USA gewährt Asyl für Opfer rechter Gewalt

Birgit Gärtner 26.10.2004 14:24 Themen: Antirassismus
Rassistische Übergriffe auf Flüchtlinge in der BRD wurden von einem amerikanischen Gericht als Asylgrund anerkannt - Schily fühlt sich genötigt, den seiner Ansicht nach dadurch angekratzten Ruf der BRD zu retten.
Ein ungewöhnlicher Asylfall aus den USA sorgt dieser Tage hierzulande für Schlagzeilen: Ein Berufungsgericht in San Francisco räumte Zakia Mashiri, einer in Hamburg lebenden Afghanin mit deutscher Staatsangehörigkeit, das Recht aus Asyl in den USA ein. Jedoch nicht wegen der politischen Verhältnisse in Afghanistan, sondern aufgrund derer in der BRD. Die permanente Gefährdung, Opfer rechtextremer Gewalt zu werden, machten es Frau Mashiri unmöglich, in „Germany“ zu leben, befand die Vorsitzende Richterin, Betty Fletcher. Dieses Urteil veranlasste Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zu großer Sorge. Allerdings bereitet Schily nicht um die akute Bedrohungssituation der hier lebenden Flüchtlinge Kopfzerbrechen, sondern das Ansehen der Bundesrepublik in aller Welt, das er mit dieser richterlichen Entscheidung geschädigt sieht. Der Richterspruch droht zum Politikum zu werden, nicht nur wegen des befürchteten Imageverlustes der BRD. Viele Flüchtlinge, zu deren Alltag inzwischen staatlicher und gesellschaftlicher Rassismus sowie antisemitische Übergriffe gehören wie die Luft zum Atmen, könnten es Frau Mashiri gleich tun und in den USA Asyl vor der politischen Verfolgung in der BRD beantragen. Das könnte in vielen Fällen ein harter Prüfstein für das US-Recht werden – vor allem, wenn das Asylrecht mit der „Terrorbekämpfung“ kollidiert.
Das Urteil von San Francisco tritt erst in Kraft, wenn der US-amerikanische Justizminister John Ashcroft es unterzeichnet, deshalb schrieb Schily diesem jetzt einen Brief. Näheres über den Inhalt ist nicht bekannt, das Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel geht jedoch davon aus, dass der deutsche Minister den amerikanischen bittet, das Urteil nicht rechtskräftig werden zu lassen. Ashcroft kann aber nicht ohne Angabe von Gründen die Unterschrift verweigern, also will Schily ihm Medienberichten zufolge jede erdenkliche Unterstützung zuteil werden lassen, damit die US-Behörden beweisen können, dass Ausländerinnen und Ausländer gefahrlos in der BRD leben können.
Schily wurde schon einmal von einem ausländischen Gericht für seine Asylpolitik abgewatscht: Der oberste britische Gerichtshof stellte in einem Urteil am 20. Dezember 2000 fest, dass die BRD in Asylfragen kein „sicherer Drittstaat“ sei. Konkret ging es um eine Somalierin, der in der BRD Asyl verweigert wurde. Sie floh von Deutschland nach Großbritannien und stellte dort erneut einen Antrag. Unter Verweis auf die EU-weite sog. „Drittstaatenregelung“, nach der Flüchtlinge, die aus „sicheren Drittstaaten“ einreisen, die Aufnahme zu verweigern ist, wollte das britische Innenministerium sie nach Deutschland zurück schicken. Das oberste britische Gericht kam jedoch zu dem besagten Urteil, der Asylantrag wurde daraufhin in Großbritannien geprüft.
