Berliner wg. Massenmördern in BY vor Gericht

ernst kadletz 02.11.2004 00:36 Themen: Antifa Militarismus Repression
Bayerische Justiz reagiert auf Proteste gegen Verehrung von Kriegsverbrechern:
Am Donnerstag, den 4. November, 14.00 Uhr wird im Sitzungssaal 1/I im AG Garmisch-Partenkirchen gegen Markus M. die Hauptverhandlung eröffnet, weil er Bewohner des Alpenstädtchens Mittenwalds nach ihrer Meinung zum nachbarschaftlichen Verhältnis mit Kriegsverbrechern befragte. Nach 18-stündiger Polizeihaft für Markus M. Ende Mai dieses Jahres folgt nun der Versuch, mittels Strafrecht die Ruhe in Mittenwald wieder herzustellen.
Dort wird seit über 50 Jahren jedes Jahr zu Pfingsten eine der größten Soldatenfeiern der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Die Gemeinde darf sich dann über den Besuch von mehreren tausend Angehörigen der Gebirgsjägertruppe freuen, die in dieser Zeit nicht nur ihre mit dem Hakenkreuz geschmückten Orden anlegen, sondern auch ihren so war es noch in diesem Jahr aus dem Munde des Vorsitzenden des Vereins Traditionspflege e.V. von Brigadegeneral a.D. Ernst Coqui zu hören - „großen Leistungen der Gebirgstruppe“ während des zweiten Weltkrieges gedenken.
Da ist es doch mehr als verständlich, das dagegen seit drei Jahren ein Batzen von Antifaschisten, Antimilitaristen und Autonomen protestieren. Nur ihnen und vor allem ihrer demonstrativen Präsens in der Gemeinde ist es zu verdanken, das die heldengedenktagwütigen Gebirgsjäger und ihre Angehörigen frontal mit der Nase darauf gestoßen werden, doch bitte die von ihnen während des Zweiten Weltkrieges - ohnehin außerhalb jeglichen Kriegsvölkerrechtes - fachkundig besorgten Massenmorde, hier sind die griechischen Orte Kephalonia und Distomo und darüber hinaus 50 weitere Orte zu nennen, nicht ganz zu vergessen. Und dieser Protest ist umso bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass bis auf den heutigen Tag natürlich nicht ein einziger Gebirgsjäger jemals in der BRD für seine Kriegsverbrechen verurteilt worden ist.
Eine Frage bestand bei den diesjährigen Protestaktivitäten darin, zu erfahren, wie es der Bevölkerung in dieser kleinen beschaulichen Gemeinde inmitten der demokratischen Bundesrepublik jedenfalls wird uns dieser Staat so in der Schule beschrieben - für über ein halbes Jahrhundert gelungen ist, sich friedlich mit einer Vielzahl von zu Massenmördern gewordenen Gebirgsjägersoldaten zu arrangieren. Zugegeben: Die Frage ist zunächst einmal nicht ganz einfach zu beantworten, aber bitte schön: Sie muss gestellt werden, denn wir finden: 60 Jahre nach dem Ende des Nazi-Reiches sollte es in dieser Republik allemal an der Zeit sein, auch in der Kleinstadt des Henkers nach dem Strick zu fragen.
Das war der praktische wie politische Sinn einer Straßentheateraktion dieses Jahr zu Pfingsten inmitten der wie bereits angedeutet - gleichfalls malerisch gelegenen Fußgängerzone in der schönen Gemeinde Mittenwald. Mit Hilfe von Tafeln die die Buchstaben „ENDLICH WEG DAMIT !“ ergaben, stellten sich Protestanten „absolut öffentlichkeitswirksam“ so der hier völlig zutreffend ermittelnde Staatsanwalt vor die Cafes und kommunizierten mit zufällig dort anwesenden Einwohnern und Touristen wie ihnen der Schnabel gewachsen war. Auch diese Aktion trug das ihre dazu bei, den durch die vielen Massenmorde der Gebirgsjägertruppe in Griechenland und Italien provozierten Widerspruch wieder dorthin zu zurück zu tragen, wo er schon immer hingehört hat.
Dass das den bundesdeutschen Ordnungsbehörden nicht in den Kram passt, ist auch angesichts der Mühsaal einer Vielzahl von aktuellen Kriegseinsätzen der Bundeswehr überall auf der Welt gut verständlich,. Aber dass jetzt auch Markus M.für eine bis auf den heutigen Tag weder in Mittenwald noch anderswo zufrieden stellend beantwortete Frage verknackt werden soll, könnte als Skandal bezeichnet werden.
Markus M. wird vor Gericht diese Frage offen und offensiv diskutieren. Ob das allerdings seine Bestrafung für diese Aktion, - für die er nebenbei erwähnt auch schon 18 Stunden im Polizeigefängnis selbstredend ohne richterliche Überprüfung verbüßt hat, - aufhalten wird, ist schwer vorherzusagen. Die AktivistInnen der "Initiative Angreifbare Traditionspflege" wissen aber schon jetzt, das sie einen Verurteilungstext in der Form eines Amtsgerichturteils gegen die völlig legitime, kluge wie notwendige politische Straßentheateraktion in der Fußgängerzone in Mittenwald der ganzen Welt für ihre bereits begonnene Mittenwald-Mobilisierung Pfingsten 2005 bekannt machen werden. Schon der gegen Markus M. verhängte Text des Strafbefehls ist als ein Mobilisierungszettel fast besser, als jedes Flugblatt, das die Initiatoren der Mittenwald-Proteste zu dieser Problematik schreiben könnten. Ein Sprecher der Initiative betonte: "Darüber hinaus gilt 59 Jahre nach dem Ende des Hitler-Regimes für die Aufarbeitung der Vergangenheit sowieso:
Tätigen Antifaschismus und Widerspruch zu der Aktualität der beunruhigenden mörderischen Vergangenheit gibt es auch in der schönen Bundesrepublik nicht ohne Risiko!"
Schon jetzt kündigt die Initiative an, gerne an die Orte zurückzukehren, wo uns unsere Fragen noch nicht beantwortet worden sind. Markus M. dazu: „Auch in der Kleinstadt des Henkers einfach nach dem Strick fragen!“
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Ergänzungen

