtschaftung wie der Femelschlag (das Fällen von kleine Gruppen von 'reifen' Bäumen hat sich als ökologisch sinnvollste Bewirtschaftungsform herausgestellt, da sie dem sich natürlich etablierenden Mosaik-Zyklus-Modell am nächsten kommt), etablieren sich wieder. Die NGO BirdLife schätzt den unbedingt notwendigen Anteil natürlichen oder äquivalentwertigen Waldes, der zum Erhalt seiner Biodiversität nötig ist, auf 10-20%. Leider, und das ist die schlechte Nachricht, wird 'guter' Wald von Klimaunregelmäßigkeiten etc genauso betroffen wie der monotonste Forst; die Folgeschäden durch Insekten wie Borkenkäfer hingegen halten sich wiederum in Grenzen. Ein gutes Ökosystem hat sehr geringe 'Wartungskosten'.

Waldsterben

elfboi 10.11.2004 - 09:55
Das Waldsterben ist inzwischen ja auch schon wieder da: Nach dem neuesten Waldschadensbericht sind die deutschen Wälder so geschädigt wie nie zuvor!
Schuld an den akuten Schäden sind die zu geringen Niederschläge in den letzten zwei Jahren...

Bemerkenswert: Trittins Eröffnungsrede

Ralf der Rabe 19.11.2005 - 00:55
Ich stehe ja eigentlich nicht so auf MinisterInnen, aber die (ganz am Anfang erwähnte) Rede von Umweltminister Trittin zur Eröffnung des Kongresses ist ebenfalls lesenswert:

"...vor allem gab es eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren."

"...weil die Ideen der Naturschützer in mehrfacher Beziehung anschlussfähig waren an das Ideologienkonglomerat der Nazis..."

 http://www.bmu.de/reden/archiv/bundesumweltminister_juergen_trittin/doc/703.php

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