Zakia Mashiri floh Ende ´79, nach dem Einmarsch der Sowjetarmee in Afghanistan, zu ihrem Mann nach Hamburg-Bergedorf und bekam dort zwei Kinder. Die Familie wurde von den deutschen Behörden als asylberechtigt anerkannt und erhielt später die deutsche Staatsbürgerschaft. Anfang der 90er Jahre nahmen in der BRD gewalttätige Übergriffe mit rechtsextremen Hintergrund drastisch zu. Das bekam scheinbar auch Familie Mashiri zu spüren. Bei der Anhörung vor Gericht in den USA gab Zakia Mashiri an, ihr Mann ,ein Taxifahrer, sie zwei mal von Neonazis überfallen worden. Einer ihrer Söhne, damals 14 Jahre alt, sei auf dem Heimweg von der Schule von Skinheads verfolgt und brutal zusammengeschlagen worden. Die Reifen ihres Autos seien zerstochen, die Wohnung sei verwüstet und an der Windschutzscheibe ihres Autos eine Todesdrohung hinterlassen worden. Bei all dem seien sie immer wieder mit der faschistischen Parole „Heil Hitler“ konfrontiert worden.
Knapp 20 Jahre nachdem Zakia Mashiri nach Bergedorf kam, packte sie ein zweites Mal ihre Sachen und floh in die USA, wo sie wieder Asyl beantragte. In erster Instanz wurde dies abgelehnt, da die Familie in eine sichere Region der BRD umziehen könne. Doch laut Angaben des US-Außenministeriums gibt es eine solche Region hierzulande nicht. Eines Berichts des San Francisco Chronicle vom 23. Oktober ´04 zufolge, konstatierte Richterin Fletcher, Zakia Mashiri habe „eine glaubwürdige Anzahl von Todesdrohungen, Gewalt gegen Familienmitglieder, Vandalismus, ökonomischer einbußen und emotionalem Trauma“ geschildert, summiert zu einer Verfolgung, „die abzuwenden die Regierung versäumt habe“.
Mashiris Anwältin, Kathrin Mautino, untermauerte die Angaben ihrer Mandantin mit Zeitungsberichten über rassistisch motivierten Gewalttaten in der BRD – keine Kunst, angesichts von Hoyerswerda, Hünxe, Rostock, Mölln, Solingen und vieler anderer Ortsnamen, die zum Synonym für rassistische und antisemitische Übergriffe wurden.
Im September ´91 wurde in Hoyerswerda eine Asylunterkunft, in der 220 Menschen aus 21 Nationen lebten, mit Molotow-Cocktails und Stahlkugeln attackiert. Im Oktober ´91 wurde eine Flüchtlingsunterkunft in Hünxe am Niederrhein angezündet, zwei libanesische Mädchen erlitten dabei schwerste Verbrennungen. Im August ´92 wurde eine Asylunterkunft in Rostock-Lichtenhagen fünf Nächte lang attackiert und schließlich angezündet. Wie durch ein Wunder erlitt niemand dabei schwere Verletzungen. Im November ´92 wurde in Mölln das Haus einer türkischen Familie in Brand gesteckt, zwei Kinder und eine Frau kamen in den Flammen um. Pfingsten ´93 starben fünf türkische Frauen und Mädchen bei einem Brandanschlag in Solingen. Das Nachrichtenmagazin Stern berichtete im April 2003, seit der Wiedervereinigung Deutschlands seien 99 Menschen durch „rechtsextremistische Gewalt“ ums