Schienenverbot für Anti-CASTOR-Aktivisten

SW 04.11.2004 11:38 Themen: Atom Repression
Behörden verbieten Anti-Atom-Aktivisten aus Süddeutschland, sich am Tag des CASTOR-Transports jeglichen Bahnanlagen zu nähern. Betroffene protestieren scharf gegen „grundrechtswidrige Einschränkung der Bewegungsfreiheit“.
Die Gemeinden Neulußheim und Reilingen (Nähe Philippsburg / Baden) untersagten gestern zwei Anti-Atom-Aktivisten aus Heidelberg und Wiesloch sich am 7. November den Bahnanlagen der Deutschen Bahn AG in diesen Gemeinden auf mehr als 50 m zu nähern. Heute schlossen sich die Gemeinden Altlußheim und Schwetzingen mit gleichlautenden Verfügungen an.
Begründet wird das Verbot mit einer wilden Anhäufung von Behauptungen und Anschuldigungen.
So heißt es in der Verfügung, die beiden würden „seit mehreren Jahren eine führende Rolle innerhalb der Antiatomkraftbewegung“ einnehmen. Sie seien dem radikalen Kern zuzuzählen. Ihre bisherigen Aktivitäten bei Castor-Transporten lassen die Verfasser der Verfügung zu dem Schluss kommen, dass „Ihre Tathandlungen von einem Ihnen innewohnenden und in besonderem Maße ausgeprägten Verlangen, Ihre Umwelt nach genau Ihren Vorstellungen zu beeinflussen“ geprägt seien. Weiter heißt es: „Die Herbeiführung von Störungslagen ist unbedingter Bestandteil Ihrer Handlungsmuster.“
Nach dieser Persönlichkeitsanalyse sehen die beiden Gemeinden es als erwiesen an, dass die beiden Aktivisten auch beim kommenden Castor wieder mit Blockadeaktionen aktiv werden würden und dass sie sich – so ihnen die Möglichkeit sich der Schiene zu nähern böte – aller Mittel bedienen würden um auch diesen Transport am 07. November zu stören.

Um zu untermauern, dass es sich bei den beiden um unverbesserliche gefährliche Gewalttäter handelt wurden den Schreiben Listen angehängt, in denen ihre bisherigen „Taten“ mit Datum kurz erwähnt werden. Dabei wird die Absurdität der Verfügung offenbar:
Bei einer friedlichen Mahnwache im Heidelberger Hauptbahnhof – fernab der Gleise – taten etwa dreißig Leute in der Bahnhofshalle mit Transparenten ihren Protest kund. Nach der Durchfahrt eines Atommülltransports von Neckarwestheim in die Plutoniumfabrik Sellafield wurden sie überraschenderweise in Gewahrsam genommen. In der Verfügung heißt es dazu fälschlicherweise, dass die beiden Aktivisten „gerade noch rechtzeitig vor dem Betreten der Gleisanlagen festgestellt und in Gewahrsam genommen werden“ konnten.

Auch die Tatsache, dass einer der Aktivisten Inhaber einer atomkraft-kritischen Internet-Domain ist, auf der auf den kommenden Transport und die Proteste dagegen hingewiesen wird, ist für die Verfasser der vier Verfügungen eindeutig Beweis dafür, dass diese Person am kommenden Wochenende Straftaten begehen wird, die es zu verhindern gelte.

Die Betroffenen protestieren aufs Schärfste gegen diese Kriminalisierung ihrer Anti-Atom-Arbeit. „Es ist ein Skandal, dass jetzt auch die süddeutschen Behörden im Vorfeld des CASTOR-Transports die grundgesetzlich verbürgte Bewegungsfreiheit einschränken,“ so einer der Aktivisen. „Zudem stellt sich die Frage, wie die vier Gemeinden auf die Idee kamen, gerade uns zu schreiben und wie sie Zugriff auf irgendwelche Akten bekamen, in denen alle Demonstrationen und Aktionen aufgeführt sind an denen man teilgenommen hat. Auf die Beantwortung dieser Fragen werden wir noch drängen müssen. Und bis dahin werden wir gespannt morgens in den Briefkasten schauen; denn vielleicht erweisen uns ja noch weitere Gemeinden an der Transportstrecke die Ehre, zwei sind heute morgen schließlich dazu gekommen...“

Damit stehen die vier badischen Gemeinden in deutlichem Gegensatz zu Städten wie Göttingen oder dem Kreistag des Landkreises Lüchow-Dannenberg, durch die der CASTOR-Transport rollen wird. Diese forderten vor einigen Tagen, die CASTOR-Transporte so lange auszusetzen, bis die Sicherheit der Behälter mit realen Falltests überprüft worden ist.
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Ergänzungen

Weitere sechs Gemeinden schließen sich an

ergänzer 04.11.2004 - 12:47
Mit einem separaten Zustellungsunternehmen wurden noch weitere Verfügungen zugestellt.
Gleichlautende Verfügungen verschickten die Gemeinden
Stutensee, Hockenheim, Graben-Neudorf, Waghäusel und Philippsburg. Die Stadt Karlsruhe verfasste eine eigene Begründung, die an ein ähnliches Näherungsverbot im letzten Jahr angelehnt ist.

Damit haben die beiden Aktivisten von bisher zehn Gemeinden eine Verbotsverfügung erhalten.

Die Gemeinde Waghäusel ist so dreist für diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit auch noch 50€ Verwaltungsgebühren zu verlangen.

Die beiden Aktivisten denken darüber nach, gegen die Verfügungen gerichtlich vorzugehen.

Über Spenden für die gerichtliche Auseinandersetzung freuen sie sich:

Odenwälder Friedensforum
Stichwort: Repression 2004
Konto: 19 14 50
BLZ: 508 635 13
Volksbank Odenwald

Bitte sagt mir ...

gläubiger 05.11.2004 - 13:24
.. dass das nicht wahr ist!

Könntet ihr ein Originalschreiben posten - am Besten das mit den 50 EURO Gebühr? Es gibt so viele, die mir das nicht glauben werden, wenn sie es nicht Schwarz auf Weiß sehen. Ich fasse mir selber an den Kopf - da wären doch weitere Big Brother Awards fällig!

Solidarische Grüße aus dem Wendenland

Und weitere Verfügungen...

Ergänzer 06.11.2004 - 13:24
Inzwischen wurden durch verschieden Zustellunternehmen (Deutsche Post, DHL, Polizei Baden-Württemberg) Verfügungen von drei weiteren Städten zugestellt. Und zwar: Plankstadt, Oftersheim und Mannheim.

Sie übernahmen die Begründung der anderen Gemeinden.