Schnüffelstaat Deutschland wird aufgerüstet

Tiki 28.11.2004 22:56 Themen: Medien Repression
Wir leben in Zeiten, in denen 1984 von Orwell Wirklichkeit wird.
Täglich ein Stückchen mehr. Auf Wiedersehen Bankgeheimnis! Ab 01. April 2005 dürfen Finanzbehörden, Arbeits- und Sozialämter auf ALLE Kontendaten ALLER Bürger zugreifen, ohne dass der Betroffene davon erfährt.
Bei der Frankfurter Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) können sie dann jederzeit abfragen, wer wo Geld liegen hat. Der Abruf offenbart, welche Konten, Wertpapierdepots, Ander- oder Treuhandkonten sowie Verfügungsberechtigungen ein Steuerzahler unterhält. Im Fachjargon wird diese Kontenübersicht als Stammdatensatz bezeichnet. Wer also Sozialhilfe empfängt, und nebenbei z. B. das Konto eines gemeinnützigen Vereins führt - wird in Zukunft mit Abfragen der Behörden rechnen müssen. Ein Teil des Traums vom Überwachungsstaat wird wahr.
Dazu meint der Spiegel:

Das ist ungefähr so, als wenn die Polizei einen Zweitschlüssel zu sämtlichen Wohnungen erhielte - mit der Begründung, jedermann sei mutmaßlich Besitzer von Diebesgut, illegalen Drogen oder Raubkopien.

Nirgendwo im westlichen Europa hat der Staat vergleichbare Kompetenzen.

Ab 01. Januar 05 wird, dank TKÜV "Telekomunikations-Überwachungs-Verordung" JEDE Email gespeichert und ist für die Behörden lesbar. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind noch nicht verabschiedet - die technischen Voraussetzungen jedoch ab Januar schon - jeder weiss was das in der Praxis heisst.

Ich empfehle DRINGEND jedem sich mit Verschlüsselungstechniken vertraut zu machen. Pretty Good Privacy 8.0 wäre z. B. eine gute Wahl.

Denkt bitte alle daran, dass eure Mails ab Januar nicht mehr wirklich privat sind und besonders bei Aktivisten sehr schnell mitgelesen werden kann.!!!!


Ergänzung
Auf eigene Kosten Abgehört
 http://www.heise.de/newsticker/meldung/53559
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Ergänzungen

E-Mail-Überwachung ab 2005

Daniel Rödding 29.11.2004 - 00:37
Eine kleine Ergänzung/Korrektur zu E-Mail-Überwachung ab 2005:

Es ist nicht richtig, daß ab 2005 jede E-Mail gespeichert wird. Die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung" ist zwar auch bereits in der Diskussion (Berichte z. B. bei heise zu finden), aber bisher noch nicht Realität. Wohl aber wird es ab 2005 automatisierte Verfahren zum selektiven Mitschneiden/Abhören von E-Mail geben, ferner für Telekommunikationsgesellschaften eine Schnittstelle zur automatisierten Vertragsdatenabfrage.

Für Betreiber von E-Mail-Systemen sieht das folgendermaßen aus: In die Mailsoftware wird eine "Überwachungsfunktion" eingearbeitet, die für zu überwachende Benutzerkennungen eine sog. "Ausleitung" der E-Mails vornimmt. Überwachungsanforderungen und mitgeschnüffelte Inhalte werden mittels einer "SINA-Box" über ein kryptographiertes VPN weitergeleitet. Im Rahmen einer solchen Überwachung müssen sowohl einkommende wie auch abgehende Mails abhörbar sein. Ferner müssen Informationen übermittelt werden, wenn eine Mail abgerufen oder in einen anderen Folder (Webmail-Systeme!) wurde.

Die ganze Schnüffelinfrastruktur ist übrigens so auszugestalten, daß der Systembetreiber selbst nicht mitbekommt, was gerade alles so überwacht wird. Einem freien Zugriff auf beliebige Daten stehen zwar formale Gesetzeshürden entgegen, in der Praxis kann aber niemand überprüfen, was tatsächlich angestellt wird.

Bis auf halbherzige, gelegentliche Berichterstattung bei heise ist die Presse ansonsten an dem Thema nicht interessiert bzw. schweigt es systematisch tot. Abgesehen von dem sich hier abzeichnenden schweren Eingriff in die Grundrechte aller maillesenden Bürger stellt der ganze Überwachungswahn auch einen massiven Markteingriff dar:

Das volle Abhörprogramm wird für Systeme ab 10.000 Teilnehmern fällig. Für 1000-10.000 Teilnehmer gibt es ein Offline-Verfahren, d. h. eine SINA-Box ist nicht erforderlich. Dennoch müssen für alle Systeme ab 1.000 Teilnehmern von der RegTP zertifizierte Softwarelösungen eingesetzt werden. Lediglich Betreiber unter 1.000 Teilnehmern sind ausgeschlossen.