Leben gekommen. Das sei das Ergebnis einer Studie der Frankfurter Rundschau (FR) und des Berliner Tagesspiegel. Die Bundesregierung hingegen gehe von 39 Opfern aus, so der Stern. Diese Differenz erklärte sich das Hamburger Magazin dadurch, dass viele der von FR und Tagesspiegel genannten Fälle offiziell nicht als rechtsextreme Gewalt registriert seien. So zum Beispiel der Mord an dem 17jährigen Marinus Schöbel in einem brandenburgischen Dorf im Sommer ´02. Der Jugendliche wurde von drei etwa Gleichaltrigen tagelang gefoltert, ermordet und sein Leichnam in eine Jauchegrube geworfen. Marinus hatte sich die Haare blond gefärbt und trug Rapper-Outfit, deswegen wurde er als Jude beschimpft und umgebracht. Diese antisemitisch begründete Tat wurde laut Stern – zumindest bis zu dem Bericht 2003 - offiziell nicht als rechtsextrem motiviertes Delikt geführt, da das brandenburgische Innenministerium „die Bewertung bisher offen lässt“.
Neofaschistische Umtriebe waren Anfang der 90er Jahre auch in Hamburg an der Tagesordnung – und sind es noch. Am 8. Mai 1978 machte eine Gruppe Neofaschisten durch eine medienwirksame Aktion in der Hamburger Innenstadt auf sich aufmerksam: Mit Eselsmasken und einem Pappschild mit der Aufschrift „Ich Esel glaube noch, dass im Dritten Reich Juden vergast wurden“ marschierten sie durch die City. Einer der „Esel“ war der ´91 verstorbene Michael Kühnen, bekennender Mussolini-Fan, der wegen seiner faschistischen Aktivitäten aus der Bundeswehr entlassen wurde. Außerdem Christian Worch, bis heute einer der führenden Köpfe der neofaschistischen Szene. 1982 wurde ein Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg verübt, bei der zwei Menschen starben. Daran soll der Jurist Manfred Roeder maßgeblich beteiligt gewesen sein. Der rechte Anwalt schrieb in den 70er Jahren das Vorwort zu dem Buch „Die Auschwitzlüge“ des ehemaligen SS-Mannes Thies Christoffersen. Nach dem Attentat wurde er wegen Beihilfe zum zweifachen Mord zu 13 Jahren Haft verurteilt, 1990 wurde er vorzeitig entlassen und setzte seine faschistischen Umtriebe fort. Das sind zwei Beispiele aus der Hansestadt, die Liste ließe sich beliebig – und bis in die Gegenwart hinein - fortsetzen.
Nicht nur Schily wurde durch das Urteil aufgeschreckt, sondern auch die Hamburger Behörden. Bei der Hamburger Polizei sind offensichtlich die von Zakia Mashiri geschilderten Gewalttaten nicht registriert. Diese seien „maßlos übertrieben“, wenn nicht gar „erfunden“ schlussfolgert Schily daraus. Eine Möglichkeit, eine andere schilderte Frau Mashiri dem US-Gericht: Nach dem Überfall auf ihren damals 14jährigen Sohn habe sie die Polizei verständigt. Jedoch ohne Erfolg, denn ihr sei gesagt worden, Ausländer müssten auf sich selbst aufpassen. Ob es sich bei der Darstellung um bloße Hirngespinste handelt oder ob die Vorfälle der Realität entsprechen, soll jetzt von den Hamburger Behörden ermittelt werden.
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Ergänzungen

