Bericht überJustiz in Hessen

Jusitiz als williger Vollstrecker 07.11.2004 19:18
Die Justiz ist immer ein Organ der Herrschenden und fraglich ist, ob diese jemals im Dienst einer wie auch immer gearteten Gerichtigkeit stand. Dennoch macht es Sinn, auch die aktuellen Verschärfungen im Jusizwesen zu beobachten und zu thematisieren. In diesem Bericht werden drei Fälle aus der jüngsten Vergangenheit behandelt, bei denen hessische Staatsanwaltschaften und Gerichte sich jede Mühe geben, um die Obrigkeit zu schützen und kritische Mitmenschen mit Repression zu überziehen.
Justiz: Willige Vollstrecker der Herrschenden
Drei Beispiele im Vergleich

1. Kirchhain, 4.11.2004

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen der Obrigkeit ungeliebten Menschen. Das Gericht läßt die Anklage willig und zu, verhandelt und verurteilt - trotz offensichtlich schwacher Aussagen der Polizeizeugen, einem im Gerichtsverfahren Zuschauer prügelnden Staatsschützer (Zeuge) und Richter. Was ist geschehen, dass sowohl die Erfindung eines Anklagegrundes, die Bejahung des öffentlichen Interesses als auch die Verneinung von Geringfügigkeit bei allen gegeben sind? Ganz einfach: Jemand hat sich bei Innenminister Volker Bouffier über Polizeibeamte und ihre Untätigkeit beklagt. Eigentlich ein rechtsstaatlich ganz normaler Vorgang. Möchte man meinen - aber wenn die Obrigkeit ein Interesse an der Strafverfolgung hat, erhebt sie die absurdesten Anklagen. Falsche Verdächtigung (§ 164 Strafgesetzbuch) wird benutzt, um Kritik mundtot zu machen.
Infoseite zum Verfahren:  http://www.geocities.com/althand/polnaz.html

Eindrücke vom Prozeß

Wie der Staatsschutz Marburg gegen Rechte ermittelt:
Als Zeuge wurde der Kriminaloberkommissar Seim vernommen. Der ist beim Staatsschutz Marburg für die Fälle mit rechtsradikalem Hintergrund tätig. Schon sein äußerer Eindruck erweckt aber den Eindruck, er könnte selbst in solchen Kreisen mitmischen. Spannend waren seine Verhörmethoden. Er sollte im Auftrag des Marburger Oberstaatsanwaltes den Besitzer eines Hauses mit Nazi-Zeichen und –Fahne als Beschuldigten vernehmen. Als dieser jedoch im Verhör sagte „Ich war das nicht“ und dann sogar noch „Als Bankkaufmann kann ich mir das gar nicht leisten“, notierte der Staatsschützer den Vernommenen neu als Geschädigten. Die Nazizeichen waren zu dem Zeitpunkt ca. 5 Jahre hoch oben an seiner Hauswand – und er hatte eine gehisste SS-Totenkopfflagge. Aber von allem wusste er nichts.
Staatsschützer Seim trat aber ohnehin bemerkenswert in Aktion. Er war zwar im Prozeß „nur“ Zeuge, aber bei Störungen im ZuschauerInnenbereich der Aktivposten. Zuerst prügelte er auf das Reporterteam von Mars-TV ein, dann griff er (zusammen mit dem Richter!!!) einen Menschen im Publikum prügelnd an, der das Ganze zu fotografieren wagte. Danach wollte er einen Störer aus dem Saal werfen. Einen Auftrag hatte er für alle nicht – was er auch irgendwann mal zugeben musste und dann abließ. Naja – irgendwie verwunderte bei Inaugenscheinnahme des zuständigen Bullen nicht, das die Naziszene rund um Marburg in den letzten Jahren so ungestört agieren konnte.

Wenn ich Verbrecher werden will, würde ich nach Kirchhain ziehen ...

Die Berichte der Bullen waren süß. Eine derartige Unfähigkeit, irgendwelche sinnvollen Handlungen im Dienst hinzukriegen, war überwältigend. Als sie zu einem Haus unter Nennung von Straße und Hausnummer gerufen wurden, sind sie zwar dreimal an dem Haus vorbeigefahren, haben es aber nicht gesehen (sehen wollen ...). Da wäre man doch gern Bankräuber, wenn die Bullen die Bank dann nicht finden. Und dann die Verhörmethoden des KOK Seim (siehe oben). Provinzbullen haben Fotos gemacht von einer Straftat, aber die sind nicht aus ihrem Fotoapparat herausgekommen.