In der Praxis bedeutet das, daß "die ganz kleinen" Anbieter im Internet-Bereich von dem ganzhen Wahnsinn verschont bleiben. Wer jedoch im Markt Wachstumsambitionen hat, wird mit unproduktiven Investitionen in der Größenordnung 50.000 Euro (eingekaufte Lösungen, interner Aufwand, insbes. im Zusammenhang mit Zertifizierung) konfrontiert. Letztlich wird damit eine Marktbarriere aufgebaut, die es aufstrebenden (und in der Regel chronisch kapitalknappen) Unternehmen unmöglich macht, in bestimmte Marktbereiche vorzustoßen.

Letztlich ist insbesondere im Bereich der E-Mail-Massenanbieter eine weitere Marktkonzentration zu erwarten. Kleinere Anbieter werden entweder schließen oder ins Ausland auswandern (was hier zu Beschäftigungsabbau führen wird).

Ergänzung

no1984 29.11.2004 - 15:19
Interessanterweise heißt das Gesetz, das das Bankgeheimnis abschafft "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit". Es beinhaltet neben einer automatisierten Abfrage der Kontodaten, auch die Möglichkeit der Straffreiheut für Menschen, die Geld im Ausland haben, und dies dan angeben.

Insgesamt wird dieses Gesetz aber wohl eher die kleinen Steuerbetrüger erwischen, die z.B. für ein paar Hundert Euro schwarz gearbeitet haben. Oder eben auch gegen Studenten, die Bafög beziehen, sowie Arbeitslosen - und Sozialhilfeempfänger. Es richtet sich nicht gegen die Menschen, die mit Scheinfirmen, Abschreibungsprojekten, querverschachtelten Firmen und ähnlichem Millionen am Fiskus vorbeischleusen - und somit die vom Staat geschaffenen Steuerschlupflöcher nutzen.

Zur Vorratsdatenspeicherung:
Frankreich, Irland, Schweden und Großbritannien sind hier die Vorreiter. Zur Einführung einer EU-Richtlinie, die eine Speicherung aller Kommunikationsdaten für ein Jahr ohne Verdacht, vorsieht gab es am 18. November eine Presseerklärung des Justizministeriums. Dort steht, daß das Ministerium der Einführung der Vorratsdatenspeicherung ("Jeder ist schuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist") nicht grundsetzlich ablehnend gegenüber steht, aber Probleme "verfassungsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und wirtschaftlicher Art" sieht. Genau dort müsste eine Kampagne gegen diese pauschale Vorverurteilung aller kommuniziernden BürgerInnen ansetzen.

link zu Gesetzestext und graph. Darstellung

fuck the spitzelstaat ! 29.11.2004 - 15:27

Die Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung:
(Die StaSi war ein Stümper dagegen!)


 http://kai.iks-jena.de/law/tkuev2.html
(ganz ganz unten auf der seite...)

was kann man gegen eMail-schnüffelei tun?

horst 29.11.2004 - 16:38
Ganz einfach:

sucht euch einen provider ausserhalb deutschlands, der mails nicht mitlesbar machen muss.

E-Mail-Sicherheit

ox` 29.11.2004 - 18:08
Sicher, PGP ist eine Super-Sache in Sachen E-Mail-Verschlüsselung. Allerdings mussten die Programmierer (laut Gerüchten) gezwungen von us-amerikanischen Behörden Sicherheitslücken einbauen, um im "besonderen" Fall doch an den Inhalt zu gelangen. Das aber erst seit der Version 6.03! Die meißten Menschen die ich kenne nutzen daher die Version 6.02, sie hat genauso alle wichtigen funktionen und läuft einwandfrei.

Download:  http://www.pgpi.org/products/pgpdisk

keine kontostände

meister lampe 29.11.2004 - 18:34
es werden "nur" kontodaten wie z. B. adressen oder wer wo ein konto hat
abgefragt. was natürlich schon schlimm genug ist. keine kontostände.
wenn jemand mehrer konten hat, kann das finanzamt oder andere staatliche behörden auf anfrage und beschluss diese einholen. dann bekommt es die bank mit. also in der regel auch der kunde. bei harz IV empfänger wird es in zukunft bevorzugt, da diese bei vermögen das -bis zu einem bestimmten betrag- zuerst abdrücken müssen. am ende fällt natürlich das bankgeheimnis. so oder so ähnlich wird es in zukunft abgehen. also konto räumen und absetzen:-). korrigiert mich, wenn es nicht so ist.

E-Mail Verschlüsselung

xxx 29.11.2004 - 21:34
Für die Verschlüsselung von e-Mails bietet sich am ehesten wohl gpg an. Dort ist im Gegensatz zu pgp nicht mit irgendwelchen Hintertürchen zu rechnen, da als freie Software unter der GPL entwickelt.