Der Strafbefehl im Wortlaut

Richter Sepp 02.11.2004 - 00:46
Strafbefehl
Die Staatsanwaltschaft legt Ihnen folgenden Sachverhalt zur Last:
Am 29.05.2004 gegen 16.45 Uhr wurde in der Fußgängerzone in Mittenwald, Landkreis Garmisch-Partenkirchen auf Höhe des Anwesens Obermarkt 29 von einer Gruppe von circa 20 Personen eine Kundgebung durchgeführt. Dabei hielten circa neun Personen nebeneinander aufgestellt insgesamt 16 an Holzstangen befestigte weiße Plakattafeln in die Höhe, die mit einzelnen Buchstaben versehen waren. Diese zusammengesetzten Einzelbuchstaben ergaben den Satz "Endlich weg damit!", wobei Sie die Tafeln mit dem Buchstaben "t" und das Ausrufezeichen in den Händen hielten. Die Personengruppe hielt mehrmals an, wobei wiederholt sinngemäß die Frage geäußert wurde: "Macht es ihnen Spaß mit Massenmördern Tür an Tür zu wohnen?". Mit dieser Kundgebung sollte gegen das an dem betreffenden Wochenende veranstaltete Traditionstreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald demonstriert werden.
Die Versammlung war nicht bei der zuständigen Verwaltungsbehörde angemeldet worden.
Sie riefen jeweils als erstes Gruppenmitglied die oben genannte Frage den Passanten zu. Wenn es zu Diskussionen mit Passanten kam, ergriffen Sie stets das Wort. Bei den räumlichen Verlegungen der Gruppe gingen Sie stets voran, wobei Ihnen die anderen Gruppenmitglieder folgten. Im Gespräch mit den anwesenden Polizeibeamten betätigten Sie sich als Sprecher der Gruppe. Sie werden daher beschuldigt, als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug ohne Anmeldung durchgeführt zu haben, strafbar als Abhaltung nicht angemeldeter Versammlungen und Aufzüge gemäß §~26 Nr. 2 VersammlG. Beweismittel:

Zeugen:
KHK Oberstaller, KPI Weilheim
PM Wachtel, VI. BPA Dachau

Urkunden:
Auszug aus dem BZR

Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird auf 50,-- EUR festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 1.500,-- EUR.
An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Sie haben die Kosten des Verfahrens und Ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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