Bekennender Bergedorfer

Momo 26.10.2004 - 15:45
Nun passiert es schon jeden Abend, dass dir in Bergedorf Nazis begegnen, die sich auch frie dazu bekennen. Da muss zuwider gehandelt werden, deshalb muss eine Antifa-Gruppe wieder im Viertel gegründet werden, die, meiner Meinung speziell mal die umliegenden Schulen besuchen sollten!!!

Direkte Aktion muss her!!!

Nazi-hort Hamburg Bergedorf

Worchfresser 26.10.2004 - 16:00
HH bergedorf u. Lohbruegge sind in der tat eine extrem beliebte gegend von faschos. auch wenn sich dieser ballungsraum von nationalisten/neo faschisten aus den spaeten 80'ern und fruehen neunzigern etwas aufgeloest hat (vorallem durch den umzug wullfs nach meckpomm), so hat doch vorallem unser aller worch doch immer noch eine sehr ergebene jugendclique im auessersten suedosten hamburgs am start. wenn sich einige aus der region mal gefragt haben wer diese haesslichen 16-25 jaehrigen mit ihrem albernen techno outfit, zentnern gel in den haaren, tiefergelegten karren mit altdeutschen schriftzuegen an der hinterscheibe und ner mega akne sind, die immer in gruppen zwischen 6-15 leuten am sachsentor oder der lohbruegger fussgaengerzone rumhaengen, das sind worchies bubies. natuerlich gibt's auch immer noch die "root boys", relikte der alten zeit, die noch die nl-zentrale in lohbruegge mitbetrieben haben; mindestens einer wohnt wohl an der wentorfer strasse in bergedorf, hinter dem connaissance in richtung holtenklinker. diese leute entsprechen noch dem gut bekannten musster, sprich springerstiefel, glatze und was alles dazu gehoert. die alten herren beschraenken sich nun wohl darauf, den jungen ordentlich ins hirn zu scheissen und ihnen diese aufkleber von wegen "ruhm und ehre der wehrmacht und dt. waffen ss" sowie "deutscher frieden statt us-kriege" oder "stoppt die auslaenderflut in dt. klassenzimmern" in die hand zu druecken, damit die jung burschen damit unuebersehbar das sachsentor und das ganze gebiet zwischen der alten holstenstrasse und "unserem" cafe flop zu kleistern koennen. im fruehjahr dieses jahres dann das altbekannte zerstoeren von plakaten der linksalternatien regenborgen partei, das strassentheater zur von denen sog. "Schandausstellung" sowie dieser weihnachtsmann scheiss ("wer an mich glaubt, glaubt auch reemtsmas luegen") und dann die verfolgungsjagd von drei jugendlichen quer durchs viertel, denen kein buerger helfen wollte, obwohl sie mehrmals drum gebeten hatten. wird verdammt zeit das die antifa bergedorf wie phoenix aus der asche wiederaufersteht...

"den angekratzten Ruf der BRD"

Anmerker 26.10.2004 - 16:49
Es überrascht, daß Schily den Vorfall als negativ oder peinlich empfindet.
Nach den jüngsten Ereignissen in Griechenland (politische Verurteilungen ohne Beweise, Isohaft/Folter, Totalüberwachung -  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/18643/1.html) oder regelmässig bei neuen Aktionen der extremen Rechten, die in Italien, USA oder Türkei regieren gibt es von Schily unterstützende Erklärungen und viel Lob. Schily selbst lehnt rechtsstaatlichkeit ab und vertritt Positionen der extremen Rechten.
Warum also ist Schily jetzt dieser Vorfall so peinlich?

is doch ne prima abschreckung

irgend einer 26.10.2004 - 19:48
überrascht mich schon das schilly um ansehen besorgt ist, immerhin wird auch sonst alles getan um potentielle flüchtlinge vom einreisen abzuhalten. Das geht sogar soweit das man mit unterstützung der deutschen regierung berichte von nazi-übergriffen in dritte welt ländern zeigt.

schau an

anti 26.10.2004 - 22:48
schau an, schau an, wie schnell ottolein doch aktiv werden kann, wenn es um das "ansehen" deutschlands geht. dass seit der wiedervereinigung in jedem jahr im schnitt 10 menschen durch neonazis umgebracht wurden, kümmerte ihn da schon weniger.
anstatt sich über entscheidungen amerikanischer gerichte aufzuregen, sollte er mal lieber die rostocker justiz (die 10 jahre für die verurteilung von lichtenhagen-randalierern brauchte) aufwecken!
aber am ende hilft ja doch nur selbsthilfe... wie wär's mal mit 'ner demo à la köpenick in bergedorf?

Gute Nachricht!

Arrow 27.10.2004 - 00:37
Endlich wird auch mal das Ausland nach längerer Zeit wieder darauf aufmerksam was hier abgeht! Und Schily ist ziemlich angepisst!

Echt eine gute Nachricht! Mal beobachten was da noch nachkommt!

auch wenn Icke Blödsinn labert...

ich 27.10.2004 - 18:29
...aber so naiv kannste jawohl nicht sein:
>> Wenn ihr Asylantrag durch ist wird sie in den USA auch frei leben können. Hätten Behörden eventuelle Bedenken würden sie sie wohl abweisen. <<

naja... komische Feststellung, egal auf welches Lang bezogen!

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Schily auch mal anders — p.berger