Homepage:  http://www.gnupg.org

PGP und Sicherheit

Tiki 01.12.2004 - 16:01
Yep - GPG ist ok. Ich denke allerdings dass PGP nicht unsicherer ist.
Die Gerüchte um die Hintertür für die US-Regierung kamen nach der Version 6.1 auf, die allgemein als "sicher" gilt, besonderst wenn man den dicken RSA Key benutzt.

Nach einem langen Gezeter wurde damals der Quellcode von PGP veröffentlicht, damit sich jeder überzeugen konnte, dass nüscht drinne ist. Klar, dass das bei den Verschwörungstheoretikern nichts half. Kurz danach wurde die erste Version des GPG veröffentlicht.

Ich denke es ist egal welche hochwertige Verschlüsselung man benutzt - Hauptsache man benutzt eine!!!!

Kurze Ergänzung

E.T. 01.12.2004 - 21:51
Eine breitflächige Überwachung des gesamten Mail-und Webverkehrs gibt es schon länger:  http://de.wikipedia.org und dann mal nach "ECHELON" suchen.

Auch Abhörschnittstellen sind bereits an den Routern der großen Provider installiert, die den Backbone des Internet bilden. Ein Zugriff (durch Geheimdienste) wird nicht protokolliert.
Somit hilft auch nicht, sein Mailkonto im Ausland zu haben, da jede Information diese Router passieren muß, bis sie zu Deinem PC gelangen.

Das Internet war noch NIE anonym. Selbst wenn Du PGP benutzt, weiß ein außenstehender immer noch wer mit wem kommuniziert. Dies ist oft genauso interessant wie der Inhalt, da man softwarebasiert soziale Netze abbilden kann.
Dies gilt auch für Webseiten, die Du besuchst.

Die einzige Abhilfe besteht meiner Meinung nach in einem völlig anonymen Zugang zum Internet. Den gibt es allerdings kaum.

Jemand hat mal ausgerechnet, daß mit modernen Speicher- und Kompressionsverfahren die gesamte Speicherung jedes über das Festnetz in der BRD gesprochenen Wortes eines Jahres etwa 10 Mio. Euro, beim Mobilfunk etwa 1 Mio. Euro kosten würde (Quelle: Vortrag auf dem CCC-Kongress 2003, www.ccc.de). Für den Staat sind solche Summen Peanuts.

Der selbe Referent sprach auch das Problem an, daß bei ISDN-Telefonen im Gegensatz zu analogen kein Schalter die Verbindung zum Hörer trennt, wenn man diesen auflegt. Statt dessen sendet ein ISDN-Telefon ein "offhook"-Signal, sobald man den Hörer anhebt. Das heißt, über den (D-) Steuerkanal der ISDN-Verbindung kann es möglich sein, von außen unbemerkt das Mikrofon im Hörer anzuschalten und eine Raumüberwachung durchzuführen.

Alles nur ungerechtfertigte Paranoia? Mag sein. Aber die Rasterfahndung kommt ja wieder in Mode.

Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit

muss... 01.12.2004 - 22:04
Dieses Gesetz scheint die erste Forderung von attac zu sein, die von der Bundesregierung tatsächlich umgesetzt wurde. Jedenfalls flatterte mir vor ca. einem Jahr über den attac-Deutschland Newsletter genau diese Forderung nach Offenlegung aller Bankverhältnisse in mein Postfach (ich glaube sie war von Malte Kreutzfeld, dem attac-Sprecher).
Ich fand das damals ganz schön daneben. Trifft eh wieder nur die Kleinen.
Na ja, gratuliere, attac, der erste in Gesetzestext gegossene "Erfolg"!

Bundesweites Identifikationsmerkmal

AB 02.12.2004 - 16:29
In diesem Zusammenhang kann auch der Hinweis auf das bundesweite Identifkationmerkmal auf Grund der geäderten Abgabenordnung nicht unterlassen werden. Wie noch aus der DDR unter der Bezeichnung Personenkennzahl [1] bekannt erhält jetzt auch jeder Bundesbürger eine Identifikationsnummer [2]. Alle Daten der Meldebehörden werden an das BaFin übermittelt, eine Identifikationsnummer erstellt und an die Meldbehörden und den Bürger zurückgemeldet. Damit werden praktisch alle Daten eines Bürgers zusammengeführt, das BaFin mutiert zu einer Neo-Stasi.
Da die EU ein System zum europaweiten Austausch der Meldedaten einrichtet, verbleibt hier viel Spielraum für weitergehende Möglichkeiten der Überwachung.

Weiterführende Links mit Quellen zu Gesetzestexten:
[1]  http://www.pruefziffernberechnung.de/P/PKZ.shtml
[2]  http://www.pruefziffernberechnung.de/I/Identifikationsnummer.shtml