Nürnberg vor Grossdemo gegen Hartz

Michael Liebler 03.11.2004 22:31 Themen: Soziale Kämpfe
Für den 6. November 2004 ist eine überregionale Großdemonstration zur Bundesagentur für Arbeit angekündigt. 100 Basisinitiativen haben sich mittlerweile dem Aufruf des Nürnberger Sozialforums angeschlossen. Darin wird nicht nur klar Stellung gegen Hartz IV bezogen, vielmehr steht die gesamte Politik des Sozialkahlschlags durch Politik und Unternehmerverbände im Mittelpunkt. “Wir fordern die Rücknahme der Agenda 2010, den Stopp des Sozial-, Bildungs- und Lohnabbaus”, so die Kernforderungen im Demonstrationsaufruf.
Arbeitslose könnten am kommenden Samstag im Schulterschluss mit den Autonomen die Fassade der Bundesagentur für Arbeit entglasen. Diese Befürchtung scheint die Polizei im Vorfeld der Großdemonstration in Nürnberg zu plagen. Sie möchte deshalb einen Sicherheitskordon ziehen und den Protest direkt vor dem Gebäudekomplex unterbinden. Besondere Sorge bereitet den Beamten eine geschotterte Straßenbahntrasse, die den geplanten Kundgebungsort kreuzt.

Dabei müsste schon ein Meister im Schotterweitwerfen unter den Demonstrierenden sein, wer aus dieser Entfernung eine Fensterscheibe der Bundesagentur träfe.

Die gefürchteten GewalttäterInnen selbst haben auch eine ganz andere Art von Bewaffnung gegen Hartz IV und die vollstreckende Behörde im Sinn. So fanden sich die AktivistInnen der Autonomen Jugendantifa (AJA) heute vor der BA mit Schrubbern und Putzlumpen ein. Für einen Euro boten sie an, beim Saubermachen der Agentur zu helfen.

Währenddessen verkündete der Chef der Agentur Frank-Jürgen Weise auf der allmonatlichen Pressekonferenz den Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Vor den JournalistInnen äußerte er Verständnis für die Demonstrationen, die die BA nicht an der Umsetzung ihres Auftrags hindere, aber "sensibel für die Anliegen dieser Menschen" machten. Seine Behörde schilderte er der Presse als Auftragnehmer der Politik.

Dem widersprach auf einer alternativen Pressekonferenz in Nürnberg der Berliner Politikprofessor Peter Grottian: "Die Bundesagentur strickt die Struktur der 'Hartzgesetze' schon ganz erheblich mit. Und wie solche Gesetze ausgeführt werden, das bestimmt sie zum Teil auch mit. Insofern ist die Bundesagentur Mittäter, wenn auch nicht politisch Verantwortlicher".

Die Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser (ANA) hat indessen ihre eigenen Ideen, wie die Arbeitslosigkeit zu mildern wäre. Mit fürstliche aussehenden Dienstsänften warteten sie auf die BA-Vorstandsmitglieder, die mit dem neuen Verkehrsmittel künftig zu ihren Arbeitsstätten gebracht werden sollen - für ein Butterbrot versteht sich. Es gehe schließlich um den Sinn der Arbeit, nicht ums Geld, kommentierte ein Sprecher der ANA ironisch. Dafür könne man dann im Zuge der Reformen die teueren Dienstwagen abschaffen, erläutert ein Flugblatt.

Mit solchen Aktionen mobilisieren seit einigen Tagen die politischen Gruppen für die Großdemonstration am kommenden Samstag. Doch die bürgerliche Presse hält sich zurück mit der Berichterstattung. Das Nürnberger Ordnungsamt glaubt an weniger als 5000 TeilnehmerInnen. Aber dabei dürfte es sich um eine Fehleinschätzung handeln. Es sind allein aus 17 Städten Busse angekündigt, vielerorts wird die Hinfahrt mit Wochenendtickets organisiert, andere bieten Mitfahrgelegenheiten, z.B. über die Webseite der Grossdemp  http://www.grossdemo-nuernberg.tk - da die Gewerkschaftsapparate nicht mitziehen, weil sie auf Schmusekurs mit rot/grün sind, fällt auch das Köpfezählen schwer.

Immerhin 100 politische Bündnisse und Organisationen haben den Aufruf zur Demo unterschrieben und sehen sie als wichtigen Teil der Herbstkampagne gegen Sozialabbau. Allein 50 Gruppen stehen hinter einem eigenen Aufruf zu einem antikapitalistischen Block unter dem Motto: "Für das Ende der Bescheidenheit - Alles für Alle". “Widerstand wird nur erfolgreich sein, wenn wir selbst in die Offensive gehen und Staat und Kapital ihn wirklich zu spüren bekommen”, so Markus Schwarz von der organisierten autonomie (oa), die sich als radikale Linke in Nürnberg auch aktiv am Sozialforumsprozess beteiligen.

(Über die Demonstration am Samstag und Aktionen im Vorfeld berichtet das Freie Radio Z in Schrift, Ton und Bild täglich aktuell auf einer Sonderseite der Redaktion Stoffwechsel:
 http://stoffwechsel.radio-z.net/hartzproteste )
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Ergänzungen

EA-Nummer

23 04.11.2004 - 17:11
Die EA-Nummer für den Samstag ist:0175/3715159

Grossdemo yes!

Rudi 05.11.2004 - 01:44
los gehts. für einen heissen herbst in nürnberg. am 6.11.04 und danach und überall.

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