Aber Achtung: Die Staatsanwaltschaft hat es in sich ...

Die Marburger Staatsanwaltschaft indes ist clever – zwar nicht bei der Verfolgung von Straftaten, sondern beim Fertigmachen von unbequemen Menschen im Land. Als jemand sich in einer Dienstaufsichtsbeschwerde über die beschriebene Unfähigkeit der Bullen beschwerte, eröffneten die Marburger Staatsanwälte zum Schein ein Verfahren gegen die Beschuldigten. Letztere wurden aber noch nicht einmal vernommen, sondern wenige Tage später das Ganze eingestellt. Das war ein Trick: Nun konnten sie den Absender der Dienstaufsichtsbeschwerde kriminalisieren. Da die Ermittlungen ja nichts ergeben hätten, wäre die Dienstaufsichtsbeschwerde eine falsche Verdächtigung gewesen. Und zack – es hagelte am 4.11.2004 75 Tagessätze für den Absender der Dienstaufsichtsbeschwerde. Signal nach außen: Ihr soll gehorchen und Euch nicht beschweren! Strammstehen, Deutsche!
Zumindest klappt das, wenn man sich dann auch noch auf derart durchgeknallte Prügelrichter der Marke Amtsrichter Laudi (Kirchhain) verlassen kann.

Aktionen im Gericht:

Als der Prozeß losging, waren keine Bullen da. Ob das irgendwelche Menschen ausnutzten oder es schon vorher geschah – jedenfalls war irgendwann das ganze Gericht voller Aufkleber gegen Gerichte – auf Fluren, Klos und im Gerichtssaal. Richtig große waren dabei mit Zitaten aus Gutachten, von Oscar Wilde usw. Irgendwann kam dann Bewegung ins System, irgendwelche Angestellten und Justiz-Waldmeister rannten durch die Gänge, kratzten an Wänden und versuchen irgendwie, das Gebäude zu sichern. Nach und nach tauchten ein paar erste Bullen auf. Nach einiger Zeit dann ging der Warnruf raus „Projektwerkstättler sind im Gebäude“. Da hatte der Prozeß schon begonnen und alle saßen mehr oder weniger artig im Saal. Richter Laudi musste immer wieder Ordnungsrufe loswerden, ohne das das groß fruchtete. Allerdings blieben die Phasen, wo er vor sich hinnuschelte oder der müde Staatsanwalt aus seinen Akten vorlas, begrenzt. Meist agierten der Angeklagte und sein Verteidiger.
In der ersten Pause dann gab es einen sehr schlagartigen Wandel. Ein Team von drei Wesen vom Mars stürmte zum Richterpult und begann mit Interviews für die Sendung „Unterwegs in der Galaxis“ (was, die kennt Ihr nicht? Ach so, ist ja auch nur auf dem Mars zu sehen – jedenfalls da untersuchen die Marsianer das Phänomen Herrschaft und besuchen deshalb immer die Erde, um die Menschen zu befragen, was das ist, was das bringen soll und wie es konkret funktioniert). Auf dem Mars muß ein irres Bild zu sehen gewesen sein. Der Richter stürzte sich auf das Sendeteam, ein Justizwaldmeister kam und riß den Bildschirm weg und der eben noch als Zeuge anwesende Staatsschützer Seim prügelte auch mit auf das Sendeteam. In diesem Moment zuckte ein Blitz einer Kamera (es war ja Pause) durch den Raum. Wie von der Tarantel gestochen stürzten sich Richter und Staatsschützer auf den Fotografen und prügelten bei auf ihn ein, bis er die Kamera rausrückte. Daneben packte eine Frau einen weißen Overall aus, um ihn dem Gericht zu zeigen, weil sie den bei der vor Gericht verhandelten Aktion getragen hatte, während die Bullen trotzdem behaupteten, sie hätten sie nicht am Straßenrand gesehen. Ein Justizwaldmeister stürzte sich nun auf die Frau und entriß ihr das Kleidungsstück.
Der Staatsschützer hatte wohl immer noch nicht genug und griff wieder einen des Mars-TV-Teams an, um ihn aus dem Raum zu schmeißen. Dieser fragte ihn, für wen er eigentlich grad handeln würde und es stellte sich heraus, dass er alles auf eigene Faust machte. Schließlich ordnete der Richter (offensichtlich wieder bei Sinnen) an, jetzt mit dem Prügeln aufzuhören und in die Pause zu gehen.
Danach passierte nicht mehr viel. Vor der Urteilsverkündung meldeten sich ZuschauerInnen, dass sie auch noch was sagen wollten – oder ob der Richter sich gar nicht für ihre Meinung interessierte, um dann „Im Namen des Volkes“ ein Urteil zu verkünden. Schließlich begann die Verkündung des sicherlich vorher feststehenden Urteils (denn weder im Plädoyer des Staatsanwaltes noch in der Urteilsbegründung fand sich irgendwas, was im Prozeß passiert war). Aber zwei Menschen standen nicht auf, weil sie sich weigerten, den religiösen Rahmen „im Namen des Volkes“ mitzuorganisieren. Daraufhin ordnete der Richter an, sie aus dem Saal zu entfernen, was auch geschah – allerdings nicht ohne eine längere Phase der Debatte über den Sinn und Unsinn des Ganzen. Eine andere Person stand zwar auf, drehte dem Richter aber den Rücken zu. Dort las er „Glauben Sie an UFOs? Unfehlbare Faire Ordnungshüter?“. Vorhang fällt.


2. Gießen, 3.11.2004

Der hessische Generalstaatsanwalt lehnt die Aufnahme von Ermittlungen gegen Angehörige der Obrigkeit ab. Diesmal ist das Spiel umgekehrt - allerdings liegen die Fakten völlig eindeutig auf dem Tisch. Der Gießener Bürgermeister hat sich eine anonyme Bombendrohung ausgedacht, um kritische Gruppen kriminalisieren zu können und einen harten Polizeieinsatz zu rechtfertigen. Das Gießener Polizeipräsidium hat an die Presse schriftlich die Information gegeben, dass eine unerwünschte Gruppe für 138 Straftaten verantwortlich ist. Beweisen kann sie das nicht. Offensichtliche Fälle von falschen Verdächtigungen, also ebenfalls § 164 Strafgesetzbuch. In beiden Fällen ergeht Anzeige, minutiös belegt. Der Gießener Staatsanwalt Vaupel ermittelt gar nicht erst, d.h. er lehnt ein Ermittlungsverfahren ab. Trotzdem weiß er, dass an den Anschuldigungen nichts dran ist. Daraufhin ergeht Beschwerde an den Generalstaatsanwalt in Frankfurt. Und der weiß auch gleich, dass an allem nichts dran ist. Alle Strafanzeigen werden nicht angenommen.
Infoseite mit Scans der staatsanwaltlichen Schreiben unter  http://www.projektwerkstatt.de/polizeidoku/anzeigen.html.


3. Gießen, 2.11.2004

Das Verwaltungsgericht Gießen bezeichnet eine Klage gegen einen Platzverweis und eine Ingewahrsamnahme zur Unterbringung von Flugblattverteilung (!) am 10.7.2004 in Lich als aussichtslos. Begründung ist, dass Polizeibeamte einen belastenden Aktenvermerk gemacht hätten. Was die Polizei sagt, stimmt. Ein Gerichtsverfahren gibt es dann gar nicht mehr. Auch dieser Vorgang ist dokumentiert unter  http://www.projektwerkstatt.de/polizeidoku/anzeigen.html, zudem weitere Vorgänge im gleichen Zusammenhang.

Eine Interpretation der Vorgänge ist eindeutig: Strafverfahren werden nicht nach den tatsächlichen Vorgängen eingeleitet oder abgelehnt, sondern nach den Interessen der Obrigkeit. RichterInnen, StaatsanwältInnen, Polizei und andere sind willige VollstreckerInnen - in bester deutscher Tradition. Die drei genannten Fälle bezeugen das bereits eindeutig. Sie sind drei Fälle in drei Tagen.

Eine viel umfangreichere Dokumentation über die Strategien der Justiz in hiesigen Raum findet sich unter  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu.
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Ergänzungen

Dokumente von und mit KOK Seim, OStA Jörg usw

Ulrich Brosa 08.12.2007 - 09:52
Die URL der im Bericht genannten Quellendatei polnaz.html
ist seit ein paar Jahren
 http://www.althand.de/polnaz.html

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